Heinke Geiter: Ehrenamtliche Sterbebegleitung lehren
Rezensiert von Prof. Dr. habil. Gisela Thiele, 19.10.2023

Heinke Geiter: Ehrenamtliche Sterbebegleitung lehren. Ein Curriculum in 12 Schritten. der hospiz verlag Caro & Cie. oHG (Esslingen) 2022. 215 Seiten. ISBN 978-3-946527-43-5. D: 49,00 EUR, A: 50,40 EUR.
Thema
Das hier vorliegende Curriculum „Ehrenamtliche Sterbebegleitung lehren“ basiert auf den Anforderungen des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbandes zur qualifizierten Vorbereitung für das hospizliche Ehrenamt.
Das Curriculum ist unterteilt in einen fünfteiligen Grundkurs, ein Praktikum und sechs Einheiten Aufbaukurs. Die fünf Einheiten Grundkurs können jeweils an einem (Sams-)Tag oder an zwei Abenden abgehalten werden. Der Kurs umfasst ca. 100 Stunden und ein 40stündiges Praktikum.
Im Grundkurs werden sich die Teilnehmer mit Themen wie:
- die (eigene) Sterblichkeit
- das Sterben
- der Wahrnehmung des Sterbenden in seiner Ganzheitlichkeit
- Fragen nach der Sinnhaftigkeit im Angesicht des Sterbens
- Wahrnehmung von Trauer auseinandersetzen.
Der Aufbaukurs beinhaltet umfassendes Wissen in folgenden Bereichen:
- Palliative Care
- Kinder- und Jugendhospizarbeit
- Demenzerkrankungen
- Vorsorgemöglichkeiten
- Umgang mit Sterbewünschen
- Umgang mit Sterben und Tod in anderen Religionen
- Bestattung und Trauerarbeit
- Begleitung Nahestehender.
Ziel dieses Kurses ist es, Menschen unterschiedlicher Berufsgruppen, Lebenserfahrung und Spiritualität zu befähigen, Sterbende wahrzunehmen, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, ihre Würde wahren und sie gut zu begleiten. Dafür hat Heinke Geiter ein umfassendes pädagogisches Konzept erarbeitet, das mit vielen, aus der Praxis erprobten Methoden und Materialien ergänzt wurde. Das Lernen soll prozesshaft und durch interaktive Lernformen geschehen, wobei vieles erst im Austausch mit den anderen Kursteilnehmern entstehen wird.
Herausgeberin
Herausgeberin ist Heinke Geiter. Sie ist Dekanin i.R. und evangelische Seelsorgerin.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist neben einem Vorwort und einer Einleitung in zwölf Kapitel unterschiedlicher Länge gegliedert. Im „Vorwort“ wird gesagt, dass mit dem vorliegenden Material auch einzelne thematische Studientage gestaltet werden können und dass der Kurs nur für Erwachsene konzipiert wurde. In der „Einleitung“ wird zunächst betont, dass kein menschliches Leben von Veränderungen, Trennungen und Verlusten verschont bleibe. Das Buch solle aus einer psychoanalytischen – anthropologischen Perspektive etwas mehr vom Rätsel der Trauer lösen.
Es Folgt der Grundkurs mit seinen fünf Kapiteln über die fünf Studientage. Im ersten Kapitel mit dem Studientag eins. Geht es zunächst um das Kennenlernen der einzelnen Kursteilnehmer, das mit verschiedenen Spielen beschrieben wird. Des Weiteren gibt es eine Übung mit dem Thema „Alles loslassen, was mir wichtig ist“.
Im Studientag zwei wird behandelt, wie die Kommunikation von statten geht, z.B. die Unterscheidung zwischen analoger und digitaler Sprachebene ist, die Anwendung des Vier-Ohren-Prinzips oder dass die Teilnehmer erklären können, warum Sterbende nicht mehr essen und trinken wollen, und warum das gut für sie ist. Es folgen Ausführungen zum Hören und die Gesprächstechnik des Spiegelns.
Studientag drei beschäftigt sich mit dem Thema der nonverbalen Kommunikation, die Teilnehmer kennen das Instrument des Genogramms und wissen um ihre eigenen Ressourcen und Grenzen.
Beim Studientag vier wird vermittelt, dass die Teilnehmer wissen, welche Veränderungen eine schwere Krankheit für eine Familie mit sich bringt, sie kennen die staatlichen Hilfen für Pflegende, sie können sich mit Sinnfragen auseinandersetzen und sie wissen auch, was sie für Sterbende und Angehörige tun können.
Der Studientag fünf setzt sich mit Themen auseinander, wie sie wissen, was Trauer ist, sie kennen verschiedene Trauermodelle, sie kennen welche Gefahren und Chancen bei der Begleitung Trauernder auftreten können und sie wissen auch, was es heißt zu trösten.
Nach den fünf Studientagen folgt ein Praktikum, das in einem stationären Hospiz, auf einer Palliativstation oder in einem Pflegeheim abgeleistet werden kann. Es umfasst 40 Stunden, die in einem Zeitraum von zwei Monaten in Besuchen von 2 bis 3 Stunden pro Besuch in der Einrichtung realisiert werden soll.
Darauf folgen die Studientage 6 bis 12. Dem Kapitel sechs sind Fragen gewidmet, wie Teilnehmer wissen, dass Kinder anders trauern als Erwachsene, sie kennen unterschiedliche Jenseitshoffnungen und Gottesbilder und sie haben sich vergewissert, was sie trägt und worauf sie hoffen.
Im Studientag sieben geht es dann um das Wissen von Palliativ Care, welche Symptome am Ende des Lebens auftreten können, sie kennen die Unterscheidung zwischen aktiver, passiver und indirekter Sterbehilfe und sie wissen zudem, was Therapieänderung, Suizid, Sterbefasten oder palliative Sedierung ist.
Studientag acht beschäftigt sich mit den Fragen, was palliative Pflege bedeutet, sie haben praktische Erfahrungen mit der Mundpflege gemacht, sie wissen um die Basale Stimulation und Aromatherapie.
Im Studientag neun geht es um Fragen rund um das Bestattungswesen, sie kennen unterschiedliche Bestattungsformen und deren rechtlichen Grundlagen, sie wissen, welche Schritte nach einem Sterbefall nötig sind, wissen um die Bedeutung von Ritualen in der Strebe- und Trauerbegleitung und können eigene Gebete oder Texte formulieren.
Wichtig ist auch der Studientag zehn, bei dem es um das Thema Demenz geht. Welche Krankheitsbilder gibt es bei Demenz, was bedeutet eine solche Diagnose für Betroffene und Angehörige, kennen die Teilnehmenden die Validation nach Feil und Richard und kennen sie die Biographiearbeit.
Es geht weiter mit dem Studientag elf, wo es um die Vorsorgearbeit geht. Hier müssen die Teilnehmer die Instrumente Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung anwenden können, müssen sich mit den Chancen einer Patientenverfügung auseinandersetzen die Themen Schuld und Vergebung im Auge behalten.
Der letzte und damit der zwölfte Studientag befasst sich mit Themen der Buddhisten, der Moslems und Juden.
Diskussion
Es ist ein sehr umfangreiches Curriculum über die Ganzheitlichkeit des Sterbens und Trauerns. Ziel dieses Kurses ist es, unterschiedliche Berufsgruppen dazu zu befähigen, Sterbende wahrzunehmen, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, ihre Würde zu wahren und sie gut zu begleiten. Dafür hat Geitner ein umfassendes pädagogisches Konzept erarbeitet, das mit vielen aus der Praxis erprobten Materialien und Methoden ergänzt wurde. Das Lernen soll nach ihr prozesshaft und interaktiv geschehen, wobei vieles erst im Austausch mit den anderen Kursteilnehmern entstehen und sich entfalten kann. Das Material ist sehr übersichtlich gestaltet. Vor jedem neuen Studientag gibt es eine Übersicht über die Themen, die im jeweiligen Modul behandelt werden und es werden Ziele formuliert, die die Teilnehmer in ihrer Schulung erreichen sollen.
Fazit
Es ist eine Publikation, in der ein spezifisches, bisher relativ seltenes wissenschaftliches Thema aufgegriffen und bearbeitet wird – ein Curriculum, das sie Teilnehmer zwingt, sich mit ihrer eigenen Sterblichkeit in ihrer Ganzheitlichkeit auseinandersetzt. Es ist äußerst interessant, wissenschaftlich und theoretisch komplex abgefasst und dürfte für viele eine Bereicherung sein, die sich mit dem so wichtigen Thema, das meist immer noch etwas tabuisiert ist, auseinandersetzen wollen.
Rezension von
Prof. Dr. habil. Gisela Thiele
Hochschule Zittau/Görlitz (FH)
Berufungsgebiete Soziologie, Empirische
Sozialforschung und Gerontologie
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Zitiervorschlag
Gisela Thiele. Rezension vom 19.10.2023 zu:
Heinke Geiter: Ehrenamtliche Sterbebegleitung lehren. Ein Curriculum in 12 Schritten. der hospiz verlag Caro & Cie. oHG
(Esslingen) 2022.
ISBN 978-3-946527-43-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31289.php, Datum des Zugriffs 11.12.2023.
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