Manfred Becker: Personalentwicklung
Rezensiert von Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf, 08.01.2024

Manfred Becker: Personalentwicklung. Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis.
Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH
(Stuttgart) 2023.
7., vollständig überarbeitete Auflage.
861 Seiten.
ISBN 978-3-7910-5762-0.
D: 49,99 EUR,
A: 51,40 EUR.
Reihe: Lehrbuch.
Autor
Dr. rer. pol. habil Manfred Becker war Professor für BWL, insbesondere Personalwirtschaft, an der Universität Duisburg. Er war zudem Inhaber des Lehrstuhl für BWL an der Universität Halle-Wittenberg, wo er ebenfalls die Stelle des Dekans der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät inne hatte. Berufspraktisch war Manfred Becker als Leitungskraft in der Personalentwicklung der Adam Opel AG und bei General Motors tätig. Er hat diverse Bücher und Fachaufsätze vor allem zu Personalmanagement/​-entwicklung veröffentlicht.
Thema
Personalentwicklung ist heutzutage eine essenziell Notwendigkeit für Unternehmen in der Wirtschaft ebenso wie im Öffentlichen Dienst. Aufgrund der sich beschleunigenden Wandlungsprozesse inkrementeller und disruptiver Arbeit sowie bedingt durch die demografische Entwicklung, die in diversen Wirtschaftsbereichen einen Personalengpass bewirkt, kommen Unternehmen nicht umhin, ihre Mitarbeitenden weiterzuentwickeln. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen sie deren Leistungspotenziale erkennen, erschließen, personen- und bedarfsgerecht fördern sowie optimal ausschöpfen. Dass das gelingt, ist kein Selbstläufer. Es bedarf einer strukturierten, geplanten, gut organisierten und systematisch evaluierten Personalentwicklung (PE), die den Bedürfnissen von Organisation und Mitarbeitenden gleichermaßen gerecht wird. Was die Grundlagen einer solchen PE sind, wie diese theoretisch, konzeptionell, inhaltlich und methodisch-praktisch ausgestalten werden kann – und welche Fallstricke zu beachten sind – beleuchtet Manfred Becker in seinem in der 7. Auflage überarbeiteten und erweiterten Fachbuch „Personalentwicklung“.
Aufbau und Inhalt
Das Lehrbuch ist 2023 in der 7. Auflage beim Schäffer-Poeschel Verlag erschienen und umfasst 866 Seiten, die in 11. Kapitel unterteilt sind. Das Werk beginnt mit einem Vorwort zur 7. Auflage, in welchem der Autor darauf hinweist, dass das Buch in einer Zeit erscheine, die durch starke Veränderungen, Unsicherheiten und Umbrüche gekennzeichnet sei. Personalentwicklung reagiere darauf, denn sie sei „die betriebswirtschaftliche Funktion, die in sehr großem Maße dazu beiträgt, dass die Menschen trotz aller Veränderungen, Umbrüche, Rückschläge und persönlich belastender Situationen qualifiziert und motiviert ihre Arbeit erledigen können“ (S. 7). Dabei veränderten sich die Anforderungen an die Mitarbeiter:innen in immer kürzeren Zeitabständen, weshalb die Bedeutung der Personalentwicklung in den letzten Jahren weiter gestiegen sei. Wirtschaft und Öffentlicher Dienst hätten erkannt, schreibt B., „dass eine systematische Personalentwicklung für den Eintritt und den Verbleib junger Fach- und Führungskräfte die entscheidende Bedingung ist. Die Gleichstellung der Geschlechter, die Qualifizierung für neue Herausforderungen und die Sicherung des Fach- und Führungskräftenachwuchses in alternden und schrumpfenden Organisationen bleiben auf der Agenda systematischer Personalentwicklung“ (ebd.). Dieser Bedeutung Rechnung tragend nimmt sich der Autor dem Wesen der Personalentwicklung in seinem Werk umfassend an.
Im 1. Kapitel nimmt er eine Einführung von, in der die Zielsetzungen erläutert und dargelegt wird, warum Personalentwicklung (im weiteren Textverlauf oft mit PE abgekürzt) als Motor des Fortschritts bezeichnet werden könne. Er verfolge zwei Ziele, schildert Becker. „Einerseits werden relevante wissenschaftliche Erkenntnisse zum Themengebiet Personalentwicklung vorgestellt. Andererseits werden Inhalte, Methoden, Verantwortlichkeit und Entwicklungstendenzen der Personalentwicklung behandelt. Die wissenschaftlichen Grundlagen bilden das Erkenntnisfundament, auf dem systematische Personalentwicklung gestaltet und realisiert werden kann“ (S. 31). Sei Anliegen sei es Erkenntnisse zu den Themengebieten der PE verständlich aufzubereiten und sein Wissen handlungsorientiert zu vermitteln. Neben Studierenden und Dozent:innen richte sich das Buch auch an Fachpraktiker:innen in Unternehmen, denen er eine praktische, erprobte, abgesicherte PE-Handlungshilfen an die Hand geben wolle, schreibt Becker.
Darüber hinaus werden im ersten Kapitel Definitionen von bedeutenden Begrifflichkeiten vorgenommen. Was es mit Begriffen wie Qualifikation, Kompetenz und Performanz auf sich hat und warum ein grundlegendes Verständnis dessen wichtig sei, wird geschildert. Gleiches gilt für den Umgang mit Dynamik, Komplexität und Unsicherheit, was in unserer heutigen VUCA- bzw. BANI-Welt immer bedeutender werde. Was macht PE komplex und herausfordernd? Welche Dynamiken prägen die PE? Wie und warum ist PE mit Unsicherheiten konfrontiert, auf die zu reagieren sei, ohne das 100 % gesichert feststehe, welche Kompetenzen in Zukunft gebraucht werden? Die Fragen werden gestellt und gut verständlich, beispielhaft beantwortet, was mittels einer Mischung von Texten und Schaubildern geschieht, die sich durch das gesamte Werk ziehen.
Im zweiten Kapitel reflektiert Becker die wissenschaftliche Grundlagen der PE. Er zeigt auf, was erforscht wurde und macht deutlich, wie ein systematischer Zugang zur PE erschlossen werden könne, der wissenschaftlich absichert und handlungspraktisch umsetzbar sei. Was das Forschungsprogramm der PE auszeichne, wird ebenso beleuchtet wie der Theorie-Praxis-Verbund und die Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnissuche in der PE. Hinsichtlich der verbreiteten Theorien in der PE benennt der Autor spieltheoretische Ansätze, interdisziplinäre Zugänge, Einflüsse aus der Volkswirtschaftslehre sowie aus der Philosophie stammend den Utilitarismus. Ebenfalls wird geschildert, was die klassische und neoklassische Nationalökonomie ausmachten und inwieweit die dort formulierten Erkenntnisse für PE bedeutend seien. Humankapitaltheorie, Rational-Choice-Ansätze, Verhaltensökonomische Ansätze, Erkenntnisse aus der BWL und Systemtheorie, der ressourcenbasierter Ansatz, die Bedeutung von Resilienz, die Anreiz-Beitrags-Theorie und netzwerktheoretische Ansätze werden ebenfalls beleuchtet.
Im dritten Kapitel eruiert Becker die normativen Grundlagen systematischer PE. Diese sei stets in die normative Rahmung der jeweiligen Organisation eingebunden und habe externen Vorgabe, Gesetze und Tarifverträge zu beachten (S. 153). „Die Einbindung der PE in den unternehmerischen Ordnungsrahmen begründet PE-Pflichten und gewährt PE-Rechte. Die Unternehmensstrategie, die Unternehmensplanung und die Teilpläne der Unternehmensbereiche bestimmen den Handlungsrahmen der PE“, schildert der Autor (ebd.). Auch die Corporate Governance (CG), die Vorgaben der Compliance, die Vorschriften des HGB, BGB, AGG und weiterer mehr seien zu beachten und in der PE-Planung/​-Umsetzung zu berücksichtigen. Es komme vor, so Becker, dass neue Entwicklungen mit neuen Begriffen belegt würde. Es beleuchtet das am Beispiel von »Job Crafting«, »VUCA-Welt«, »New Work«, »New Placement«, »Autonomous Workgroups«, »Action Learning«, »Equal Opportunity Monitoring«, »Glass Ceiling«, »Life Balance«, »Bias«, »Design Thinking«, »SCRUM« und weiterer Wortschöpfungen, welche die Diskussion um PE bestimmten. Häufig sei der Begriffswechsel „auch nur ein Austausch von Etiketten durch solche, die neu und unverbraucht klingen. Die PE muss sich mit den neuen Begriffen auseinandersetzen und feststellen, was Mode und was Substanzveränderung ist“, meint Becker (S. 153).
Die Unternehmenskultur komme eine herausragende Bedeutung in der PE zu. Um das zu erläutern, erklärt der Autor zunächst die Bedeutung des Wortes Unternehmenskultur und reflektiert, was moderne PE für die demokratische Gestaltung in (entgrenzten) Organisation bedeute. Er liefert Erklärungsansätze der Unternehmenskultur und stellt Methoden der Kulturdiagnose als Informationsgrundlage der PE dar. Kulturvergleichende Organisationanalysen, die Organisationsanalyse mit Competing Values Framework, das Reifegradverfahren, die Kultur der Vielfalt durch Diversity Management und die Bedeutung der Nutzung der Stärken von Vielfalt werden beleuchtet. Ebenso stehen PE im Kontext von Corporate Governance und Corporate Social Responsibility, Environment Social Governance und Personalentwicklung, die Bedeutung der Nachhaltige strategischer PE-Planung, arbeitsrechtliche Grundlagen der PE und OE, die Bedeutung des Datenschutzes, das AGG und Anforderungen aus dem LkSG im Fokus des Autors.
PE führe im besten Fall zu einem Mehr an Bildung. Was diese im engen und auch im weiten Sinne auszeichne, ist der im vierten Kapitel vollzogene thematische Fokus von Becker. Auch hier wird zunächst definitorisch geklärt, was Bildung bedeute und wie das Bildungssystem der BRD gestaltet sei. Begriffe, Ziele und Aufgaben der Bildung werden benannt und in den Diskurs um PE eingeordnet. Lernorte und Lernortkooperation, Zuständigkeiten für die Berufsausbildung, Rechtsgrundlagen der Berufsausbildung, das Ausbildungspersonal, Kosten und Nutzen der Berufsausbildung, Veränderungen in den Prüfungsverfahren, die Bedeutung der Verknüpfung von Berufsausbildung und Studium, die Reform der Berufsausbildung und das Wesen von Weiterbildung werden dargelegt. Welche Anforderungen an Weiterbildung werden gestellt? Welche theoretischen Erkenntnisse zur Bedeutung der Weiterbildung für Individuen und Unternehmen existieren? Inwieweit ist Weiterbildung als Investition in Humanvermögen.zu sehen? Was ist eine Wissensspirale? Was ist informelles Lernen? Was sind Weiterbildungsziele und was -barrieren? Diese Fragen werden ebenso beantwortet wie Fragen nach der Qualitätssicherung in der Weiterbildung mittels unterschiedlicher QM-Modelle.
Zudem wird der Fokus auch auf die Digitalisierung der Aus- und Weiterbildung gelegt, zumal die Digitalisierung ein Megatrend ist, dem sich die PE kaum verschließen kann (was spätestens in der Corona-Pandemie offenkundig wurde). Die digitale Transformation habe auch Dinge wie die Plattformökonomie, Gamification in der Weiterbildung und eine sogenannte Arbeitswelt 4.0 hervorgebracht. Was es damit auf Sicht hat, wird ebenfalls beschrieben. Ein weiterer bedeutender Themenkomplex, dem sich Becker annimmt, ist die Bedeutung von Führung. Dieser komme eine immer stärkere Bedeutung in der Arbeitswelt 4.0 zu, in der Mitarbeitende mehr Mitspracherecht und Autonomie einforderten. Konkludent beschreibt Becker, was Führungskräfte befähige, ihren Job gut auszuüben, welche führungs-, eigenschafts- und verhaltenstheoretische Ansätze existierten und für die PE relevant seien. Da Bildung sich nicht von allein vollziehe, sondern gezielt geplant und befördert werden müsse, benennt der Autor zudem Methoden der Bildung, klassifiziert diese und erläutert, was die Wahl der Methoden beeinflusse. Auch ausgewählte Methoden der Führungsbildung werden vorgestellt.
Im fünften Kapitel nimmt der Autor sich der PE-Förderung im erweiterten Sinne an. Er erweitert den Fokus, indem er mit philosophischem und soziologischem Blick auf die steigende Bedeutung von Sinnsuche und -findung in der postmodernen Arbeitswelt eingeht. „Unter dem Label »The Great Resignation«, »Big Quitting«, »Antiwork« und dem abgeschwächten Trend »Great Reshuffle« steigen in den USA und in Europa immer mehr Beschäftigte aus dem Berufsleben aus, reduzieren ihre Arbeitszeit, nehmen Sabbatjahre oder wechseln von Vollzeit in Teilzeitbeschäftigung“, schildert Becker (S. 377). „Angeheizt durch die Corona-Beschränkungen, aber auch hervorgerufen durch eine tiefgehende, wachsende Unzufriedenheit mit der Arbeit, quittieren viele Beschäftigte ihren Job, sie wollen raus aus der stupiden Tretmühle der Arbeit. Viele Beschäftigte spüren einen enormen und wachsenden Leistungsdruck bei abnehmender Wertschätzung durch Vorgesetzte und Arbeitgeber“ – so beschreibt der Autor das Phänomen (ebd.).
Diese Ausstiegsbewegung von oft hochqualifizierten Fach- und Führungskräfte käme zu einer Unzeit, da geburtenstarke Jahrgänge gerade verstärkt in Rente gingen und die entstehende Lücke in den Belegschaften nicht immer nachbesetzt werden könnte. Auch würden viele Beschäftigte aus der Auszeit nicht oder nicht wieder in Vollzeit ins Arbeitsleben zurückkehren. Umso mehr sei PE daher essenziell, um die Arbeit auf weniger Schultern verteilen zu können. Es gelte, gezielt Potenziale zu ermitteln, Anforderungen zu bestimmen, Fördermaßnahmen einzuleiten, Leistung und Verhalten zu beurteilen, Karrierewege aufzuzeigen, Coaching und Mentoring durchzuführen, Stellvertretungen als Förderinstrumente anzubieten und eine nachhaltige Laufbahnplanung vorzunehmen, ist Becker überzeugt (S. 379 f.). Dias stärke die Bindung von Fach- und Führungskräften, was wiederum zur Stärkung von Selbstmanagement-Kompetenz beitrage. Die gezielte Förderung habe aber noch diverse weitere Aufgaben. Was diese seien, was die Ziele und Funktionen der Förderung ausmache, welche Instrumente zur Förderung genutzt und auf welche Kompetenzmodelle zurückgegriffen werden könne, wird geschildert.
Tätigkeits- und Anforderungsanalysen, Stellenbündel, Entgeltbestimmungen, Beschaffung und Auswahl von Mitarbeitenden sowie der Ablauf systematischer Personalauswahl werden ebenfalls von Becker reflektiert, der auf das gesamte Spektrum von der Sichtung der Bewerbungsunterlagen über eignungsdiagnostische Verfahren bis zum strukturierten Auswahlgespräche, Assessment-Center-Verfahren und onlinegestützten Auswahlverfahren eingeht. Im Kontext dessen wird auch auf die Gefahr von Beobachtungs- und Beurteilungsfehler sowie auf Stereotypen und Rationalitätsmythen in Auswahlverfahren rekurriert. Als Auftrag der PE vorgestellt und hinsichtlich ihrer Bedeutung für gelingende PE analysiert werden Strategien des Onboardings, Schonstrategien, Zielvereinbarungen, Leistungsbeurteilungen, Mitarbeitendengespräche, Karriereplanung, Coaching, Nudging, Mentoring, kollegialer Beratung, Supervision, Diversity Management, New Placement, Trennungsgespräch und Outplacement. Zudem nimmt sich Becker auch der steigende Bedeutung des betrieblichen Gesundheitswesens an.
Personalentwicklung lasse sich nie ohne Organisationsentwicklung (OE) bereitstellen. Das eine fördere und bedürfe das andere. Daher nimmt sich der Autor dieser Thematik im sechsten Kapitel an. OE definiert Becker „als Personalentwicklung im weiten Sinne“ (S. 627). OE sei die dritte Säule der PE. Bildung und Förderung gründeten im individualpädagogischen Paradigma, da einzelne Beschäftigte Adressat:innen von Bildungs- und Fördermaßnahmen seien. OE gründe „im sozialpädagogischen Paradigma, weil Personenmehrheiten, Gruppen und die jeweilige Organisation als Ganzes Adressaten der OE sind“ (ebd.). OE als PE schließe die Bereiche der Bildung und Förderung mit ein. Auch hier geht der Autor dergestalt vor, dass er zunächst die Begriffe OE sowie damit verbundene Begrifflichkeiten definiert. Im Anschluss stellt er die Dezentralisierung und Dynamisierung als Entwicklungstrends dar und macht deutlich, was OE ausmache und wie eine humane, soziale & technische Systemgestaltung vollzogen werden könne.
Becker befasst sich ferner mit lerntheoretischen Erkenntnissen und Hintergründen für die OE, mit organisationalem Lernen, Zielen und dem Entstehungshintergrund der Organisationsentwicklung, dessen Entwicklungsgeschichte er aufzeigt. Strukturen, Prozesse, Personen und Beziehungen als Bezugsebenen der Organisationsentwicklung werden vorgestellt und analysiert. Gleiches gilt für diverse verbreitete Methoden der OE, die auf der Individual-, Beziehungs-, Struktur- und Prozessebene angesiedelt sein können, Überdies gäbe es integrative Ansätze der OE, in denen Ebenen-übergreifend agiert werde. Als ausgewählte Methoden der OE nimmt Becker Projektgruppen, Qualitätszirkel, KVP, Teamkonzepte, Konfrontationstreffen, Methoden zur systematischen Generierung von Ideen, die Sicherung von Commitment, die Phasierung von OE-Prozessen, die Rolle von OE-Beratenden und Widerstände gegen OE-Projekte in den Blick.
Organisationsentwicklung beinhalte immer auch Change Management (CM), schildert Becker. Beides sei „hinsichtlich der Ziele, Inhalte, Verfahren, Akteure und Rahmenbedingungen eng miteinander verwandt“ (S. 697). Gelegentlich werde OE auch mit CM gleichgesetzt. Change Management sei letztlich ein Teil von OE und als radikale Transformation des Unternehmens zu verstehen, die systematisch geplant und angegangen werden müsse. Im Rahmen dessen komme des Öfteren Beratung (intern oder extern) zur Anwendung, weshalb sich der Autor der OE auch als Beratungs(dienst)leistung annimmt. Er beleuchtet den Unterschied von systemischer und systematische OE-Beratung, legt das dem zugrunde liegende Menschenbild dar und stellt heraus wie ein Beratungsprozess vollzogen werden könne und über welche Fähigkeiten Beratenden verfügen müssten. Am Ende des Kapitels geht Becker noch auf Kritik an der OE ein und fasst zusammen, dass an ihr indes kein Weg vorbeiführe, wenn Organisationen überleben wollen.
Gründe dafür seien vor allem soziale Veränderungen, Wertewandel, Veränderung der Lebensformen, des Lebensstils, der Lebenslage und der Lebensphase, was die Organisationskultur beeinflusse und der aktiven Intervention in Leistung und Zusammenarbeit bedürfe (S. 719). Das Selbstbewusstsein der Mitarbeitenden wachse, „Individualität und Korpsgeist sind gleichermaßen zu stärken. Das Bewusstsein für gesellschaftliche Probleme sowie die Diskussion darüber nimmt in großen Teilen der Bevölkerung zu. Eine konstruktive Debattenkultur ist auch in Unternehmen zu fördern“, fasst der Autor zusammen (ebd.). Kurzum gelte, dass auch im Unternehmensalltag Emotionen, Ängste und Befürchtungen in der Belegschaft existierten, die seitens der Führungskräfte und OE-Expert:innen zu bedenken seien. OE müsse „die Menschen dort abholen, wo sie mit ihren Ängsten und Strebungen stehen“ (ebd.). Auch müssten die Sozialkompetenzen kontinuierlich gestärkt werden. Da Komplexität, Dynamik und Unsicherheit in globalen Märkten zunähmen, da in alternden Gesellschaften neue Formen der Zusammenarbeit benötigt werden, werde die OE als PE weiter an Bedeutung gewinnen, meint Becker (ebd.).
Wie eine methodische Absicherung der PE konkret aussehen und implementiert werden könne, ist Thema des siebten Kapitels. Die methodische Absicherung der PE stehe seit vielen Jahren auf der Agenda. Erfolge seien erzielt worden, aber sei aber noch Überzeugungsarbeit zu leisten, um die PE-Gestaltung vom Zufall in ein geordnetes und leistungsfähiges System zu bringen. Der Funktionszyklus leistet einen methodischen Beitrag zur Systematisierung der PE, was mittels sechs Phasen geschehe (S. 721), die Becker benennt als (1) Bedarfsanalyse, (2) Ziele setzen, (3) Kreatives Gestalten, (4) Durchführen, (5) Erfolg kontrollieren und (6) Transfer sichern. Was diese Phasen ausmache, wird dargelegt. Den Ausführungen zur methodischen Absicherung der PE folgen im achten Kapitel Schilderungen zur Bedeutung des Personalentwicklungsmarketing. Nach einer Begriffsdefinition und Einordnung dessen, was PE-Marketing ausmache, unterscheidet Becker die Exzellenz durch PE von der Exzellenz der PE und erklärt, was beides auszeichne, bevor er auf die Spezifika und den Auftrag des PE-Marketings zu sprechen kommt.
PE-Marketing werde vor allem in der zweiten Generation der Unternehmensführung relevant. Es sei daher Auftrag der zweiten Generation der PE, das Leistungsportfolio so zu gestalten, dass ihre Produkte und Dienste im Wettstreit mit anderen Anbietenden gekauft werden. „Soll die Behauptung am Markt gesichert werden, dann müssen die Beschäftigten so qualifiziert und motiviert sein, dass sie bessere Produkte und Dienstleistungen hervorbringen als der Wettbewerb“, schreibt Becker (S. 737). In Käufer:innenmärkten indes wechselten Kund:innen ihre Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen mitunter in rascher Art und Weise. „Disruption ist Kennzeichen der Wechselfreude der Kunden und der Schnelligkeit der technischen Entwicklung in der zweiten und der dritten Generation der Unternehmensführung. Unternehmen muss es gelingen, den Markt zu analysieren und schnelle Entscheidungen hinsichtlich Produktvariation, Veränderung der Produktionsverfahren und der Absatzwege zu finden“, schildert der Autor (ebd.). Als Folge sei die Befähigung der Belegschaft anforderungsgerecht so zu modifizieren, „dass die arbeitenden Menschen in der Lage sind, die sich rasch verändernden Anforderungen zu bewältigen. Und hier setzt die PE ein“ (ebd.).
Was aber sind die Ziele und Inhalte des PE-Marketing? Wie verhält es sich mit externem und internen PE-Marketing? Was ist PE-Markenmanagement? Welche Marketinginstrumente der PE gibt es und was hat es mit dem erst seit einigen Jahren weit verbreiteten Influencer-Marketing für die PE auf sich? Auf diese Fragen wird im achten Kapitel eingegangen. Becker fasst die Bedeutung des PE-Marketing so zusammen: „Personalentwicklung zielt auf unternehmerische und persönliche Entscheidungen. Informationen sollen die Entscheidungen unterstützen und die Entscheider zufriedenstellen. PE-Marketing zielt darauf ab, die Philosophie, die Ziele, die Inhalte, Methoden, Medien und Bedingungen der PE bekannt zu machen. Marketing durch PE ist auf Werbung für das eigene Unternehmen ausgerichtet, indem Bewerbern und Beschäftigten Argumente vermittelt werden, die belegen, dass das Unternehmen mit einer systematischen PE in hervorragender Weise dafür Sorge trägt, dass die Befähigung stets anforderungsgerecht erhalten bleibt“ (S. 750). Darauf hätten sich PE-Marketingmanager:innen zu konzentrieren.
Eine gelingende PE bedürfe solider Planung, Umsetzung, Evaluation und beständiger Anpassung. Das werde geleistet durch Organisation. Sie steht im Fokus des neunten Kapitels. Die organisatorische Einordnung verleihe der PE das Recht, so Becker, „PE-Aufgaben für eine Organisation wahrzunehmen, und begründet die Pflicht, mit den Aktivitäten der PE bestmöglich zur Erreichung der Unternehmungsziele und der Entwicklungsziele der Belegschaft beizutragen. Die organisatorische Eingliederung in das Hierarchiegefüge bestimmt den Wert und die Wertschätzung der PE entscheidend mit. Ausgangspunkt organisatorischer Überlegungen sind die Strategie, die Kultur, die Unternehmungspolitik, die Arbeitsprozesse und die Art und Weise der Gestaltung der internen Beziehungen sowie die Reife (Motivation und Qualifikation) der Belegschaft“ (S. 751). Die Organisation, verstanden als Aufbau- und Ablauforganisation, sei das Mittel zur bestmöglichen Erreichung von PE-Zielen. Hinzu komme, dass die Wahl der Organisationsform die Leistungsfähigkeit der PE mitbestimme und mitentscheide, „ob Doppelarbeit vermieden wird, wichtige Aufgaben verantwortungsvoll zugeordnet sind und die erforderlichen Informationen zur rechten Zeit am richtigen Ort verfügbar sind“ (ebd.).
Wie eine organisatorische Einordnung der Personalentwicklung aussehen kann und warum diese nötig sei, wird von Becker umfänglich dargelegt. Er differenziert zwecks dessen zwischen zentraler und dezentraler Organisation der PE, beschreibt die Ablauf- und Sekundärorganisation der PE, stellt PE als Teil des Netzwerkmanagements dar und beschreibt sie als Backbone Organization. Organisational herausfordern seien immer das Management von Nähe und Distanz sowie der Umgang mit Daten, Information und Wissen im Rahmen des Wissensmanagement, welches ebenfalls zusammen mit PE gedacht werden müsse. Daher nimmt sich Becker auch dieser Thematik an. Zusammenfassend ließe sich sagen, dass die Organisation die Ziele der Unternehmen und der Menschen dann optimal unterstütze, „wenn Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen so zugeordnet sind, dass die Menschen an ihrer oberen durchschnittlichen Dauerleistungskurve gefordert werden, wenn Überorganisation vermieden wird und Autonomie so weit wie möglich gewährt wird“ (S. 782). Alles in allem sei es eine organisationale Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen so zu verteilen, dass eine optimale Flexibilität, Professionalität, Kostengünstigkeit und Akzeptanz der PE erreicht werde.
Wer professionell als Personalentwickler:in tätig sei, habe ein gewisses Bild von sich und eine Vorstellung davon, was gute PE auszeichne, was ökonomisch nötig und ethisch vertretbar sei. Um dieses Selbstverständnis professioneller PE geht es im zehnten Kapitel. Eine Rolle umschreibe, welche Aufgaben und welche Kompetenzen eine Person in einer Position zukommen, schreibt Becker (S. 783). Sie sei ist historisch mit der Trennung von Beruf und Stand, von Herkunft und Tätigkeit, entstanden und wechsele mit den Situationen. Sie passen sich den Erfordernissen des Umfeldes an, wobei Erwartungen hinsichtlich dessen, wie eine Rolle auszufüllen sei, sich mit der Zeit veränderten. Festzuhalten sei aber in jedem Fall, „dass Personalentwickler über die »profane« Rolle hinaus für ihre Tätigkeit berufen sein müssen“, stellt der Autor klar (ebd.). Eine Berufung sei erforderlich, „um als Personalentwickler den Dienst am Menschen auszuüben. Personalentwickler müssen von einem positiven, von einem philanthropischen Menschenbild beseelt sein“ (ebd.).
Damit einher könnten aber auch Rollenkonflikte gehen, denn die Wünsche und Ziele von Organisation, Führungskräften und Mitarbeitenden seien nicht immer deckungsgleich. Auch sei es für Personalentwickler:innen mitunter herausfordernd, in einem Spannungsfeld von Nähe und Distanz zu changieren. Man sei schließlich nicht nur den Mitarbeitenden verpflichtet, sondern trete auch als „Management-Informant“ in Erscheinung. Auch könne es sein, dass das Verhältnis von Berufsprofession und Personenprofession neu austariert werden würde. In jedem Fall sei der Prozess der Herausbildung einer Profession mit gewisser Zeit verbunden und setze neben Erfahrung auch Selbstreflexionskompetenz voraus. Wie diese Professionalisierung durch Qualifizierung aussehen könne und wie es um die Professionalisierung der Personalentwickler:innen im betrieblichen Funktionsgefüge stehe, wird deutlich gemacht.
Im letzten Kapitel analysiert Becker den Ist-Zustand der PE und schildert Entwicklungstendenzen. Mittlerweile sei es so, dass fundamentale Elemente des Handlungsfeldes PE im weiten Sinne erforscht würden. „Erkenntnisse zu den Rahmenbedingungen liegen insofern vor, als es für eine systematische PE notwendig ist, den personalen Reifegrad der Beschäftigen, den Reifegrad der jeweiligen Organisation und den Reifegrad der PE kriteriengeleitet zu bestimmen, damit eine bedürfnisgerechte und bedarfsorientierte PE gestaltet werden kann“ (S. 809). Es sei unumstrittene Praxis, dass „eine systematische Ermittlung des PE-Bedarfs die Ursachen, die Adressaten und Anforderungen beinhalten muss“ (ebd.). Die Durchführung der PE sei Gegenstand der Forschung u.a. in Pädagogik, BWL, Psychologie und IT. „IT-gestützte PE, arbeitsintegrierte PE, die Kopplung von Unternehmensführung und PE und die Begleitung von Change-Projekten entwickeln sich als Folge der sich rasch verändernden externen Anforderungen an die Unternehmen, des Bedeutungswandels der Arbeit und der zunehmenden Spezialisierung und Segmentation der PE-Adressaten ständig“, schreibt Becker (ebd.)
Er prognostiziert, dass die PE-Professionalisierungsforschung weiter zunehmen werde, wobei gegenwärtig untersucht werde, welche Fachgebiete in die PE integriert werden sollten. PE-Grundlagen- und Anwendungsforschung sowie interdisziplinäre PE-Forschung seien zu intensivieren. Auch der Blick auf die internationale PE-Praxis werde zunehmen, Gleiches gelte für Selbstbeteiligungen der Mitarbeitenden in Form von Zeit- und Geldinvestitionen für die eigene berufliche Entwicklung. Allerdings gelte auch, dass trotz Ausweitung und Liberalisierung der PE für viele Menschen noch ein verbesserter Zugang zu PE-Maßnahmen geschaffen werden müsse, da noch immer zu wenige Mitarbeitende in deren Genuss kämen, was sich die Volkswirtschaft auf Dauer kaum leisten könne. Es sei davon auszugehen, schreibt Becker, dass die „Durchführung, Vermarktung und Nutzung von Personalentwicklung über Kompetenzbörsen, PE-Plattformen und Internetagenturen […] mit der wachsenden Entgrenzung der Unternehmen zunehmen [werde]“ (S. 810). Dabei sei stets zu bedenken, dass PE eine nicht delegierbare Führungsaufgabe von hoher Priorität sei, die jede Führungskraft, für die ihr unterstellten Beschäftigten sicherzustellen habe. Ausgangs- und Zielpunkt bleibe immer der Mensch als Person, stellt Becker klar.
Diskussion
Was ist zu diesem umfänglichen Werk nun zu sagen? Ist es lesenswert? An wen richtet es sich und wer kann von der Lektüre profitieren? Der Rezensent kann dazu folgendes sagen: Die Tatsache, dass das Lehrbuch bereits in der 7. Auflage erschienen ist, macht deutlich, dass es am Markt angenommen wird, dass der Autor mit seinen Darlegungen also offenkundig ein Bedürfnis nach Informationen zum komplexen, aktuell weiterhin hochrelevanten Thema der PE bedient. Das Lehrbuch richtet sich vor allem an Hochschuldozent:innen, Organisationsberater:innen, Personalentwicklier:innen und Führungskräfte, die die ersten Personalentwickler:innen ihrer Mitarbeitenden sind. Selbstverständlich können aber auch Studierende der BWL, Organisationspädagogik, Arbeits- und Organisationspsychologie und ähnlicher Fächer von der Lektüre profitieren. Das Buch eignet sich als Grundlagenwerk ebenso wie als Nachschlagewerk, zumal der Themenkomplex PE sehr umfassend abgedeckt und von verschiedenen Seiten mit betriebswirtschaftlichem, psychologischem, soziologischem und organisationspädagogischem Blick beleuchtet wird. Klassische Ansätze der PE werden ebenso dargelegt wie moderne Ansätze.
Umfang und Tiefe der Auseinandersetzung mit der Materie sind Fachbuch-typisch. Gleiches gilt für die didaktische Aufbereitung der im Buch gelieferten Informationen, die – wie fast immer bei Lehrbüchern aus dem Schäffer-Poeschel Verlag – gewohnt gut bis sehr gut ist. Das Schriftbild ist klar, der Zeilenabstand hinreichend und alle Schaubilder, die das Verständnis des Textes in den meisten Fällen tatsächlich befördern und nicht nur schmückendes Beiwerk sind, sind sehr gut erkennbar. Der Rezensent ist ziemlich sicher, dass er das Werk noch so manches Mal zur Hand nehmen wird, wenn es gilt, gewisse Begrifflichkeiten und Konzepte im PE-Kontext nachzuschlagen. Das nicht zuletzt auch, weil das Buch angenehm verständlich geschrieben ist. Es kommt weitgehend ohne Schachtelsätze und komplizierte Formulierungen aus. Überdies macht die kleinteilige Einteilung mit diversen Unterkapiteln es gut möglich, schnell die Themenkomplexe zu finden, die einen interessieren.
Sehr zum Lerngewinn trägt auch die Tatsache bei, dass sich am Ende der Kapitel jeweils kurze Zusammenfassungen dessen finden, was im Kapitel thematisiert wurde. Ein potenzieller Kritikpunkt ist lediglich, dass das Buch sehr weitschweifig ist und manche Redundanzen enthält, was bei einem Werk von über 800 Seiten allerdings kaum verwundert. Es ist zwar erkenntnisreich und wird der Interdisziplinarität von PE gerecht, dass der Autor nicht nur mit dem Blick des Betriebswirts auf die PE schaut, sondern auch Bezug nimmt auf psychologische, pädagogische, philosophische, soziologische und rechtliche Erkenntnisse/​Informationen, das allerdings führt auch dazu, dass gewisse Thematiken behandelt werden, die eher „entfernt“ und indirekt mit Personalentwicklung zu tun haben. Wesen und Wirkung der PE werden im Buch sehr umfassend analysiert und hinsichtlich zahlreicher Facetten analysiert, die wissenschaftlich abgesichert und bezüglich ihrer praktischen Relevanz für Unternehmen kontextualisiert werden.
Das ist wie gesagt interessant, der Rezensent kann sich aber vorstellen, dass manche Leser:innen ein komprimierteres Werk von max. 500 Seiten eher bevorzugen würden. Abgesehen davon gibt es nichts, was aus Sicht des Rezensenten offenkundig kritikwürdig wäre. Summa summarum hat Manfred Becker ein sehr umfassendes, fast durchgängig gut lesbares, interessantes und vielschichtiges Fachbuch vorgelegt, das durchaus als Standardwerk der PE bezeichnet werden kann. Wer daran interessiert ist und/oder sich beruflich als Praktiker:in oder Wissenschaftler:in mit PE befassen muss, kommt an einem Kauf (oder Ausleihen) des Werkes kaum herum.
Fazit
Mit der 7., umfänglich überarbeiteten Auflage von „Personalentwicklung“ hat Manfred Becker erneut ein Referenzwerk vorgelegt, das in keiner Hochschulbibliothek fehlen sollte. Die Lektüre kann Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen, die im Bereich Personalentwicklung unterwegs sind, nur empfohlen werden.
Rezension von
Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf
Sozialwissenschaftler, Diplom-Sozialarbeiter/-pädagoge (FH), Sozial- und Organisationspädagoge M. A., Case Management-Ausbilder (DGCC), Systemischer Berater (DGSF), zertifizierter Mediator, lehrt Soziale Arbeit und Integrationsmanagement an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim.
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