Barbara Beege: Hochschullehre lernen
Rezensiert von Prof. Dr. sc.hum. Nina Fleischmann, 31.05.2024

Barbara Beege: Hochschullehre lernen. Förderung von Lerntransfer durch authentische Aktivitäten - eine Design-Based-Research-Studie.
Waxmann Verlag
(Münster, New York) 2023.
338 Seiten.
ISBN 978-3-8309-4708-0.
36,90 EUR.
Reihe: Internationale Hochschulschriften - 706.
Thema
Hochschuldidaktische Weiterbildung kommt im wissenschaftlichen Diskurs in unterschiedlichen Gewändern daher: zur Gestaltung hochwertiger Hochschullehre, zur Reform und Weiterentwicklung von Studiengängen oder in der Diskussion um verpflichtende Kurse für Hochschullehrende wie in anderen Ländern. Dieses Buch nimmt mit einer empirischen Herangehensweise – dem Design-Based-Research-Ansatz – den Lerntransfer in den Blick
Autorin
Barbara Beege ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Hochschuldidaktiktrainerin an der LMU München. Sie berät in der Personalqualifikation PROFiL Dozierende bei der Gestaltung ihrer Hochschullehre und erforscht die Förderung von Lerntransfer in hochschuldidaktischen Weiterbildungsveranstaltungen. Dieses Buch stellt ihre Dissertation dar.
Aufbau
Auf 337 Seiten stehen in sieben Kapiteln der Lerntransfer und die methodische Vorgehensweise im Mittelpunkt:
- Lerntransfer als Herausforderung in der Erwachsenenbildung im Hochschulkontext
- Theoretischer Rahmen
- Methodologische Rahmung: Design-based Research
- Phase 1 im Rahmen des Design-based-Research-Projekts: Vorprüfung und Fragestellungen
- Phase 2 im Rahmen des Design-based-Research-Projekts: Design-Experiment
- Phase 3 im Rahmen des Design-based-Research-Projekts: Diskussion und Beurteilungsphase
- Fazit und Ausblick
Auf der Verlagsseite kann ein ergänzender Anhang abgerufen werden. 47 Abbildungen und 104 Tabellen ergänzen den Text.
Inhalt
Ziel der Arbeit war die Erhebung, ob und wie authenthische aktivitätenorientierte Lernumgebungen den Lerntransfer in hochschuldidaktischen Weiterbildungsveranstaltungen fördern. Beege beschreibt hierfür zunächst die Problemstellung und Zielsetzung und gibt einen Überblick über die Arbeit im ersten Abschnitt.
Die Basis für die Erhebung war die Theorie des situierten Lernende zur Förderung von Lerntransfer für authentische Aktivitäten in Anlehnung an Green, Moore und Smith von 1993. Diese Theorie geht davon aus, dass Lerntransfer dann stattfindet, wenn in Lernsituationen die Lernenden in einer authentischen Aktivität involviert sind. Hieraus wird die Anwendung der Lerninhalte ermöglichst – sofern das Lernen zur Anwendung funktional ähnlich, also authentisch – ist. Beege zeigt diesen theoretischen Rahmen in vier Unterabschnitten des zweiten Kapitels. Hier wird der Begriff Lerntransfer und die historische Bedeutung sowie die theoretischen Verankerungen eingeordnet. Daran anknüpfend werden die Aktivitäten konzeptualisiert sowie die individuellen Determinanten im Kontext der Theorie des geplanten Verhaltens aufgezeigt. Zudem wird auf die Gestaltung von Lernumgebungen in der Erwachsenenbildung eingegangen.
Wie können Weiterbildung in der Hochschule so gestaltet werden, dass der Lerntransfer gefördert wird und die neuen Inhalte in Vorlesungen, Seminaren und Übungen angewendet werden können? Lässt die Absicht, die Inhalte in den eigenen Lehrveranstaltungen umzusetzen, schon auf den subjektiv wahrgenommenen Lerntransfer schließen? Welche Faktoren nehmen Einfluss auf Absicht und subjektiv wahrgenommenen Lerntransfer? Wie wird die Authentizität in der Lernumgebung der Hochschule wahrgenommen? Was hat diese Wahrnehmung mit dem Lerntransfer zu tun? Gibt es personenbezogenen Merkmale, die die Absicht zum Lerntransfer beeinflussen? Diesen komplexen Fragen ist Beege mit dem methodischen Ansatz des Design-based Research nachgegangen. Sie zeigt im dritten Abschnitt auf, was dieser Ansatz beinhaltet, was ihn von anderen Forschungsansätzen unterscheidet und in welchen drei Phasen das Design-based-Research-Projekt vonstattengeht. Phase 1 umfasst eine Vorprüfung und arbeitet die Ziele der Intervention, der Theoriebildung und des Modells heraus. Phase 2 entwickelt in drei Zyklen die Interventionen „Authentische Aktivität eines Vorlesungs-Szenarios“ und „Handlungsangebote im Umgang mit Widerständen“. Diese Phasen sind im vierten, fünften und sechsten Abschnitt im Mittelpunkt. Der Forschungsansatz wird in seiner Begriffsdefinition und Entwicklung erklärt sowie die Merkmale und Prinzipien in der Anwendung auf die Erwachsenenbildung im Hochschulkontext dargestellt. Mit 138 Teilnehmenden, die als Lehrende an einer bayerischen Universität in unterschiedlichen Fächergruppen tätig sind, in insgesamt 16 Weiterbildungsveranstaltungen zum Thema „Lehr-, Lernmethoden“ war das Sample breit aufgestellt. Es kamen Fokusgruppen und Onlinebefragungen für die Datenbasis der Zyklen zum Einsatz.
Hauptergebnis der Forschung war, das Teilnehmende von hochschuldidaktischen Weiterbildungen die Lerninhalte anwenden. Dies wird unterstützt durch eine hohe Absicht, die Einstellung zum Lerntransfer und Umstände, die die Verhaltenskontrolle erleichtern. Auch die Wahrnehmung authentischer Situationen mündet in einem höheren subjektiven Lerntransfer. Beege setzt sich im siebten Abschnitt mit diesen Ergebnissen kritisch auseinander und setzt sie in einen hochschuldidaktischen Zusammenhang. Sie diskutiert methodische Limitationen und Implikationen für weitere Forschungsarbeiten. Offen bleibt gemäß Beege, welches Gestaltungsprinzip zu den abgeleiteten Interventionen den Lerntransfer fördert. Die Theorie des situierten Lernens kann mit Einschränkungen bestätigt werden.
Diskussion
Dieses Buch richtet sich an eine akademisch interessierte Leserschaft. Stringent und detailliert folgt Beege dem Forschungsprozess und zeigt damit auch die Möglichkeiten und Grenzen des Design-based-Research Ansatzes. Drei Zyklen stellten der Kern der Untersuchung, die Autorin skizziert im Fazit zwei weitere Zyklen – hier sind gute Anknüpfungspunkte für weitere Forschung vorhanden. In Anbetracht der umfangreichen theoretischen Einordnung, der breiten Darstellung der Vorgehensweise und der Ergebnisse fallen Fazit und Ausblick mit knapp vier Seiten recht kurz aus.
Fazit
Das Buch und die dargelegte Untersuchung schließt eine Lücke: bis dato wurden authentische Aktivitäten für einen besseren Lerntransfer im Bereich Hochschullehre nicht systematisch erforscht. Authentische Aktivitäten in Lernumgebungen aber auch die Reflexion über Authentizität können für die Lerntransfer(absicht) förderlich sein.
Rezension von
Prof. Dr. sc.hum. Nina Fleischmann
Hochschule Hannover Fakultät V - Diakonie, Gesundheit und Soziales
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