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Mirjam Braßler, Simone Brandstädter et al. (Hrsg.): Interdisziplinarität in der Hochschullehre

Rezensiert von Dr. Jutta Pauschenwein, 15.08.2024

Cover Mirjam Braßler, Simone Brandstädter et al. (Hrsg.): Interdisziplinarität in der Hochschullehre ISBN 978-3-7639-7460-3

Mirjam Braßler, Simone Brandstädter, Sebastian Lerch (Hrsg.): Interdisziplinarität in der Hochschullehre. wbv Media GmbH & Co. KG (Bielefeld) 2023. 176 Seiten. ISBN 978-3-7639-7460-3. 49,90 EUR.
Reihe: Interdisziplinäre Lehre.

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Thema

Dieser Sammelband der Reihe „Interdisziplinäre Lehre“ widmet sich anfangs der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Begriff der Interdisziplinarität, daran schließen Umsetzungsbeispiele einer interdisziplinären Lehre an. Das E-Book ist im Open Access verfügbar.

Autor:innen

Simone Brandstätter arbeitet am Psychologischen Institut der Universität Heidelberg. In ihrer Forschung setzt sie sich mit den Anforderungen der modernen Arbeitswelt auseinander mit einem Schwerpunkt auf Interdisziplinarität.

Mirjam Brassler arbeitet am Institut für Psychologie der Universität Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Interdisziplinäres Lehren und Lernen, sowie Interdisziplinäre Teamarbeit und Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE)

Sebastian Lerch ist Professor für Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung/​Weiterbildung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er setzt sich mit Kompetenzförderung, Biographiearbeit, Lebenslanges Lernen und Interdisziplinarität auseinander.

Aufbau und Inhalt

Das Buch enthält eine Einleitung, sowie drei Perspektiven mit insgesamt elf Kapiteln.

In der Einleitung halten Mirjam Braßler, Simone Brandstädter, Sebastian Lerch fest, dass Hochschulbildung zu einem Teil bereits als interdisziplinär bezeichnet werden kann. Das Buch zielt darauf ab Interdisziplinarität für das Lehren und Lernen aufzuschließen.

In Teil 1 Begriffe, Strukturen, Theorien nähern sich Sascha Bolte und Sebastian Lerch dem „unruhigen“ Begriff „Interdisziplinarität“ aus einer theoretischen Perspektive. Abgesehen vom Interesse der akademischen Welt am Thema gibt es auch politische Motive und ein Interesse des Arbeitsmarkts für eine interdisziplinären Herangehensweise. Die Autoren meinen, dass die heutige Welt von Disziplinen geprägt ist, ein biographisch entstandener, eigener Denkstil jedoch interdisziplinäre Elemente enthält. Die Reflexion dieser Elemente kann zur Aneignung einer zusätzlichen Kompetenz, neben einer fachspezifischen Expertise, führen.

Mirjam Braßler beleuchtet das „Interdisziplinäre Lehren und Lernen“ aus konstruktivistischer, bildungstheoretischer und konstruktionistischer Perspektive. Die Studierenden wirken dabei als Entdecker:innen und Erfinder:innen (konstruktivistische Sicht), widmen sich gesellschaftlichen Schlüsselproblemen wie Frieden, Klimawandel, … (bildungstheoretische Sicht) und legen ein interdisziplinäres Ziel fest, erlangen interdisziplinäre Erkenntnisse, welche sie integrieren und kritisch reflektieren (konstruktionistische Sicht, pragmatische Herangehensweise). Ausgehend vom Prinzip des „Constructive Alignments“ entwickeln sie ein Modell zum interdisziplinären Lehren und Lernen.

Thomas Kriza widmet sich ethischen und philosophischen Perspektiven der Digitalisierung, die durch ihre Auswirkungen auf alle Lebensbereiche per se einen transdisziplinären Charakter haben. Dabei fokussiert er auf Big Data Anwendungen, welche überraschende und auf anderem Weg kaum nachweisbare Zusammenhänge sichtbar machen können.

In einer komplexen, vernetzten Welt braucht es fachübergreifende Zusammenarbeit, meint Simone Brandstädter, Kooperationspartner:innen fachübergreifender Projekte kämpfen jedoch mit großen Herausforderung aufgrund unterschiedlicher Kulturen, Kommunikationsweisen, und Erfahrungen. Da braucht es eine Interdisziplinäre Handlungskompetenz.

Im Teil Handlungsfeld „Hochschullehre“ sind vier exemplarisch ausgewählte Einsatz-Beispiele der Hochschullehre dargestellt, die Kapitel basieren auf Projektberichten, Evaluierungsergebnissen und Eindrücken.

Sofia Eleftheriadi, Sönke Hebing, Lennert Göpfert und Stefan Böschen untersuchen Erfolgskriterien des Projekts „Leonardo“, welches seit 2009 interdisziplinäre Lehr- und Lernveranstaltungen für Studierende aller Fachrichtungen an der technischen Hochschule RWTH Aachen ermöglicht. Dazu braucht es sowohl das Engagement einzelner Lehrender als auch die inhaltliche Unterstützung durch Konzepte, Leitfäden, u.Ä. zur Lehrveranstaltungsentwicklung sowie die organisatorische Unterstützung.

Daniel Knöfel beschreibt in seinem Artikel im Detail den Ablauf einer interdisziplinären Projektwoche zum Thema „Studien- und Berufsorientierung“ für gymnasiale Schüler:innen und Studienanfänger:innen. Ein Industriepartner liefert die fachübergreifende Aufgabenstellung, Coaches aus zumindest zwei Fachdisziplinen unterstützen die Gruppen. Ein großes Augenmerk liegt auf den didaktischen Prinzipien, die eigenständiges Arbeiten fördern, sowie auf der Gruppendynamik.

Thomas Krickhahn stellt in seinem Artikel zur Hochschullehre in der Moderne fest, dass aktuelle Probleme nicht innerhalb einzelner Disziplinen verortet werden können, sondern zur Lösung eine interdisziplinäre Herangehensweise benötigen. Neben den öffentlich kommunizierten Lehrplänen, die auf Inhalte fokussieren, gibt es einen geheimen Lehrplan, welcher die Soft Skills beinhaltet, und meist implizit existiert. Dieser geheime Lehrplan kann als Bindeglied zwischen den Disziplinen im interdisziplinären Forschungs- und Lehrzusammenhand gesehen werden.

Judit Klein-Wiele, Marc Kuhn und Harald Mandel liefern einen Praxisbericht zur interdisziplinären Lehre im Themenbereich „Nachhaltige Mobilität“ im Rahmen eines Projekts zur Förderung interdisziplinärer Kompetenzen von Studierenden. Diese setzen sich z.B. mit Elektroautos, Bike-Sharing oder E-Scooter anhand spezifischer Fragestellungen auseinander. In der Reflexion meinen die Studierenden, dass sie gerne mehr Zeit für das Projekt hätten und dass sie interdisziplinäre Studienprojekte spannend finden, und anderen Studierenden empfehlen.

Teil 3 „Methoden“ fokussiert auf mikrodidaktische Aspekte für inter- und transdisziplinäre Lehre.

Das Kapitel von Hanno Weber, Sven Schimpf und Thomas Gerlach behandelt den Dialog zwischen Stakeholdern aus unterschiedlichen Fachgebieten und die Methode des „Empathic Designs“, welche Kompetenzen zur Zusammenarbeit, Aufgeschlossenheit für Neues, Beobachtungsgabe und Neugier erfordert, sowie Geduld und Einfühlvermögen bei der Übersetzung der jeweiligen (Fach-)Sprachen.

Julia Philipp widmet sich der Fragestellung, welche Prüfungsformate die Erreichung interdisziplinärer Lernziele, die auch die Erreichung selbstreflexiver Kompetenzen umfassen, unterstützen könnten. Sie schlägt Kriterienraster für schriftliche und mündliche Prüfungen einerseits und für die Bewertung selbstreflexiver Fähigkeiten andererseits vor.

Im letzten Kapitel beschreiben Mirjam Braßler und Simone Brandstädter Übungen und Methoden zum gegenseitigen Verständnis und der Wertschätzung in der interdisziplinären Zusammenarbeit, wie etwa den philosophischen Dialog oder den Austausch zu individuellen Lieblingstheorien. Die Sieb-Reflexion unterstützt beim möglichen Chaos in einem interdisziplinären Projekt, interdisziplinäre Bonbons machen die Wertschätzung der Ideen aus anderen Fachbereichen sichtbar.

Diskussion

Da im Buch neben der Interdisziplinarität immer wieder die Transdisziplinarität angesprochen wird, möchte ich kurz ausführen, dass in transdisziplinären Hochschul-Projekten neben der Zusammenarbeit und Integration verschiedener akademischer Disziplinen, auch nicht-akademischen Akteur:innen zur Lösung praxisorientierter Probleme involviert sind.

Der theoretische Teil führt in das Thema ein, an Gemeinsamkeiten lassen sich die Wichtigkeit der Reflexion und der Aneignung neuer Kompetenzen über die Fachkompetenz hinaus entdecken. Alle folgenden Kapitel bieten Praxiswissen, welches oft in großem Detail dargelegt ist und von Interessierten leicht in den eigenen Kontext implementiert werden könnte. Um den Herausforderungen einer interdisziplinären Kooperation zu begegnen, braucht es eine offene Haltung bei den Beteiligten, um eine gemeinsame Sprache zu finden und ein Verständnis für andere Fachkulturen zu entwickeln. Dafür sind die Methoden in den letzten drei Kapiteln besonders nützlich.

Fazit

Dieses Buch gibt einen guten Überblick zur Interdisziplinarität in der Hochschule. Je nach Bedürfnis können sich die Lesenden in die Theorie vertiefen oder ein konkretes Praxisbeispiel an der eigenen Hochschule umsetzen.

Rezension von
Dr. Jutta Pauschenwein
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Es gibt 21 Rezensionen von Jutta Pauschenwein.

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Zitiervorschlag
Jutta Pauschenwein. Rezension vom 15.08.2024 zu: Mirjam Braßler, Simone Brandstädter, Sebastian Lerch (Hrsg.): Interdisziplinarität in der Hochschullehre. wbv Media GmbH & Co. KG (Bielefeld) 2023. ISBN 978-3-7639-7460-3. Reihe: Interdisziplinäre Lehre. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31301.php, Datum des Zugriffs 15.09.2024.


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