Katja Paar: Workshops machen
Rezensiert von Prof. Dr. Paul Brandl, 15.04.2024
Katja Paar: Workshops machen. Für inspirierte Teams, mehr Kreativität & weniger Blabla. Campus Verlag (Frankfurt) 2023. 275 Seiten. ISBN 978-3-593-51771-1. D: 30,00 EUR, A: 30,90 EUR.
Thema und Zielsetzung
Warum gibt es dieses Buch? Workshops sind für Autorin Katja Paar Kollaborationsstarter und eignen sich dazu, in kleinen Schritten wirkungsvolle Kollaborationsmethoden zu erproben. Jede/r Teilnehmer:in soll die Auswirkungen guter, kreativer Zusammenarbeit erfahren und die Ergebnisse in die Welt tragen – der Workshop als erster Schritt für einer besseren Zusammenarbeit. Das Buch soll ein Baukasten sein, der es einem erleichtert, abwechslungsreiche und gut funktionierende Workshops zu konzipieren.
Autorin
Katja Paar ist Workshopmoderatorin, Trainerin und Organisationsberaterin. Sie hat Design und Kommunikation in St. Etienne und Berlin studiert und war anschließend mehrere Jahre als Head of Strategy und User Experience Design in einer Digitalagentur beschäftigt. Sie hilft Teams und Organisationen mit menschenzentrierten Methoden, Potenziale zu entfalten.
Aufbau und Inhalt
Was ein (guter) Workshop ist, wird auf einer weiteren Seite taxativ aufgezählt: vom Moderator über das auf die Situation und die TN abgestimmte Ziel bis hin zur positiven Energie zwischen den TN. Was Moderation braucht, wird in den folgenden sieben Punkten kurz aufgezählt: Empathie und Interesse, Enthusiasmus für Transformation, Analyse, Struktur und Vorstellungskraft, Spaß an Sprache, Konfliktfähigkeit, Neutralität, Interesse für Fachwissen und Kontexte. Ein Hinweis, dass sich die im Buch dargestellten Methoden mit ein wenig Fantasie ins Digitale übertragen lassen. Tipps für die Remote-Workshops schließen sich dabei an. Warum Workshops mehr denn je gebraucht werden, wird auf den nächsten Seiten kurz erläutert. Workshops als Brücke zwischen zwei Welten: auf der einen Seite hierarchische Strukturen und lange Entscheidungswege aus der Welt eines tayloristischen Weltbildes, auf der anderen Seite eine Welt der Selbstorganisation, Agilität und Teamarbeit auf Augenhöhe. Eine Welt der zahmen Probleme, die sich leicht lösen lassen, verbunden mit einer Welt der „verzwickten Probleme“, die einer kreativen Zusammenarbeit auf Augenhöhe bedarf, sollte auch mit einer psychologischen Sicherheit verbunden sein. Schließlich ist da noch die Digitalisierung, die einer besonderen Zusammenarbeit bedarf. Zusammenarbeiten ohne sich zu sehen, oft nur in konfliktären Situationen. Dabei müssen zur Lösung alle Beteiligten ins Boot. Was Workshops können (müssen)? Zielkonflikte sehen und auflösen, gemeinsame Bilder entstehen lassen, Blabla verhindern, positive Kollaborationserfahrungen schaffen, Umsetzungswahrscheinlichkeit erhöhen, schnell Probleme lösen, neues Arbeiten (New Work) ausprobieren und Mitarbeiter:innen binden. Dazu braucht es das erfolgreiche Konzipieren und Durchführen von Moderationen.
„Gute“ Workshops konzipieren und vorbereiten führt zu drei Fragen: Was wollen wir erreichen? Wen brauchen wir dazu? Wie geht das in kurzer Zeit? Je nach Zielsetzung sind TN gefragt, die sich auskennen, also Personen im Organigramm mit den entsprechenden Rollenbeschreibungen, Zuständigkeitsbereichen und Mindsets – also die richtige Mischung. Nach einem entsprechenden Briefing hinsichtlich der Zielsetzungen (Workshop oder Projekt). Nach der Klärung des Personenkreises stellt sich die Frage nach der zur Verfügung stehenden Zeit (= vorbereitender, theoretischer Anteil (-10 %), spielerische und Awareness-Methoden bis 20 %, um Vertrauen zu gewinnen und Fragen zu konkreten Fragen und Aufgabenstellungen – 70 %). Am Ende steht eine Workshop-Agenda mit einer genauen Zeitstruktur. Daraus ist eine offizielle Agenda mit Uhrzeiten zu generieren. Die Location ist im Vorfeld ebenso zu erkunden und festzulegen. Eine Einladung ist zu versenden – machbar formuliert, einfach, inspirierend, passend und konstruktivistisch. Auch die Visualisierung samt Material ist vorzubereiten, ebenso die Wissenseinheiten – tunlichst ohne Powerpoint. Schließlich ist auch an das Rahmenprogramm von der Pause, über das Essen bis hin zum Abendprogramm zu denken.
Während der Workshops ist an folgende Punkte zu denken: Visionen und Ziele auspacken braucht mal Ideen für die Einleitung sowie die Klärung, wo es heute hingehen soll. Zudem sind Vereinbarungen wie Duzen oder Siezen zu treffen, detto der Umgang mit Ablenkungen, der Stopvereinbarungen, Verwendung von Fotos, etc. Der/die Moderator:in hält sich raus. Die Vorstellung ist ein erster Schritt ins „persönliche“. Diskussionen sollten frei sein, mitnotieren ist hilfreich. Am Schluss braucht es eine Zusammenfassung. Weitere Punkte sind „Gruppen bilden“ und „an Doku denken“ oder „mit schwierigen TN umgehen“ sowie das „Clustern“ zum Schaffen von Überblick. Weitere Punkte sind „Nachhaken bei blabla“, „flexibel sein“ oder „Luftschlösser bauen“ und „Ideen generieren“, … Es geht darum die Wirkung nachhaltig zu verstärken bevor es zum Abschluss kommt: Namasté. Materialien oder Protokoll gibt’s nach dem Ende für alle.
Workshopmethoden zum Kombinieren heißt das größte Kapitel der Publikation mit folgenden Unterpunkten:
- Hilfreiche Einstiegsmethoden, als Intro-Methoden bezeichnet, mit kürzerer oder auch etwas längerer Dauer werden jeweils auf ein bis zwei Seiten dargestellt: links als One-Pager visualisiert, rechts kurz beschrieben.
- Gehirn-Cleaner-Methoden: Sie bereiten die aus demBerusalltag kommenden TN auf die kommende Kreativphase vor. Auch die Einstimmung nach dem Mittagessen ist ein Einsatzbereich der dargestellten Methoden.
- Awareness-Methoden: Damit wird das Denken auf ein Ziel ausgerichtet und kann mit anderen Methoden kombiniert werden, die das Ziel erlebbar machen.
- Team- und Retro-Methoden: Das Zwischenmenschliche steht hier im Vordergrund vom Feed-Back, als erlebbare Retrospektiven, Zuhören und Paraphrasieren, Kollegiale Beratung, Roles and Expectations, Das Segelschiff, Die Zeitmaschine, Lagerfeuerdialog, Positionskarusell, Talk The Talk and Walk The Walk, Our Story.
- Methoden für Ideation und Innovation: Es Werden Methoden vorgestellt, die helfen sollen großartige Ideen zu entwerfen. Der Schwerpunkt dabei liegt auf der Ideenfindung – beginnend beim altbewährten Brainstorming, der Zurufliste, dem Speed-Creating bis hin zum Design-Studio mit Sketch, Pitch und Kritik. Dem folgen „Jobs to be Done“-Quikie, Visual Brain Traser, Analogie-Booster, 3-12-3-Quikie, Scenario-Brainstorm und Provokation!
- Methoden für Vision, Strategie und Planung: Wenn es viele Stakeholder gibt, braucht es eine klare Ausrichtung, Ziele und einen Umsetzungsplan. Alle müssen diese drei Punkte kennen und einverstanden sein. Eine lösungsorientierte Ausrichtung ist hier außerordentlich hilfreich, wobei die Methoden von der Ideensammlung bis zum Businessplan reichen.
- Methoden für Bewertung und Priorisierung: Insbesondere gegen Ende der Workshops gilt es Ordnung herzustellen, Übersicht zu schaffen, Einstellungen sichtbar zu machen und Konsens zu finden.
- Abschlussmethoden: Ein guter Workshop wird abgerundet durch Fragen „Wie wars?“ oder „Wie geht’s weiter?“ Reflexion, verfestigen des Geschehenen oder motivieren zum Weitermachen sind die wesentlichen Themen für das „Wir“-Gefühl.
Als Anhang gibt es noch eine kurze Checkliste zur Workshopvorbereitung zum „Selber Anpassen“ sowie eine Matrix zur Methodenübersicht, wobei waagrecht die Intro-, die Gehirn Cleaner-, Awareness-, Team- und Retro-, Innovation und Ideation-, Vision-, Strategie und Planungs-, Bewertung und Priorisierungs- und Abschlußmethoden aufgereiht sind. Senkrecht sind Kriterien für Methoden aufgelistet.
Diskussion
Das Buch und damit die Methoden sind klar auf Transformation und Agilität ausgerichtet. Dies könnte auch im Titel noch stärker zum Ausdruck kommen. Das Prozessdenken aus der prozessbasierten Organisation bzw. die prozessbasierte Verortung der Transformation fehlt allerdings weitgehend, so dass Innovation eher den Bereich des Daniel-Düsentrieb-Denkens abdeckt als das Reifegrad-Denken des prozessbasierten Qualitätsmanagements. Zudem wäre neben dem One-Pager „Design Studio“ auch eine etwas klarere Darstellung des Service-Design-Prozesses wünschenswert, da man nur mit der einseitigen grafischen Darstellung nicht das mentale Auslangen findet. Auch das Positive muss herausgehoben werden: Methoden wie „Nachrichten aus der Zukunft“ oder „In die Zukunft“ sind im Sinne eines lösungsorientierten Vorgehens außerordentlich hilfreich, detto das Canvasing. Strukturiertes Vorgehen kann Moderationen hilfreich unterstützen, weshalb Strukturierungshilfen durch prozessbasierte Instrumente durchaus eine interessante Erweiterung wären. Moderator:innen können so ihre Qualifikation erweitern.
Am Anfang stehen die altbekannten Basics der Moderation – ausgerichtet auf die Transformation. An mehreren Stellen wird zwar die Herkunft angesprochen, genauere Zitate oder weiterführende Literatur sucht man allerdings vergeblich. Im Hauptteil sind entlang des Moderationsprozesses für den jeweiligen Abschnitt einige recht brauchbare Methoden angeführt, wobei es schon der genaueren Lektüre des Buches bedarf, um Methoden gezielt auswählen zu können. Hinweise auf den Zeitbedarf oder auf „Remote“ sind ebenfalls zu finden.
Fazit
Einsteiger:innen in die Moderation ist nicht nur eine Moderationsausbildung, sondern auch die Kollaboration mit erfahrenen Kolleg:innen oder „Peers“ zu empfehlen. Es wäre eine lohnende Ergänzung für eine zweite Auflage oder einen zweiten Band im Sinne der Abwicklung von kleineren Projekten im Sinne des PDCA-Zyklusses oder der systematischen 4-Schritt-Methode.
Rezension von
Prof. Dr. Paul Brandl
war Professor für Organisationsentwicklung und Prozessmanagement an der FH Oberösterreich, Department für Sozial- und Verwaltungsmanagement und ist Berater insbesondere für die prozessbasierte Optimierung und Neugestaltung von sozialen Dienstleistern
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Zitiervorschlag
Paul Brandl. Rezension vom 15.04.2024 zu:
Katja Paar: Workshops machen. Für inspirierte Teams, mehr Kreativität & weniger Blabla. Campus Verlag
(Frankfurt) 2023.
ISBN 978-3-593-51771-1.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31362.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.
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