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Marc Szydlik, Ronny König et al. (Hrsg.): Generationen zwischen Konflikt und Zusammenhalt

Rezensiert von Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker, 19.02.2024

Cover Marc Szydlik, Ronny König et al. (Hrsg.): Generationen zwischen Konflikt und Zusammenhalt ISBN 978-3-03777-243-0

Marc Szydlik, Ronny König, Bettina Isengard, Klaus Haberkern, Christoph Zangger et al. (Hrsg.): Generationen zwischen Konflikt und Zusammenhalt. Seismo-Verlag Sozialwissenschaften und Gesellschaftsfragen AG (Zürich) 2023. 292 Seiten. ISBN 978-3-03777-243-0. D: 38,00 EUR, A: 39,10 EUR, CH: 38,00 sFr.

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Entstehungshintergrund und Thema

Die Studie „SwissGen – Generationenbeziehungen in der gesamten Schweiz“ schließt an eine Vorgängeruntersuchung aus Deutschland über die Beziehungen der Erwachsenen zu ihren Eltern (emotionale Enge sowie Geldtransfers und Erbschaften) an. Sie war in das Berliner Generationenprojekt eingebettet und schloss an eine 14 Länder in Nord-, Süd-, West und Osteuropa vergleichende Studie zu ausgewählten Aspekten von Generationenbeziehungen (z.B. Großeltern-Enkel-Beziehung, Pflege, Geschlechterunterschiede, Schichtdifferenzen u.a.m.) an. In SwissGen sind Erwachsene ab dem 18. Lebensjahr einbezogen, sie erstreckt sich auf Beziehungen zu Eltern, die bereits verstorben sind und berücksichtigt regionale Aspekte. Der Datensatz umfasst über 10.000 Erwachsene (18 bis 100 Jahre), die über fast 21.000 Generationenbeziehungen berichtet haben. Die Hälfte der in vier Sprachen übersetzten Fragebögen kam per postalischer Rücksendung, die andere Hälfte online. Die Studie wurde mit Mitteln der Universität Zürich und dem Schweizerischen Nationalfonds finanziert.

Herausgeber und Autor:innen

Prof. Dr. Marc Szydlik ist seit 2004 Ordinarius für Soziologie am Soziologischen Institut der Universität Zürich. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Sozialstruktur, Lebenslauf, Arbeit, Generationen und empirische Sozialforschung. Er leitet die Forschungsgruppe „Arbeit, Generation, Sozialstruktur“ (AGES). Die Mitglieder des Projektteams sind auch die Autor:innen der einzelnen Kapitel: Bettina Isengard, Christoph Zangger, Klaus Haberkern, Ronny König und Tamara Bosshardt.

Aufbau und Inhalt

Der Band bietet eine präzise Unterteilung von Aspekten, die der Titel zum Ausdruck bringt. In sich sind die Abschnitte mit den Forschungsergebnissen gleich aufgebaut: Zu Beginn wird das Thema erläutert und wichtige Grundlagen werden besprochen, es folgen bisherige Forschungsergebnisse und die in der SwissGen integrierten Hypothesen (nach dem ONFC-Modell (Opportunities, Needs. Family, Contexts)); danach werden die verwendeten Fragen offengelegt und ein Überblick über die deskriptiven Resultate dargestellt. Die weiteren Analysen werden mit Bezug auf die Dimensionen des ONFC-Modells präsentiert und mit Grafiken zu den Einflussfaktoren Bildung, Finanzen, Alter, Geschlecht, Migration und Region ergänzt sowie jeweils zusammengefasst. Für die elf Kapitel zeichnet jeweils ein:e Autor:in mit ihrem:seinem Namen. Kapitel 3 bis 6 fokussieren die Herausforderungen des intergenerationalen Zusammenhalts, die Kapitel 7 bis 10 die Generationensolidarität. Im Anhang (S. 259–270) sind zentrale Informationen zu Fallzahlen, Variablen (abhängige | unabhängige) und Koeffizienten (der multivariaten Analysen) zusammengestellt. Das Literaturverzeichnis (S. 271–293) beschließt den Band.

1. Einleitung (S. 9–18) (Marc Szydlik)

Der Herausgeber umreißt die für Generationenbeziehungen relevanten Faktoren und skizziert Ausmaß und Ursachen von Zusammenhalt, Konflikten, Ambivalenzen und Distanzen unter besonderer Berücksichtigung von Alter, Bildung, Finanzen, Geschlecht, Migration und Region. In den Buchkapiteln werden Konstellationen definiert, die sich als konflikthaft erweisen und solche, die zusammenhaltend sind. Die Analysen basieren auf dem ONFC-Modell, auf das sich die Hypothesen stützen. Ausgehend von der Erklärung von Solidarität (affektive=Bindung, assoziative=Kontakte und funktionale=Unterstützung) nach Bengtson/​Roberts (1991) werden auf der Mikroebene die Opportunitäten (Gelegenheiten und Ressourcen) und Bedürfnisse (Interessen, Motive, Wünsche) von Kindern und Eltern betrachtet, die eingebettet sind in die Mesoebene der Familie (Größe, Zusammensetzung, Rollen und Normen) und den gesellschaftlichen Kontext auf der Makroebene (z.B. Region, Migration, ökonomische, kulturelle Bedingungen). Zudem verweist der Herausgeber auf die vorangegangenen Analysen, auf die die vorliegende Studie aufbaut.

2. Generationen – Von Typen und Aussagen (S. 19–43) (Marc Szydlik)

Der Herausgeber führt in die Typologie der Generationenbeziehungen ein, denen die im Buch geschilderten Muster zugeordnet werden. Das sog. Conflict-Cohesion-Modell (S. 21) besteht aus den Achsen Symbiose versus Autonomie und Harmonie versus Feindschaft. Daraus ergeben sich die vier Beziehungsformen: Zusammenhalt, Ambivalenz, Distanz und Konflikt. Sie werden auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich Alter, Bildung, Finanzen, Geschlecht, Migration und Region analysiert und geben die Struktur für die folgenden Buchkapitel vor. Der Autor stellt vor, mit welchen Fragen in der SwissGen-Studie Konflikt und Zusammenhalt erhoben wurden und gibt einen Überblick über die Verteilung der Muster. So fallen auf das Muster Zusammenhalt 3/5 aller Angaben, die übrigen drei Muster zusammen machen 2/5 aus. Zusätzlich zur repräsentativen Studie haben 1713 Personen eine offene Frage zur Beziehung der Eltern beantwortet, womit den Zahlen auch ein persönlicher Ausdruck verliehen werden konnte. Jeweils 25 Aussagen zu jedem Muster gibt der Autor wieder, um auch die Bandbreite innerhalb der Typen zu veranschaulichen.

Generationen zwischen Konflikt …

3. Ambivalenz – Von gemischten und wechselnden Gefühlen (S. 47–69) (Klaus Haberkern)

Haberkern stellt die Resultate über das Ausmaß von ambivalenten Gefühlen (direkte und indirekte) in der Generationenbeziehung sowie mögliche Ursachen für gemischte und wechselnde Gefühle vor, die durch Ressourcen und Bedürfnisse, die familiäre Struktur oder umweltbezogen induziert werden. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass trotz eines nur geringen Anteils (unter 5 Prozent) von ausgeprägten intergenerationellen Ambivalenzen mehr als die Hälfte der Befragten solche Gefühle kennen, wenngleich sie diese nicht immer spüren. Nah beieinander zu wohnen führt häufiger zu Ambivalenzen, ebenso wechselseitige Erwartungen der Generationen (z.B. an Autonomie bei den Jüngeren) und Verpflichtung bei den Älteren (mit sinkender Gesundheit). Sehr einflussreich sind die Erfahrungen aus der familiären Sozialisation: Konfliktträchtige Erlebnisse zwischen den Partnern aus der Kindheit, Trennung und neue Partnerschaften der Eltern sind Auslöser von ambivalenten Emotionen, sehr enge Bindungen können einerseits wechselnde Empfindungen (in Sachen Verpflichtungsgefühle oder Kindererziehung) auslösen, sich aber auch ein Leben lang positiv niederschlagen. Gesellschaftliche Kontexte wie Migration oder Sprachregionen sind im Kontext der Ambivalenzen kaum signifikant.

4. Stress – Von Sorgen und Belastungen (S. 71–93) (Christoph Zangger)

Die Teilanalyse eruiert, wie häufig und stark die Generationenbeziehungen von zu hohen Erwartungen, Überforderung, Sorgen und Belastungen gekennzeichnet sind und das Wohlbefinden beeinflussen. Ebenso werden Gründe in der Interaktion, in der Familie und im Umfeld ins Visier genommen. Die Auswertung konzentriert sich auf die Sorgen und Belastungen: Bei 9 von 10 Personen sind Sorgen um Vater oder Mutter ab und zu erkennbar, bei 2/5 der Erwachsenen liegt eine zeitweise Belastung vor, ca. die Hälfte gibt an, sie würden überfordert sein. Im letzten Lebensjahr vor dem Tod nehmen Sorgen und Belastungen an Intensität zu. Ressourcen wie höhere Bildung und Geld sowie eine größere Entfernung schützen vor Sorgen um die Eltern. Jedoch sehen sich höher Gebildete von der Elternbeziehung auch belastet. Je älter Eltern und Kinder werden, umso mehr steigen Sorgen und Belastungen (insbesondere von Töchtern), z.T. gekoppelt mit der abnehmenden Gesundheit. Belastende Kindheitserfahrungen wirken im Erwachsenenalter als belastend fort, erfahrene Zuneigung verringert die Belastung und erhöht die Sorgen. Partner und Geschwister können entlasten. Erwachsene mit Migrationserfahrung sorgen sich in erster und zweiter Generation stark um ihre Eltern. Eine ausgeprägte Familienorientierung entlastet die Generationenbeziehung.

5. Streit – Von Spannung und Konflikt (S. 95–117) (Christoph Zangger)

Der Autor eruiert, wie häufig Differenzen in welcher Stärke (Meinungsverschiedenheit, Spannung, Streit oder Konflikt) zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern auftreten, inwieweit sie latent oder manifest sind und wie sich Aspekte der Opportunitäten und Bedürfnisse, familiale und gesellschaftliche Einflussfaktoren niederschlagen. Die Ergebnisse zeigen, dass Dreiviertel der Befragten von Meinungsverschiedenheiten betroffen sind. Mit abnehmender Häufigkeit entfallen die übrigen Eskalationsstufen auf ein Viertel, wobei im letzten Lebensjahr der Eltern tendenziell weniger Differenzen nachzuweisen sind. Bildung und räumliche Nähe wirken sich spannungsfördernd aus, finanzielle Sicherheit und Entfernung reduzieren Spannungen. Zwischen Eltern und in Ausbildung befindlichen Kindern treten mehr Auseinandersetzungen auf, ebenso bei Unterstützungsbedarf und schlechter Gesundheit der Eltern. In familiärer Hinsicht gehen vor allem die engen Bindungen zwischen Müttern und Töchtern, problematische Kindheitsereignisse und neue Partnerschaften der Eltern mit Spannungen einher. Eigene Partnerschaften der Kinder und mehrere Geschwister wirken spannungsmindernd. Umfeldbedingt lassen sich Differenzen zwischen migrierten Kindern und den (kulturellen) Erwartungen der Herkunftsfamilie nachweisen.

6. Distanz – Von Gleichgültigkeit und Entfremdung (S. 119–141) (Bettina Isengard)

Isengard unterscheidet verschiedene Distanzformen, die zwischen den Generationen auftreten können: Sprachlosigkeit, Unverständnis, Gleichgültigkeit und Entfremdung, wobei in der Auswertung die beiden letztgenannten fokussiert werden. Zudem wird eruiert, welche Faktoren des ONFC-Modells ursächlich für das Auftreten von Gleichgültigkeit der Eltern und Entfremdung der erwachsenen Kinder sind. Die Studie ergibt, dass Sprach- und Verständnislosigkeit in den meisten Generationenverhältnissen auftritt, Gleichgültigkeit und Entfremdung jeweils gelegentlich bei bis zur Hälfte der Befragten vorhanden ist und völliges Auseinanderleben (im Vergleich zu phasenweisen Distanzierungen) eher selten vorhanden ist. Ressourcenseitig erweist sich eine bessere finanzielle Situation von Kindheit an als distanzverhindernd und eine größere Wohnentfernung als entfremdungsgefährdend. Je älter die Kinder werden, umso eher vergrößert sich die Distanz, auch wenn die Eltern aufgrund von nachlassender Gesundheit die Kontakte nicht mehr ausreichend pflegen können. Geldtransfer mindert Gleichgültigkeit und Entfremdung. In Mutter-Tochter-Beziehungen ist kaum Gleichgültigkeit vorhanden. Früh erlebte Konflikte und Trennung der Eltern tragen zu mehr Distanz bei, enge Bindungen von Kindheit an verhindern das Auseinanderleben. Während die erste Migrantengeneration kaum entfremdet ist, treten bei der nachfolgenden Generation solche Effekte ein. Lösen sich erwachsene Kinder von den Familientraditionen, steigen auch die Distanzen in regionaler Hinsicht.

… und Zusammenhalt

7. Bindung – Von Enge und Kontakt (S. 145–168) (Ronny König)

Grundlage von Bindung sind affektive (Gefühlshaltungen) und assoziative (Kontakte) Solidarität. König untersucht diese Ausprägungen bei allen, vergleicht sie mit den getrenntlebenden Generationen und widmet sich den Erklärungen, die für das Mehr oder Weniger an intergenerationalen Bindungen gegeben werden können. Seinen Analysen zufolge existiert ein hohes Maß an emotionaler Verbundenheit, selbst über die Haushaltsgrenzen hinweg. Bei ungefähr einem Zehntel gibt es aber kaum bis keine Kontakte. Die stärkeren oder schwächeren Bindungen zwischen erwachsenen Kindern und Eltern basieren auf individuellen, familialen und gesellschaftlichen Faktoren: Der größte Effekt bei den individuellen Faktoren ist bei der Wohnentfernung feststellbar, aber auch der Gesundheitszustand der Eltern und Geldtransfers wirken bindungsstärkend. Familiär ist die Enge der Beziehung bereits in der Kindheit ausschlaggebend, neue Partnerschaften der Elternteile, eine eigene Familie und mehr Geschwister schmälern die Beziehung. Mutter-Tochter-Beziehungen sind am stärksten ausgeprägt. Der Faktor Migration stärkt die Beziehung zur Herkunftsfamilie und bietet Rückhalt.

8. Raum – Von Koresidenz und Entfernung (S. 169–192) (Bettina Isengard)

Die Analyse der räumlichen Entfernung ergibt, dass ein Drittel der untersuchten erwachsenen Kinder im engeren Umfeld von weniger als fünf Kilometern wohnt (die Hälfte davon im gleichen Haus(halt), ein Drittel lebt zwischen fünf und 100 Kilometer entfernt und ein Drittel wohnt weiter weg als 100 km. Sich in Ausbildung befindliche Kinder und solche unter 30 Jahren leben öfter zu Hause. Wegen des hohen Anteils an Personen, die im Umkreis von 100 km wohnen, sind spontane Begegnungen, Absprachen und Unterstützungen mit relativ wenig Aufwand zu meistern. Die Opportunitäten wirken sich insofern aus, als höhere Bildungsschichten seltener mit den Eltern zusammenwohnen, ebenso wohnen niedrig ausgebildete Kinder auch eher weit entfernt. Söhne leben leicht häufiger länger bei den Eltern als Töchter. Haben sich die Eltern getrennt (und leben in einer neuen Partnerschaft), ist ein Zusammenwohnen seltener, Kinder ziehen auch weiter weg. Konflikte zwischen Kindern und Eltern in der Kindheit reduzieren auch die spätere räumliche Nähe, umgekehrt ist es bei großer Zuneigung zwischen den Generationen. Partner und eigene Kinder (also Enkel) führen zur räumlichen Distanz. Als Kontexteffekte ergeben sich, dass Migrant:innen weiter weg von ihren – meist im Heimatland verbliebenen – Eltern wohnen, die erwachsenen Kinder von Migrant:innen dagegen wohnen länger im Haus der Eltern. Finanzielle Gründe und Familienbeziehungen erklären z.B. die größere Nähe der Generationen in der italienischen Schweiz.

9. Zeit – Von Hilfe und Pflege (S. 193–215) (Klaus Haberkern)

Zeittransfers erweisen sich als ein wesentliches Charakteristikum der Generationensolidarität und finden in beide Richtungen statt. Das Kapitel fokussiert vorwiegend die von erwachsenen Kindern für ihre Eltern erbrachte Zeit in Form von praktischen Hilfen, bürokratischen Erledigungen und Pflege. Insgesamt zwei Drittel unterstützen ihre Eltern ab und zu in praktischen Dingen mit abnehmender Häufigkeit je intensiver die Hilfen nötig sind. Pflege ist bei einem Sechstel vorhanden, wobei der Anteil mit zunehmendem Alter der Eltern ansteigt. Das Erbringen der Unterstützungsleistung wird von den Ressourcen Bildung und Finanzen befördert, auch Koresidenz erleichtert sie. Ebenso regen die Bedürfnisse (wie z.B. der Gesundheitszustand) die wechselseitige Unterstützung an. Hinsichtlich der Familienstrukturen ergibt sich, dass Töchter zeitlich mehr (vor allem für ihre Mütter) investieren, der Beziehungsstatus (Zusammenleben der Eltern oder eine neue Partnerschaft), frühe Konflikte mit den Eltern und eine eigene Familie der Kinder zu weniger zeitlichem Aufwand für die Eltern führen, während große Zuneigung in der Kindheit und Geschwister die Unterstützung in Form von Zeit erhöhen. Die erste und zweite Migrantengeneration unterstützt ihre Eltern mehr, auch kulturelle Einflüsse bestimmen das Ausmaß.

10. Geld – Von aktuellen Transfers und Erbschaften (S. 217–240) (Tamara Bosshardt)

Geldtransfer (in Form von (kleinen) Geschenken, regelmäßigen Zahlungen, Schenkungen, Erbschaften, Nachlässen) zwischen erwachsenen Familiengenerationen kann unterschiedlich motiviert sein und unterschiedlichen Zielen dienen. Bosshardt stellt dar, welche Zusammenhänge in der SwissGen-Studie gefunden wurden. Fast die Hälfte aller Erwachsenen hat im Zeitraum des vorausgegangenen Jahres Geldtransfers (max. 500 Franken) von einem lebenden Elternteil erhalten und nahezu ebenso viel an die Eltern gegeben. Je größer die Beträge, umso seltener werden sie. Daraus ist zu schließen, dass Eltern ihren Besitz nicht zu früh aus der Hand geben. Hinsichtlich der Verteilung des Geldes ist feststellbar, dass diejenigen in einer privilegierten Lage (Bildung und Finanzen) auch am meisten erhalten (von lebenden und verstorbenen Eltern). In jüngere Erwachsene investieren Eltern mehr, ebenso wenn eine zeitliche Unterstützung geleistet wird. Bei gesundheitlichen Belastungen sinken die Zuwendungen. Enge Bindungen wirken sich positiv auf Geldtransfers (besonders zwischen Müttern und Töchtern) aus, ebenso wenn die Eltern zusammenleben. Viele Geschwister wirken sich mindernd auf die Transfers und zu erwartende Erbschaften aus. Die erste und die zweite Migrant:innengeneration hat infolge eines erst anzusparenden Vermögens weit weniger Erbschaftschancen.

11. Fazit – Von Konflikt und Zusammenhalt (S. 241–258) (Marc Szydlik)

Abschließend fasst Szydlik die Ergebnisse über die Vielfalt an intergenerationellen Beziehungen, die in dieser Studie nachgewiesen wurden, zusammen. Der Fokus gilt insbesondere den Merkmalen, die für Ambivalenz, Stress, Streit und Distanz herausragen und diejenigen, die für den Zusammenhalt maßgeblich sind: Bindung, Raum, Zeit und Geld. Im Anschluss daran greift der Autor Muster an Generationenbindungen zu den jeweiligen Bereichen des ONFC-Modells heraus und erklärt besonders auffällige Zusammenhänge zu den Opportunitäten, den Bedürfnissen, den Familienstrukturen und den Kontexten. Die Erkenntnisse ordnet Szydlik mit Bezug zu den gesellschaftlichen Herausforderungen Demografie, Familie, Arbeit, Staat, Pandemie, Gesellschaft und Ungleichheit in die Fachdebatte ein und setzt Impulse für den politischen Handlungsbedarf z.B. zur Abfederung von Belastungen in Familien oder zur Förderung von mehr Chancengleichheit zwischen denen, die in den Generationenbeziehungen eine Fülle an Ressourcen zur Verfügung hatten und solchen, die wenig haben.

Diskussion

Binnenfamiliäre Generationensolidarität und -verhältnisse sind in der soziologischen wie erziehungswissenschaftlichen Fachdiskussion durchgehend aktuell. Nicht selten werden solche Aspekte herangezogen, um bestimmte gesellschaftliche Zustandsannahmen und Stimmungslagen zu kennzeichnen, ohne auf datengestützte Analysen zurückzugreifen. Die vorliegende Studie dagegen liefert eine äußerst hilfreiche empirische Basis über Fakten zur binnenfamiliären Generationensolidarität – ein Feld, das bisher eher zaghaft beforscht ist. Basierend auf einem theoretisch fundierten Modell binnenfamiliärer Solidarität analysiert die SwissGen Studie einzelne Faktoren, deren ressourcen- und bedürfnisbezogene Abhängigkeiten, mögliche verursachende Bezüge zur Familienstruktur und gesellschaftliche Zusammenhänge und liefert ein aufschlussreiches und differenziertes Bild zu Konflikt und Zusammenhalt.

Als ausgesprochen hilfreich erweist sich der einheitliche und konsequent durchgehaltene Aufbau der einzelnen Kapitel (wenn auch von verschiedenen Autor:innen verfasst). Hier erhält man jeweils einen Einblick in den Stand der Forschung, die Annahmen und Hypothesen sowie deskriptive und inferenzstatistische Ergebnisse, gefolgt von einem Resümee zu den wichtigsten Erkenntnissen. Die Inhalte werden trotz vieler Variablen sehr verständlich, auf wesentliche Tabellen reduziert und gut lesbar präsentiert. Wer sich einen vertieften Einblick verschaffen möchte, findet weiterführende Tabellen im Anhang oder wird auf den Datenband von König et al. (2023) verwiesen.

Im Fazit bettet der Herausgeber die in der SwissGen erzielten Einzelerkenntnisse in den gesellschaftlichen Kontext ein, indem er sie vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, bunter werdender familiärer Strukturen, den veränderten Bedingungen der Arbeitswelt, staatlich organisierter/zu organisierender Anreiz- und Stützsysteme (Arbeitskräfte in der Pflege etwa oder Versorgung im Alter), Folgerungen für eine pandemische Situation (die Datenerhebung war vor der Pandemie abgeschlossen) und gesellschaftlicher Ungleichheit diskutiert und weitere Herausforderungen aufzeigt. Gerade in der Vielschichtigkeit und Differenziertheit der Ergebnisse liegt der Wert der Publikation, weil mit den präsentierten Ergebnissen bei anhaltend stabilen Beziehungen Veränderungen infolge differenzierter und individualisierter Lebensformen zu erkennen sind, die aber keine simplen Folgerungen im Sinne einer Generationenkluft oder einer fehlenden sozialen Nachhaltigkeit begründen.

Fazit

Die Resultate der SwissGen-Studie werden systematisiert und gut lesbar aufbereitet und in den Kontext von weiteren Studien eingereiht. Ein erhellender Beitrag für alle, die sich mit Generationenbeziehungen und -verhältnissen beschäftigen.

Rezension von
Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker
Lehrgebiete Sozialmanagement und Bildungsarbeit an der Fakultät Angewandte Sozial- und Gesundheitswissenschaften der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg
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Es gibt 76 Rezensionen von Irmgard Schroll-Decker.

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Zitiervorschlag
Irmgard Schroll-Decker. Rezension vom 19.02.2024 zu: Marc Szydlik, Ronny König, Bettina Isengard, Klaus Haberkern, Christoph Zangger et al. (Hrsg.): Generationen zwischen Konflikt und Zusammenhalt. Seismo-Verlag Sozialwissenschaften und Gesellschaftsfragen AG (Zürich) 2023. ISBN 978-3-03777-243-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31186.php, Datum des Zugriffs 10.11.2024.


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