Uwe Uhlendorff: Theorie und Praxis Sozialpädagogischer Fallarbeit
Rezensiert von Wolfgang Schneider, 16.11.2023
Uwe Uhlendorff: Theorie und Praxis Sozialpädagogischer Fallarbeit. Ein Lehrbuch.
Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2023.
156 Seiten.
ISBN 978-3-7799-7644-8.
D: 19,00 EUR,
A: 19,60 EUR.
Reihe: In Beziehung stehende Ressource: ISBN: 9783779963509.
Thema
Die Einzelfallarbeit ist einer der drei klassischen Ansätze der Sozialen Arbeit. Teil dieses Ansatzes ist die Sozialpädagogische Fallarbeit, die Thema dieses Buches ist. Sie konzentriert sich auf ein Individuum oder eine kleine Lebensgemeinschaft mit Blick auf eine spezifische Lebenssituation und die Frage, wie diese verbessert oder verändert werden kann. Wie genau das funktionieren kann, zeigt der Autor anhand von vier ausführlichen Fallbeispielen, die aus den Handlungsfeldern Unterstützung von Bildungs- und Erziehungsprozessen bei Kindern und Jugendlichen sowie Begleitung von Familienübergängen und Bildungsprozessen bei Eltern stammen.
Autor
Uwe Uhlendorff studierte Pädagogik, Soziologie und Kommunikationswissenschaften an der Universität Göttingen. Danach arbeitete er mehrere Jahre in der Heimerziehung und promovierte zum Thema Sozialpädagogische Diagnosen. Seit 2004 ist er Professor für Sozialpädagogik mit dem Schwerpunkt Fachdidaktik der Sozialpädagogik an der Technischen Universität Dortmund. Zu seinen Lehr- und Forschungsschwerpunkten zählen Familienforschung, Geschichte der Jugendhilfe, Sozialpädagogische Diagnostik, Inklusion und Fachdidaktik in der Lehrer*innenausbildung im Fach Sozialpädagogik. Bekannt wurde er mit seinen Veröffentlichungen zum Thema Sozialpädagogische Diagnosen für Jugendliche in den 1990er Jahren. Die von ihm gemeinsam mit anderen Forschern entwickelte Sozialpädagogische Familiendiagnose wird mittlerweile in vielen Jugendhilfeeinrichtungen angewendet. Neben Grundlagenforschung hat Uwe Uhlendorff zahlreiche Praxisentwicklungsprojekte und Fortbildungen zum Sozialpädagogischen Fallverstehen geleitet.
Aufbau und Inhalt
Neben den üblichen Formalia und einem Anhang mit Übungsaufgaben und deren Lösungen – sowie weiteren Online-Materialien – besteht das Buch aus sechs Kapiteln, die übersichtlich und mit grafischen Elementen vier Handlungsfelder beleuchten. Aber der Reihe nach.
Sozialpädagogische Fallarbeit und ihre Handlungsfelder
Die Einführung klärt die wichtigsten Grundlagen und verortet die Sozialpädagogische Fallarbeit in den drei klassischen Bereichen der Sozialen Arbeit. Anschließend werden kurz die vier Handlungsfelder, um die es in den folgenden Fällen gehen soll, beschrieben.
„Nina überlegt, sesshaft zu werden“: Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen erkennen und begleiten
Anhand des Fallbeispiels legt dieses Kapitel den Fokus darauf, den Leser*innen zu verdeutlichen, was Bildung und Lernen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe eigentlich bedeutet. Entlang der Geschichte von Nina lassen sich Bildungsprozesse und die Glaubenssätze, die diesen zugrunde liegen, erkennen. Ziel des Kapitels ist es, dass die Leser*innen in die Lage versetzt werden, durch die Anwendung des fragend-erörternden sozialpädagogischen Gesprächs Bildungsprozesse von jungen Menschen zu erkennen, zu begleiten und zu unterstützen.
„Sascha muss lernen, seine Wünsche und Erwartungen mitzuteilen, seine Eltern stehen vor der Aufgabe Regeln mit ihm auszuhandeln“: Erziehungsprozesse unterstützen
Das Fallbeispiel von Sascha dient dazu, den gesetzlichen Erziehungsauftrag der Kinder- und Jugendhilfe praktisch zu verorten. Dazu gehört zunächst auch ein kurzer Input zum SGB VIII als gesetzliche Normierung eben jenes Bereiches. Im weiteren Verlauf vermittelt dieses Kapitel grundlegende Aspekte zum Thema Familienerziehung und beschreibt die Anwendung des Entwicklungsaufgabenkonzepts in der Sozialpädagogischen Fallarbeit.
„Frau Klinge hat sich von ihrem Mann getrennt und steht vor der Aufgabe, Elternrollen auszuhandeln“: Familienübergänge begleiten
Waren in den vorherigen Beispielen die jungen Menschen Mittelpunkt der Darstellung, wechselt mit dem dritten Fall der Fokus auf die Eltern. Es werden theoretische und praktische Grundlagen beschrieben, um Alleinerziehende bei der Re-Organisation ihrer Familie zu unterstützen. Dabei stellt Uhlendorff typische Familienkonfigurationen und Orientierungsmuster von alleinerziehenden Elternteilen vor, die als Grundstein für die Diagnostik im Rahmen der Sozialpädagogischen Fallarbeit von großer Bedeutung sind. Dafür werden anhand des konkreten Fallbeispiels zwei Methoden auch mit Hilfe von Fotos zur szenischen Darstellung mit Playmobil-Figuren näher beleuchtet: das Familienszenario und die Tierfamilie, die vor allem dazu dient, Kinder besser in die Fallarbeit einzubeziehen.
„Frau Celik will ihr ursprüngliches Familienkonzept weiterführen“: Bildungsprozesse von Eltern begleiten
Was ist eigentlich ein Familienkonzept? Und welche Rolle spielt ein solches Familienkonzept bei Bildungsprozessen von Eltern? Die Beantwortung dieser zwei Fragen stehen im Mittelpunkt der letzten Falldarstellung des Buches. Auch hierzu gibt es wieder Fotos von Playmobil-Szenen, die im Original-Fall eingesetzt wurden. So können die Leser*innen am konkreten Fallverlauf verfolgen, dass Familienkonzepte sich aus unterschiedlichen Familienbildern speisen: Herkunfts-, Gegenwarts- und Zukunftsbild. Als weitere Faktoren kommen verschiedene Alltagsfaktoren wie zum Beispiel Kindererziehung, Familienfürsorge, Zeitmanagement, Arbeitsteilung, Paarbeziehung und die Familienkonfiguration hinzu.
Schlussbetrachtung
Zum Ende werden noch einmal auf jeweils knapp einer halben Seite die vier besprochenen Handlungsfelder der Sozialpädagogischen Fallarbeit und dem jeweils zugrunde liegenden Aufgabenkomplex beschrieben.
Diskussion
Mit rund 160 Seiten ist das Buch eher dünn, was der Qualität aber keinen Abbruch tut. Dafür sorgt die Kompetenz von Uwe Uhlendorff, der ein profunder Kenner der Sozialpädagogischen Fallarbeit im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe ist. Wenn ein solcher Experte anfängt zu schreiben, besteht immer die Gefahr, dass am Ende theoretisch hochkomplexe Texte stehen, die von der beruflichen Realität der Leser*innen weit entfernt ist. Genau das passiert hier nicht, schließlich ist der Untertitel auf dem Cover auch „Ein Lehrbuch“. Und das muss man deutlich sagen: Der Inhalt hält, was dieser Subtext verspricht. Die Leser*innen nehmen jede Menge Wissen mit, das sie anhand zahlreicher Vertiefungsfragen und Übungsaufgaben gewinnbringend überprüfen können. Hervorzuheben ist dabei, dass dieser Ansatz im Layout optimal umgesetzt wurde und die grafischen Elemente dafür sorgen, dass keine Langeweile aufkommt. Wer das Buch im wahrsten Sinne des Buches durchgearbeitet hat, ist am Ende sicher kein*e profunde*r Kenner*in und Könner*in der Sozialpädagogischen Fallarbeit, aber einige Grundlagen dazu sind gelegt und das Interesse geweckt. Ziel erreicht – mehr bleibt dazu einfach nicht zu sagen.
Dieses Buch hält, was es auf dem Cover verspricht: Als Lehrbuch zeigt es anhand detaillierter Fallbeispiele die Praxis der Sozialpädagogischen Fallarbeit in vier spannenden und alltagsnahen Handlungsfeldern. Leser*innen erwerben grundlegendes theoretisches Wissen und lernen die verschiedenen Methoden der Sozialpädagogischen Fallarbeit kennen. Im Fokus stehen konkrete Fallbeispiele und Übungen.
Fazit
Das Buch bietet einen kompakten und leicht zugänglichen Leitfaden für professionelles Handeln – und das nicht bloß für Studierende und Berufsanfänger*innen, sondern durchaus auch für jene, die sich eher als alte Hasen in der Jugendarbeit bezeichnen würden.
Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
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Es gibt 86 Rezensionen von Wolfgang Schneider.
Zitiervorschlag
Wolfgang Schneider. Rezension vom 16.11.2023 zu:
Uwe Uhlendorff: Theorie und Praxis Sozialpädagogischer Fallarbeit. Ein Lehrbuch. Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2023.
ISBN 978-3-7799-7644-8.
Reihe: In Beziehung stehende Ressource: ISBN: 9783779963509.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31452.php, Datum des Zugriffs 03.10.2024.
Urheberrecht
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