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Claudia Steckelberg, Rudolf Bieker (Hrsg.): Wohnungslosigkeit

Rezensiert von Wolfgang Schneider, 24.10.2023

Cover Claudia Steckelberg, Rudolf Bieker (Hrsg.): Wohnungslosigkeit ISBN 978-3-17-038452-1

Claudia Steckelberg, Rudolf Bieker (Hrsg.): Wohnungslosigkeit. Grundlagen und Handlungswissen für die Soziale Arbeit. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2023. 136 Seiten. ISBN 978-3-17-038452-1. 29,00 EUR.
Reihe: Grundwissen Soziale Arbeit - 49.

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Thema

Wohnungslosigkeit ist ein soziales Problem, mit dem sich die moderne Soziale Arbeit seit ihren Anfängen beschäftigt. Auch im 21. Jahrhundert ist die Wohnungsfrage eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen angesichts der steigenden Mieten, Zwangsräumungen und zunehmender Armut. Für immer mehr Menschen ist eigener Wohnraum keine Selbstverständlichkeit mehr. In diesem Lehrbuch wird Wohnungslosigkeit aus unterschiedlichen Perspektiven und Disziplinen beleuchtet. Soziologische und ökonomische Grundlagen werden ebenso vermittelt wie sozial- und wohnungspolitische Strategien gegen die Wohnungsnot. Welche Ansätze, Konzepte und Methoden zur Überwindung von Wohnungslosigkeit die Soziale Arbeit bietet, wird differenziert für unterschiedliche Lebenslagen und Zielgruppen aufbereitet. Im Fokus steht dabei nicht nur die Wohnungslosenhilfe; vielmehr bezieht das Buch zahlreiche Handlungsfelder der Sozialen Arbeit mit ein und liefert entsprechende Methoden.

AutorIn oder HerausgeberIn

Dr. Claudia Steckelberg hat die Professur für Sozialarbeitswissenschaft an der Hochschule Neubrandenburg inne und ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit.

Entstehungshintergrund

Der Titel gehört zur von Rudolf Bieker bei Kohlhammer herausgegebenen Reihe Soziale Arbeit Grundwissen.

Aufbau und Inhalt

Das Buch gliedert sich auf rund 140 Seiten auf sieben Kapitel plus Formalia. Nach den entsprechenden Vorbemerkungen sind die Ausführungen in folgende Inhalte unterteilt:

  • Wohnen im historischen und gesellschaftlichen Kontext

Zunächst werden Merkmale modernen Wohnens beschrieben, worunter zum Beispiel das Wohnen als Ort des Lebens und Aufenthalts als Gegenpol zur Erwerbsarbeit fällt. Dieses Phänomen ist noch relativ neu und startete erst mit dem Beginn des industriellen Kapitalismus im 19. Jahrhundert. Daran schließt eine Betrachtung der Polarität von Öffentlichkeit und Privatheit als gesellschaftliche Sphären, die von großer Ambivalenz geprägt sind. So „bedeutet [Privatheit] Schonraum und Entfaltung der Persönlichkeit und Entfaltung ebenso wie die Begünstigung von Abhängigkeit und Gewalt“ (S. 18). Die Öffentlichkeit als gegenteiliger Pol zielt dagegen auf „Anerkennung durch Teilhabe und Vielfalt, aber auch Bloßstellung und unentrinnbare soziale Kontrolle“ (S. 18 f.) ab. Das Wohnen somit ein Mittel der sozialen und individuellen Unterscheidung darstellt, wird im nächsten Unterabschnitt beleuchtet. Anschließend wird die Frage aufgeworfen, inwieweit eine Verknüpfung zwischen Wohnen und dem Wandel der traditionellen Familie besteht. Dazu passend werden die Fragen beantwortet, ob das Wohnen an einem Ort überhaupt eine lange Tradition in der Geschichte der Menschheit hat und inwieweit Erziehung und Wohnen zusammenhängen. Das Kapitel schließt mit einem Ausblick ins aktuelle Jahrhundert ab: postmodernes Wohnen im neoliberalen Kontext.

  • Wohnungsmarkt und Wohnungspolitik

Hier liegt der Fokus zunächst auf dem Wohnungsmarkt als unvollkommenem Markt im klassischen wirtschaftlichen Sinne sowie der Definition des Wohnraums als unbewegliche Ware. Beleuchtet werden hierbei unter anderem die Heterogenität der Güter und mangelnde Markttransparenz, die geringe Flexibilität und Anpassungselastizität sowie subjektive Präferenzen und strukturelle Diskriminierung und die mangelnde Substituierbarkeit von Wohnraum. Die Autorin beantwortet dann auch die Frage nach den Folgen dieser Inhalte für die Wohnraumversorgung und beschreibt die Wohnungspolitik in der sozialen Marktwirtschaft und die vorhandenen Instrumente der Wohnungspolitik, worunter Recht, Finanzierung und Eigentum fallen. Ganz aktuell wird es zum Ende dieses Kapitels, wenn mit dem Wohnungsmarkt als finanzialisierter Markt, der Privatisierung der Daseinsvorsorge, der Finanzialisierung des Wohnungsmarkts sowie Initiativen und Bündnisse zum Thema Wohnraum für alle die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts näher beschrieben werden.

  • Wohnungslosigkeit als soziales Problem

An dieser Stelle nähert sich die Autorin der Praxis Sozialer Arbeit im Feld Wohnungslosigkeit. Zunächst werden die historischen Entwicklungen diesbezüglich skizziert und soziale Probleme als Anlässe Sozialer Arbeit untersucht. Es folgen die Definitionen der Begrifflichkeiten Wohnungslosigkeit und Wohnungsnotfall, bevor mit aktuellen statistischen Daten gezeigt wird, welche Bedeutung das Themenfeld hat.

  • Problemfelder in der Wohnungslosigkeit

Auch dieses Kapitel zielt wieder auf die Praxis und beschreibt, mit welchen Problemfeldern Sozialarbeiter*innen im Bereich Wohnungslosigkeit in Kontakt kommen: Räumliche und soziale Exklusion, Armut und Arbeitslosigkeit, Bildung, Gesundheit, Gewalt – mit den Unterpunkten Häusliche Gewalt als Ursache von Wohnungslosigkeit und Gewalt gegen wohnungslose Menschen – sowie Diskriminierung, Ausgrenzung und Vertreibung

  • Dimensionen von Wohnungslosigkeit

Drei Dimensionen werden in diesem Kapitel intensiver beschrieben. Zunächst geht es um Lebensalter und Lebensphasen als Strukturhilfe, wozu Jugendliche und junge Erwachsene ohne festen Wohnsitz, Krisen im Erwachsenenalter und Wohnungsnotfälle im Alter gehören. Als zweite Dimension eröffnet die Autorin Geschlecht und queere Perspektiven und betrachtet hier Ungleichheiten und Zumutungen in der Geschlechterhierarchie sowie grundsätzlich queere Perspektiven in der Wohnungslosigkeit. Die dritte Dimension ist mit Migration und Rassismus überschrieben. Hier geht es vor allem um rechtliche Ausgrenzung und Benachteiligung und ganz konkret um Rassismus

  • Handlungsansätze der Sozialen Arbeit

Welche Arbeitsfelder konkret haben nun in der Sozialen Arbeit mit Wohnungslosigkeit zu tun? Wie begegnet Soziale Arbeit diesem Problemfeld? Antworten auf diese Fragen finden sich im sechsten Kapitel, in dem zuerst Überlebenshilfen und Beratung als niederschwellige Handlungsansätze beschrieben werden. Weiter geht es mit den Themenfeldern Tagesaufenthaltsstätten und Notschlafstellen und klassischer Straßensozialarbeit/​Streetwork, medizinischen und Wohnhilfen, Notunterkünften nach Polizei- und Ordnungsrecht, nach Sozialrecht (SGB XII) sowie für Minderjährige als Notschlafstellen und Unterbringung nach SGB VIII. Es folgt eine Betrachtung der Housing First-Bewegung sowie einiger weiterer Aspekte

  • Ausblick

Den inhaltlichen Abschluss bildet ein perspektivisch nach vorne gerichteter Fokus. So wird kurz die Frage angerissen, inwieweit Klimakrise und -politik einen Einfluss auf das Thema Wohnungslosigkeit haben.

Diskussion

Auf der begrenzten Seitenzahl dieser Reihe kann es keine allumfassende Abhandlung zum Thema Wohnungslosigkeit geben, aber dazu soll dieses Buch gar nicht dienen. Vielmehr gelingt es der Autorin, einen ersten Überblick über die Komplexität des Themenfeldes und ihre Relevanz für die Soziale Arbeit zu geben. Besonders spannend ist dabei die historische Betrachtung des Phänomens und die praxisrelevanten Kapitel. So ist es nicht nötig, das Buch der Reihenfolge nachzulesen. Es kann bequem und ohne Informationsverlust aufgrund der sehr guten Gliederung als Nachschlagewerk genutzt werden. Dass es diese Funktion beeindruckend erfüllt, wird auch durch jeweils weiterführende Literaturhinweise nach den einzelnen Kapiteln und die ganz kurze inhaltliche Zusammenfassung des zuvor Gelesenen erreicht.

Fazit

Wer kurz und knackig wichtige Informationen zum Thema Wohnungslosigkeit sucht, ist hier genau richtig. Erfahrene Praktiker*innen werden wahrscheinlich weniger Neues erfahren als Studierende und Berufseinsteiger*innen. Lohnenswert ist die Anschaffung aber aufgrund ihres guten Überblicks dennoch für alle Fachkräfte, die in diesem Themenfeld arbeiten.

Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
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Zitiervorschlag
Wolfgang Schneider. Rezension vom 24.10.2023 zu: Claudia Steckelberg, Rudolf Bieker (Hrsg.): Wohnungslosigkeit. Grundlagen und Handlungswissen für die Soziale Arbeit. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2023. ISBN 978-3-17-038452-1. Reihe: Grundwissen Soziale Arbeit - 49. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31361.php, Datum des Zugriffs 07.11.2024.


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