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Tom Buschardt: Wer antwortet, führt

Rezensiert von Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf, 11.01.2024

Cover Tom Buschardt: Wer antwortet, führt ISBN 978-3-8462-1464-0

Tom Buschardt: Wer antwortet, führt. Die Vorteile des konstruktiven Egoismus in der Kommunikation. Reguvis Fachmedien GmbH (Köln) 2023. 150 Seiten. ISBN 978-3-8462-1464-0. D: 49,00 EUR, A: 50,40 EUR.

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Thema

In diversen Berufen passiert es, dass Menschen sich Fragen von Journalist:innen stellen (müssen). CEOs, Pressesprecher:innen, Marketingexpert:innen u.a. müssen auf Fragen oft schnell antworten und „Soundbites“ parat haben, was herausfordernd ist, wenn nicht alle Informationen bekannt oder Sachverhalte komplex sind. Es gilt in solchen Situationen, einen kommunikativen Drahtseilakt zu meistern, bei dem man schnell in die Defensive gedrängt werden kann und Gefahr läuft, etwas Unbedachtes zu sagen, was in unserer Zeit der großen Gereiztheit, wie Bernhard Pörksen es nennt, einen „Shitstorm“ auslösen kann. Gerade durch die schnelle Verbreitung von Informationen und bedingt durch die „Erregungsmaschine“ Social Media entsteht durch unbedachter Äußerungen schnell ein negatives Bild. Das gilt es zu vermeiden. Wie das gelingen kann, wie man in solchen Gesprächs- und Interviewsituationen, in Befragungen und Talkshows souverän agiert, die eigene Botschaft klar vermittelt, ein positives Image erzeugt, Informationen geschickt rahmt, sich nicht aufs Glatteis führen lässt und das Gespräch im eigenen Sinne positiv beeinflussen kann, beleuchtet Tom Buschardt in seinem Buch „Wer antwortet, führt“.

Autor

Tom Buschardt ist gelernter Journalist und arbeitet als Kommunikations- sowie Medientrainer. Er moderierte mehrere Jahre im ARD-Hörfunkprogramm und war als Dozent & Coach tätig an der Akademie des Auswärtigen Amtes. Er hat diverse Texte in Fachbüchern und Zeitschriften verfasst.

Aufbau und Inhalt

Das 2023 im Reguvis Verlag erschienene Buch hat 167 Seiten und ist in 13 Kapitel unterteilt. Im ersten Kapitel schildert Buschardt, dass wir klare Ziele in unserer Kommunikation bräuchten, „dann wissen wir anhand der Fachlichkeit und der Detailkenntnis, über die wir verfügen, auch fast wie von selbst, wie wir argumentieren müssen, um diese Ziele zu erreichen. In solchen Fällen führt, wer antwortet“ (S. 13). Es falle schwer, ein freies Fachthema in ca. einer Minute zusammenzufassen. Das liege „oftmals in der enormen Detailkenntnis der Probanden oder an der Komplexität des Themas“, ist Buschardt überzeugt (S. 14). Besonders problematisch seien fiktive Einstiegsfragen, die möglichst offen formuliert sind. Offene Fragen im Interview könnten für Antwortende gefährlich sein, da sie einen größeren Spielraum für die Antwort geben und man nicht sicher sein könne, welche Art von Antwort der/die Interviewer:in erwartet.

Offene Fragen in einem Interview könnten auch dazu führen, dass der Antwortende zu langen und ausführlichen Antworten neigt, die vom eigentlichen Thema abweichen und wertvolle Zeit verlieren – „insbesondere bei den elektronischen Medien wie Hörfunk, Fernsehen oder entsprechenden technischen Adaptionen im Internet“ (S. 14). Wenn Antwortende nicht in der Lage seien, eine Frage klar zu beantworten, könne das den Eindruck von Inkompetenz suggerieren. Zu beachten sei, dass offene Fragen auch Gelegenheit böten, sich von anderen abzuheben, indem man Botschaften glaubhaft darlege. Daher sei es „wichtig, sich bei einer unpräzisen Generalfrage vor allem darauf zu konzentrieren, eine klare und präzise Antwort zu geben und auf die eigenen Bedürfnisse einzugehen“ (S. 15). Im zweiten Kapitel steht das Interview als Kommunikationssituation im Fokus des Autors. Er reflektiert hier, welcher Kompetenzen und Vorbereitungen es bedürfe, um eine journalistische Interviewsituation zu meistern.

„Um bei einer offenen, unfokussierten Frage brillieren zu können, bedarf es einer Fokussierung im Vorfeld“, schildert Buschardt (S. 18). Im weiteren Verlauf des Kapitels geht er auf die Spezifika des journalistischen Handelns in Interviews ein und befasst sich ebenfalls mit der Bedeutung der Autorisierung von Interviewaussagen. Ferner wird dargelegt, was bei vertraulichen Informationen zu beachten sei. Warum der-/diejenige führe, der/die Frage, wird im dritten Kapitel fokussiert. Hier nimmt Buschardt Bezug auf den strukturierten Dialog nach Sokrates. Sein Ansatz komme „aus der Anwendung und der neuen Wahrnehmung dieser Sokratischen Dialogs“ (S. 37). Sokrates Methode ließe sich anhand von sechs Grundmustern von Fragestellungen erkennen und sei für den Gesamtdialog gut anwendbar, „wenn es darum geht, Meinungsverschiedenheiten zu behandeln oder gar zu lösen. Argumentation wird kritisch hinterfragt und zeigt Logikbrüche und Ungereimtheiten sehr gut auf“, heißt es im Text (ebd.).

Bedeutsam sei es, strukturierende Fragen zu stellen, ein klärendes Denken an den Tag zu legen, Beweise einzufordern, alternative Standpunkte zu klären, die Konsequenzen der Argumentation zu berücksichtigen und adäquat offene Fragen zu stellen bzw. darauf zu reagieren. Geschlossene Fragen fungierten indes „gut als Zwischen-Fazit oder Fazit, um die Positionen des Gesprächspartners einzugrenzen, beziehungsweise klarer zu formulieren, als er es in den Antworten schafft“ (ebd.). Was beispielhafte Fragen sind, die klärendes Denken sowie Annahmen, Fakten und Beweise zeigten und wie Fragen aussehen könnten, die gestellt werden (können), um Alternativen zu klären, wird ebenso dargelegt wie offene (Meta-)Fragen und Fragen, die Folgen von etwas (er)klären sollen. Er selbst mache im Coaching oft „die Erfahrung, dass vor allem Führungskräfte sich gerne im Interview führen lassen – und dadurch inhaltliche Führung abgeben, obwohl genau das Gegenteil besser wäre“, schreibt Buschardt (S. 40).

Eine gute Einsatzmöglichkeit für den Sokratischen Dialog fände sich neben der Lösung einer Zielunklarheit und der Entscheidungsfindung u.a. bei der Lösung von Werte- und Zielkonflikten. Im weiteren Verlauf des Kapitels dekonstruiert der Autor die „Kommunikationstricks der AfD“, die er als Akte der Provokation, Proklamation einer Opferrolle, Vereinfachung, Rechtspopulismus und Social-Media-Präsenz analysiert. Was es mit der Bedeutung des konstruktiven Egoismus auf sich hat, reflektiert Buschardt im vierten Kapitel. Dieser sei ein Begriff, „der in der Philosophie und in den Sozialwissenschaften verwendet wird. Der Ausdruck bezieht sich auf eine Art von Egoismus, bei dem eine Person ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse verfolgt, aber dabei auch die Interessen und Bedürfnisse anderer berücksichtigt und auf eine Weise handelt, die für alle Beteiligten vorteilhaft ist“, schreibt der Autor (S. 52).

In strategischer Kommunikation gehe es um eine klare Verfolgung einer klaren Interessenlage. „Ein konstruktiver Egoist sieht in der Regel seine eigenen Interessen nicht im Widerspruch zu den Interessen anderer, sondern als Teil eines größeren Ganzen, in dem alle Beteiligten profitieren können. Dieser Ansatz geht davon aus, dass eine Person am besten in der Lage ist, ihre eigenen Interessen zu schützen, wenn sie auch die Interessen anderer respektiert und berücksichtigt“, macht Buschardt deutlich (ebd.). Der konstruktive Egoismus unterscheide sich von anderen Formen des Egoismus, „bei denen die Interessen anderer vernachlässigt oder missachtet werden, was oft zu Konflikten und destruktiven Ergebnissen führt“ (ebd.). Im Gegensatz dazu fördere konstruktiver Egoismus Kooperation und Respekt, was zu einer besseren Beziehung zwischen den Beteiligten führe, heißt es im Text (S. 53).

Auch bezugnehmend auf die Ethik sei konstruktiver Egoismus ein wichtiger Bestandteil der moralischen Philosophie, der gemäß jedem Mensch für sich selbst verantwortlich sei, aber auch für die Interessen anderer einzutreten habe. Die Philosophin Ayn Rand argumentiere, so Buschardt, „dass es moralisch notwendig ist, dass jeder Mensch seine eigenen Interessen verfolgt, um ein erfülltes und produktives Leben zu führen. Rand betonte, dass eine Person ihr eigenes Leben am besten versteht und am besten in der Lage ist, ihre eigenen Interessen zu schützen, und dass es daher ihre moralische Pflicht ist, ihre eigenen Interessen zu verfolgen“ (S. 53). Kurzum sei es moralisch gerechtfertigt, dass jeder Mensch seine eigenen Interessen verfolge, solange dabei nicht die Interessen anderer untergrabe oder deren Freiheit illegitim beschränkt werde.

„Wer antwortet, führt“ – so lauter die Überschrift des fünften Kapitels. Um das leisten zu können, müsse man zunächst „ein wenig egoistischer werden und nicht dem Bedürfnis nachgeben, alles und jedes so zu beantworten, wie Ihr Gegenüber es vielleicht gemeint haben könnte“, erklärt Buschardt (S. 57). Das Ergebnis wäre nämlich wenig fokussiert und man komme „vom Hölzchen aufs Stöckchen aufs Blättchen und auf die Raupe – wechseln gewissermaßen von Flora zu Fauna und merke das gar nicht“ (ebd.). Was aber alle merkten sei, „dass Sie hier ins Schwafeln geraten, Ihrem Gegenüber mit Fachlichkeit und Details offenbar erschlagen möchten, und Sie werden dadurch nur noch unbeliebter“ (ebd.). Geboten sei es, sich zu fokussieren. Was ist mein Top-Thema, zu dem ich Auskunft geben möchte? Das zu reflektieren und sich vor Augen zu führen, sei essenziell, was mittels eines Beispiels aus der Automobilindustrie beschrieben wird, anhand dessen der Autor darlegt, wie konstruktives egoistisches Führen durch Fragen aussehen kann.

Darüber hinaus sei auch Framing ein wichtiger Bestandteil des konstruktiven Egoismus. Darunter zu verstehen sei „ein Konzept in der Kommunikation, das besagt, dass die Art und Weise, wie Informationen präsentiert werden, einen Einfluss auf die Art und Weise hat, wie Menschen diese Informationen verstehen und interpretieren. Durch das Verwenden von bestimmten Sprachelementen, Bildern und Metaphern kann ein Sender seine Perspektive und seine Absichten auf den Empfänger übertragen“ (S. 59). Framing werde verwendet, um eine Agenda zu unterstützen oder Entscheidungen zu beeinflussen. Ein Beispiel dafür sei „die Art und Weise, wie eine politische Partei eine neue Steuergesetzgebung präsentieren kann: Eine Partei kann sie als notwendige Maßnahme zur Stärkung der Wirtschaft darstellen, während eine andere Partei sie als ungerechte Belastung für den Mittelstand darstellen kann“ (ebd.). Wie man sich das Wissen um die Wirkung zu eigen machen und dialogisch nutzen könne, wird beispielhaft beschrieben.

„Projektionsbegriffe und Projektionstechniken“ werden im sechsten Kapitel beleuchtet. Was darunter zu verstehen sei und inwieweit dies problematisch – wie auch nützlich – sein könne, wird dargelegt. Projektionsbegriffe könnten eine schädliche Wirkung haben, „wenn sie auf Menschen treffen, die noch gar keine Projektion entwickeln konnten“, für die bestimmte Begrifflichkeiten nur eine Wortphrase seien (S. 69). Eine positive Projektion entstehe aber nicht durch einen Projektionsbegriff, sondern eine weitere sinnliche Projektion durch die konkrete Benennung einer Anwendung, was der Autor am Beispiel von Müsli und Schokolade verdeutlicht. Für manche Leute gingen damit positive Projektionen einher, für andere keine. „Bei der Müsli-Maschine entsteht die Sinnlichkeit in der Kommunikation durch unsere Fantasie (!) über all das, was noch möglich wäre. Wichtig ist, dass wir in unseren Antworten nicht nach starren Regeln kommunizieren, sondern nach dehnbaren Regeln – aber festen Prinzipien“, schreibt Buschardt (S. 71). Das Prinzip laute, Ding sinnlich zu machen, statt einfach Produkteigenschaften zu beschreiben.

Ein weiteres Beispiel für Projektionen erläutert der Autor durch Rekurs auf das politische Geschehen, um dann auf die Effektivität der „Scholz-Rhetorik“ zu sprechen zu kommen. Der Autor erklärt, Bundeskanzler Olaf Scholz habe im Wahlkampf mit seiner Rhetorik punkten können – und sei anschließend Kanzler geworden. Folgerichtig habe er rhetorisch einiges richtig gemacht. Die Kritik, dass Scholz oft Schachtelsätze produziere und viel sage, ohne inhaltlich konkret zu werden, beschreibt Buschardt nicht als etwas für Politiker:innen Nachteiliges, sondern als Vorteil. Denn, so meint er, wir würde „unsere gewünschten Gedanken dort hineinprojizieren und dann das für uns Passende gehört haben (wollen)“ (S. 76). Menschen hörten Politiker:innen selten hochgradig konzentriert zu, sondern oft nebenbei, im Radio beim Autofahren, oder zwischen Abendessen und Kinder-ins-Bett-Bringen, wenn im Hintergrund der Fernseher laufe. In solchen Fällen könne mit Worthülsen gepunktet werden, da diese individuell mit Bedeutung aufgeladen würden (S. 76).

Im siebten Kapitel befasst der Autor sich mit der politischen Kommunikation im Kontext der vom Kanzler propagierten „Zeitenwende“ in Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Scholz Satz im Bundestag, „die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie davor“, sei eine komplette Projektionsformulierung. Die Aussage funktioniere in alle Richtungen. Scholz schwöre die Menschen damit „indirekt auf Einschränkungen im Lebensalltag ein. Selbst, wenn er es nicht explizit sagt, hätte er im Nachhinein einen Referenzpunkt gesetzt, auf den er sich berufen kann. Hier dient die Projektionsfläche für seine Belange. […] Auf diese Art sichert man sich öffentlich für eine längeren Zeitraum kommunikativ ab“, ist Buschardt überzeugt (S. 79). Auch die Aussage, „Deutschland wird dazu seinen solidarischen Beitrag leisten“, liefere Möglichkeiten für Projektion, denn es sei gänzlich unbestimmt, wie ein „solidarischer Beitrag“ aussehe. „Fragt man Experten in den entsprechenden Ministerien, bekommt man die unterschiedlichsten und zuweilen auch kontroversen Interpretationen zu hören“, schreibt Buschardt (S. 83).

Fünf Mal habe der Kanzler den Begriff der Zeitenwende bemüht. In der Rhetorik gelte die Regel, dass das, was verstanden werden soll, fünf Mal erwähnt werden solle. Mit der Kombination aus 5 x Zeitenwende und 1 x dem Satz „Wir werden es verteidigen“ lege Scholz „die Messlatte fest: Wir werden liefern müssen. Politisch wie in militärischer Hardware“ (S. 84) schreibt Buschardt, der dann noch weitere Analysen der politischen Sprache vornimmt und Projektionspotenziale aufzeigt. Im achten Kapitel befasst er sich mit Anapher und Epipher. Beides seien „literarische Techniken, die in der Rhetorik verwendet werden, um eine Rede oder einen Text zu strukturieren und zu betonen. In der Rede folgt auf eine Abfolge von Anaphern oder Epiphern oftmals eine Applauspause, bei längeren Interviews macht man auf diese Art und Weise besonders herausragende Passagen für Journalistinnen und Journalisten besser erkennbar“ (S. 89).

Eine Anapher sei eine Wiederholung eines bestimmten Wortes oder einer Phrase am Anfang jedes Absatzes einer Rede. Eine Epipher sei die Wiederholung eines bestimmten Wortes oder einer Phrase am Ende jedes Absatzes. Beides trage dazu bei, „das Thema oder die Idee zu betonen und sorgt dafür, dass es dem Publikum länger im Gedächtnis bleibt“ (ebd.). Er selbst empfehle seinen Coachees, den oft vollzogenen argumentativen Dreiklang aus „Da gibt es drei wichtige Punkte. Erstens… Zweitens… und Drittens…“ durch eine Anapher oder Epipher zu ersetzen. Denn, so ist der Autor überzeugt: „Man ist konzentrierter, wirkmächtiger und vor allem flexibler, wenn einem beim Sprechen noch ein kluges Argument einfällt, beziehungsweise der Faden auch schon mal reißt“ (ebd.). Wie das konkret aussehen kann, beschreibt Buschardt anhand diverse Beispiele im weiteren Verlauf des Kapitels.

Im neunten Kapitel wird die große Bedeutung der Medienkompetenz näher beleuchtet. Was den aus journalistischer Sicht professionellen Umgang mit Medien betrifft, hätten wir über alle Altersgruppen hinweg erhebliche Defizite zu verzeichnen, ist Buschardt überzeugt (S. 100). Insbesondere müsse die Bedeutung von Medienkompetenz mit Blick auf die digitale Gesellschaft betrachtet werden, wo immer stärker Informationen ungefiltert, ohne journalistische Einordnung und ohne Qualitätskontrolle auf Menschen einstürmten. Medienkompetenz helfe dabei, Falschinformationen zu erkennen und ermögliche, „sich im Internet sicher zu bewegen und sich vor Cyberkriminalität, Online-Betrug und anderen Bedrohungen zu schützen“ (S. 102). Eine Folge des kommunikativen Alltags sei, dass unsere Kommunikation immer indirekter werde. „Das frühere Telefonat wird durch eine Reihe von Textnachrichten ersetzt, die Mail ersetzt den Besuch im Nachbarbüro. Die Videokonferenz ersetzt den persönlichen Besuch. Wir schicken Sprachnachrichten hin und her, statt einmal interaktiv miteinander zu sprechen“ (S. 102). Dies mache anfälliger für unbedachte Klicks.

Doch nicht nur für Privatpersonen, auch im Journalismus, für Unternehmen und in der gesamten Gesellschaft sei Medienkompetenz essenziell. Gründe dafür benennt der Autor anhand diverser Beispiele aus seiner eigenen Praxis als Coach und Dozent. Herausfordern für den professionellen Journalismus sei, dass Informationen in Sozialen Medien sich in Echtzeit verbreiten würden und man kaum hinreichend Zeit für sorgsames Fact-Checking habe, wenn man vor der Konkurrenz auf einen interessanten Sachverhalt aufspringen wolle. „Wenn wir uns in Social Media nicht in Echtzeit aufregen würden, dann hätte Journalismus auch mal Zeit, Fehler in Ruhe zu korrigieren“, meint Buschardt (S. 109). Allerdings gäbe es heute online keinen Redaktionsschluss. Im weiteren Kapitelverlauf wird seitens des Autors erläutert, wie man sich selbst gegenüber Medien verhalten sollte, wenn man in der Rolle des/der Expert:in auftrete und zum eigenen Fachgebiet interviewt werde oder einen Kommentar bzw. eine Einordnung abliefern solle.

Im zehnten Kapitel werden Fragetechniken und die Kunst der Gesprächskontrolle thematisiert. Hilfreich sei neben der Reflexion und Klarheit dessen, was man inhaltlich rüberbringen wolle, neben Fokussierung auf klare Aussagen, auch der gelingende Umgang mit Fragetechniken wie etwa Gegenfragen. Auch Pausen und Antworten auf Fragen, die so gar nicht gestellt worden, seien legitime Möglichkeiten, das Gespräch im eigenen Interesse fragend zu führen (S. 113 f.). Im elften Kapitel nimmt sich Buschardt der Bedeutung der Emotionalisierung und der bewussten Versachlichung von Aussagen an. Je nach Kontext könne beides probat sein, was anhand von Beispielen erläutert wird. Im vorletzten Kapitel behandelt der Autor Interviews im beruflichen Alltag. Wie man sich auf ein Interview gut vorbereite, wie der Einstieg gelinge, wie man generell dabei gut kommuniziere und welche Formulierungen vermieden werden sollten, wird dargelegt.

Er selbst propagiere fünf Stichworte, die anhand von fünf Fingern abgezählt werden könnten. Das sei weder zu viel noch zu wenig an Input in den meisten Interview-Settings. Der mögliche Ablauf sei dann so: „Auf jeden Finger projizieren Sie ein Stichwort. So können Sie – auch mit einer stimmigen Körpersprache – alle Finger nach und nach abarbeiten. Diese Mechanik funktioniert auch bei einem Auftritt vor Publikum: Vergeben Sie Ihre Stichworte (drei bis zehn) an Personen aus dem Publikum. Nehmen Sie hier eine Geschlechtertrennung vor: Die negativen Punkte an Geschlecht A und die positiven Punkte an Geschlecht. Wählen Sie dabei Menschen aus, die nur mittelprächtig attraktiv sind und nicht besonders aus der Masse herausragen außer bei anderen Merkmalen wie z.B. auffälliger Pullover oder markante Brille. In der Analyse von Coachees (männliche wie weiblich gleichermaßen) musste ich feststellen, dass ein auf eine besonders attraktive Person verlagertes Stichwort im Publikum während des Vortrags auf der Bühne zu einer längeren inhaltlichen Verweildauer führte und die Gewichtung der Inhalte veränderte“ (S. 132).

Im weiteren Verlauf des Kapitels werden unterschiedliche Formen von Interviews und deren jeweilige Spezifika sowie mögliche Fallstricke vorgestellt. Ebenfalls wird anhand von Beispielen erklärt, wie sich die Fallstricke umschiffen ließen. Das Kapitel endet mit grundsätzlichen Tipps, in welchen die Bedeutung zahlreicher Faktoren in Gesprächssituationen wie aktives Zuhören, klare und verständliche Kommunikation, Fokussiert- und Ehrlich-Bleiben, Nicht-Ausschweifen, Improvisieren, Vermeiden von Spekulation und Eigenlob, Atemkontrolle, Spiegeln und weiteres mehr erläutert werden. Das Buch schließt mit dem dreizehnten Kapitel, in dem die Kommunikation der letzten Generation analysiert wird. Menschen, die Anhänger:innen dieser Vereinigung ggf. einmal interviewen oder mit ihnen diskutieren, bekommen hier einige Anregungen an die Hand, was bei der Kommunikation zu beachten sei.

Diskussion

Was ist vom hier vorgestellten Werk nun zu halten? Ist es lesenswert? Und wen ja, für wen? Der Rezensent hat dazu folgende Meinung: Das Buch ist eine Mischung aus Sach- und Fachbuch, das sich eindeutig an Menschen richtet, die – zumindest zeitweise – im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen (müssen), die hin und wieder (oder des Öfteren) mir Journalist:innen zu tun haben und in die Situation kommen können, schnell spontane Statements abgeben zu müssen, auch wenn sie einen komplexen Sachverhalt noch gar nicht komplett durchschauen. Das Werk richtet sich z.B. an CEOs, Pressesprecher:innen und Marketing-Fachkräfte, die sich, wenn Sie im Blickpunkt der Medien stehen, oft binnen Sekunden positionieren sollen, aber Vorsicht walten lassen müssen, um nicht durch ein unbedachtes Wort ggf. einen „Shitstorm“ auszulösen. Das ist mitunter ein Drahtseilakt, wie die vermeintlichen kommunikativen „Fehltritte“ diverser CEOs und Politiker:innen immer wieder zeigen.

Es ist eine Kunst, eloquent nichts zu sagen, ohne dabei wie ein:e Worthülsendrescher:in zu wirken. Ebenso ist es eine Kunst, auf Fragen zu antworten, die gar nicht gestellt wurden und das Gespräch durch eigene Fragen in eine für sich passende Richtung zu lenken, ohne dabei als schädliche:r Manipulator:in in Erscheinung zu treten. Wie das gehen kann und was man dabei beachten sollte, wird von Buschardt anhand diverser Fallschilderungen aus Wirtschaft, Journalismus und Politik beschrieben. Wer als Politiker:in, Marketing-Manager:in, Pressesprecher:in oder Ähnliches arbeitet, kann von der Lektüre des Werkes sicher profitieren. Wer keine solche Position bekleidet und einfach nur ein Buch lesen möchte, das Tipps bereithält, wie er/sie die eigene Kopmmunikation durch Dinge wie offene und geschlossene Fragen, Skalierungs- und Wunderfragen, gewaltfreie Kommunikation mit mediativen Elementen, Lösungs- und Stärkenfokussierung etc. verbessern kann, findet bei Buschardt allerdings wenig, was didaktisch besser nicht schon in anderen Kommunikationsratgebern aufbereitet wurde.

Das heißt nicht, dass es sich bei „Wer antwortet, führt“ um ein schlechtes Buch handelt. Der Rezensent fand abgesehen von den Schilderungen zu den Spezifika der Kommunikation im Journalismus (bzw. zum Umgang mit Journalist:innen) aber nichts im Buch, was er nicht auch anderswo schon gelesen hat. Ein Kritikpunkt ist, dass manche Schlussfolgerungen eher weit hergeholt erscheinen. Die Implikation etwa, dass Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf mit seiner Rhetorik habe punkten können und (auch) deshalb anschließend Kanzler geworden sei, erscheint dem Rezensenten doch fragwürdig. Hinzu kommt, dass der Rekurs auf manche Themenkomplexe im Buch arg beliebig erscheint. Warum das Kapitel über Medienkompetenz? Das ist sicher ein wichtiges Thema, über das Leute wie Harald Gapski, Anja Hartung-Griemberg, Norbert Bolz, Bernhard Pörksen, Friedemann Schulz von Thun und viele andere in den letzten Jahren auch schon einiges geschrieben haben. Aber in einem Buch, das sich laut Titel speziell mit der Bedeutung von Fragen befasst, wirkt es eher deplatziert.

Dass im Buch ein so breites Potpourri an thematischen Verweisen auf unterschiedlichsten Themen- und Randbereiche vollzogen wird, die irgendwie mit Kommunikation zu tun haben, erscheint dem Rezensenten generell eher unvorteilhaft. Der Sinn des Verweises auf ethische Grundlagen des konstruktiven Egoismus erschloss sich ihm ebenso wenig wie die Verweise auf die vermeintlichen Kommunikationstricke der AFD. Stringenter wäre es gewesen, sich auf weniger Beispiele zu konzentrieren, die dann aber ausführlicher analysiert worden wären. Freilich ist das allerdings sicher Geschmackssache. Was das Layout des Buches anbelangt, ist festzuhalten, dass Schriftbild, Zeilenabstand und Größe es leicht machen, das Werk zu lesen. Die Praxistipps, die sich im Buch auf diversen Seiten finden, sind gut. Gerade davon wären noch mehr wünschenswert gewesen. Die didaktische Aufbereitung der Informationen ist in Ordnung, hätte aber optimiert werden können durch eine Zusammenfassung der Kernbotschaften am Anfang oder Ende eines jeden Kapitels, was die Informationsaufnahme sicher erleichtert hätte.

Summa summarum gilt, dass Menschen, die sich durch die Lektüre Anregungen erhoffen, wie sie die eigene Kommunikationskompetenz durch gezieltes Fragen optimieren können, um z.B. als Vorgesetzte:r, Dozent:in, Studierende:r oder Coach souveräner zu agieren, zweifellos einige Hinweise und Ideen im Buch finden. Sie finden am Markt aber auch Fachbücher, in denen das didaktisch besser aufbereitet ist. Die Stärke dieses Buches liegt daher nicht in seiner didaktischen Aufbereitung, sondern in der Fokussierung auf den professionellen kommunikativen Umgang mit Journalist:innen. Wer oft mit solchen interagiert und/oder in der Öffentlichkeit steht, kann von der Lektüre eindeutig profitieren.

Fazit

Ausgehend von seiner langjährigen Praxis als Journalist, Kommunikations- und Medientrainer gibt Tom Buschardt in seinem Buch diverse Tipps und Anregungen, die Politiker:innen, Manager:innen und anderen, die des Öfteren mit Journalist:innen zu tun haben, dabei unterstützen können, die eigene Kommunikation zu verbessern und etwaige „Shitstorms“ zu vermeiden.

Rezension von
Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf
Sozialwissenschaftler, Diplom-Sozialarbeiter/-pädagoge (FH), Sozial- und Organisationspädagoge M. A., Case Management-Ausbilder (DGCC), Systemischer Berater (DGSF), zertifizierter Mediator, lehrt Soziale Arbeit und Integrationsmanagement an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim.
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ISSN 2190-9245