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Bernd Schröder-Oestereich, Claudia Schröder: Essenzen agiler Organisationsentwicklung

Rezensiert von Prof. Dr. Paul Brandl, 01.09.2023

Cover Bernd Schröder-Oestereich, Claudia Schröder: Essenzen agiler Organisationsentwicklung ISBN 978-3-8006-7219-6

Bernd Schröder-Oestereich, Claudia Schröder: Essenzen agiler Organisationsentwicklung. Das Wichtigste zu kollegialer Führung. Verlag Franz Vahlen GmbH (München) 2023. 152 Seiten. ISBN 978-3-8006-7219-6. 35,00 EUR.

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Die Autoren

Claudia Schröder Systemische Organisationsentwicklerin, Beraterin, Trainerin und Coach mit über 15 Jahren Erfahrung als Unternehmerin und CFO.

Bernd Oestereich Impulsgeber für kollegial geführte Organi­sationen mit über 25 Jahren Erfahrung als Unternehmer. Sprecher und Autor inter­national verlegter Bücher.

Thema und Zielsetzung

Dieses Buch ist eine fokussierte Aktualisierung des Buches „Agile Organisationsentwicklung“ (2019). Eine Überarbeitung und Fokussierung wurde aufgrund der vielen praktischen Erfahrungen in den eigenen Unternehmen und in der Beratungstätigkeit der Autoren im Bereich der agilen Organisation notwendig. Das Buch richtet sich an Personen, die in ihren Organisationen eine kollegialere und agilere Führung erproben möchten. Sie können aus dem Modell der kollegialen Führung schrittweise vorantastend Elemente ausprobieren und so evolutionär ein für ihre Organisation angepasstes Organisationsmodell finden – angelehnt an das Kreismodell. Ein Patentrezept ist hier jedenfalls nicht intendiert. Das Modell basiert auf einem humanistischen Menschenbild und verbindet individuelle sowie organisationale Lernprozesse und -bedürfnisse. Der offene und modulare Ansatz muss für die unterschiedlichen Bedürfnisse von Arbeitnehmer:innen und Organisationen (= sozialen Dienstleistern) passend gemacht werden. Es braucht auf der einen Seite die Haltung des Lesers der Publikation und auf der anderen Seite die Kenntnis sowie den Willen des Einsatzes der Tools. Arbeitnehmer:innen werden so auf Augenhöhe miteinander in Verbindung gebracht und arbeiten so an der eigenverantwortlichen Lösung der unternehmerischen Herausforderungen der nahen Zukunft und schaffen eine neue betriebliche Qualität.

Inhaltlicher Überblick

Vorweg

In einem Satz wird der Begriff „Agile Organisationsentwicklung“ folgend zusammengefasst: Es ist die schrittweise, empirische Weiterentwicklung einer Organisation, die kontinuierliche Erprobung einzelner Veränderungen mit anschließender Nutzenbewertung und Fortführungsentscheidung in einem zunehmend systematisch-integralen Wertesystem – mit kollegial-selbstorganisierenden Führungs- und Organisationsprinzipien.

Weiters weisen die Autoren auf den Inhalt des Buches samt Aktualisierungen hin und beschreiben die Bearbeitungsweise. Zwecks weiterer Verbreitung der agilen Organisationsentwicklung werden die Grafiken der Publikation unter CC-Licence publiziert.

Weiters wird auf den Begründungszusammenhang der agilen Organisationsentwicklung recht ausführlich eingegangen. Auch die unterschiedlichen Anwendungsbereiche des Modells und der zahlreichen Methoden sowie Tools werden dargestellt – wobei die Werte eine unabdingbare Basis bilden.

Die Offenlegung der Einflüsse und Quellen der beiden Autoren ist insofern interessant als man so deren mentale Hintergründe besser verstehen kann. Es sind dies das Modell der kollegialen Führung, kollegiale Kommunikationsformate, die kollegiale Kreisorganisation und die agile Organisationsentwicklung.

Teil 1: Basiselemente agiler Organisationsentwicklung

Es braucht vier Basiselemente agiler Organisationsentwicklung beginnend mit der professionellen systemisch-integralen Haltung, der externen Organisationsbegleitenden sowie die Bereitschaft der Auftraggebenden, diese zu adaptieren. Es braucht die gemeinsamen Werte, es muss klar sein, was sie bedeuten und was man dafür macht. Ausgehend von einer professionellen Haltung gilt es die eigenen Denkstrukturen zu hinterfragen und zu reflektieren, aber auch neugierig und unkonventionell einem gemeinsamen Weltbild folgend lösungsorientiert voranzugehen. Die Lösungsorientierung weist – gepaart mit Vertrauen – den Weg und wird zu einem kleinschrittigen erprobenden Herantasten. Die kollegiale von mehreren (und sogar möglichst vielen) Mitarbeiter:innen getragene Führung erfordert noch eine weitere wesentliche Komponente: die ziehende Führung vom Markt und den Kund:innen.

Gleichzeitig braucht es Prozess- und Struktursicherheit innerhalb des gesetzlichen und des gesetzten Rahmens, dem gestaltbaren Verantwortungsbereich der Inhaber, dem gestaltbaren Verantwortungsbereich der Geschäftsführer und dem von der Führungskraft gestaltbaren Bereich der Prozesse und Strukturen. Dazu kommt noch der kollegial gestaltbare Bereich mit Selbstorganisation.

Teil 2: Das Adaptionsmodell

Das Adaptionsmodell beginnt mit dem Zweck und den Rahmenbedingungen. Innerhalb dieses Rahmens befinden sich die geltenden Organisationsprinzipien, -prozesse und -strukturen verantwortet durch die Geschäftsführung, Auftraggeber der externen Begleitung, der begleitenden Selbstorganisation und der eigenständigen Selbstorganisation. Dazu braucht es mehrere idealtypische Phasen: Vorbereitung, Orientierung, Aufbau und Entwicklung, begleitete Selbstorganisation und eigenständige Selbstorganisation. Dazu kommt in der Folge die Delegationsmatrix mit dem Verantwortungsbereich und den Verantwortungsträgern sowie den Kooperationsbeziehungen. Dazu kommen noch die Kontextbrücke und der Führungsmonitor für das Team, das zeigt, was notwendig ist, um ein Anliegen in der Matrix voran zu bringen. Damit sollt klar werden, welche Fragen für ein Anliegen geklärt werden sollten. Das grundlegende Format agiler Organisation ist das Sogprinzip: Arbeit wird nicht verteilt, sondern gezogen. Der (gemeinsame) Führungsmonitor ist das zentrale Instrument, an dem alle beteiligt sind. Auch hier findet sich das Kreismodell als Führungsmodell wieder.

Interessant sind die Ausführungen zu den verschiedenen Entscheidungsformaten: Aus der Mitte wählen, kollegiale Rollenwahl, konsultativer Fallentscheid, Widerstandsabfrage, universelles Entscheidungsformat und kollegiale Einwandintegration.

Im Detail wird das Kreismodell vorgestellt, das außen mit den Geschäftskreisen beginnt und in der nächsten Schicht von den zentralen Dienstleistern, Pools von Spezialisten und Praktikergruppen unterstützt wird. In der nächsten Schicht kommen die Kollegen- und Koordinationsgruppen und im innersten Bereich die Eigentümer. Dieses Kreismodell gilt es an den jeweiligen Dienstleister anzupassen – wie früher ein Organigramm und nunmehr eine Prozesslandkarte.

Teil 3: Kommunikation und Moderation

In Teil 1 wird die Basis beschrieben, die dann mit Hilfe kooperationsfördernder Tools adaptiert werden muss. Dazu ist das kommunikative Zentrum sowie eine Reihe von Regeln und Tools aufgebaut: Kommunikation. Spannung und Konflikte erfordern die Trennung der Sach- und Beziehungsebene, gefolgt von Moderationstechniken und den Grundfertigkeiten für die kollegiale Selbstorganisation. Das konsequente Arbeiten mit Zahlen, Daten und Fakten ist ebenfalls ein Eckpfeiler, gefolgt von den Entscheidungsformate sowie dem Diskussionsmarktplatz. Passend zum Kreismodell gilt es auch „in Runden“ zu sprechen, wobei die Organisation Vorrang hat. So wie es anfangs ums „Aufwärmen“ geht, so sind am Ende Formen von Rückblicken und Reviews zu finden. Den Abschluss bilden die sozialen Systemprinzipien (Zugehörigkeit, Zeitfolge, Verantwortung und Einsatz sowie Fähigkeiten und Leistungen). Auch die Unternehmenskultur muss kooperativ gestaltet werden.

Teil 4: Metainformation

In einem ersten Schritt gibt es Informationen zu den Autoren und zum Buch. Anschließend wird die verwendete Literatur zum Nachschlagen aufgelistet – eine informative Quelle für Personen mit Bedarf zum Nachschlagen und Vertiefen. Ein Glossar bietet Möglichkeiten zum Nachlesen bzw. für Erläuterungen. Abschließend werden Änderungen bzw. Aktualisierungen zum genaueren Verständnis angeboten.

Diskussion

Die agile Organisationsentwicklung wurde mit dem ersten Buch der beiden Autoren (2019) recht anschaulich dargestellt. Dass es dazu eine Essenz gibt ist, macht diesen Themenbereich noch leichter greifbar. Das Fokussieren auf die Basiselemente agiler Organisationsentwicklung, das notwendige Adaptieren des Modells sowie die Kommunikation und Moderation in diesem Rahmen weist die Leser:innen auf die wesentlichen Elemente im Bereich der agilen Organisationsentwicklung hin. Es reicht nicht mehr nur ein Modell zu lesen und es umzusetzen, sondern es muss auf die jeweiligen Bedingungen mit den Kompetenzen der Mitglieder adaptiert werden. Damit braucht es mehr Qualität und Quantität im Bereich der Kommunikation. Immer wieder taucht statt der Unternehmenshierarchie die Kreisorganisation im Spannungsfeld individueller Bedürfnisse und organisationaler Erfordernisse auf. Die gesteigerten Ansprüche an den einzelnen Arbeitnehmer in einem neuen Rahmen erfordert mehr und zielgerichtete Kommunikation. Es entstehen Organisationsformenen, die in einem Unternehmen zumindest zu zwei recht unterschiedlichen Arbeitsweisen und Strukturen führen müssen. Mitarbeiter:innen, die nach der „alten“, hierarchischen Arbeitsweise arbeiten und solche, die am Kreismodell und den hier beschriebenen Methoden orientiert sind – eine Herausforderung für jede Organisation.

Zur Umsetzung dieses Gedankengutes braucht es die Kenntnis zur agilen Organisation und den gemeinsamen Willen möglichst aller Mitarbeiter:innen einer anfangs vielleicht kleineren Organisationseinheit etwas umzusetzen. Entscheidend ist die Entwicklung der geteilten Führung für möglichst viele Mitarbeiter:innen.

Fazit

Die Publikation ist in dieser Form ein gelungenes und fundiertes Angebot für alle an einem agilen Entwicklungsprozess beteiligten Arbeitnehmer:innen. Es ist so eine wesentliche Dialoggrundlage und lässt damit auch eine Entwicklung von Abteilungen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten in einem Unternehmen zu. Sollte man das erste Buch noch nicht kennen, so wäre es geradezu ein Versäumnis, dieses Buch zur agilen Organisationsentwicklung nicht zu lesen – speziell dann, wenn man ein Projekt in diesem Bereich angehen will.

Rezension von
Prof. Dr. Paul Brandl
war Professor für Organisationsentwicklung und Prozessmanagement an der FH Oberösterreich, Department für Sozial- und Verwaltungsmanagement und ist Berater insbesondere für die prozessbasierte Optimierung und Neugestaltung von sozialen Dienstleistern
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Es gibt 110 Rezensionen von Paul Brandl.

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Zitiervorschlag
Paul Brandl. Rezension vom 01.09.2023 zu: Bernd Schröder-Oestereich, Claudia Schröder: Essenzen agiler Organisationsentwicklung. Das Wichtigste zu kollegialer Führung. Verlag Franz Vahlen GmbH (München) 2023. ISBN 978-3-8006-7219-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31243.php, Datum des Zugriffs 30.09.2023.


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