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Sonja Gross: Leichte Sprache

Rezensiert von Ilka Bröcheler, 14.05.2024

Cover Sonja Gross: Leichte Sprache ISBN 978-3-456-96272-6

Sonja Gross: Leichte Sprache. Grundlagen und Anleitung für eine barrierefreie Kommunikation. Hogrefe AG (Bern) 2023. 176 Seiten. ISBN 978-3-456-96272-6.

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Thema

Immer häufiger hört man im Kontext von Informationsvermittlung von Leichter Sprache. Aber was steckt eigentlich dahinter? Was ist Leichte Sprache? Warum brauchen wir Leichte Sprache? Wer braucht Leichte Sprache? Wann ist Leichte Sprache hilfreich? Wie können wir Leichte Sprache nutzen?

In Ihrem Buch gibt uns Sonja Gross Antworten auf diese Fragen. Sie führt in die Begrifflichkeiten ein, diskutiert die Vor- und Nachteile und schaut kritisch auf die Umsetzung. Da sie mit vielen Beispielen arbeitet, ist das Buch sehr alltagsnah und praxisorientiert. Zudem bekommen die Leser:innen konkrete Tools zur Anwendung.

Aufbau

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert:

  • Im ersten Teil geht es um das Verständnis von Leichter Sprache. Wie wird Leichte Sprache definiert und welche Auswirkungen sie hat. Sonja Gross erläutert den Unterschied zwischen Leichter und Einfacher Sprache und wie diese entstanden sind. Dazu gehört auch die Entwicklung der gesetzlichen Grundlage. Ebenso werden Chancen und Kritiken aufgeführt und vor allem Einsatzmöglichkeiten beschrieben.
  • Im zweiten Teil wird es dann praktisch. Es werden wissenschaftliche Erkenntnisse und Regeln rund um Zielgruppen, Bereitstellung von Texten und Qualitätssicherung vorgestellt. Den Leser:innen wird nahegebracht, wie Informationen in Leichter Sprache erstellt werden können und welche Regelwerke und Labels es gibt. Zudem werden die 20 wichtigsten Prinzipien erläutert.

Inhalt

Sonja Gross beginnt das Buch mit dem Satz „bei der intendierten Realisierung der linguistischen Simplifizierung des regionalen Idioms resultiert die Evidenz der Opportunität extrem apparent, den elaborierten und quantitativ opulenten Usus nicht assimilierter Xenologien konsequent zu eliminieren!“ (Gross 2023, S. 7). Dieser macht direkt deutlich, wie komplex die deutsche Sprache oft ist, dass es anstrengend sein kann Texte zu lesen und dass die Motivation weiterzulesen gering ist. Dieser Satz bedeutet einfach formuliert „Es ist sinnvoll, nicht so viele schwierige Fremd-Wörter zu benutzen.“ (Gross 2023, S. 8). Nach diesem Einstieg gibt es noch weitere Beispiele aus der Praxis, die die Wichtigkeit von Leichter Sprache in vielen Kontexten verdeutlichen. Da das durchschnittliche Leseniveau der Bevölkerung deutlich unter dem Sprachniveau von Behörden, Unternehmen und Fachpersonen liegt, werden viele Informationen nicht verstanden, oder aber gar nicht erst gelesen. Aufgrund der verschiedenen Sprachniveaus muss überlegt werden, ob der Begriff Leichte Sprache richtig ist, oder aber ob es vielleicht, wie auch schon in anderen Ländern (z.B. englischsprachiger Raum, Finnland), mehr Flexibilität braucht. In Deutschland gibt es auch die einfache Sprache, die ohne feste Regeln auskommt, die Texte aber verständlicher macht. Sonja Gross benutzt in ihrem Buch den Begriff „Leichte(re) Sprache“, der alle Formen vereinfachter Sprache zusammenfasst. Neben den eigentlichen Zielgruppen, den Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und Lernschwierigkeiten, macht sie darauf aufmerksam, dass es vielen anderen Personen auch helfen kann, Informationen in Leichter(er) Sprache zu bekommen. Dazu können z.B. Menschen nach Hirnverletzungen, mit geringer Lesekompetenz, Sinnesbeeinträchtigungen oder geringen Deutschkenntnissen zählen. Aber auch fachfremde Inhalte, Zeitdruck und ein Überfluss an Informationen können dazu führen, dass die Leichte(re) Sprache bevorzugt wird. Ergänzend ist Leichte(re) Sprache für all diejenigen von großer Bedeutung, die mit Zielgruppen der Leichte(re)n Sprache in Kontakt treten. Sie sind nicht nur dazu angehalten die Leichte(re) Sprache anwenden, sondern profitieren davon, da ihre Informationen verstanden werden und adäquater gehandelt werden kann. Die Nutzung von Leichter(er) Sprache ist gesetzlich verankert (UN-Behindertenrechtskonvention, Behindertengleichstellungsgesetze, Gesetze im Bereich der Digitalisierung).

Es werden die Chancen und auch Grenzen der Leichte(re)n Sprache aufgezeigt. Dabei geht sie vor allem auf die Begriffe Inklusion, Teilhabe und Chancengleichheit ein. Kann Leichte(re) Sprache inkludieren? Oder exkludiert sie direkt wieder? Bedeutet Gleichheit auch Gerechtigkeit? Das sind nur einige Fragen, die Sonja Gross ergänzend mit Abbildungen versucht zu beantworten. Im Anschluss geht sie detailliert auf Kritikpunkte ein. Sie schafft ein Bewusstsein für diese, sodass sie beim Erstellen von Texten in Leichter(er) Sprache reduziert werden können. Häufige Kritikpunkte sind, dass Leichte Sprache stigmatisierend sei und vor den Kopf stoße und dass der Inhalt, die Form und Gestaltung nicht angemessen wären.

Im Buch wird schnell deutlich, dass Leichter(re) Sprache eigentlich in allen Bereichen ein Gewinn sein kann. Besonders hebt Sonja Gross die Bereiche Gesundheit, Betreuung, Bildung und Erziehung, Verwaltung, Privatwirtschaft und Führung hervor. Durch den Einsatz von Leichter(e) Sprache können selbstbestimmt Entscheidungen getroffen und Missverständnisse vermieden werden. Es müssen weniger Rückfragen gestellt werden, die Abläufe sind reibungsloser und die Zufriedenheit steigt. Somit können perspektivisch Ressourcen, Zeit und Geld gespart werden.

Aber wie wird Leichte(re) Sprache nun angewendet? Sonja Gross gibt zahlreiche Tipps, die zur Vorbereitung helfen. Bevor mit dem Schreiben eines Textes begonnen wird, braucht es Informationen zur Zielgruppe und zur Bereitstellung der Informationen. Wer liest den Text und welches Vorwissen wird mitgebracht? Wo wird der Text in welcher Form veröffentlicht? Zudem sind Überlegungen zu Hilfsmitteln, wie Übersetzungsbüros, Regelwerke und Übersetzungstools notwendig. Auch hier schaut sie wieder kritisch auf die einzelnen Aspekte und lässt die Leser:innen daran teilhaben. Zu den einzelnen Aspekten gibt sie Vordrucke und Checklisten an die Hand, die genutzt werden können. Vor der Veröffentlichung eines Textes stellt sich die Frage der Qualitätssicherung. Wie wird der Text überprüft? Durch eine externe Prüfgruppe (Nutzer:innen der Leichten Sprache), durch das Vier-Augen-Prinzip, über Prüftools (Softwareprogramme) und/oder durch Fachpersonen?

Sonja Gross zeigt eine Übersicht der gängigen Regelwerke, ihre Gemeinsamkeiten und auch Unterschiede. Der größte Unterschied ist der, dass die einen aus der Praxis heraus und somit unter Einbezug der Zielgruppe entstanden sind (z.B. Inclusion Europe oder Netzwerk Leichte Sprache). Die anderen wurden sprachwissenschaftlich entwickelt (z.B. Universität Hildesheim). Dabei ist es ihr wichtig, die Regelanwendung unter Einbezug der Angemessenheit zu sehen. Angemessen bedeutet in diesem Zusammenhang, wer ist die Zielgruppe und welches Sprachniveau liegt vor, welche Funktion hat der Text, wie wird er wiedergegeben und entspricht er den Vorgaben des Überbringers der Informationen.

Zum Schluss erklärt Sonja Gross die 20 wichtigsten Prinzipien der Leichte(re)n Sprache. Dabei geht es unter anderem darum, dass einfache Wörter und kurze, positiv und aktiv formulierte Sätze verwendet werden. Ein Text beinhaltet nur die wichtigsten Informationen und ist klar strukturiert. Dazu werden eine gut lesbare Schrift und Bilder verwendet.

Im Verlauf baut sie insgesamt 11 kleine Übungen ein, bei denen die Leser:innen schon während des Lesens versuchen können, die Leichte(re) Sprache anzuwenden. Sie arbeitet immer wieder mit Beispielen, die den Nutzen veranschaulichen und es konkret machen. 

Diskussion

Sonja Gross macht es den Leser:innen ihres Buches einfach. Sie hat einen klaren und leicht lesbaren Schreibstil, sodass sich das Buch gut lesen lässt. Die Gliederung des Buches ist logisch und nachvollziehbar aufgebaut. Sie schafft es, die fachlichen Aspekte im Text so zu erklären, dass der Lesefluss nicht unterbrochen wird und Fachliteratur zur leichten Kost wird. Die Abbildungen, Tabellen, Tipps und Checklisten lockern den Fließtext auf und motivieren weiterzulesen. Zudem sind sie eine passende Ergänzung zum Text, sodass dieser nochmal unterstützt, verdeutlicht oder zusammengefasst wird und Inhalte schnell wiedergefunden werden. Die Zusammenfassungen am Ende eines jeden Kapitels machen auch ein schnelles Überfliegen des Buches möglich.

Die Leser:innen erfahren selbst, was es heißt, Sätze nicht zu verstehen. Durch den hohen Anteil an alltagsnahen Praxisbeispielen gibt es einen direkten Bezug zum Einsatz und eine klare Vorstellung der Bedeutung von Leichter(er) Sprache.

Sonja Gross weckt die Lust Leichte(re) Sprache anzuwenden und zu nutzen. Durch die vielen Übungen im Text bekommen die Leser:innen einen Eindruck, wie schwer Leichter(e) Sprache sein kann und dass sie nicht 'mal eben' genutzt wird. Sie bedarf viel Übung.

Ein bisschen zu kurz kommen die separaten/ergänzenden Regeln für die Leichte(re) Sprache in gesprochener Form.

Insgesamt ein sehr gelungenes Werk, welches anschaulich die Leichte Sprache beleuchtet, die immer mehr an Bedeutung gewinnt und ein viel größeres Bewusstsein braucht.

Fazit

Leichte(re) Sprache ist eine stark vereinfachte Form der Sprache zur Vermittlung von Informationen für eine Vielzahl an Personen, die Schwierigkeiten haben, komplexe Inhalte zu verstehen. In dem Buch wird ansprechend erklärt, wie Leichte(re) Sprache entstanden ist und wie sie angewendet werden kann.

Rezension von
Ilka Bröcheler
Akademische Sprachtherapeutin
Master of Arts - Language & Speech Pathology
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Es gibt 1 Rezension von Ilka Bröcheler.

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ISSN 2190-9245