Alexander Prinz, Kerstin Witte: Mobilität mit Demenz
Rezensiert von Jan-Hendrik Ortloff, 15.11.2023
Alexander Prinz, Kerstin Witte: Mobilität mit Demenz. Lehmanns Media GmbH (Berlin) 2023. 245 Seiten. ISBN 978-3-96543-390-8. D: 29,95 EUR, A: 30,80 EUR.
Thema
Aufgrund des demografischen Wandels rücken Demenzen vermehrt in den Fokus der gesundheitlichen Versorgung, die von Fachkräften und Angehörigen gleichermaßen geleistet wird und mit fortschreitendem Krankheitsverlauf aufwendiger werden kann. Das Ziel liegt dabei meist darin, die Mobilität, Selbstständigkeit und Lebensqualität der Betroffenen möglichst lange zu erhalten. Dabei werden die Grenzen pharmakologisch orientierter Behandlungen deutlich, weshalb therapeutische und soziale Versorgungsformen zunehmend mehr Aufmerksamkeit erhalten. Das Buch greift diese Thematik auf und veranschaulicht dazu Möglichkeiten, Bewegungsübungen mit Musik zu kombinieren. Dementsprechend richtet sich das Buch an Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Pflegekräfte sowie Angehörige etc., die das vorhandene Bewegungsprogramm für Menschen mit Demenz anhand der beschriebenen Praxisbausteine umsetzen oder selbst eines konzipieren wollen.
Autor:in oder Herausgeber:in
Alexander Prinz M. Sc. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, an der auch Prof. Dr. Kerstin Witte Hochschullehrerin am Lehrstuhl für Sport und Technik im Bereich Sportwissenschaft ist.
Entstehungshintergrund
Das Buch entstand im Zusammenhang mit dem Projekt „Mobilität mit Demenz“ der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, welches im Jahr 2020 gestartet ist und das Ziel verfolgte, die Wirksamkeit eines musikbasierten Bewegungsprogramms für Menschen mit Demenz bezüglich ihrer Kognition, Motorik und Lebensqualität aufzuzeigen. Zudem versuchte das Projekt die Frage zu beantworten, wie ein solches Bewegungsprogramm praxistauglich, bedarfs- und bedürfnisgerecht gestaltet werden kann. Die Entwicklung des Bewegungsprogramms basiert auf einer systematischen Recherche wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie auf Erfahrungen der beiden Autoren aus Vorstudien, welche sie mit Menschen mit Demenz durchgeführt haben. Die praktische Umsetzung des Projektes erfolgte zweimal wöchentlich von Januar 2021 bis Oktober 2021 in drei Seniorenheimen und einer Tagesbetreuung in Magdeburg.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist strukturiert gegliedert und stellt zunächst das Projekt als Entstehungshintergrund vor. Das daraus entstandene Bewegungsprogramm ist speziell auf Menschen mit einer leichten- bis mittelgradigen Demenzerkrankung (Mini-Mental-Status-Examination zwischen 10 und 26 Punkten) ausgerichtet und beinhaltet drei Aktivitätslevel, welche die Anpassung der Umsetzung an unterschiedliche Aktivitätsniveaus ermöglicht. Hierin begründet liegt auch die hohe Praktikabilität, da das Programm sowohl mit rollstuhlmobilen Personen, mit Personen die Hilfsmittel zur Fortbewegung nutzen, mit uneingeschränkt mobilen Personen als auch mit allen genannten Personengruppen gleichzeitig umgesetzt werden kann.
Nach einer Einführung über die Demenzformen und Schweregrade widmen sich die beiden Autoren ausführlich den Themenfeldern Bewegung und Musik. Einige Studien haben gezeigt, dass Sport, Bewegung und Musik die Kognition und die Mobilität erhalten bzw. fördern und insbesondere in Kombination miteinander die Selbstständigkeit und Lebensqualität verbessern können. Inhaltlich fokussieren die Autoren dazu die physischen und psychischen Verbesserungen durch Bewegung sowie die Wirkung von Musik auf Menschen mit Demenz. Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Sturzprophylaxe, die durch Übungen des Gleichgewichtes, der Kräftigung einzelner Muskeln sowie der Bewegungskoordination in den Praxisbausteinen fokussiert werden kann.
Dies führt die Leser:innen in die anschließenden Kapitel, die sich der Umsetzung in die Praxis widmen und zunächst die formale Gestaltung des Bewegungsprogrammes beinhalten. Darauf aufbauend werden Musterstunden sowie diverse Praxisbausteine beschrieben, die es den Leser:innen ermöglichen, ein eigenes abwechslungsreiches Bewegungsprogramm auf der Grundlage des Buches zu planen bzw. umzusetzen. Dazu wird zweckmäßig auf alltägliche Trainingsgegenstände wie Stäbe, Bälle und Ringe etc. zurückgegriffen, die leicht zu erhalten sind und Menschen mit Demenz vertraut sein können. Die Praxisbausteine sind durchgehend gegliedert in einfache/​leichte, mittelschwere sowie schwere Übungen und enthalten zahlreiche Abbildungen zu den einzelnen Übungen, die den Transfer in die Praxis erleichtern. Abgerundet wird das Bewegungsprogramm durch Playlists am Ende des Buches, die durch Scannen genutzt werden können.
Diskussion
Menschen mit Demenz profitieren von Bewegung, kognitiver Aktivierung und sensorischem Input. Das vorgestellte Bewegungsprogramm verknüpft diese Elemente und ermöglicht es Laien wie Fachkräften, ein eigenes Bewegungsprogramm zu gestalten. Das Buch beschreibt dazu die Vorteile, die durch eine Kombination aus Bewegung und Musik entstehen können und veranschaulicht gekonnt den Transfer in die Praxis. Der niedrigschwellige Zugang ermöglicht nahezu allen Betroffenen die Teilnahme, insofern diese sitzen können. Aufgrund der Praktikabilität der Bewegungsübungen kann die kognitive Aktivierung fokussiert und Musik als sensorischer Input genutzt werden. Zu kritisieren bleibt die Beschreibung des Krankheitsbildes als auch die kurzgefassten kommunikativen Umgangsformen mit Menschen mit Demenz, die zwar zu Beginn des Buches aufgeführt sind, jedoch weiterführende Literatur erfordern. Die Playlists am Ende des Buches sind modern und praktikabel umsetzbar, inhaltlich jedoch klischeehaft auf Lieder der 60er, 70er und 80er Jahre reduziert. Insgesamt handelt es sich um ein sehr gutes Buch mit hohem Praxisbezug, das relevante Inhalte für Bewegungsübungen für Menschen mit Demenz beinhaltet.
Fazit
Das Buch Mobilität mit Demenz bietet einen breiten Einblick in die Zusammenhänge von Bewegung und Musik und zeigt unter anderem auf, wie Bewegungsprogramme durch Musik abwechslungsreich gestaltet werden können. Der Transfer in die Praxis ist durch die zahlreichen Abbildungen, die verwendeten Trainingsutensilien und die Einteilung in einfache/​leichte, mittelschwere und schwere Übungen für Fachkräfte sowie Laien nachvollziehbar und praktikabel umsetzbar. Im Vordergrund stehen dabei die Betroffenen Menschen mit Demenz, denen Freude in den Bewegungsprogrammen durch kognitive Aktivierung, soziale Integration und sensorischen Input vermittelt werden soll.
Rezension von
Jan-Hendrik Ortloff
Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Innovative und digitale Lehr- und Lernformen in der multiprofessionellen Gesundheitsversorgung, Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Department für Humanmedizin
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Es gibt 2 Rezensionen von Jan-Hendrik Ortloff.
Zitiervorschlag
Jan-Hendrik Ortloff. Rezension vom 15.11.2023 zu:
Alexander Prinz, Kerstin Witte: Mobilität mit Demenz. Lehmanns Media GmbH
(Berlin) 2023.
ISBN 978-3-96543-390-8.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31346.php, Datum des Zugriffs 03.10.2024.
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