Gert Hellerich: Von einer Logik des Krieges zu einer Logik des Friedens
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 10.11.2023
Gert Hellerich: Von einer Logik des Krieges zu einer Logik des Friedens. Frank & Timme (Berlin) 2023. 168 Seiten. ISBN 978-3-7329-0982-7. D: 28,00 EUR, A: 28,00 EUR, CH: 42,00 sFr.
Thema
Frieden = Tugend, Seelenstärke, Rechtsordnung, Lebenskraft
In der UNESCO-Verfassung vom 16.11.1945 wird postuliert: „Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden“. Eine Kultur des Friedens, wie sie von den Vereinten Nationen als oberstes Ziel der Völkergemeinschaft mit der „Agenda für den Frieden“ als „peace keeping“ und „peace building“ als praktische, humane und globale Politik gefordert wird, bedeutet, die „globale Ethik“, wie sie in der allgemeinverbindlichen und -gültigen, nicht relativierbaren „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (1948) zum Ausdruck kommt, zu denken und zu leben: Die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte bildet die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt.
Entstehungshintergrund und Autor
Kriege sind immer von Grausamkeit, Brutalität und Unmenschlichkeit geprägt. Es gibt keinen Grund, Kriege zu führen, und auch nicht von einem „gerechten Krieg“ zu sprechen. Der UNESCO-Kongress vom 26. 6. – 1. 7. 1989 hat in Yamasoukro/​Elfenbeinküste Frieden im Denken der Menschen ermittelt als Ehrfurcht vor dem Leben, als kostbarstes Gut der Menschen bezeichnet, mehr als das Ende bewaffneter Auseinandersetzung erkannt, als eine ganz menschliche Verhaltensweise bezeichnet, als tiefverwurzelte Bindung an die Prinzipien der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität festgelegt, und als eine harmonische Partnerschaft zwischen Mensch und Umwelt bestimmt. Weil Kriege und gewaltsame, bewaffnete Auseinandersetzungen die Friedensbedürfnisse der Menschheit bis heute zerstören und unendliches Leid bringen, bedarf es immer wieder des Widerstandes und von Analysen über die Gründe von Unfrieden, Gewalt und Inhumanität. Dabei wäre es einfach: „Lass mich Ich sein, damit du Du sein kannst“, und die Erkenntnis, „was du nicht willst, das man dir tu‘, das füg‘ auch keinen andern zu!“.
Der Sozialwissenschaftler Gert Hellerich hat sich zu zahlreichen Fragen des humanen, menschlichen Miteinanders geäußert: Empowerment, Lebensphilosophie (Gert Hellerich 2022, www.socialnet.de/rezensionen/​30677.php). Mit der Studie „Von einer Logik des Krieges“ zu einer Logik des Friedens plädiert er für den individuellen und kollektiven, lokalen und globalen Perspektivenwechsel hin zum Frieden denken und leben.
Aufbau und Inhalt
Sein Essay gliedert er, neben der Einleitung und der Zusammenfassung und Schlussfolgerungen, in drei Teile. Im ersten Teil setzt er sich auseinander mit „unmenschliche(n) Kriege(n) und Transformation des Menschen zur Bestie“; im zweiten mit „fragwürdige(n) Vorstellungen über den Krieg“; und im dritten Teil mit dem „Ringen um Frieden“.
Zur Auseinandersetzung, Bewältigung und friedlichen, gerechten Lösung von Konflikten und Kriegen bedarf es des Blicks in die Menschheitsgeschichte. Kampf und Gewalt, wie auch Verständigung und Zuneigung hat es immer gegeben, und wird es auch weiterhin geben. Es lohnt, die Gründe, Ursachen und Ereignisse historisch zu reflektieren; etwa den Dreißigjährigen europäischen Krieg und die Friedensbemühungen danach; die Expansions- und Eroberungskriege, die kolonialen Kriege, bis hin zu den heutigen. In Kriegen vergisst der Mensch seine Menschlichkeit, er wird zur Bestie, und er richtet Massaker an. Zum Vorschein kommt das Böse im Menschen. Mit den Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen“ verdeutlicht die pazifistische Bewegung, dass Diplomatie, Verhandlungen und Konferenzen bessere Möglichkeiten zur Friedensschaffung und -erhaltung sind als Waffenproduktionen und -lieferungen an Kriegsparteien: „Rüstung ist nicht sozial nachhaltig, sondern mit ihrer zerstörerischen Kraft eher sozial- und umweltschädlich“. Es sind ethische, moralische und weltanschauliche Gründe, für Frieden in der Welt einzutreten. Anzeichen und Exempel gibt es: Das buddhistische Denken, dass Frieden von Innen komme und nicht im Äußeren zu suchen sei; es sind die Theorien, Praxen und Geisteshaltung des gewaltlosen Widerstands, die Friedensbemühungen befördern können – und zwar in Situationen, in denen Konflikte zu Kriegen werden können, wie auch in den Zeiten von Kriegen, um nach Waffenstillstand Friedenbewegungen zustande zu bringen. Es sind die anthropologischen, philosophischen, psychologischen und pädagogischen Konzepte zur gewaltfreien Kommunikation und des friedlichen Zusammenlebens der Menschen, die für Friedensbildung, -erziehung und -dienste gefragt sind (Marshall B. Rosenberg, 1934 – 2015).
Diskussion
Die Frage, wie es gelingen kann, dass die Menschen gute, zivilisatorische, demokratische und menschenwürdige Lebens- und Ordnungssysteme schaffen. Weil jede Zeit eine Zeit des Wandels ist (Ken Follett), kommt es darauf an, Konflikte und Konsense in Einklang zu bringen (Steffen Mau 2023, www.socialnet.de/rezensionen/​31294.php), und ein individuelles, lokales und globales zivilisatorisches Bewusstsein zu entwickeln (David Wengrow 2023, www.socialnet.de/rezensionen/​30551.php). Ist der Feind meines Feindes mein Freund? – Ist ein friedliches, gerechtes Miteinander der Menschen unmöglich? – Ist es richtig und lösungsorientiert, dem Schläger, der mich auf die rechte Backe haut, auch die linke hinzuhalten? Die Auseinandersetzungen darüber sind notwendig und nützlich (Wolfgang Benz 2015, www.socialnet.de/rezensionen/​18371.php), genauso wie wissenschaftliche Friedens- und Konfliktforschung (Peter Schlotter 2012, www.socialnet.de/rezensionen/11889.php).
Es sind die optimistischen, humanen Einstellungen, dass der Mensch von Grund auf gut und bestrebt ist, ein gutes, gelingendes, individuelles und kollektives Leben zu führen. Gewaltsame Konflikte und Kriege entstehen, wenn Macht zur Übermacht auf der einen und zur Ohnmacht auf der anderen Seite wird.
Fazit
Mit der historischen und aktuellen Spurensuche will Gert Hellerich die öffentliche, lokale und globale Aufmerksamkeit und Achtung darauf lenken, wie Kriege verhindert und beendet werden können. Es ist nicht zuletzt die Erkenntnis, dass gewaltsame Konflikte dort wachsen, wo Unrecht, Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit herrschen.
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 10.11.2023 zu:
Gert Hellerich: Von einer Logik des Krieges zu einer Logik des Friedens. Frank & Timme
(Berlin) 2023.
ISBN 978-3-7329-0982-7.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31465.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.
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