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Kunibert Bering, Rolf Niehoff et al. (Hrsg.): Lexikon der Kunstpädagogik

Rezensiert von Prof. Dr. Johann Bischoff, 26.02.2024

Cover Kunibert Bering, Rolf Niehoff et al. (Hrsg.): Lexikon der Kunstpädagogik ISBN 978-3-8252-5954-9

Kunibert Bering, Rolf Niehoff, Karina Pauls (Hrsg.): Lexikon der Kunstpädagogik. wbv (Bielefeld) 2022. 552 Seiten. ISBN 978-3-8252-5954-9. D: 49,00 EUR, A: 50,40 EUR, CH: 61,00 sFr.
Reihe: UTB - 5954.

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Autoren

Das Lexikon der Kunstpädagogik basiert auf einer Überarbeitung der 1. Auflage, die 2017 herausgegeben wurde. Es ist in der renommierten Uni-Taschenbuchreihe erschienen und zwar herausgegeben vom Düsseldorfer Professor em. für Didaktik der Bildenden Künste, Kunibert Bering, dem Kunstpädagogen und Studiendirektor a.D. Rolf Niehoff aus Düsseldorf und der Professorin für Kunst- und Bildgeschichte im Kunstunterricht Karina Pauls aus Paderborn.

Hervorzuheben sind insbesondere die Aktualisierungen, die in der Kunstpädagogik mittlerweile als konstitutiv anzusehen sind. Das Herausgeberteam konnte 95 Autorinnen und Autoren gewinnen, um auch diese aktuellen Wissensbereiche der Kunstpädagogik zu bearbeiten, wie etwa digitale Bilderwelten der Jugendkulturen, Diversität und Alterität, Globalität und Migration sowie außereuropäische Kulturen. Etwa ein Viertel der Autorinnen und Autoren kommen aus der kunstpädagogischen Praxis im weiteren Sinne, ein weiteres Viertel aus der kunstpädagogischen Lehre und die Hälfte der Autorinnen und Autoren aus der universitären kunstpädagogischen/​kunstwissenschaftlichen Lehre und Forschung. Es können nur wenige Autorinnen/​Autoren aus dem schulischen kunstpädagogischen Bereich ausgemacht werden.

Die Professorinnen/​Professoren, die einen Beitrag verfasst haben, erfassen die gesamte Bandbreite der für die Kunstpädagogik relevanten Wissensbereiche, sie sind von den Herausgebern aus renommierten akademischen Institutionen „rekrutiert“ worden.

Thema

Die Herausgeberin und die Herausgeber des Lexikons zur Kunstpädagogik thematisieren ihren Anspruch, den Leserinnen/​Lesern Kunstpädagogik im Kontext von Sehen und Wissen zu vermitteln, wobei die Aspekte Produktion, Reflexion und Rezeption von Bildern eine bedeutsame Rolle einnehmen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die sich das Nachschlagewerk verpflichtet hat, konstitutiv aber, um Heranwachsenden eine Orientierung in einer von Bildern geprägten Welt und deren Gestaltung zu ermöglichen. Insbesondere Jugendkulturen mit ihren innovativen Bilderwelten sollen den Pädagoginnen/Pädagogen in der Schule nähergebracht werden und ihnen Kenntnisse vermitteln, wie sie die Inhalte kunstdidaktisch und kunstwissenschaftlich im Unterricht „implantieren“ können. Fragen zur Digitalisierung des Wissens werden ausführlich behandelt, weiterführende Fragen durch die Vernetzung der Inhalte durch Verweise beantwortet. Bedeutend hierbei auch, dass eine Geschichte der Kunst zur Geschichte der Bilder erhoben wird. Vorstellungen und Formen der Kunst werden exemplarisch vorgestellt. Divergierende Ansätze gegenwärtiger kunsthistorischer Forschungen zu exemplifizieren, werden in diesem Nachschlagewerk nicht verfolgt, Priorität hat die Darstellung der gesellschaftlichen „Wirklichkeit“, den konstruktivistischen Ansätzen folgend.

Aufbau und Inhalt

Das Lexikon der Kunstpädagogik ist nach der alphabetischen Sortierung aufgebaut worden. Die einzelnen für die Kunstpädagogik relevanten Begriffe sind von den Fachwissenschaftlern erstellt worden und weisen z.T. einen unterschiedlichen Abstraktionsgrad aus. Insgesamt über 300 Stichwörter aus der Kunstpädagogik sind aufgegriffen worden. Diese werden überwiegend auf 2 bzw. 3 Seiten ausgeführt, teilweise sind auch längere Ausführungen zu konstatieren, wenn es inhaltlich erforderlich ist. Häufig werden Verweise aufgegriffen, die zur weiterführenden Recherche motivieren.

Um exemplarisch Beispiele der inhaltlichen Ausführungen vorzustellen, wird vom Erkenntnisinteresse einer Kunstpädagogin/​eines Kunstpädagogen im Rahmen zur Vorbereitung einer Lehrveranstaltung ausgegangen. Das Lexikon soll „befragt“ werden, wie im Unterricht eine Auseinandersetzung mit den Begriffen „Diversität/Alterität“ „Globalität“ und „Migration“ erfolgen kann. Der Aufbau der einzelnen Artikelausführungen im Lexikon erfasst in der Regel Hinweise zur Begrifflichkeit des gesuchten Inhaltes, es werden Bezüge zur Kunstpädagogik vermittelt und häufig Handlungsempfehlungen für die kunstpädagogische Praxis gegeben. Zunächst soll nach Informationen zum Begriff Diversität gesucht werden.

Unter Diversität wird ein Verweis ausgewiesen: Alterität/Individuelle Förderung/​Inklusion im Kunstunterricht/​Partizipation/​Transkulturalität.

Alterität im Kontext der Kunstvermittlung wird von Ansgar Schnurr beschrieben (S. 29 - 31). Schnurr ist Professor für Kunstpädagogik/​Kunstdidaktik an der Universität Gießen. Er beschreibt Alterität (Andersartigkeit) als das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Identität und einem Anderen, die sich gegenseitig bedingen und sich zugleich einander entgegenstehen. Die Alteritätserfahrung sei somit ein zentrales Element jeder Identitätsbildung. Die Kunstpädagogik sei immer mit Wahrnehmung und Reflexion von Andersartigkeit im Verhältnis zum Subjekt befasst. Er bezieht sich dabei auf neuhumanistische Konzepte, zitiert aber auch kritische Anmerkungen dazu von Adorno. Kunstpädagogische Anforderungen heiße, so Schnurr, sich darauf einzulassen, die vertrauten Schemata der Weltsicht zu verändern. Wahrnehmung und Transformation des eigenen Selbst- und Weltverständnisses sei eine Herausforderung kunstpädagogischer Bildungsprozesse. Der enorme Zuwachs kultureller Vielfalt wird als Globalisierungseffekt beschrieben mit der Wirkung, dass Fremdheit und Alterität zur alltäglichen Erfahrung gehören. Somit komme der Kunstpädagogik in der Migrationsgesellschaft eine bedeutende Rolle für die Subjektbildung zu, erfasst werde, dabei auch die gesellschaftliche und politische Dimension.

Globalität/Globalisierung im Kontext der Kunstvermittlung wird von Barbara Lutz-Sterzenbach aufgegriffen (S. 222 - 225). Lutz-Sterzenbach ist Professorin für Kunstpädagogik und Visual Literacy an der Universität Passau. Sie beschreibt Globalität als einen gesamtkulturellen und weltumspannenden Vorgang, der sich mittlerweile auf alle gesellschaftlichen und kulturellen Bereiche bezieht, z.B. Wissenschaften und Künste. Merkmale der Globalität sei eine weltweite Vernetzung und Interdependenz, Globalisierung beschreibe die Dynamik der Prozesse, die diesen Zustand verursachen würden. Das beinhalte positive Faktoren wie „weltweite Kommunikation“ als auch mögliche negative Auswirkungen, z.B. globale ökologische Risiken oder transnationale Migration.

Daraus würden sich Folgen für die Kunstpädagogik zeigen. Die Verbreitung und Verfügbarkeit von Bildern haben Konsequenzen für Bildungsprozesse im Allgemeinen und Konsequenzen für die Kunstpädagogik im Besonderen. Die kunstpädagogische Theorie und Praxis müsse damit neu überdacht und reflektiert werden. Es müsse darum gehen, stabile Identitätskonstruktionen und gesellschaftliche Teilhabe zu befördern und damit Fähigkeiten zu einem Perspektivwechsel zu vermitteln und zur „Empathie-Fähigkeit“ anzuregen.

Zitiert wird in diesem Zusammenhang in verschiedenen Aufsätzen das Nürnberger Papier zur Kunstpädagogik von 2009/2012. Das ist ein bildungspolitisches Manifest zur Interkultur/​Transkultur in der Kunstpädagogik (BDK Bayern/TU Dortmund/Uni Erlangen-Nürnberg). Es enthält formulierte Handlungsempfehlungen für die Kunstpädagogik und Kunstvermittlung in Schulen, kulturellen Einrichtungen, an Hochschulen und Verwaltungen sowie der Politik, verbunden mit Aufforderungen, an Handlungsempfehlungen mitzuarbeiten.

Migration und Bildkultur thematisiert Birgit Mersmann (S. 379 - 382), Migration im Kontext der Kunstpädagogik Fatma Herrmann (S. 383 - 386). Mersmann ist Professorin für Neuere und Neueste Kunstgeschichte/​Kunstwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen, Herrmann ist Kunstpädagogin an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Hof.

Migration beschreibt Mersmann als durch politische, soziale oder ökologische Not hervorgerufene Wanderungsbewegungen von Menschen, die zu einem längerfristigen oder dauerhaften Wechsel des ständigen Aufenthaltsortes führen. Transformationsprozesse werden ausgelöst, weil mit den Menschen auch Einstellungen und Wertevorstellungen wandern. Primär wird auf die Sprache hingewiesen, aber auch auf die visuelle Kultur. Mersmann beschreibt den Austausch und die Vermischung und Überlagerung differierender Bildkulturen, was zu einer Hybridisierung und Pluralisierung von Bilderwelten bei gleichzeitigem Anstieg inter- und transkulturellen Bildphänomenen führen würde. Die interkulturell sensibilisierte Kunstpädagogik definiere Integration somit zur didaktischen Kernaufgabe und zum übergeordneten Bildungsziel. Ziel sei die bewusste Gestaltung von Diversität in der Migrationsgesellschaft. Zur Bildkultur führt sie aus: Migration manifestiere sich in der Bildkultur vor allem in zwei Erscheinungsformen, der bildlichen Repräsentation von Migration bzw. migrantischen Lebensformen in Medien, Ausstellungen, Museen und Festivals sowie in migrierenden Bildkulturen. Die Repräsentation in Bildkulturen werde dabei häufig stereotyp gezeigt. Migrierende Bildkulturen zeigen sich häufig in der globalen Kunstwelt, den Diasporagemeinschaften, der Jugend- und Populärkultur, der urbanen Kultur und den kommerziellen Medien.

Herrmann hat sich mit Migration und Kunstpädagogik auseinandergesetzt. Sie beginnt ihren Artikel mit historischen Verweisen der anwerbepolitischen Maßnahmen in den Fünfzigerjahren. Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund bewirkten gesellschaftliche Veränderungen in einer vormals monokulturellen Ausgangslage hin zu einer multikulturellen Gesellschaft. Das Migrationsinteresse der Pädagogik richtete sich zunächst auf die Vermittlung elementarer Sprachkenntnisse, später erst, in den Achtzigerjahren entwickelte sich eine „interkulturelle Pädagogik“, die eine Anerkennung und Respekt bezüglich der kulturellen Unterschiede formulierte. Seit 2000 wurde eine reflexive interkulturelle Pädagogik aktuell, auch Migrationspädagogik genannt, sie beinhaltet die Anerkennung von Menschen, die für sich mehrere Zugehörigkeiten in Anspruch nehmen. Die Mehrdimensionalität von Kulturen und Milieus (Geschlecht, Generation, Bildungsmilieus, Ethnie, Religion etc.) könne als Referenzebene für die Pädagogik genutzt werden, so Herrmann. Sie kritisiert, dass es aber noch keinen einheitlichen Entwurf für ein interkulturelles kunstpädagogisches Konzept geben würde, weder für die Schule noch für die Erwachsenenbildung. Perspektivisch werde aber dem Bild bzw. der Bildlichkeit eine zentrale zukunftsorientierte Stellung für eine interkulturelle Kunstpädagogik eingeräumt (Bildkompetenz).

Zielgruppe

Als Zielgruppe können primär Lehrerinnen/​Lehrer genannt werden, insbesondere Kunsterzieher/​Kunsterzieherinnen als auch Lehrerinnen/​Lehrer der Fächer Deutsch, Sozialkunde und der politischen Bildung.

Für Studierende im kulturellen Bereich, der Sozialen Arbeit und der Lehrerausbildung könnte das Lexikon ebenfalls hilfreich sein, wenn sie Bildungsarbeit mit Kreativität verbinden möchten. Das Lexikon sollte in jeder Universität-/Hochschulbibliothek zu finden sein.

Diskussion

Das Kunstlexikon gibt einen sehr guten Überblick über die gesamte Vielfalt von Begriffen, die im Kunstunterricht/​kulturellen Bildung Relevanz haben.

Kunstpädagogische Fachkräfte können somit in Kurzform aktuelle Ansätze und Diskussionsgrundlagen der Kunstpädagogik/​Kunstwissenschaft kennenlernen und in ihre methodisch-didaktischen Überlegungen einbeziehen. Vornehmlich im Hinblick auf aktuelle Anforderungen bezüglich der Thematisierung von Migration und Inklusion im Kunstunterricht bietet das Lexikon Hilfen, schnell den aktuellen Informationsstand kennenzulernen.

Die in den einzelnen Artikeln zitierten Autoren beziehen sich überwiegend auf aktuelle Veröffentlichungen. Es wird aber davon ausgegangen, dass die Grundlagenliteratur zur Kunstpädagogik noch in den Köpfen der pädagogischen Fachkräfte vorhanden ist.

Insofern kann das Werk als ein gelungenes Kompendium hervorgehoben werden.

Fazit

Als Fazit kann für das Lexikon der Kunstpädagogik eine Erwerbsempfehlung gegeben werden. Es ist hilfreich, schnell einen Einblick in die aktuelle kunstpädagogische/​kunstwissenschaftliche Diskussion zu geben und es sollte in keiner wissenschaftlichen Bibliothek fehlen.

Rezension von
Prof. Dr. Johann Bischoff
Professor für Medienwissenschaft und angewandte Ästhetik an der Hochschule Merseburg
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Es gibt 10 Rezensionen von Johann Bischoff.

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ISSN 2190-9245