Peter Noack, Bärbel Kracke et al. (Hrsg.): Entwicklungspsychologie des Jugend- und jungen Erwachsenenalters
Rezensiert von Wolfgang Schneider, 06.12.2024
Peter Noack, Bärbel Kracke, Karina Weichold, Marcus Hasselhorn, Herbert Heuer et al. (Hrsg.): Entwicklungspsychologie des Jugend- und jungen Erwachsenenalters.
Kohlhammer Verlag
(Stuttgart) 2023.
384 Seiten.
ISBN 978-3-17-030143-6.
49,00 EUR.
Reihe: Kohlhammer Standards Psychologie.
Thema
Welche Verläufe nimmt die Entwicklung im Jugend- und jungen Erwachsenenalter, was sind wesentliche Erklärungsansätze und wie lässt sich Entwicklung in dieser dynamischen Phase des Lebens fördern? Im Lehrbuch werden theoretische und empirische Perspektiven auf diese und weitere Fragen vorgestellt. Sie betreffen verschiedene Aspekte und Kontexte der Entwicklung, die teils dem traditionellen Themenkanon entstammen, wie auch solche, die bislang eher seltener Beachtung finden wie beispielsweise Entwicklung der Berufsorientierung oder der sexuellen Identität und Orientierung.
Autor:in oder Herausgeber:in
Professor Dr. Peter Noack lehrt Pädagogische Psychologie am Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dort haben Professorin Dr. Bärbel Kracke am Institut für Erziehungswissenschaft den Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie inne sowie apl. Professorin Dr. Karina Weichold am Institut für Psychologie die Leitung des Arbeitsbereichs Jugendforschung.
Aufbau und Inhalt
Das Buch gliedert sich in drei Hauptteile. Im ersten Teil Grundlegende Entwicklungsprozesse stehen die normativen biologischen Veränderungen der Pubertät und die interindividuelle Unterschieden sowie die kognitive Entwicklung im Fokus. Im zweiten Teil geht es dann um die Lebenswelten Jugendlicher, von denen bedeutsame Einflüsse auf die Entwicklung ausgehen: Familie, Freund:innen und andere Gleichaltrige, Partnerschaften, Schule, Ausbildung und Beruf sowie Freizeit und Medien. Der dritte Teil des Lehrbuchs Psychosoziale Entwicklung betrachtet wichtige Entwicklungsbereiche wie Selbstkonzept und Identität, Werte und politische Orientierungen, Sexualität und Problemverhalten sowie positive Entwicklung. Den Abschluss bilden ein Literaturverzeichnis und ein Verzeichnis der im Text eingebetteten Infokästen. Die Kapitel wurden inhaltlich zudem mit Zitaten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen illustriert, die zeigen, wie diese zu den Herausforderungen dieser Lebensphase stehen.
Im ersten Unterkapitel des ersten Teils Grundlegende Entwicklungsprozesse über die normativen biologischen Entwicklungsprozesse in der Pubertät kommt zum Beispiel die 15-jährige Hannah zu Wort: „Die Kapitel wurden inhaltlich zudem mit lebendigen und lebensnahen Zitaten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen illustriert, die zeigen, wie diese zu den Herausforderungen dieser Lebensphase stehen“ (S. 23). Diese Aussage belegt dann Karina Weichold mit fachlichem Input. Zunächst steht die normative sexuelle Reife und körperliche Entwicklung im Mittelpunkt. Dabei geht es nicht nur um die reinen Sexualmerkmale, sondern auch den Körperbau, die Körpergröße sowie innere Organsysteme. Im weiteren Verlauf wird dann dargestellt, welche strukturellen und funktionalen Veränderungen das Gehirn zwischen Pubertät und frühen Erwachsenenalter durchläuft und welche Folgen das auf die psychosoziale Anpassung hat. Danach richtet sich der Fokus auf die auslösenden endokrinen Faktoren, durch die die Veränderungen gestartet werden, und die Frage, welche Einflussfaktoren deren Aktivität auslösen. Zum Ende wird anhand der Messung des sogenannten Pubertätsstatus aufgezeigt, wie zu persönlichen und sozialen Aspekten der fortschreitenden Reife geforscht wird.
Das letzte Kapitel des Buches aus dem dritten Teil Psychosoziale Entwicklung widmet sich dem Themenkomplex Problemverhalten und positive Entwicklung, das mit einem Zitat des 21-jährigen Ganymed beginnt: „Ich bin noch nicht fertig, probiere noch ziemlich viel aus. Ich will meine Grenzen verschieben, fordere mich immer wieder selbst neu heraus! Das sind Sachen, die auch mit Mut zu tun haben. Die ganzen Klassiker will ich machen, Bungeespringen, Fallschirmspringen, einfach, um mich immer mehr zu trauen“ (S. 281). Hier wird deutlich, dass Heranwachsende einen gewissen Hang zu riskanten Aktivitäten haben, die durchaus negative Konsequenzen zum Beispiel bezogen auf die eigene Gesundheit haben können, was in der Regel im Jugendalter beginnt. Und auch wenn das Risiko da ist, dass es in dieser Phase zu Kontakten mit Drogen oder auch delinquentem Verhalten kommt: „Die große Mehrheit passiert die Jugend und das junge Erwachsenenalter ohne ernsthafte Probleme und Verhaltensauffälligkeiten“ (S. 282). Doch auch wenn die Gruppe, für die das nicht gilt, verhältnismäßig klein ist, sollte für diese Gruppe schon früh mit Präventionsarbeit begonnen werden. Denn häufig zeigen diese jungen Menschen „bereits seit der Kindheit ein kontinuierliches, vielfältiges und schwerwiegendes Problemverhalten“ (S. 283), das in solchen Fällen in der Regel auch im späteren Lebensverlauf bestehen bleibt. Problemverhalten ist in diesem Zusammenhang nicht immer nur externalisierend zu verstehen, wie im Text deutlich wird, sondern auch internalisierende Verhaltensweisen können zu problematischen Entwicklungen führen. Umso wichtiger ist es daher, für positive Bedingungen für die Jugendlichen zu sorgen, was zum Beispiel durch das Konzept der positiven Jugendentwicklung (S. 308 ff.) gelingen kann, das in jedem Jugendlichen das Potenzial sieht, „sich zu einem positiven, integrierten und produktiven jungen Menschen zu entwickeln, [sofern] nahe Umwelten und Gesellschaft das begünstigen“ (S. 308).
Diskussion
Die Idee, mit Zitaten und Bildern in die einzelnen Kapitel zu starten, die die Sichtweise der jungen Menschen zu den Themenbereichen zeigen, öffnet eine ganz neue Perspektive für Leser:innen. Inhalte für (werdende) Fachkräfte erhalten hier einen realen Bezug zu den Menschen, um die es geht. Da es sich letztlich um ein Lehrbuch handelt – wovon aber durchaus auch erfahrene Fachkräfte profitieren können, sind die einzelnen Kapitel nach einer kurzen Einleitung mit Lernzielen versehen. Zusätzliche Grafiken und Infokästen bieten eine gute Unterstützung bei der Wissensvermittlung, ebenso die Reflexionsfragen am Ende der Kapitel.
Fazit
Ein Lehrbuch, das es schafft, nachvollziehbar strukturiert, gut lesbar und ansprechend grafisch präsentiert wertvolle Inhalte zu vermitteln – und das nicht nur für Student:innen und Berufseiunsteiger:innen.
Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
Mailformular
Es gibt 125 Rezensionen von Wolfgang Schneider.
Zitiervorschlag
Wolfgang Schneider. Rezension vom 06.12.2024 zu:
Peter Noack, Bärbel Kracke, Karina Weichold, Marcus Hasselhorn, Herbert Heuer et al. (Hrsg.): Entwicklungspsychologie des Jugend- und jungen Erwachsenenalters. Kohlhammer Verlag
(Stuttgart) 2023.
ISBN 978-3-17-030143-6.
Reihe: Kohlhammer Standards Psychologie.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31458.php, Datum des Zugriffs 18.01.2025.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.