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Friederike Dunger, Wiebke Hagemeier et al.: Kinder beraten Erwachsene

Rezensiert von Michael Christopher, 19.12.2024

Cover Friederike Dunger, Wiebke Hagemeier et al.: Kinder beraten Erwachsene ISBN 978-3-96848-107-4

Friederike Dunger, Wiebke Hagemeier, Laura Mirjam Walter: Kinder beraten Erwachsene. Handbuch für Kinderbeiräte an Kulturinstitutionen. kopaed verlagsgmbh (München) 2023. 157 Seiten. ISBN 978-3-96848-107-4. D: 18,00 EUR, A: 18,50 EUR.

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Thema

Der spröde Titel des Buches „Kinder beraten Erwachsene. Handbuch für Kinderbeiräte an Kulturinstitutionen“ weist den Leser auf die Intension der Schrift hin. Es geht eben genau darum: Kinder beteiligen sich aktiv in der Gestaltung von Kultur und sind nicht mehr nur noch Konsumenten. Hinter diesem Titel steht jedoch die Begleitung eines spannenden Experiments am Berliner GRIPS-Theater, an dem ein Kinderbeirat installiert worden ist.

Autorinnen

Die drei Autorinnen Friederike Dunger, Wiebke Hagemeier und Laura Mirjam Walter sind Theaterpädagogen mit einem engen Bezug zum GRIPS-Theater in Berlin und anderen Einrichtungen.

Aufbau

Das Handbuch für Kinderbeiräte folgt einer klaren Struktur mit sieben Kapiteln. Diese stellen sich den Fragen nach dem Warum (will man so etwas), dem Was (wird benötigt), dem Wo (sind die Ansatzpunkte) und dem Wie (Organisation) sowie konkreten Praxiseinblicken, eingerahmt von einem Beginn und einem Schluss. Während die Struktur des Buches sehr klar erscheint, ist die Gestaltung aufgelockert mit grafischen Elementen, thematischen Gemälden, Checkboxen, Mindmaps und ähnlichem.

Inhalt

Es ist nicht leicht den Inhalt dieses Buches in einer Rezension darzustellen, ohne jeden Anreiz für den Kauf ebendieses zu nehmen. Die einzelnen im Buch besprochenen Punkte geben ein Manual für die Etablierung eines Kinderbeirates, stellen sich den dabei aufkommenden Fragen und geben Einblicke in die Praxis der Beteiligung von Kindern am GRIPS-Theater.

Nach dem Vorwort und der Gebrauchsanleitung zu dem Buch stellen sich die Autorinnen der Frage nach dem »Warum« Kinderbeiräte an Kultureinrichtungen geschaffen werden sollten. Dies geschieht in Form von Interviews mit den Beteiligten, wie ehemaligen Kinderbeiratsmitgliedern, der Theaterleitung, Aktivist*‘Innen und Erwachsenen, die sich mit offenen Räumen am Theater beschäftigen.

Das Kapitel »Was braucht Beiratsarbeit von Erwachsenen« ist größtenteils in Form einer Mindmap gestaltet, in dem die einzelnen Wünsche und Ideen von Kindern in Stichpunkten dargestellt sind. Am Ende des Kapitels hinterfragen die Autorinnen die Themen der Erwachsenen nach den Machtverhältnissen und den Prozessen im Allgemeinen.

Die Frage des folgenden Kapitels mit dem Titel »Wo setzt Beiratsarbeit an« umfasst lediglich sechs Seiten, stellt sich aber den grundsätzlichen Fragen der Arbeit des Beirates. Welche Rolle soll ein solches Gremium haben, hat er einen eigenen Ort und wie wird er sichtbar?

Nachdem diese Fragen gestellt worden sind, beschäftigen sich die Autorinnen mit der Umsetzung des Konzeptes und der daraus folgenden Organisation eines Kinderbeirates. Hier werden konkrete Anregungen gegeben und diese mit den Erfahrungen am GRIPS-Theater abgeglichen. Dieses Kapitel ist das eigentliche Manual für den Aufbau eines Kinderbeirates: Es beginnt mit der Installation einer Konzeptgruppe, die sich mit den Ideen und der Planung auseinandersetzt, stellt dann generelle Fragen nach den Motiven der einzelnen beteiligten Gruppen (Theater, Kinder und begleitende Erwachsene), beleuchtet den zeitlichen, finanziellen und rechtlichen Rahmen, sucht Anknüpfungspunkte zu anderen Projekten und wirft abschließend die grundlegende Frage nach den gewünschten und möglichen Freiräumen für die Mitbestimmung auf.

Im letzten inhaltlichen Kapitel werden die konkreten Einblicke in die Praxis des Kinderbeirates am GRIPS-Theater ins Zentrum gerückt: Das Kennenlernen der Mitglieder, des Hauses und der Kunstform Theater, das Kommunizieren mit den einzelnen Bereichen in einer Kultureinrichtung, dem Stellung beziehen und dem Mitgestalten und der Sichtbarkeit des Beirates in der Institution und nach außen. Dazu werden von den Autorinnen am Ende des Kapitels praktische Anleitungen für die Umsetzung gegeben.

Am Schluss bewerten die Autorinnen das Projekt und geben die Hoffnung auf weitere Beteiligungen von Kindern im Rahmen von Kulturprozessen als Arbeitsauftrag an die Lesenden weiter.

Diskussion

Es handelt sich nicht um ein wissenschaftliches Buch, sondern um ein projektbasiertes Handbuch zu den Erfahrungen, die im GRIPS-Theater mit einem Kinderbeirat gemacht worden sind. Das GRIPS Theater ist ein Berliner Kinder- und Jugendtheater, das weit über die Stadtgrenzen bekannt ist. Die Idee, nicht nur ein Theater für Kinder und Jugendliche zu machen, sondern die Expertise von Kindern direkt in die Arbeit einfließen zu lassen, kann nur auf der Basis gedeihen, die sich für andere Ansichten öffnet. Daher ist es nicht verwunderlich, dass diese Idee hier insbesondere aus der Theaterpädagogik gewachsen ist, wenn auch es über Kinderplena bereits vorher einen gewissen Grad an Mitbestimmung an diesem Theater gegeben hatte.

Das Verweben der Ideen mit den gemachten Erfahrungen der einzelnen Beteiligten, das Herausstellen der eventuell auftretenden Probleme, die praktischen Übungen und die Anleitungen für die Einführung von Kinderbeteiligungen an Prozessen in Institutionen, die eine Balance von konkret und unkonkret innehaben, lassen das Buch abwechslungsreich sein. Und gerade eben diese Prozesshaftigkeit und fehlende Starrheit, die dem Leser eher Fragen als fertige Antworten an die Hand geben, machen das Buch, das sich zwar lediglich mit den Erfahrungen an einem Theater beschäftigt, universell. Die großen Fragen, die sich einer jeden interessierten Institution stellen, werden formuliert, umrissen, aber nicht beantwortet.

Ausgehend von den Ideen der Autorinnen und der Kinder im Beirat kann der Leser eigene Gedanke entwickeln und diese auf seine Situation in der eigenen Kultureinrichtung, sei es ein Theater oder ein Museum, umschreiben. Die Fragen nach dem »Was ist überhaupt möglich« und dem »Was ist eigentlich gewollt« stehen zu Beginn einer potenziellen Umsetzung eines solchen Projektes. Letztendlich sollen sowieso die Kinder ihre Themen gestalten.

Leider befinden sich weder auf den Internetseiten des GRIPS-Theaters und der dazugehörigen Stiftung noch auf der Seite Theater nur mit uns (https://www.theater-nur-mit-uns.de) Hinweise auf das weitere Bestehen eines Kinderbeirates. Die letzten Lebenszeichen waren hier von 2017, bzw. der Hinweis auf die Veröffentlichung des Buches 2024). So bekommt man als interessierter Leser keinen Einblick, inwiefern sich ein solcher Beirat wirklich etabliert habe, oder ob dies nur ein zweijähriges Projekt war, das in der Geschichte des Theaters damit eine Randnotiz gewesen wäre. Spätestens nach der im Jahr 2025 geplanten Durchsetzung der Sparlisten des Berliner Senats im Kulturbereich wäre hier vermutlich dieser Idee aber letztendlich der Garaus gemacht worden. Denn wie die Autorinnen beschrieben, die Beteiligung von Kindern in Kulturprozessen ist bereichernd und ein wertvoller Akt, aber ebenso Personal- und damit auch kostenintensiv.

Das Buch beschreibt das Prozesshafte eines Ansatzes, Kinder in Kultureinrichtungen an Entscheidungsfindungen zu beteiligen, beziehungsweise Ihnen hierfür einen gewissen Raum zur Partizipation, wie zum Beispiel eine eigene Bühne, einen eigenen Ausstellungsraum oder Ähnliches, zu geben. Hier bewegt es sich deutlich in den Bereichen der Theaterpädagogik. Aus diesem Ansatz heraus muss man das Buch lesen und man versteht die Bedeutungen, die zwischen den vielen kleinen Zeilen stehen.

Fazit

Das Buch „Kinder beraten Erwachsene“ ist ein Manifest, das keins sein will, aber einen eindeutigen Auftrag an den Leser gibt: Beteiligt Kinder an der Gestaltung des kulturellen Raumes. Es ist demokratiefördernd und diskursiv und stärkt nicht nur die an einem solchen Projekt beteiligten Kinder, sondern gibt die Chance, Kultur für viele zu öffnen. Daher sollte das Buch von Entscheidungsträgern und Kulturmachern gelesen werden.

Rezension von
Michael Christopher
Filmwissenschaftler, Theaterwissenschaftler und Mitherausgeber der Zeitschrift manycinemas
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Es gibt 35 Rezensionen von Michael Christopher.

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Zitiervorschlag
Michael Christopher. Rezension vom 19.12.2024 zu: Friederike Dunger, Wiebke Hagemeier, Laura Mirjam Walter: Kinder beraten Erwachsene. Handbuch für Kinderbeiräte an Kulturinstitutionen. kopaed verlagsgmbh (München) 2023. ISBN 978-3-96848-107-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31406.php, Datum des Zugriffs 19.01.2025.


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