Henrike Kohpeiß: Bürgerliche Kälte
Rezensiert von Marvin Bucka, 20.11.2023

Henrike Kohpeiß: Bürgerliche Kälte. Affekt und koloniale Subjektivität.
Campus Verlag
(Frankfurt) 2023.
406 Seiten.
ISBN 978-3-593-51710-0.
D: 30,00 EUR,
A: 30,90 EUR.
Reihe: Philosophie & Kritik - Band 2.
Thema
In „Bürgerliche Kälte“ analysiert Henrike Kohpeiß die affektive Struktur bürgerlicher Subjektivität. Sie zeichnet nach, wie eine kühle Distanz das bürgerliche Subjekt strukturiert und es ihm möglich macht, gegenüber der gewaltsamen Wirklichkeit distanziert und indifferent zu sein. Bürgerliche Kälte ermögliche es etwa, unberührt zu bleiben angesichts der Gewalt, die die bürgerliche Ordnung für Schwarze Menschen bedeutet hat und noch bedeutet, und damit diese Ordnung aufrechtzuerhalten. In genealogischer Perspektive zeigt Kohpeiß das koloniale Erbe der bürgerlichen Kälte auf und macht deutlich, dass Kälte jene affektive Struktur meint, mittels derer dieses Erbe verdeckt und fortgeschrieben werden kann.
Autorin
Henrike Kohpeiß ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin im Sonderforschungsbereich „Affective Societies“. Sie forscht in den Bereichen Kritische Theorie, Black Studies und Affekttheorie. „Bürgerliche Kälte“ geht auf ihre Dissertationsschrift im Fach Philosophie zurück.
Aufbau und Inhalt
Zunächst führt Kohpeiß in entscheidende Begriffe ihrer Arbeit ein. Sie definiert Bürgerlichkeit als Form der Subjektivität, die genealogisch mit dem Kapitalismus gewachsen und seit dem 18. Jahrhundert mit moralischer Autorität ausgestattet ist. Ihr liege eine affektive Struktur zugrunde, die bürgerliche Kälte, deren koloniales Erbe Kohpeiß sichtbar machen will. Blackness wird demgegenüber als Antagonismus des Bürgerlichen beschrieben.
In der Folge strukturiert Kohpeiß ihre Analyse in drei Stationen, die jeweils einem Meer zugeordnet werden. Im ersten Teil, „Ägäis“, analysiert sie die „Odyssee“ und deren Rezeption in Adornos und Horkheimers „Dialektik der Aufklärung“. Odysseus wird dabei als Prototyp des bürgerlichen Subjekts vorgestellt: seine Gewalttätigkeit verberge sich hinter der List, derer er sich rühmt, und er konstruiere sich so als rationaler, autonomer Held, der den Gefahren seiner Reise trotzt. Dabei baue seine Heldenreise aber auf der Arbeitskraft der Gefährten auf, die sein Überleben sichern, während er sich in sicherer Entfernung ästhetischen Erfahrungen hingeben kann. Im Sirenengesang der „Odyssee“ offenbare sich zum Beispiel eine Aufteilung des Sinnlichen: während sich Odysseus in sicherer Entfernung zur Szenerie ästhetisch hingibt, ermöglichen weit unter ihm seine Gefährten, sensorisch beraubt, die Weiterreise.
Im zweiten Teil, „Mittelmeer“ finden sich die zentralen Analysen, unter anderem auch die der bürgerlichen Kälte. Kohpeiß geht aus von der „Gleichzeitigkeit von tödlichen europäischen Außengrenzen und moralischer Selbstzufriedenheit derjenigen, die von ihnen geschützt werden“. (89) In dieser gleichzeitigen Abschottung und Handlungsverweigerung gegenüber Geflüchteten an den eigenen Grenzen einerseits sowie andererseits einem humanistischen Selbstbild sieht Kohpeiß die bürgerliche Kälte am Werk. In der Folge führt sie zusammengefasst vier Mittel an, mittels derer diese Gleichzeitigkeit stabilisiert wird und die schließlich auf die bürgerliche Kälte zurück verweisen:
- Bürokratie: Durch die Bürokratisierung hochsensibler rechtlicher Prozesse, wie Fragen der Flucht, werde eine „Ethik des Zuständigkeitsbereichs“ (134) geschaffen, innerhalb derer vermeintlich klare Richtlinien und Protokolle dominieren und individuelle Akteur*innen von ethischer Urteilslast befreit werden. Durch die umfassende Formalisierung würden Entscheidungsprozesse vom Individuum gelöst und Verantwortlichkeiten technisch zerstreut. So diene die Bürokratie „der Stabilisierung von Macht, indem sie ihre Ausübung auf Individuen überträgt, die sich für die Konsequenzen nicht verantwortlich fühlen müssen, weil sie stets auf das Wohl und den Auftrag des Staates verweisen können. Im Zusammenhang mit der bürgerlichen Moral kann diese Haltung identitätsstiftend sein und so die affektive Bindung an den Staat stärken.“ (142)
- Logistik: Eng mit der Bürokratie hängt die Logistik zusammen. Auch Logistik fungiere als ein Mittel der „De-Subjektivierung, der Entmenschlichung“ (108), weil Prozesse formalisiert und Organisationszentren geschaffen werden. Mittels der logistischen Handhabe von Fluchtprozessen könnten etwa strenge Regelungen zu Abschiebungen mit dem Selbstbild einer „Willkommenskultur“ versöhnt werden.
- Selbstkritik: Als „List des bürgerlichen Subjekts“ (170) werde Selbstkritik zum Mittel der moralischen Selbstberuhigung. Durch Selbstkritik könne das bürgerliche Subjekt seine Bereitschaft signalisieren, sich grundsätzlich ändern zu wollen, ohne dass es aber sich oder die Ordnung, die seine Subjektivität stützt, wesentlich ändern muss. So entziehe sich das Subjekt der Verantwortung und könne durch demütige Gesten oder geringfügige Anpassungen Fortschrittlichkeit behaupten, ohne grundsätzliche Veränderungen zu initiieren. Wesentlich an der Selbstkritik sei, dass sie sich nicht mit den Gefühlen anderer befasse und stets daran festhalten lasse, selbst Teil der Lösung und nicht Teil des Problems zu sein. Dagegen fragt Kohpeiß: „Wie würde es aussehen, hauptsächlich mit der Welt und nicht mehr vorrangig dem eigenen Selbst befasst zu sein?“ (178)
- Zivile Unschuld: Auch die Trennung zwischen einer verantwortlichen Politik und einer unschuldigen Zivilbevölkerung, die sich etwa in der Heroisierung ziviler Seenotrettung zeige, trage zur Selbstvergewisserung des bürgerlichen Subjekts bei. Ohne die Relevanz der Seenotrettung infrage stellen zu wollen, zeigt Kohpeiß, dass öffentlich mit ihr ein Raum der Unschuld und eine fiktive Unterscheidung zwischen gutem und schlechtem Weißsein geschaffen und so im Diskurs erneut die Situation der Geretteten selbst verschleiert werde.
All diese Aspekte fließen schließlich in dem zusammen, was Kohpeiß bürgerliche Kälte nennt: Kälte meint zunächst ein „affektives Instrument, um sich auf eine herausfordernde oder gar unerträgliche Wirklichkeit zu beziehen. In dieser Funktion ist sie hilfreich. Bürgerliche Kälte geht darüber hinaus und bezeichnet die soziale Übereinkunft, dass kein anderer Gegenwartsbezug als ein kalter mehr möglich oder geboten ist.“ (187) Kohpeiß versteht Kälte zunächst also als wertneutralen Begriff und zeigt, dass diese als „Brückenaffekt“ hilfreich sein kann. Am Ende von Liebesbeziehungen etwa könne Kälte sehr hilfreich sein, um mit der unsicheren Wirklichkeit umzugehen oder Destabilisierungen und unübersichtlich gewordene Situationen auszuhalten. Im Kontext des bürgerlichen Subjekts aber schütze diese Kälte den status quo und verdecke die gewaltsamen Verstrickungen, die sich dahinter verbergen. Sie bedeute damit eine unweigerliche Komplizenschaft mit der Gewalt und sei immer sowohl „Selbstschutz“ als auch „Zustimmung zur Gewalt“. (212) Insbesondere geht es hier um die Gewalt gegenüber „Europas Andere[n]“, wie Kohpeiß abschließend zum zweiten Teil ausführt. Die bürgerliche Ordnung beruhe auf einer „Kolonialität des Seins“ (218) und bürgerliche Kälte ermögliche es, an dieser Ordnung und zugleich am eigenen fortschrittlichen und humanistischen Weltbild festzuhalten.
So kommt Kohpeiß im dritten Teil, „Der Atlantik“, auf das angesprochene koloniale Erbe der bürgerlichen Kälte zu sprechen. Vor dem Hintergrund der transatlantischen Sklaverei bestimmt Kohpeiß „Blackness“ als Negativ des bürgerlichen Subjekts. Um Blackness genauer zu verstehen, widmet sich Kohpeiß der „Slave Agency“ bei Saidiya Hartman und der „Undienlichkeit“ bei Iris Därmann. Um Slave Agency zu bestimmen, gälte es, zentrale bürgerliche Begriffe wie Autonomie oder Handlungsfähigkeit zu kritisieren, da in Systemen umfassender Gewalt Subjektivität da gesucht werden müsse, wo Menschen etwas tun, ohne dass sie im bürgerlichen Sinn handeln. Dabei könne es etwa um Praktiken der Sabotage oder auch der Passivierung gehen. Anschließend setzt sich Kohpeiß mit einem Aufsatz Hannah Arendts über die „Little Rock Nine“ auseinander, jener Gruppe Schwarzer Schüler*innen, die sich 1957 zahlreichen Restriktionen, Anfeindungen und Angriffen widersetzten und auf ihren bereits rechtlich installierten Anspruch auf gemeinsame Beschulung mit den weißen Schüler*innen insistierten. Arendt sei im Rahmen ihrer Philosophie darin gescheitert, diese Situationen als politisch anzuerkennen. Ihr „klarer“ und „analytischer“ Blick sei von bürgerlicher Kälte geprägt, was letztlich darin mündete, Schwarzen Widerständler*innen vorzuschlagen, wie sie zu widerstehen und wie sie darin die bürgerliche Ordnung zu verbessern hätten. Arendt habe es nicht vermocht, Widerstand dort zu sehen, wo er den bürgerlichen Kriterien nicht entspricht, das heißt widerständige Subjektivität auszumachen, wo sie nicht unmittelbar lesbar ist.
In der Konklusion, „Die Ozeanische Philosophie“ führt Kohpeiß die Kritische Theorie mit den Black Studies zusammen und zeichnet Fluchtlinien einer neuen Form philosophischen Denkens, das über das rein akademische Nachdenken hinausgehen soll. Philosophische Kritik in diesem Sinne sei um drei Begriffe herum strukturiert: 1. Zerfall, das heißt die radikale Kritik und Überwindung von Begriffen wie „Welt“ oder „Mensch“, die genealogisch als Machtinstrumente erkennbar sind; 2. Sorge, also eine Öffnung im Denken für das Leiden und zwar so, dass die Gewalt nicht aus der Position des Archivars*der Archivarin gelesen wird, sondern als Zeitgenosse*Zeitgenossin der Gewalt; und 3. Unlesbarkeit, worunter Kohpeiß eine „Aufforderung zu hermeneutischer Vorsicht“ sieht, also die Objekte des Denkens in ihrer Widerständigkeit zu betrachten und sie weder zu übersehen noch zu reduzieren.
Diskussion
Mit „Bürgerliche Kälte“ legt Henrike Kohpeiß eine tiefgehende und vielschichtige Analyse der affektiven Struktur bürgerlicher Subjektivität vor. Besonders überzeugt ihr Ansatz dabei durch das Zusammendenken von Bürgerlichkeit und Affekt sowie Kritischer Theorie und Black Studies. Durch diese Verbindungen entsteht eine ungemein innovative und erhellende Analyse der Widersprüche, die „den Westen“ heute ausmachen: das Hochhalten von Humanismus und Menschenwürde sowie die Selbstvergewisserung der eigenen Werte auf der einen Seite, die restriktive und teils menschenunwürdige Flüchtlingspolitik an den eigenen Grenzen auf der anderen Seite. Mit der Kategorie der „bürgerlichen Kälte“ gelingt es Kohpeiß aufzuzeigen, wie diese Widersprüche verdeckt und ausgehalten werden können und hält dabei insbesondere der Zivilbevölkerung den Spiegel vor. Eine der Implikationen der bürgerlichen Kälte ist, dass Indifferenz, Unberührtheit und das Ausbleiben von Interventionen eine Komplizenschaft mit der verübten und zugelassenen Gewalt bedeuten. Hier zeigt Kohpeiß eindrücklich, dass Strategien wie die Heroisierung von privaten Seenotretter*innen oder die vermeintlich progressive Selbstkritik, die ohne konkrete Impulse zur wesentlichen Änderung der Verhältnisse bleibt, die Ungerechtigkeiten und die Gewalt sogar stabilisieren helfen. Letztlich schreibt sie der europäischen Zivilbevölkerung hier ihre Verantwortlichkeit an der Flüchtlingspolitik zu, ohne aber in ihnen die Alleinverantwortlichen zu sehen. So verdeutlicht sie ebenfalls die Rolle von Bürokratie oder Logistik als institutionelle Verankerungen der bürgerlichen Kälte, die Subjekte wiederum so strukturieren, dass Verantwortungen diffundieren und eine Indifferenz überhaupt möglich wird.
Über den Bezug auf die aktuelle Flüchtlingspolitik hinaus legt Kohpeiß eine tiefgreifende Analyse westlicher Gesellschaften und der bürgerlichen Subjektivität vor. Insbesondere die genealogische Analyse der bürgerlichen Kälte macht deren Verstrickungen mit der europäischen Gewaltgeschichte explizit. So werden Kontinuitäten vom transatlantischen Sklavenhandel und Theorien zum bürgerlichen Selbst etwa bei John Locke bis hin zu politischen Theorien wie die Hannah Arendts deutlich. Dabei wird nicht Europa in seinem widersprüchlichen und von Gewalt durchzogenen Humanismus verdächtig, sondern auch die Philosophie in ihrer Mitschuld an der Legitimierung von Gewaltpraktiken und Gewaltstrukturen entlarvt. Begriffe wie Freiheit, Autonomie oder Handlungsfähigkeit führen die Souveränitätsansprüche bürgerlicher Subjekte auch da fort, wo Schwarze Subjekte Widerstand leisten – indem dieser Widerstand durch Kriterien politischer Handlungsfähigkeit unsichtbar gemacht wird. Dies zeichnet Kohpeiß anhand von Arendts Essay über die „Little Rock Nine“überzeugend nach und greift hier Analysen von Saidiya Hartman oder Iris Därmann auf, die dem Konzepte wie „Slave Agency“ oder „Undienlichkeit“ entgegensetzen.
Durch ihren konsequent und explizit „negativen“ Ansatz gelingt Kohpeiß eine beeindruckende kritische Arbeit an bürgerlicher Affektivität und westlicher Philosophie. Ihr engagierter Ansatz besticht hier durchweg durch analytische Schärfe und ihren reichhaltigen Theoriebezug. Die methodische Entscheidung, neben den Black Studies vor allem auf die Kritische Theorie Bezug zu nehmen, lässt „positive“ Impulse größtenteils nur erahnen. So zeigt Kohpeiß auch, dass bürgerliche Kälte nicht durch Empathie, Mitleid oder Haltungen der Wärme begegnet werden kann. Im Gegenteil bleiben auch diese affektiven Strukturen in der Gewaltgeschichte verhaftet und führen allzu oft zu paternalistischen Haltungen oder halten an einem reinen bürgerlichen Selbstbezug fest. Sie sind damit nicht besser als die Selbstkritik, deren bloß vermeintliche Progressivität Kohpeiß entlarvt. Aber das Werk liefert dennoch produktive Fluchtlinien einer mehr gewaltfreien Politik: das Ende von „bürgerliche Kälte“ macht etwa den Vorschlag einer „Ozeanischen Philosophie“, die sich als Trauerarbeit versteht, als ungeschönte und leidvolle Auseinandersetzung mit der Gewalt. Dafür aber sei, so führt Kohpeiß mit Fred Moten an, eine Abolition der Philosophie zugunsten der Philosophie nötig: eine auch außerakademische Philosophie also, die den Mut hat, sich dem Ungelenken und Bodenlosen zu widmen. (365) Ein wichtiger Impuls ist zudem die Erkenntnis, dass bürgerliche Kälte in all ihren Facetten eine echte Auseinandersetzung mit „Europas Anderen“, also etwa eine vorrangige Auseinandersetzung mit den Ansprüchen Schwarzer Menschen, verhindern soll. Pointiert schreibt Kohpeiß: „Das Bürgertum erhält sich durch die Überzeugung, immer schon Teil der Lösung, statt Teil des Problems zu sein.“ (178)
Insgesamt sind die von Kohpeiß vorgelegten Analysen zur affektiven Struktur bürgerlicher Subjektivität und deren Funktion zur Aufrechterhaltung gewaltsamer Ordnungen überaus überzeugend und erhellend. Genauso zeigt sie nachvollziehbar die institutionellen Verankerungen dieser Affektivität, etwa in der Bürokratie, auf, die diese Distanzierungen erst ermöglichen. Die vielfältigen Theoriebezüge machen es manchmal schwer, der Analyse restlos zu folgen, aber Kohpeiß vermag mit zahlreichen Veranschaulichungen, zum Beispiel der „Odyssee“, des Essays von Arendt oder auch mit einigen referierten Kunstinstallationen, den Leser*die Leserin immer wieder abzuholen. All das – das Zusammendenken von Affektivität und bürgerlicher Ordnung, die methodische Vielfalt, analytische Schärfe und konstruktive Veranschaulichungen – machen das Werk zu einem überaus wichtigen Beitrag zur aktuellen politischen Situation sowie zu einer erkenntnisreichen und unbedingt lesenswerten Lektüre.
Mit „Bürgerliche Kälte“ legt Henrike Kohpeiß eine beeindruckende Analyse der affektiven Struktur bürgerlicher Subjektivität vor. Durch das Zusammendenken von Kritischer Theorie und Black Studies sowie von Affekt und bürgerlicher Ordnung zeigt Kohpeiß eindrücklich, wie eine gewisse affektive Distanz – eine kühle Indifferenz gegenüber der Gewalt, die all jene trifft, die nicht zu dieser Ordnung gezählt werden sollen – mit dieser Gewalt verstrickt ist, von ihr in Formen der Bürokratisierung oder Logistik in Fluchtentscheidungen getragen ist und sie wiederum stabilisiert. Damit leistet sie einen eminent wichtigen Beitrag zum Verständnis und zur Kritik aktueller politischer Prozesse, insbesondere im Umgang mit Geflüchteten an den EU-Außengrenzen. Dieses in seiner Analyse sehr tiefgreifende und überaus erhellende Werk sei allen anempfohlen, die sich mit den Widersprüchen des Westens, mit der eklatanten Indifferenz westlicher Bevölkerungen angesichts der Gewalt durch Politiken in ihrem Namen oder mit der Genealogie dieser Widersprüche und Haltungen tiefer auseinandersetzen wollen.
Fazit
Mit „Bürgerliche Kälte“ analysiert Henrike Kohpeiß umfangreich und tiefgreifend, wie es eine kühle und indifferente affektive Struktur bürgerlichen Subjekten ermöglicht, sich mit der Gewalt zu arrangieren, die die bürgerliche Ordnung für all jene bedeutet, die zu dieser Ordnung nicht gezählt werden. Kohpeiß zeigt in Auseinandersetzung mit den Black Studies und der Kritischen Theorie auch das koloniale Erbe dieser bürgerlichen Kälte auf und verdeutlicht, wie sich das Bürgertum etwa durch die Bürokratisierung politischer Entscheidungsprozesse aufrechterhält. Ihre Analysen bestechen durch ihre beeindruckende analytische Tiefe und Aktualität, gerade im Hinblick auf die europäische Flüchtlingspolitik.
Rezension von
Marvin Bucka
M.A. "Philosophie" an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, B.Sc. "Psychologie" an der Goethe-Universität Frankfurt
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