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Simone Danz: Ent-hinderung

Rezensiert von Prof. Dr. Hiltrud Loeken, 22.02.2024

Cover Simone Danz: Ent-hinderung ISBN 978-3-7799-6308-0

Simone Danz: Ent-hinderung. Ein Leitfaden. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2023. 374 Seiten. ISBN 978-3-7799-6308-0. D: 25,00 EUR, A: 25,70 EUR.
Reihe: In Beziehung stehende Ressource: ISBN: 9783779939795. In Beziehung stehende Ressource: ISBN: 9783779963974.

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Thema

Das Buch von Simone Danz trägt den Titel Ent-hinderung und intendiert einen Perspektivenwechsel auf das Thema Behinderung. Wie der Untertitel „ein Leitfaden“ zeigt, sollen mit dem Buch neben der theoretischen Fundierung des Begriffs Ent-hinderung Perspektiven für andere Sichtweisen, gesellschaftliche Veränderungen und einen anderen Umgang mit Behinderung entwickelt werden. Damit verknüpft ist der Anspruch, alle Gesellschaftsmitglieder zu erreichen und das gesellschaftliche Bewusstsein für Gerechtigkeit und Solidarität zu stärken (vgl. S. 23).

Autorin

Simone Danz ist promovierte Erziehungswissenschaftlerin und seit 2022 Professorin für „Bildung und soziale Inklusion“ an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. Zuvor war sie Professorin für 'Inklusive Pädagogik und Heilpädagogik' an der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg, wo sie zugleich Ent-hinderungsbeauftragte war.

Entstehungshintergrund

Die Zeit an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg dürfte einen Anstoß für die Wahl des Begriffs Ent-hinderung und dessen theoretische Ausleuchtung gegeben haben, wie es das Geleitwort von Prof. Jo Jerg, ehemals EH Ludwigsburg, nahelegt.

Aufbau

Das Buch umfasst 354 Seiten zuzüglich einer umfangreicher Literaturliste und ist in sieben Kapitel gegliedert, die wiederum einem bestimmten Muster folgen. Im Text befinden sich nach zentralen Abschnitten jeweils so genannte „Kopfstützen“, in welchen wichtige Aussagen des Textes mit einfachen Worten zusammengefasst werden. Außerdem gibt es unter der Überschrift „kurz gesagt“ am Ende jedes Kapitels Zusammenfassungen der jeweiligen Kapiteltexte. Am Ende der Kapitel zwei bis sechs finden sich zudem so genannte „Denk-Inseln“. Sie enthalten Illustrationen zur Verdeutlichung ausgewählter Inhalte und bieten zusätzliche Anregungen zur Reflexion, z.B. Übungsaufgaben und Arbeitsblätter.

Inhaltlich orientiert sich die Autorin bei ihrer Gliederung am Modell der „U-Kurve“ der Veränderung (nach Glasl u.a. 2014 und Scharmer 2009). Die U-Kurve beginnt links oben mit dem Einstieg und führt – so Danz – immer tiefer in der Analyse bis sie sich hin zu Potenzialen und Notwendigkeiten für gelingende Ent-hinderung wendet und rechts oben bei der Vision einer ent-hinderten Gesellschaft anlangt (vgl. S. 17).

Inhalt

Kapitel 1 „Einstieg und Ausgangspunkt“ dient der Einführung und der begrifflichen Annäherung. Den seit den 1990er Jahren verwendeten, aber noch wenig verbreiteten Begriff der Ent-hinderung bringt die Autorin mit der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) in Verbindung. Die Perspektive auf den Abbau von Barrieren und die Ermöglichung von Zugänglichkeit ist dabei zentral. Mit Ent-hinderung ist mehr als Inklusion von Menschen mit Behinderungen gemeint, vielmehr sollen alle Gesellschaftsmitglieder erreicht werden und die Autorin stellt die Frage nach dem Wie des zukünftigen Zusammenlebens (vgl. S. 23). Besondere Bedeutung kommt der Bildung zu. Inklusion, soziale Inklusion und Zugehörigkeit werden schwerpunktmäßig in Anlehnung an die UN-BRK erläutert. Zur Klärung der Begriffe Partizipation und Teilhabe sowie Selbstbestimmung wird neben der UN-BRK auf die Kinderrechtskonvention und das Stufenmodell von Wright (2020) zurückgegriffen (vgl. S. 27). Partizipation und Teilhabe sind zugleich zentrale Aspekte von Selbstbestimmung, die sich nur in einem partnerschaftlichen Miteinander realisieren lassen. Zwischen Bildung im Allgemeinen sowie Pädagogik und deren disziplinären Ausdifferenzierungen in spezielle Pädagogiken (Sonder-, Heil-, Rehabilitations- und inklusive Pädagogik) wird anschließend differenziert. Um dem Ziel der Ent-hinderung näher zu kommen gilt Bildung als entscheidender Motor.

In Kapitel zwei „Ent-hinderung: Inklusion ohne Exklusion und Besonderung?“ arbeitet die Autorin gegenwärtige Bedingungen und Hürden bei der Umsetzung von Inklusion heraus, die letztlich be-hindernd sind. Dem setzt sie ihre Vorstellung von Ent-hinderung entgegen, die auf Gemeinschaft und Überwindung von individuumszentrierten Kategorisierungen sowie dominierenden Leistungsvorstellungen, die gesellschaftliche Ungleichheit rechtfertigen und zu Selbstoptimierungsdruck führen, setzt. Der Vorrang von Gemeinsamkeit der Verschiedenen und gemeinsamem Lernen schließt die Bedeutung des (freiwilligen) Zusammenschlusses von Gleichen, die z.B. in der Selbsthilfe- und Selbstvertretungsbewegung ihre Stärke aus dem Zusammenschluss entwickeln, dabei nicht aus. Kritisch geht sie mit institutionellen Strukturen und professionellen Handlungsroutinen um, die mit Defizitzuschreibungen operieren und daraus ihre Legitimation ziehen. Be-hinderung wird so zum Wesensmerkmal des charakterisierten Menschen anstatt es als Irritation gängiger Normalitätsvorstellungen der Betrachtenden anzusehen. Bestehen bleibt das schon lange diskutierte Etikettierungs-Ressourcen-Dilemma nicht nur im schulischen Kontext, sondern auch in sozialrechtlich festgelegten Ansprüchen. „Ent-hinderung bei der Umsetzung sozialer Inklusion“ kann – so Danz – „mit Blick auf die Menschenrechte und die Realisierung eines inklusiven Gemeinwesens erfolgen“ (S. 77).

Dieser Gedanke wird in Kapitel drei „Menschenrechtsbildung als wichtiges Element einer Kultur der Ent-hinderung“ vertieft. Dabei geht Danz gesondert auf die weniger bekannte Erklärung der Vereinten Nationen über Menschenrechtsbildung und -training mit den drei Dimensionen Bildung über Menschenrechte…, Bildung durch Menschenrechte…, Bildung für Menschenrechte… (vgl. S. 101) ein. Nach Einschätzung von Danz mangelt es bisher an einer aktiven und nachhaltigen Bildung über/durch/für Menschenrechte und in Bezug auf Be-hinderung haben viele Akteure die „menschenrechtliche Sicht noch nicht verinnerlicht“ (S. 106). Der menschenrechtskonforme Umgang mit Be-hinderung beinhaltet – nach Danz – nicht ausschließlich individuelle Förderung mit dem Ziel der Anpassung an bestehende Systeme und deren Anforderungen, sondern er verlangt gesellschaftliche Transformationen (vgl. S. 107). Ergänzt wird die menschenrechtliche Perspektive durch die globale Nachhaltigkeitsagenda 2030 der Vereinten Nationen. Darauf aufbauend entwickelt Danz menschenrechtliche Ziele einer „Ent-hinderungspädagogik“, die zum Ziel hat, umwelt- und einstellungsbezogene Barrieren der Teilhabe abzubauen. Kultur der Ent-hinderung ist für sie eine Gerechtigkeitsfrage. In ihren Ausführungen und philosophischen Begründungen bezieht sie sich im Folgenden u.a. auf Rawls, Nussbaum und besonders die Anerkennungstheorie Honneths. Auch das Auftreten von Konflikten (Verteilungs- und Anerkennungskonflikte infolge unterschiedlicher Bedürfnisse und Motive) und der Umgang damit wird unter dieser Perspektive beleuchtet. Ergänzend geht die Autorin auf die Notwendigkeit einer Anerkennung von Sorge und Achtsamkeit ein, wie sie bei Nussbaum und vor allem bei Conradi in ihrer Sorge-Ethik grundgelegt sind. Für das Projekt der Ent-hinderung scheint ihr dieser Ansatz gewinnbringend, da er von der grundsätzlichen Verletzlichkeit des Menschen und das Angewiesensein auf andere und deren (nicht bevormundende) (Für)Sorge ausgeht. Das Ideal des selbstbestimmten, autonomen Subjekts blendet aus, dass dies bestenfalls temporär zu verwirklichen ist und es zum Menschsein gehört, auch in Situationen des Angewiesenseins und der Abhängigkeit zu kommen. Das Kapitel endet mit dem Resümee, dass Ent-hinderung zentral die Anerkennung widerstreitender Bedürfnisse beinhaltet (vgl. S. 129).

Kapitel vier ist mit der Frage „Was ist normal?“ überschrieben und markiert in der gewählten U-Kurve (s.o.) den tiefsten Punkt, da es hierbei um tief verankerte kollektive Vorstelllungen und unbewusste Prozesse geht. Damit verbunden sind Wahrnehmungsprozesse und Kategorisierungen als ordnungsstiftende Vorgänge, die sich an gesellschaftlichen Normalitätsvorstellungen orientieren. Kollektive und individuelle Prozesse sind dabei miteinander verschränkt. Die Wahrnehmung von Behinderung, bzw. dessen, was als Behinderung bezeichnet wird, irritiert und führt, da geprägt von Normalitätsvorstellungen, zu Othering-Prozessen. Ent-hinderung setzt für Danz voraus, „auf kollektiver Ebene die Wahrnehmung von Normal und Abweichung zu reflektieren…“ (S. 149). Auf der individuellen Ebene beschreibt sie zunächst die Entstehung von Ordnungsbildungen, Kategorien und deren Verbindung zu Begriffsbildungen und Sprache entwicklungspsychologisch unter Rückgriff auf Piaget und Wygotski und verknüpft dies mit der gesellschaftlichen Dimension des Symbolsystems Sprache. Wiederum individuell und kollektiv wird dabei Normalität und Abweichung konstruiert. Gesellschaftlich gibt es unterschiedliche Strategien, Normalität herzustellen, die von Link als Protonormalismus und als flexibelnormalistische Strategien beschrieben werden. Die Unterscheidung von Normalität und Abweichung ist kein neutraler, rein ordnender Vorgang, sondern sie wird mit Wertungen verknüpft. Somit führt sie häufig zu Abwertungen und auch Vorurteilen als Resultat bestimmter Zuschreibungen. Ausführlicher geht Danz auf „Behinderung als Ordnungsbegriff“ und „machtvolle Kategorie“ ein (S. 164), indem sie die Begriffsgeschichte von Behinderung nachzeichnet und zwischen verschiedenen Definitionsebenen (rechtlich, gesundheitsbezogene, pädagogisch) differenziert. Im Sinne der Ent-hinderung reicht es – so Danz – nicht, Barrieren abzubauen und be-hinderten Menschen formal gleiche Rechte zu geben, vielmehr benötigt es Anerkennung. Dies wird mit Bezug auf das Modell der wechselseitigen Anerkennung von Honneth weiter ausgeführt. Gewinnbringend an dem Modell ist für Danz, dass es „den Zusammenhang zwischen menschlichem Bewusstsein und den dadurch geprägten gesellschaftlichen Strukturen erklären“ kann (S. 177). Für eine inklusive und gerechte Gesellschaft sind die drei Anerkennungsformen affektive Anerkennung, kognitiv formelle Anerkennung und Solidarität/soziale Wertschätzung hoch relevant. Allerdings beinhaltet gerade die Reziprozitätsvorstellung auch Risiken und der Anerkennungsbegriff birgt „eine normative Spannung“ (Honneth 1994, S. 11, zit. in Danz 2023, S. 187). Von daher ist eine Erweiterung um Anerkennung von Abhängigkeit oder Hilfebedürftigkeit wichtig. Die „normative Spannung“ führt wiederum zum Thema Normalitätsvorstellungen, an welchen Behinderung gemessen wird. Als Reflex auf das verbreitete Streben nach Perfektion, Machbar- und Planbarkeit finden sich häufig „Unsicherheitsvermeidungen“, (ein Begriff von Hartmut Rosa, den Danz hier aufgreift, vgl. S. 194). Im Sinne der Ent-hinderung wäre es aber hilfreicher auch Unsicherheit, die Möglichkeit des Scheiterns und die grundsätzliche Verletzlichkeit (Butler) des Menschen anzuerkennen, so Danz. Daran anschließend endet das umfangreiche Kapitel vier mit dem Fazit „Ent-hinderung bedeutet irritationsfähig zu sein“ (S. 198).

Ausgehend von der Überzeugung, dass für konsequente Ent-hinderung kein rein individualisierendes-medizinisches Vorgehen sinnvoll ist, widmet sich Simone Danz in Kapitel fünf der Gesellschaftskritik. Kerngedanke der Kritik ist, dass „ein neues Verhältnis von Teilhabe und Fürsorge“ benötigt wird (S. 226). Um Fürsorge von paternalistischen Anteilen zu befreien, geht es um eine andere Kultur des Sorgens, die auf der bereits angesprochenen Anerkennung menschlicher Verletzbarkeit beruht und mit Solidaritätsfähigkeit als Bedingung für voraussetzungslose Teilhabe verknüpft wird. Das Entwickeln von Solidaritätsfähigkeit stellt sich als Bildungsaufgabe dar, hier knüpft Danz an den Bildungsvorstellungen Klafki‘s an, auf die sie im Folgenden genauer eingeht. Zugleich verlangt Solidaritätsfähigkeit den Verzicht auf Ego-Bedürfnisse. Diese fokussieren – nach Danz – auf die Bedürfnisse der eigenen Person und „stehen einer solidarischen Arbeits- und Lebensweise entgegen“ (S. 235). Auch pädagogische Konzepte sind nicht frei von diesen Vorstellungen. Um eine Entwicklung von Ego-Bedürfnissen hin zu gemeinschaftlicher Verantwortung und solidarischem Miteinander zu gelangen, greift sie auf ein Modell von Barrett zurück, der vom „Wechsel vom Ich zum Wir“ spricht (Barrett 2016, S. 10, zit. in Danz 2023, S. 236), das ihr geeignet erscheint, die Richtung des nötigen gesellschaftlichen Wandels zu beschreiben. Außer Veränderungen von Werten und Anerkennungskulturen ist indes auch die Analyse sozio-ökonomischer Bedingungen und die Aufdeckung ungerechter Strukturen sowie ungleicher Machtverteilung nötig. Ohne eine gesellschaftliche Transformation einschließlich der Umstrukturierung von Produktionsverhältnissen kann – nach Danz- Gerechtigkeit, die Menschen mit Behinderung selbstverständlich einbezieht, nicht erreicht werden. Sie plädiert für eine Post-Wachstums-Ökonomie, die gemeinwohlorientiert ist. Solidaritätsbefähigung meint darüber hinaus, aufbauend auf Resonanz, auch in globalen Zusammenhängen verantwortlich und nachhaltig zu handeln.

Kapitel sechs widmet sich nun eingehender dem Thema Bildung („Ent-hinderung verändert Bildung“) und beginnt mit der Frage, die sich Danz angesichts der Weltenlage stellt, welche Bildung bisher wohl gefehlt hat (vgl. S. 279). Unter Bezugnahme auf Bourdieu kritisiert sie die Selektions- und Allokationsfunktion des Schulsystems und die Reproduktion sozialer Ungleichheit im Bildungssystem. Inhaltlich liege gerade im deutschen Schulsystem ein Mangel an Gemeinschaftssinn und Solidarität vor, wie Danz u.a. der „Bepanthen-Studie“ der Universität Bielefeld (Bepanthen Kinderförderung 2019) entnimmt. Sie sieht es daher als Aufgabe von Bildung an, Gemeinschaftssinn und Solidarität zu fördern und Möglichkeiten zu schaffen, Vertrauen, Mut und Neugier zu lernen anstatt sich auf Leistungsanerkennung zu fixieren. Dies impliziert auch die Akzeptanz von Irritationen und Grenzen, Bescheidenheit und Rücksichtnahme können Danz zufolge als die benötigten Tugenden der Zukunft gelten. Bildung für ein gutes Zusammenleben und Ent-hinderung benötigt ihr zufolge einen neuen Rundum-Blick oder eine 360 Grad-Perspektive. Dies betrifft diagnostisches Vorgehen, die Verankerung eines ökologischen Verständnisses von Be-hinderung, die Veränderung von Lehrplänen und Curricula, das Arbeiten mit den peers und dem familiären Umfeld sowie den Fachkräften und Institutionen. Zugleich geht es darum, dass nicht-behinderte Menschen ein Bewusstsein für Barrieren im Alltag entwickeln und exklusions-sensibel werden.

Kapitel sieben resümiert kurz den Aufbau des Buches und beschreibt das Ziel der Ent-hinderung als Vision. In persönlichen Worten lädt die Autorin die Lesenden abschließend ein, sich gemeinsam auf den Weg zu machen, um Ent-hinderung zu ermöglichen.

Diskussion

Simone Danz hat ein umfangreiches und komplexes Werk vorgelegt, das getragen ist von ihrem Anliegen, Ent-hinderung als Gegenentwurf zur herkömmlichen Vorstellung von Behinderung und verkürzter Inklusion voranzubringen. Dies geht sie an, indem sie normative Ziele benennt, be-hindernde Strukturen analysiert, um anschließend ihre Vision einer auf Gemeinschaft und Solidarität aufbauenden Gesellschaft mit einem inklusiven, Vielfalt schätzenden und gerechten Bildungssystem herauszuarbeiten. Besonderes Anliegen ist ihr, gängige Normalitätsvorstellungen zu hinterfragen und die Konstruktion von Normalität und Abweichung, die Behinderung als Abweichung von Normalität konstruiert, zu kritisieren. Die im letzten Kapitel des Buches getroffene Aussage, Ent-hinderung sei zugleich eine Vision ist passend für viele der von ihr entwickelten und vorgestellten Ideen. Wie Danz betont, können Visionen eine enorme Kraft entwickeln und Möglichkeitsräume eröffnen. Es ist dem Buch zu wünschen, dass es dies bei den Lesenden bewirkt.

Der Anspruch, eine umfassende Betrachtung vorzulegen, die vielleicht mit der in Kapitel sechs genannten 360 Grad-Perspektive korrespondiert, führt dazu, dass eine Fülle von theoretischen Ansätzen in die Analyse einbezogen werden, gelegentlich kommt es aber auch zu Wiederholungen, eine Komplexitätsreduktion hätte hier vermutlich zu mehr Stringenz geführt. Das Buch ist nicht nur hinsichtlich der theoretischen Ausarbeitung komplex, sondern auch in der Nutzung der verschiedenen Mittel wie „Kopfstützen“ in einfacher Sprache, der Zusammenfassungen „kurz gesagt“ und der umfangreichen „Denk-Inseln“. Letztere sind aufwändig gestaltet, die Illustrationen sind von Christina Danz entworfen, alle Bilder enthalten zusätzlich Beschreibungen und die Übungsaufgaben sind sorgfältig entwickelt. Die Frage, welche Leser*innen und Nutzer*innen mit welchen Mitteln erreicht werden können, bleibt indes offen. Eine Möglichkeit ist sicher, die verschiedenen Materialien in der Bildungsarbeit einzusetzen.

Fazit

Das vielschichtige Buch von Simone Danz verfolgt das Ziel, Ent-hinderung als Gegenentwurf zur herkömmlichen, individualisierenden Vorstellung von Behinderung und verkürzter Inklusion vorzustellen. Der Begriff Ent-hinderung wird theoretisch hergeleitet und fundiert und die Vision einer auf Gemeinschaft und Solidarität aufbauenden Gesellschaft mit einem inklusiven, Vielfalt schätzenden und gerechten Bildungssystem entworfen. Neben der theoretischen Analyse enthält das Buch Einschübe in vereinfachter Sprache und verschiedene Reflexionshilfen, um das Gelesene zu vertiefen. Es ist daher sowohl für wissenschaftlich interessierte Leser*innen gewinnbringend als auch für die Bildungsarbeit zu verwenden.

Rezension von
Prof. Dr. Hiltrud Loeken
Evangelische Hochschule Freiburg
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Es gibt 13 Rezensionen von Hiltrud Loeken.

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ISSN 2190-9245