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Michael Jahn: Wahre Führungskraft

Rezensiert von Prof. Dr. René Börrnert, 06.02.2024

Cover Michael Jahn: Wahre Führungskraft ISBN 978-3-593-51689-9

Michael Jahn: Wahre Führungskraft. So gelingt Leadership ohne Kampf. Campus Verlag (Frankfurt) 2023. 190 Seiten. ISBN 978-3-593-51689-9. D: 30,00 EUR, A: 30,90 EUR.

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Thema

Nicht allein maximales Fachwissen genügt als Zugangsqualifikation für einen Führungsposten. In solch verantwortungsvollen Positionen sind mindestens ebenso überfachliche Qualifikationen von Nöten, wie Zeitmanagement und Stressregulation. Diese sind aber nicht nur vom eigenen Geschick bestimmt, sondern werden auch durch externe Faktoren beeinflusst, wie unmotivierte Mitarbeitende oder herausfordernde Vorgesetzte. Aus diesem Grund kann es passieren, dass sich Führungskräfte in aussichtslose Kämpfe begeben, denen sie mitunter nicht gewachsen sind und die am Ende zu Resignation und Burnout führen.

Um zehn solcher typischen Kampfplätze geht es in dem vorliegenden Buch. Der Autor analysiert diese und bietet Strategien an, mit denen Führungsaufgaben gemeistert werden können. Entsprechende Übungen ergänzen die ausführlichen Erläuterungen.

Autor und Entstehungshintergrund

Nach einem Pädagogikstudium arbeitete Michael Jahn viele Jahre als angestellte Führungskraft, war Projektleiter, Teamleiter und Vorstandsvorsitzender, ehe er 2000 die Firma SP Training und Consulting gründete. Dieses Unternehmen gehört zu den Pionieren des Outdoor-Trainings in Deutschland. Unter der Solo-Marke „Jahn Live“ ist der Autor gefragter Coach und Mentaltrainer für Führungskräfte, Politiker:innen und Profisportler:innen. Im vorliegenden Buch fasst er seine umfangreichen Erfahrungen und sein Konzept von „Leadership ohne Kampf“ zusammen.

Aufbau und Inhalt

Nach einem Vorwort baut der Autor alle Kapitel um den Leitbegriff „Kampfplatz“ auf und verdeutlicht damit, dass alle relevanten Aspekte einer Führungskraft vom (Selbst-)Anspruch des „Kämpfen-Müssens“ geprägt sind. Ziel einer eigenen Weiterbildung müsse daher die Erkenntnis sein, solche Kämpfe zu vermeiden bzw. auszusteigen. Wie dies gelingen kann, ist Inhalt des Buches mit den nachfolgend beschriebenen Teilen. Jahn will mit seinem Buch ermutigen, sich selbst und den Mitarbeitenden mit mehr Gelassenheit, Klarheit und Souveränität zu begegnen (8).

Kampfplatz Karriere: Was ist der Beweggrund, Führungskraft zu werden? Will ich Menschen mitnehmen und für eine Sache begeistern oder gehört ein Leitungsposten in den unbedingten Plan meiner Karriere? Weniger als Methodenwissen und Selbstoptimierung prägen positive und negative Erlebnisse das Erfahrungswissen als Führungskraft. Im Einstiegskapitel zeigt der Autor, wie sich zumindest die unguten Erlebnisse weitestgehend vermeiden lassen.

Kampfplatz System: In welche Richtung zielt mein Engagement mehr, hin zu den Mitarbeitenden oder eher in den Sinnbereich der Chefetage? Jahn versucht begreifbar zu machen, dass jedes System seine Regeln und Ressourcen hat, die selbst bei größter persönlicher Anstrengung nicht zu durchbrechen oder gar zu vermehren sind. Sein Ansatz lautet hier: Loslassen heißt nicht, aufzugeben, sich überanzustrengen oder gar Zyniker zu werden, sondern mutig voranzugehen (38 f.).

Kampfplatz Zeit: Selbst die das Zeitmanagement beherrschende Führungskraft verzweifelt mitunter an Überlastungen, aber warum? Jahns Fokus erklärt das und veranschaulicht den Lesenden das Erkennen von Stressstrukturen und das Entwerfen von Lösungsansätzen, die sie gemeinsam mit Unterstellten und Chef:innen verhandeln soll(t)en.

Kampfplatz Mitarbeitende: Dialog auf Augenhöhe und offenes Benennen der Probleme sind weitere Aspekte im kampffreien Umgang mit Mitarbeitenden. Verschiedenheit von Kolleg:innen als vorteilhafte Chance zu sehen, steht hier im Blickpunkt des Kapitels und einer entsprechenden Übung mit dem Titel „Das Geschenk“: „Wertschätzung gibt uns Menschen Sicherheit und schenkt uns Motivation. Häufig kommt sie allerdings im stressigen Alltag zu kurz. Erst recht, wenn Mitarbeitende uns emotional herausfordern, uns anstrengen oder von uns kritisch bewertet werden. Umso wichtiger ist es auch in diesen Situationen, Klarheit darüber zu gewinnen, was diese Menschen trotz allem auszeichnet und was wir an ihnen schätzen sollten. Nehmen Sie sich deshalb regelmäßig Zeit und fragen Sie sich, vor allem auch bei schwierigen Mitarbeitenden: 1. Was schätze ich an diesem Menschen? 2. Warum ist sie oder er wichtig für das Team oder das Unternehmen? 3. Welche verborgenen Fähigkeiten besitzt dieser Mensch, und wie kann er sie in Zukunft mehr einbringen?[…]“ (82).

Kampfplatz Vorgesetzte: Nicht nur die Mitarbeiter:innen, sondern auch die eigenen Vorgesetzten können zur Belastung werden. Solange es im Unternehmen gut läuft, sieht und hört man von ihnen nichts, doch bei Problemen tauchen Chefinnen und Chefs plötzlich mit Vehemenz auf. Auch hier können Gespräche mit Plan, Selbstbewusstsein und Feingefühl helfen, Rechtfertigungen und andere Kämpfe zu vermeiden.

Kampfplatz Souveränität: Wahre Souveränität, so Jahn, basiert auf Unabhängigkeit und einem guten Umgang mit sich selbst. Doch auch das hat Grenzen, die es zu erkennen und zu analysieren gilt. Zum Beispiel, wenn plötzlich ungewohnte Ängste aufkommen, weil ich als Verantwortliche:r aus dem Stegreif keine Antworten oder Lösungen parat habe. Hier kann es helfen, Abstand zur Sache zu gewinnen und/oder auch „Nein“ sagen zu üben. 

Kampfplatz Wissen: Dass die Korrelation von Macht und (Mehr-)Wissen lediglich ein tradierter Sinnzusammenhang ist, stellt Jahn in diesem Kapitel heraus. Wir brauchen heutzutage ein neues Verständnis und einen anderen Umgang mit diesem an sich überholten Sinnzusammenhang. Denn eine Führungskraft muss nicht in jedem Detail stecken; schließlich hat sie genügend Expert:innen im Team. Wenn sie diese Fachkräfte souverän, gelassen und wertschätzend in Entscheidungen einbindet, kann sich ein Gewinn auf beiden Seiten zeigen und Machtkämpfe bleiben aus. Auf solche Weise legitimiert sich Führung auf entspannte Weise.

Kampfplatz Privatleben: Der Vorstellung von einem umfassend perfekten Setting im Job und zugleich im privaten Kontext hält Jahn entgegen: „Das Leben kümmert sich nicht um meine Vorstellung vom Optimum“ (147). Damit der Privatraum aber weiterhin Zufluchtsort und Energiespender bleibt und nicht zum zusätzlichen Stressfaktor wird, gilt es, einige Grundsätze zu beachten, die der Autor sowohl für Männer als auch für Frauen in Führungspersonen wie folgt beschreibt, um dann eine Lösung anzubieten: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es vor allem uns Männern schwerfällt, mit unserem engsten privaten Umfeld über unseren empfundenen privaten Druck zu sprechen. Einerseits muss er uns zunächst einmal bewusst werden, bevor sich körperliche Symptome zeigen. Dann müssen wir mitunter noch sehr gefestigte Männerbilder vom ‚jederzeit schmerzfreien und erfolgreichen‘ Versorger überwinden. Aber auch die Frauenwelt ist nicht frei von stresserzeugenden Idealen wie der ‚erfolgreichen Businessfrau, liebevollen Mutter und jederzeit attraktiven Geliebten‘. Wir alle sollten uns also ehrlich fragen, welche Vorstellung wir von einem ‚guten Leben‘ haben, welche Ansprüche daraus erwachsen und ob diese Ansprüche zu einem zusätzlichen Druck führen. Einen Austausch darüber mit unserer Partnerin oder unserem Partner zu führen, erfordert vielleicht Mut, wird Sie aber positiv überraschen und entlasten“ (152).

Kampfplatz Ich: Der äußere Kampf verlagert sich letztlich immer nach innen und nimmt Körper und Geist in den Bann. Wenn dadurch Konzentrationen auf klare Ziele oder gar die eigene Willensstärke nachlassen, kommen selbst bei gestandenen und an sich robusten Führungspersonen Zweifel an der eigenen Führungskompetenz auf. Jahn favorisiert hier, besser herausfinden zu wollen, „was da in uns ist, gehört und integriert werden möchte“, als dass wird weiterhin gegen etwas im Außen kämpfen. Als Übung bietet er den „inneren Dialog“ an (nach Schulz von Thun;167 f.).

Kampfplatz Motivation: Auch für Führungskräfte gilt: Niemand kann sich dauerhaft allein motivieren. Doch gerade bei diesem engagierten Personal sind Aussetzer und Pausen verpönt. Umso mehr verursachen bei ihnen ungewollte Stillstände eine Beunruhigung. In Anlehnung an die 16 Lebensmotive von Steve Reiss zeigt Jahn, wie wir unsere innere Haltung als Führungskräfte gemäß der für uns wirklich relevanten Motive neu ausrichten können. Der Leitspruch kann hier sein: „Erkenne dich selbst und was dich antreibt. Dann gestalte dein Leben so, dass du gemäß deiner Motivation leben kannst und dir nicht selbst im Weg stehst“ (182). Diese Methode kann wiederum hilfreich für unsere Mitarbeitenden sein, um auf allen Seiten Zufriedenheit zu erreichen.

Diskussion

Die Menge an Rat gebender Literatur zum Thema Leadership ist sehr umfangreich. Auch für Studierende der Sozialen Arbeit ist diese Problematik zunehmend relevant, um Aspekte professionellen Handelns als Verantwortungsträger in den Blick zu nehmen. Jahn bietet zwei Lesarten seines Buches, das durchgängig praxisnah gestaltet ist. Zum einen spricht er erfahrene Leitungskräfte an, die seine Erfahrungen mit großer Wahrscheinlichkeit teilen können und entsprechende Vorschläge zur Veränderung dankbar annehmen. Auf der anderen Seite aber werden auch bislang im Leitungskontext unerfahrene Personen angesprochen, die hier einen Einblick in die Praxis bekommen. Sie mögen den Text mit einem anderen Verständnis lesen, werden aber durch zahlreiche Beispiele und auch die Übungen gut mitgenommen.

Differenzierte Schilderungen der vertrackten Situationen zwischen den Vorstellungen von führenden und geführten Mitarbeitenden oder auch die Dilemmata zwischen Anspruch und praktischer Umsetzung sowie das Hinterfragen (m)einer eigentlichen Führungsrolle – alles das und noch mehr beschreibt der Autor sehr lesenswert in einem unterhaltsamen Duktus. Zwar handelt es sich nicht um ein Lehrbuch, aber die Struktur ist gut geeignet, um eine entsprechende Lehrveranstaltung zu gestalten. Somit zeigt sich das Buch als inhaltlich und formal sehr gut aufgebautes Werk, das sowohl von Studienanfänger:innen als auch von Personen mit Führungserfahrungen gelesen werden kann, wobei die spezifische Ausrichtung erst einmal egal ist. Dem Autor gelingt das umzusetzen, was er als eigenen Anspruch hat: Es geht ihm „weniger um Veränderung und Entwicklung als um Vertrauen in sich selbst und das Leben sowie die Fähigkeit, annehmen zu können, was ist“ (189).

Fazit

Das Buch ist unbedingt empfehlenswert für Leitungskräfte und solche, die leitende Positionen anstreben. Der Autor schreibt praxisbezogen und erläutert Fallstricke und Probleme des Berufsfeldes und zeigt anschaulich, wie sich diese lösen lassen.

Rezension von
Prof. Dr. René Börrnert
Fachhochschule des Mittelstands (Rostock)
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Es gibt 46 Rezensionen von René Börrnert.

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ISSN 2190-9245