Dana Milovanovic, Teresa Staiger et al. (Hrsg.): Digitaler Wandel und Zivilgesellschaft
Rezensiert von Prof.in Dr.in Daniela Cornelia Stix, 28.06.2024

Dana Milovanovic, Teresa Staiger, Serge Embacher (Hrsg.): Digitaler Wandel und Zivilgesellschaft. Positionen und Perspektiven.
Wochenschau Verlag
(Frankfurt am Main) 2023.
189 Seiten.
ISBN 978-3-7344-1533-3.
D: 24,90 EUR,
A: 25,60 EUR.
Reihe: Engagement und Partizipation in Theorie und Praxis. Wochenschau Wissenschaft. Politik und Bildung.
Entstehungshintergrund und Herausgebende
Das Buch ist Teil der Reihe „Engagement und Partizipation in Theorie und Praxis“, die von einem Team des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE) herausgegeben wird. Auch die Herausgebenden sind hier – konkret im Fachprojekt „Forum Digitalisierung und Engagement“ – tätig. Motivation für die Herausgabe des Buches war es, die „Unterbelichtung“ des Faktors Engagement, hinsichtlich der Digitalisierung im Allgemeinen und der Zukunft des demokratischen Gemeinwohls im Speziellen, in den Fokus von Debatten zu bringen.
Aufbau
Der Sammelband ist nebst Vorwort und Anhängen in vier Teile gegliedert, wobei Teil II und III den Kern des Sammelbandes bilden. Teil I entspricht einer Einleitung mit dem Titel „Digitaler Wandel und Zivilgesellschaft – ein Überblick“. Teil II und III decken zwei Ebenen ab, die im Hinblick auf eine offensive Ausgestaltung des digitalen Wandels durch zivilgesellschaftliche Akteur:innen als bedeutsam identifiziert werden. Die Beiträge in Teil II beschäftigen sich daher mit der „Transformation der Organisationen – Umgang der Zivilgesellschaft mit dem Digitalen Wandel“ und sollen damit ihren Fokus auf die Verbesserung der eigenen digitalen Arbeit richten. Die zweite Ebene wird in Teil III „Gestaltung der Gesellschaft – Positionen und Perspektiven für den Digitalen Wandel“ behandelt. Dessen Beiträge sollen sich konkret auf die Mitgestaltung und Diskussion auf Augenhöhe (mit Wirtschaft und Politik) konzentrieren. Teil IV ist standardmäßig ein Ausblick, in dem die Frage aufgeworfen wird, ob digitaler Wandel als Erfolgsmodell gelten kann.
Hinweis: Die Autor:innen verwenden den Begriff Digitaler Wandel als feststehenden Begriff. Da ich mich dem nicht anschließe, werde ich, wo ich mich in der Rezension nicht direkt auf Textstellen beziehe, vom digitalen Wandel schreiben.
Inhalt
Teil I: Digitaler Wandel und Zivilgesellschaft – ein Überblick“
Dana Milovanovic und Teresa Staiger führen mit dem ersten Teil in den Themenkomplex ein und geben einen Überblick über das Projekt „Forum Digitalisierung und Engagement“. Sie kritisieren, dass Digitalthemen vornehmlich neoliberal bearbeitet werden und dass es dringend eines Fokus auf den Menschen bedarf (S. 14). Zugleich räumen sie ein, dass es auf Grund der Corona-Pandemie zu einem Digitalisierungsschub gekommen ist, den sie positiv bewerten, der aber nicht stagnieren dürfe. Vielmehr sei es nun wichtig, sich mit den erworbenen digitalen Kompetenzen in die laufenden Digitalisierungsdiskurse einzumischen.
Das Projekt selbst hatte das Ziel, bundesweit zivilgesellschaftlichen Akteur:innen, wie Vertreter:innen von Initiativen, Vereinen etc., einen Dialograum zu eröffnen und zu Meinungsbildung anzuregen. Einen Diskussionsrahmen bildeten die vier Themenfelder Digitale Kompetenz, Organisationsentwicklung, Datenschutz & Datensicherheit sowie Demokratieentwicklung (S. 17). Einen Abschluss – temporär, wie die Autorinnen betonen – bildeten vier entsprechende Policy Paper, deren Kerninhalte sie in Teil I darlegen. Diese enthalten neben Definitionen und Abgrenzungen auch die Relevanz der Themenfelder sowie allgemeine Handlungsempfehlungen. Teil I schließt mit einem Überblick über die Beiträge des Sammelbandes.
Teil II: „Transformation der Organisationen – Umgang der Zivilgesellschaft mit dem Digitalen Wandel“
Birthe Tahmaz fasst im Kern ihres Beitrags mit dem Titel „Digitales Engagement – Wie kann eine Digitalisierungsstrategie zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrem Entwicklungsprozess unterstützen?“ die Ergebnisse eines Projekts aus dem Jahr 2021 zusammen. Das Projekt lautete „Die Verantwortlichen #digital“ und wurde von der Robert-Bosch-Stiftung und dem BM für Inneres, Bau und Heimat gefördert sowie vom Stifterverband Zivilgesellschaft in Zahlen wissenschaftlich begleitet. Der Praxisleitfaden, der als Ergebnis des Projekts veröffentlicht wurde, enthält fünf Dimensionen (Initialisieren, Konzipieren, Mobilisierung, Umsetzung und Verstetigung) einer Digitalisierungsstrategie. Was jede dieser Dimensionen konkret beinhaltet erläutert die Autorin in angemessener Kürze. Hervorzuheben sind drei Punkte, die Birthe Tahamaz am Ende ihres Beitrags darlegt. Demzufolge sei es erstens bedeutsam, die Skeptiker:innen in die Digitalisierungsprozesse einzubeziehen, zweitens alle Beteiligten auf ihrem aktuellen Digitalisierungsniveau abzuholen sowie drittens auf Pluralität und Empowerment auf operativer und organisationaler Ebene zu achten. Etwas unauffällig platziert aber m.E. zentral ist die Aussage der Autorin, dass sich der Erfolg einer Digitalisierungsstrategie im Engagement daran messen lasse, dass mehr Gemeinschaftssinn geschaffen wird.
Carola Schaaf-Derichs zeigt in ihrem Beitrag „Freiwilligenengagement digitalisieren – Was heißt das?“ eine Vielzahl an Ebenen auf, die durch die Digitalisierung, und insbesondere durch die abrupte Notwendigkeit der pandemiebedingten Einschränkungen zu digitalen Lösungen zu greifen, beeinflusst wurden und werden. Zunächst konstatiert sie, dass das Freiwilligenmanagement eine grundsätzliche Professionalisierung erfahren hat, da die Zahl an Einrichtungen ohne Freiwilligenmanager:innen, also für die Freiwilligen Verantwortliche, abgenommen haben. Darauf aufbauend zeigt Schaaf-Derichs typische Entwicklungen im Zuge der Auseinandersetzung mit digitalisierten Arbeitsformen auf. Dies sind plattformgestütztes Zusammenarbeiten, veränderte Arbeitsprozesse inklusive des Wegbruchs einiger Tätigkeitsfelder Freiwilligenengagements und der Entwicklung neuer Aktionsformen sowie die – noch nicht abgeschlossene – Umwandlung in barrierefreie digitale Informations- und Kommunikationsangebote. Freiwilligenmanager:innen nehmen als Vertreter:innen der Freiwilligen nach außen – in die Gesellschaft – und nach innen – in die Organisation – eine zentrale kommunikative Funktion ein, bei der sie Unterstützung von Digitalisierungsbeauftragten benötigen. Aus Problemen und Gewinnen sowie positiven und negativen Erfahrungen hinsichtlich der digitalen Kommunikation leitet Schaaf-Derichs Do’s und Dont’s für (hybrides) Freiwilligenmanagement ab. Digitalisierungsunabhängig müsse das Krisenmanagement einer Einrichtung das Freiwilligenmanagement verstärkt mitdenken. Außerdem empfiehlt sie Voraussetzungen, Kenntnisse und Einsatzmöglichkeiten digitalen Arbeitens in die Qualifizierung von Freiwilligenmanager:innen zu integrieren und appelliert zudem für eine Förderung von Digitalisierungsprozessen im sozialen und zivilgesellschaftlichen Sektor (wobei hier unklar bleibt, ob die gemeinte Art der Förderung finanzieller Form sein sollte).
„Wirkungsstark, potenzialträchtig, voraussetzungsvoll: organisationsübergreifende Zusammenarbeit im digitalen Raum“ lautet der Beitrag von Carolin Silbernagl. Sie beschreibt, welche verbindenden Elemente eine zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit grundsätzlich befördern (gemeinsame Wirkungsziele, geteilte Werte, historisch gewachsene und vertrauensvolle Strukturen) und welche Faktoren eine Zusammenarbeit hemmen können (Ressourcenknappheit, juristische Unschärfen, enge Förderrahmen etc. Durch das Internet und dem damit verbundenen Zugang zu Informationen und einer Transparenzsteigerung fallen die organisationsübergreifende Vernetzung und die Koordination von Aktivitäten verschiedener Organisationen leichter. Für Kooperationen und Kollaborationen bieten z.B. Cloudserver, Videokonferenzsoftware oder kollaborative Dokumentenbearbeitungs-Software gute Lösungen. Erfolgreiche communitygestützte Open-Source-Software-Projekte, wie Wikipedia und Wheelmap.org werden exemplarisch von Silbernagl angeführt, während sie zugleich betont, dass es zahlreiche Projekte gibt, die wenig Eigendynamik entwickeln und unbekannt bleiben. Um aber Zusammenarbeit mit Mehrwert zu gestalten, müssen die spezifischen Zugangserschwernisse und -barrieren (Ausstattung, Kompetenz, Zugang) berücksichtigt werden: „Die Zivilgesellschaft hat den expliziten Anspruch und eine besondere Verantwortung, ihr handeln inklusiv zu gestalten. Soll Zusammenarbeit im digitalen Raum passieren, brauchen Inklusion und Diversität auf Digitale abgestimmte Gestaltung“ (S. 65). Wichtig sei außerdem, dass der Diskursraum den Beteiligten einen Safer Space böte, um sie vor Hatespeech zu schützen und sowohl einen offenen als auch vertrauensvollen Austausch zu gewährleisten – Vertrauen ist einer der o.g. förderlichen Faktoren für (organisationsübergreifende) zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit.
Der Beitrag von Christiane Biedermann und Stefan Nährlich hebt sich durch seine Unkonventionalität von den bisherigen Beiträgen ab (keine Literaturangaben, Umfang von zehn – teils sehr kurzen – Kapiteln). Unter dem Titel „Mobiles Arbeiten: Gekommen, um zu bleiben. Wie Corona und Digitalisierung unsere Arbeit verändern“ erwartet die Leser:innen ein Best-Practice-Beispiel. In dem Erfahrungsbericht berichten Autorin und Autor von den Widerfahrnissen bei der Umstellung auf digitale Arbeitsprozesse in der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Der Bericht endet mit einer Erwartungs-/​Forderungsliste an die Politik, die sich teilweise aus dem Bericht ergeben, teilweise allgemeinerer Natur sind.
Moritz Ritter definiert in seinem Beitrag „Chancen und Probleme der Online-Partizipation – ein Praxisbericht“ Online-Partizipation als die digitale Möglichkeit, Meinungen abzubilden und als Entscheidungsfindungstools. Während letztere keine praktische Relevanz besitzen, nennt Moritz Ritter Beispiele für Meinungsabbildung in Form von digitalen Bürger:innendialogen, Online-Ideenwettbewerben oder Online-Petitionen. Daran anschließend stellt er, wie im Titel bereits angekündigt, drei Chancen vier Problemen gegenüber. Die Chancen umfassen flexiblere Strukturen, den Einbezug unterrepräsentierter Gruppen sowie die Nutzung als Kanal der eigenen Positionen nach außen, jedoch – und damit zum ersten der vier Probleme, seien Schnittstellen zur Politik kaum vorhanden. Die weiteren drei identifizierten organisationsinternen Probleme seien eine mangelnde Partizipationskultur sowie die Herausforderung, die richtigen Werkzeuge zu wählen und mit knappen Ressourcen zu haushalten. Der Autor verweist in seinem Beitrag an vielen Stellen auf Best-Practice-Beispiele und Plattformen (auch international), was bereichernd für die Ausführungen ist und einen Blick über den Tellerrand ermöglicht.
Teil III: „Gestaltung der Gesellschaft – Positionen und Perspektiven für den Digitalen Wandel“
In den dritten Teil des Sammelbandes leitet Jeanette Hofmann mit dem Beitrag „Politisches Engagement im digitalen Zeitalter. Digitalisierung und Demokratie“ ein. Sie vertritt die Position, dass die Frage, ob das Internet die Demokratie stärke oder schwäche eigentlich falsch gestellt sei, denn dahinter verberge sich die „Vorstellung von digitalen Technologien als treibende Kraft und der Gesellschaft als passive Empfängerin des technischen Fortschritts, die sich dazu verhalten [müsse]“ (S. 89). Der Einfluss der Gesellschaft auf die Technik und die Selbstbestimmung der Menschen sei zu gering veranschlagt. Sie schlägt daher vor, Technologien nicht als Determinante gesellschaftlichen Wandels, sondern als „Möglichkeitsraum“ (S. 89) zu sehen, in dem „gesellschaftliche Aneignung“ stattfinde (S. 90). In ihren anschließenden Ausführungen wirft Jeanette Hofmann je einen empirischen und kritischen Blick auf das digitale Engagement von jungen Menschen. Grundlage für ihre Ausführungen ist der dritte Engagementbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2020, weshalb sich der Neuigkeitswert dieser Abschnitte für die Lesenden, und insbesondere an dieser Position im Sammelband, in Grenzen halten dürfte. In ihrem Fazit rundet sie ihre eingangs aufgestellte Position ab und proklamiert: „Insofern wird Demokratie im Zuge der Digitalisierung nicht nur gestärkt oder geschwächt, sie prägt diese auch“ (S. 95), indem neue Beteiligungsformen erprobt werden können.
Eine neue Perspektive bringt Lorena Jaume-PalasÍ in den Sammelband ein. In ihrem Beitrag „Die digitale Zivilgesellschaft. Eine selbstkritische Annäherung“ betrachtet sie die zivilgesellschaftlichen Strukturen aus einer Perspektive von Macht. Infrastrukturen sind für Jaume-PalasÍ „eine der subtilsten Arten Macht und Gesellschaft zu gestalten“ (S. 98). Die digitale Zivilgesellschaft habe sich in vier Wellen entwickelt:
- 1980-er: netzpolitische Themen und Datenschutz (z.B. Chaos Computer Club)
- 1990-er: freier Zugang zu Informationen (z.B. Wikimedia)
- 2010-er: Gründung von parteipolitiknahen Digitalvereinen (z.B. D64)
In der vierten Welle ab ca. 2015 sind, laut Lorena Jaume-PalasÍ, professionalisierte NGOs „die über ein substanzielles Funding von Stiftungen, aber auch von staatlichen Institutionen verfügen und sich primär darüber finanzieren“ (S. 102), in Erscheinung getreten. Ihr Ziel sei zwar, die Zivilgesellschaft im Rahmen der Digitalpolitik zu stärken, dennoch agierten sie vielfach im Sinne von Wirtschaft und Politik. Als Vermittelnde für die Vergabe Forschungsprojekten und von Stipendien für strategische Gerichtsverfahren oder als Herausgebende von (Policy-)Berichten erhalten diese NGOs bzw. deren Plattformen eine hohe Visibilität und eine zentrale Rolle im Machtgefüge.
Der Beitrag „EU-Regeln für Facebook & Co.: Was der Digital Services Act bringen könnte“ von Julian Jaursch ist ein Sammelbandsbeitrag, der leider von der Zeit überholt wurde. Das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act) trat im Herbst 2022 in Kraft und hat seit Februar 2024 vollständige Gültigkeit erlangt. Dennoch ist der Beitrag in zweierlei Hinsicht lesenswert. Zum einen gibt der Autor einen guten Überblick über die verschiedenen Gesetze, Regelungen, Kodizes und freiwilligen Selbstverpflichtungsmaßnahmen, die im Zusammenhang mit Internetanwendungen bedeutsam sind. Zum zweiten verdeutlichen seine Prognosen potenzielle Herausforderungen in der Um-/und vor allem Durchsetzung des Digital Services Act. Sie könnten langfristig einer kritischen Evaluation des Digital Services Act dienen.
Im Zentrum des Beitrags von Peter Schaar steht der „Datenschutz für die Zivilgesellschaft“. Im umfangreichen Einstieg zur informationellen Selbstbestimmung verwebt er sehr gelungen historische mit aktuellen Argumenten. Die Abschnitte 2 und 3 zeigen auf, warum der Schutz von Daten bedeutsam ist und warum es einer unabhängigen Kontrolle der Einhaltung des Datenschutzes bedarf. Zentrales Argument ist hierbei, dass es zwar in funktionierenden Rechtsstaaten wenig – nicht keinen (S. 130) – Anlass zur Besorgnis gibt, dass aber Bürgerrechtsaktivist:innen in autoritären und diktatorischen Regimen durchaus gefährdet sind. Weshalb Peter Schaar auch in seinem abschließenden Kapitel den digitalen Selbstschutz, also die Verschlüsselung von Kommunikation sowie eine zurückhaltende Preisgabe von Informationen im Internet, betont und dabei Schattenseiten von Aktivitäten im Internet anführt. Abschließend benennt er Beispiele, bei denen die zivilgesellschaftlichen Organisationen Datenschutzaspekte zu beachten haben.
Der Leiter der Leitstelle Ehrenamt und Bürgerbeteiligung in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Birger Hartnuss, beschreibt in seinem Beitrag „Digitalisierung, Zivilgesellschaft und was eine Landesregierung in diesem Feld tun kann. Ansätze und Erfahrungen aus dem Projekt ‚Digital in die Zukunft‘ in Rheinland-Pfalz“ das Konzept dieses Projekts. Ziel ist es, die Vereine und Initiativen, die nicht zur digitalen Avantgarde gehören, mit dem Angebot abzuholen und ihnen Zugänge zur Digitalisierungstechnologien zu ermöglichen. Dabei besteht das Projekt aus vier Bausteinen:
- Wöchentlich stattfindende Online-Weiterbildungen zu akut anliegenden oder allgemein aktuellen Digitalisierungsthemen; besonders herauszuheben ist hier m.E., dass diese simultan von Gebärdendolmetscher:innen begleitet werden (S. 140).
- Im digitalen Werkzeugkasten werden Anwendungen und Links zu anderen Angeboten gesammelt und kategorisiert; z.B. gibt es die Kategorien ‚Teamarbeit und Projektmanagement‘ oder ‚Umfragen‘.
- Stellt einen Bereich, um sich über Best-Practice-Beispiele auszutauschen dar.
- Mit „Ehrenamt 4.0“ werden jährlich zehn innovative Projekte mit 1000 € prämiert. In Planung seien darüber hinaus laut Birger Hartnuss zahlreiche weitere Projekte, wie ein regionales Fortbildungs- und Verleihsystem, das in Zusammenarbeit mit der Landesmedienanstalt und dem Offenen Kanal umgesetzt werden soll oder ein digitales Ehrenamtsportal, da unter anderem eine Weiterbildungsdatenbank umfassen wird.
Hinweis der Rezensentin: Dem Beitrag ist zu entnehmen, dass er während einer Lockdown-Phase der Corona-Pandemie verfasst wurde, weshalb anzunehmen ist, dass viele Pläne inzwischen umgesetzt wurden und eine Evaluation von ‚Digital in die Zukunft‘ vorliegen dürfte.
„Kann die Zivilgesellschaft das Internet retten?“ ist die Frage, der Yannick Haan in seinem Beitrag nachgeht. Konkret analysiert er das Innovationspotenzial, das von Zivilgesellschaft ausgeht, um ein mögliches Gegengewicht zu den großen Plattformen darzustellen oder Vorschläge zu deren Regulierung zu unterbreiten. Nach einer sehr umfangreichen Analyse des Ist-Standes, der so manches wiederholt, was zuvor in anderen Beiträgen ausgeführt wurde, stellt er den Hackathon „WirVsVirus“ vor. Dieser wurde während des ersten Lockdowns der Corona-Pandemie kurzfristig initiiert und konnte 28.000 Bürger:innen zur Beteiligung mobilisieren. Schirmherrschaft hatte die Bunderegierung und von den 1500 Projekten, an denen während des Hackathons gearbeitet wurde, wurden 400 ausgezeichnet. Dies zeige laut Yannick Haan, dass die Zivilgesellschaft als Scharnier zwischen Bevölkerung und Verwaltung fungieren und in die Bevölkerung hinein kommunizieren könne sowie deren Vertrauen genieße. Problematisch sei, dass die Förderstrukturen nicht auf Kontinuität ausgelegt seien. Der Autor schließt seinen Beitrag mit drei Handlungsempfehlungen „an die Verwaltung und die politisch Verantwortlichen“ (S. 155).
Berit Barutzki und Laura Heym argumentieren in ihrem Beitrag mit dem Titel „Digitalisierung als Chance für das Engagement in ländlichen Regionen“ auf empirischer Basis. Die gegenseitigen Einflüsse von ländlichen Räumen und Ehrenamt sind vielfältig. Als besonders spannend sind die folgenden Erkenntnisse hervorzuheben. Das Engagement funktioniert vor allem dort besonders gut, „wo eine gute sozioökonomische Situation und ausgeprägte Ländlichkeit aufeinandertreffen“ (S. 158). Es wird von den Bürger:innen als ungerecht wahrgenommen, dass das Ehrenamt vielfach eine fehlende Daseinsvorsorge ersetzen muss, aber dort begrüßt, wo es in Form von gelebter Demokratie und Gemeinschaft erfahren wird. Chancen und Potenziale der Digitalisierung für das ländliche Ehrenamt – welche, wie die Autorinnen betonen letztlich immer individuell implementiert werden müsse – seien unter anderem die Gewinnung finanzieller Ressourcen, erhöhte Sichtbarkeit, neue Formen ortsunabhängigen Engagements und der Vernetzung sowie der Nachwuchsrekrutierung. Dabei dürfe die Digitalisierung weder zum Selbstzweck eingeführt, noch dürfe sie als Selbstläufer betrachtet werden. Eine herauszuhebende empirische Erkenntnis der Autorinnen aus dem Schlusswort ist, dass viele der existenzbedrohten Einrichtungen die Digitalisierung „nicht als Teil der Lösung, sondern als zusätzliche, komplexe (Heraus-) Forderung“ (S. 165) wahrnehmen.
Teil IV: Ausblick und Perspektive: Digitaler Wandel als Erfolgsmodell?
Der Beitrag von Dana Milovanovic, Teresa Staiger und Serge Embacher mit dem Titel „Gemeinwohlorientierte Digitalisierung? Die Zivilgesellschaft ist gefragt“ schließt den Sammelband ab. Die Autor:innen beschreiben den digitalen Wandel hierin als ambivalentes Geschehen. Ein Geschehen jedoch, dessen Unaufhaltsamkeit und vermeintliche Gesetzmäßigkeiten man nicht hinnehmen dürfe, sondern als Zivilgesellschaft aktiv mitgestalten müsse, um den digitalen Wandel zu einem „Erfolgsmodell“ werden zu lassen. Milovanovic, Staiger und Embacher zeigen dann auch im Folgenden anhand der Beispielfelder (Kommunikation/​Medien/Öffentlichkeit, Wirtschaft/​Arbeit und Sicherheit/​Freiheit), welche Herausforderungen sich stellen und welche Bedingungen erfüllt sein müssten, um den digitalen Wandel erfolgreich zu gestalten. Abschließend betrachten sie die politischen Konsequenzen im Hinblick auf die Frage, ob sich die Marktmacht der großen US-Konzerne „ordnungspolitisch zurückdrängen und im Sinne einer fairen Internetwirtschaft neu verteilen“ lasse (S. 182) sowie im Hinblick auf die Frage, welche Art von Software in der Verwaltung mit öffentlichen Geldern angeschafft werden dürfe. Als zentrale Gelingensbedingungen und zugleich anzustrebende Ziele benennen die Autor:innen abschließend die Faktoren Nachhaltigkeit und digitale Souveränität.
Diskussion
Die Beiträge in dem Sammelband von Dana Milovanovic, Teresa Staiger und Serge Embacher sind inhaltlich sehr vielfältig und beleuchten als solche viele verschiedene Aspekte, die für das Engagement hinsichtlich der Digitalisierung im Allgemeinen und der Zukunft des demokratischen Gemeinwohls relevant sind. Die Beiträge selbst sind von sehr unterschiedlicher Qualität und reichen von Konzepten und Erfahrungsberichten bis hin zu empirisch fundierten Analysen und Forschungsstandübersichten. Leider wiederholen sich einige Argumente und Beispiele in den Beiträgen, was das Lesen etwas zäh macht. Eine stärkere redaktionelle Steuerung hätte dies möglicherweise verhindern können. Ebenfalls etwas unglücklich ist, dass einige Beiträge zum Zeitpunkt dieser Rezension (Sommer 2024) zeitlich überholt sind.
Der Sammelband „Digitaler Wandel und Zivilgesellschaft“ beleuchtet die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements im Kontext des digitalen Wandels und der Zukunft des demokratischen Gemeinwohls. Herausgegeben von einem Team des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE), zielt der Sammelband darauf ab, die bislang vernachlässigte Rolle des Engagements in Digitalisierungsdebatten zu betonen.
Der Aufbau des Buches in vier Teile, mit dem Schwerpunkt auf die Transformation von Organisationen und die gesellschaftlichen (Mit-)Gestaltungsmölglichkeiten, ist nachvollziehbar. Die Beiträge decken ein breites Spektrum an Themen ab, von konzeptionellen Überlegungen und praktischen Erfahrungsberichten bis hin zu empirischen Analysen. Allerdings gibt es einige Wiederholungen und zeitlich überholte Inhalte, die den Lesefluss stören könnten.
Fazit
Insgesamt bietet der Sammelband wertvolle Einblicke und Denkanstöße für diejenigen, die sich intensiver mit der Schnittstelle von Digitalisierung und zivilgesellschaftlichem Engagement auseinandersetzen möchten. Trotz kleinerer Schwächen stellt das Buch eine bereichernde Lektüre dar, die neue Perspektiven auf die Herausforderungen und Möglichkeiten des digitalen Wandels eröffnet. Wer sich der Digitalisierung mal aus einer anderen Perspektive nähern will, der:dem ist der Sammelband zu empfehlen.
Rezension von
Prof.in Dr.in Daniela Cornelia Stix
ist Dipl.-Sozialpädagogin/-arbeiterin (FH) und Medienwissenschaftlerin (M.A.) und als Professorin für Soziale Arbeit an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte umfassen die Themen Digitalität und Digitalisierung der Sozialen Arbeit, Natur- und Erlebnispädagogik sowie die Kinder- und Jugendarbeit.
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ORCID: https://orcid.org/0000-0001-9211-7748
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