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Michael May, Peter Starke: Kompass Urteilsbildung Politik

Rezensiert von Prof. Dr. Theresa Hilse-Carstensen, 05.02.2024

Cover Michael May, Peter Starke: Kompass Urteilsbildung Politik ISBN 978-3-7344-1571-5

Michael May, Peter Starke: Kompass Urteilsbildung Politik. Unterricht urteilssensibel planen, durchführen und reflektieren. 72 Gesprächsimpulse für die Praxis. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2023. 37 Seiten. ISBN 978-3-7344-1571-5. D: 15,00 EUR, A: 15,20 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Siehe auch Replik oder Kommentar am Ende der Rezension

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Thema

Bei dem Kompass Urteilsbildung Politik handelt es sich um Gesprächsimpulse für die Planung, Durchführung und Reflexion urteilssensiblen Politikunterrichts.

Entstehungshintergrund

Den bibliografischen Daten ist zu entnehmen, dass die Publikation im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern entstand und aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert worden ist.

Der „Kompass Urteilsbildung Politik“ ist Teil einer Reihe. Weitere Titel sind: „Kompass Urteilsbildung Ethik“ und „Kompass Urteilsbildung Geschichte“.

Autoren

Autoren sind Michael May, Professor für Didaktik der Politik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Peter Starke, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Urteilsbildung und Unterrichtsberatung als Querschnittsthemen der Lehrerbildung“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Aufbau

Der Kompass Urteilsbildung ist als Tischaufsteller mit Ringbindung gestaltet und umfasst 72 Gesprächsimpulse für die Unterrichtsplanung, Unterrichtsdurchführung und Hospitation sowie die Unterrichtsreflexion und Anschlussplanung.

Zielgruppen

Laut Verlagsangaben sollen mit dem Kompass drei Zielgruppen angesprochen werden: Es geht um Personen,

  • „[…] die Unterricht planen: Pro Planungsfrage gibt es einen dazugehörigen Hospitationsauftrag und eine passende Reflexionsfrage.
  • […] die Unterrichtsberatungen durchführen: Der Kompass Urteilsbildung bietet Gesprächsanlässe, um den Unterricht gemeinsam mit anderen zu reflektieren.
  • […] die urteilsbildend unterrichten wollen“ (https://www.wochenschau-verlag.de/Kompass-Urteilsbildung-Politik/​41571). Für diese Gruppe werden „Schritte zu einer Schulung der Urteilskraft der Schüler:innen aufgezeigt“ (ebd.).

Aufbau

Der Kompass ist in vier Themenblöcke unterteilt:

  1. Bedingungsanalyse: Urteilskompetenzen
  2. Sachanalyse und didaktische Analyse: Urteilssituationen
  3. Urteilsorientierte Kompetenzziele und Urteilsstrategien
  4. Unterrichtsmethodische Gestaltung

Jedem dieser Themenblöcke sind Themenbereiche untergeordnet. Insgesamt umfasst der Kompass 24 dieser Themenbereiche, die jeweils auf einer Seite erläutert werden.

Jeder Themenbereich ist in sich anhand von drei Schwerpunkten gegliedert: 1. Unterrichtsplanung, 2. Unterrichtsdurchführung und Hospitation und 3. Unterrichtsreflexion und Anschlussplanung. Jedem dieser Schwerpunkte sind Symbole zugeordnet, sodass man sich gut orientieren kann.

Weiterhin gibt es noch Unterschiede in der farblichen Gestaltung der einzelnen Seiten. Inwieweit diese auch auf eine Differenzierung der Themen abzielt, ist nicht ersichtlich.

Inhalt

Im Folgenden werden schwerpunktmäßig die Inhalte des Kompasses dargestellt, die sich auf das urteilssensible Lehren beziehen.

Der Themenblock Bedingungsanalyse (Urteilskompetenzen) beginnt damit, dass es sowohl für die Planung als auch die Reflexion des Unterrichtes wichtig ist, dass Lehrende aufmerksam dafür sind, welche „Vorwissensinhalte und Vorausurteile“ Lernende mitbringen. Darauf aufbauend sollten Lehrende reflektieren, welche Konsequenzen dies auf die weitere Gestaltung des Unterrichts haben könnte:

  • Inwieweit können verschiedene Werte oder Normvorstellungen der Lernenden einbezogen werden?
  • Welche Möglichkeiten bestehen, dass Lernende ihre eigene Perspektive reflektieren und zur Perspektivübernahme angeregt werden?
  • Inwieweit finden die Sprach- und Artikulationskompetenzen der Lernenden Berücksichtigung oder werden trainiert?

Zur Bedingungsanalyse gehört es auch, dass Lehrende ihre Vorausurteile explizieren und sich u.a. fragen, inwieweit sich diese von denen der Lernenden unterscheiden. 

Im Rahmen der Sachanalyse (Urteilssituation) werden Kriterien beschrieben, die es bei der Auswahl der Urteilssituation, d.h. des Beispiels für den Unterricht oder das Seminar, zu beachten gilt. So wird beispielsweise mit Fragen dazu angeregt, die Komplexität und Kontroversität der Urteilssituation und der Diskussion darüber zu reflektieren.

Der Abschnitt „Urteilsorientierte Kompetenzziele“ regt dazu an, den Unterricht oder eine Lerneinheit zielorientiert zu planen und ein zentrales Kompetenzziel zu formulieren. Danach werden Impulse beschrieben, wie bereits im Verlauf einer Lerneinheit ermittelt werden kann, ob die Kompetenzziele erreicht worden sind: „Beobachten Sie Handlungen, Tätigkeiten, Verrichtungen, Äußerungen, Ergebnisse der Lernenden, die darauf schließen lassen, dass die Kompetenzziele erreicht wurden“ (Blatt 14.2).

Unter der Überschrift „Unterrichtsmethodische Gestaltung“ werden Anregungen vorgestellt, wie sich Lernende mit einer Urteilssituation auseinandersetzen können. Beispielsweise anhand von diskursiven Strategien. Hier wird das Stichwort „Pro-Kontra-Diskussion“ genannt. Lehrende werden aufgefordert zu beobachten, welche Argumentationsstrategien genutzt und welche Konflikte verhandelt werden, um dies wiederum zum Gegenstand des Unterrichts zu machen. Weiterhin wird beschrieben, dass inszenierte Urteilssituationen oder Rollenspiele Lerngelegenheiten darstellen, um einen Perspektivwechsel bei den Lernenden anzuregen. Nach dem Einsatz dieser Methoden erfolgt eine Auswertung mit der Gruppe, um etwa Vorurteile oder Werte- und Normvorstellungen zu reflektieren. Anregende Fragen für die Diskussion sind: Welcher sprachlichen oder nonverbalen Mittel haben sich die Lernenden bedient? Welche Wertezuschreibungen kommen zum Ausdruck? (siehe Blatt 18.2). Die anderen Impulse zur Unterrichtsgestaltung zielen u.a. auf Zeitmanagement, Ergebnissicherung und Vorbereitung der Materialien, Methoden, Techniken etc. 

Im Sinne eines Workbooks können zwei Seiten am Ende des Kompasses mit eigenen Ideen und Gedanken gefüllt werden. Der Kompass schließt mit Literaturtipps.

Eine Anleitung und Hinweise zur Nutzung findet sich auf der Website des Verlags: https://daten.wochenschau-verlag.de/download/​Nutzungshinweise-Kompass-Politik.pdf

Diskussion

Der „Kompass Urteilsbildung Politik“ wurde im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung und damit für den Schulunterricht entwickelt. Überdies ist urteilssensibles Lehren auch ein Thema für die Hochschuldidaktik der Sozialen Arbeit. Hier kann der Kompass ebenso als Anregung genutzt werden.

Angesichts dessen, dass professionelles Handeln in der Sozialen Arbeit u.a. durch Haltungen und Vorwissen der Fachkräfte bestimmt ist („Person als Werkzeug“ Sozialer Arbeit [1]), ist es wichtig zu reflektieren, mit welchen Werte- und Normvorstellungen Sozialarbeiter:innen in der Berufspraxis agieren und Adressat:innen begegnen oder wie Angebote Sozialer Arbeit bereits gesellschaftliche Normvorstellungen zum Ausdruck bringen.

Eine urteilssensible Lehre setzt voraus, als Lehrende:r sensibel für die Vorausurteile und das Kontextwissen der Lernenden und eigene Vorannahmen zu sein. Gesellschaftliche und persönliche Werte- und Normvorstellungen in verschiedenen Settings zu explizieren und gemeinsam zu reflektieren, ist Gegenstand urteilssensibler Lehre. Hierzu zählen eine Diskussionskultur und das aktive Initiieren von Perspektivwechseln.

Insgesamt bietet der Kompass eine gute Zusammenstellung an Impulsen, die die Planung und Reflexion des Unterrichts anregen können. Zwischendurch hat man sicherlich den einen oder anderen Aha-Effekt, allerdings wirken die „72 Gesprächsimpulse für die Praxis“ wenig innovativ. Eine Untersetzung der Gesprächsimpulse – die häufig als anregende Fragen formuliert sind – mit Beispielen oder konkreten methodischen Tipps würde den Kompass für den unmittelbaren Einsatz in der Unterrichtspraxis oder auch Hochschullehre aufwerten.

Wer konkrete Beispiele, Methoden oder direkte Gesprächsimpulse für das urteilssensible Lehren sucht, der sollte eine andere Quelle bemühen. Der Fokus des Kompasses liegt auf den Rahmenbedingungen der Unterrichtsplanung und der Reflexion.

Fazit

Insgesamt bietet der Kompass eine gute Zusammenstellung von Impulsen, die helfen, Unterricht zu planen und zu reflektieren. Konkrete Beispiele oder kleine methodische Tipps würden den Kompass für den unmittelbaren Einsatz in der Unterrichtspraxis aufwerten.


[1] von Spiegel, Hiltrud (2023): Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit. Grundlagen und Arbeitshilfen für die Praxis, Ernst Reinhardt Verlag, 5. Aufl.

Rezension von
Prof. Dr. Theresa Hilse-Carstensen
IU Internationale Hochschule Erfurt
Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin (FH)
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Es gibt 8 Rezensionen von Theresa Hilse-Carstensen.

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Zitiervorschlag
Theresa Hilse-Carstensen. Rezension vom 05.02.2024 zu: Michael May, Peter Starke: Kompass Urteilsbildung Politik. Unterricht urteilssensibel planen, durchführen und reflektieren. 72 Gesprächsimpulse für die Praxis. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2023. ISBN 978-3-7344-1571-5. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31500.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.


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