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Rainer Kilb: Soziale Arbeit in Schulen

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 29.11.2023

Cover Rainer Kilb: Soziale Arbeit in Schulen ISBN 978-3-497-03222-8

Rainer Kilb: Soziale Arbeit in Schulen. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2023. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. 459 Seiten. ISBN 978-3-497-03222-8. D: 69,00 EUR, A: 71,00 EUR.

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Thema

Die Schule als Sozialisationsfeld mit bildenden und erziehenden Aufgaben

Es ist eine Tautologie und ein Bewusstsein, dass Schule mehr ist als eine Lernanstalt. Weil Bildung ganzheitlich, human, verantwortlich und menschenwürdig ist. Weil Menschwerdung Wissen und Entwicklung umfasst. Weil Bildung und Erziehung zusammengehören. Kinder- und Erwachsenenbildung bedürfen verfasster, kanonisierter und institutionalisierter, demokratischer und freiheitlicher Systeme.

Entstehungshintergrund und Herausgeberteam

Die institutionalisierte Bildungs- und Erziehungswissenschaft umfasst die Bereiche der schulischen und außerschulischen Funktionen. Es sind pädagogische Aufgaben und Anforderungen der Wissensvermittlung, Aufklärung, Entwicklung und Erziehung. Solange die Schule als Lernanstalt fungierte, waren es überwiegend die Lehrerinnen und Lehrer, die didaktisch und methodisch tätig wurden. Als die Schule sich organisatorisch und funktional vom Halbtags- zum Ganztagsbetrieb weiterentwickelte, waren die pädagogischen Tätigkeiten in stärkerem Maße gefordert: Neben den Lehrkräften kamen und kommen sozialpädagogische Professionen zum Einsatz. Soziale Arbeit als ergänzende, integrierte Dienste wird benötigt. Schulsozialarbeit stellt sich curricular, didaktisch und methodisch als autonome und ergänzende Herausforderung dar.

Der (em.) Sozialpädagoge Rainer Kilb und die Pädagogin Marion Baldus, beide von der Hochschule Mannheim, vervollständigen und modernisieren mit der dritten Auflage das erstmals 2009 und als zweite Auflage 2016 von Kilb und Peter erschienene Lehrbuch „Methoden der Sozialen Arbeit in der Schule“. Die Neuauflage ist vor allem wegen der rapide sich entwickelnden gesellschaftlichen, schulischen und außerschulischen Veränderungs- und Wandlungsprozesse notwendig: Mediensozialisation, -kommunikation und mediales Nutzungsverhalten.

Aufbau und Inhalt

Neben der Einleitung wird das Fach- und Lehrbuch in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden „Grundlagen“ der schulischen Sozialarbeit thematisiert; im zweiten geht es um „Handlungspraktische Rahmenbedingungen und Strategien“. Rainer Kilb fragt mit seinem Beitrag „Bildung und Soziale Arbeit als gemeinsame Zukunftsaufgabe im schulischen Bereich?“ nach den Professionalisierungs- und lebensweltlichen Anforderungen der in der Schule tätigen Lehr-, Bildungs- und Erziehungsfachleute. Kilb und der (em.) Psychologe Jochen Peter diskutieren darüber, welche Bedeutung „Methoden der Sozialen Arbeit“ als sozialpädagogische Kompetenzen haben. Kilb, Peter, die Rechtswissenschaftlerin Birgit Hoffmann, der Ethiker Joachim Weber, der Wirtschaftswissenschaftler Winfried W. Weber, die Psychologin Chirly dos Santos-Stubbe verweisen auf „schulalterbezogene Lebenslagen“, der Soziologe Richard Utz fragt nach den lebensweltlichen Bedeutungsakzenten von Schule, die Haushaltswissenschaftlerin Uta Meier-Gräwe diskutiert außerschulische, familiale und gesellschaftliche Lebensweltkontexte, die Pädagogin Kathrin Demmler und die Sozialpädagogin Ulrike Wagner setzen sich mit „Mediensozialisation“ auseinander, die Medienwissenschaftlerin Sabine Feierabend, die Erziehungswissenschaftlerin Hediye Kheredmand und der Sozialwirt Thomas Rathgeb fragen nach dem medialen Nutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen, Jochen Peter analysiert „Peers“- Bildung und Verhalten, die Berliner Sozialarbeiterin Pascale Friedrich informiert über „Schule als Sozialraum“, der Oldenburger Erziehungswissenschaftler Karsten Speck fragt nach den „Rahmenbedingungen, Arbeitsschwerpunkten und Methoden“ der Schulsozialarbeit, Jochen Peter nennt „schulnahe Felder der Kinder- und Jugendhilfe“ und sucht nach Bezügen zur schulischen Arbeit, Rainer Kilb nimmt die Entwicklungen und Zugänge zur „offenen Kinder- und Jugendarbeit“ auf und verweist auf Kooperationsmöglichkeiten, der Marburger Erziehungswissenschaftler Benno Hafeneger (em.) fordert „Kinder- und Jugendbildung“ als einen eigenständigen, schulischen und außerschulischen Lernort, Kilb sieht in „schulnahe(n) erzieherische(n) Hilfen“ neue gesellschaftliche Anforderungen, die Sozialarbeiterinnen Sara Pauli und Claire Scheller informieren über die sozialpädagogische Arbeit mit geflüchteten Minderjährigen, die Psychologin und Betriebswirtin Barbara Stanger berichtet über Jugendberufshilfe, Marion Baldus und der Psychologe Alexander Noyon thematisieren „Soziale Arbeit mit psychisch kranken Kindern und Eltern“, auch um die „Systemsprenger“ und „Schulabsentisten“ geht es (Kilb).

Im zweiten Teil leitet Kilb die „konzeptionelle Ausrichtung einer lebensweltadäquaten Sozialen Arbeit in der Schule“ ein, mit „personenbezogene(n) Konzeptaspekte(n)“ von Jochen Peter, mit „struktur- und systembezogene(n) Konzeptmuster(n)“ (Kilb), mit Anforderungen an eine „inklusive Schule“ (Baldus und Katharina Müller), als eine Schule mit „bürgerschaftlichem Engagement“ (Ralf Vandamme), mit „Empowerment“ (Astrid Hedtke-Becker), mit „systemischen Arbeiten“ (Wilfried Hosemann), mit „Diversität“ (Thomas Wagner). Wie sich die „Handlungsansätze, Methoden und Programme“ darstellen, differenziert Kilb und die folgenden Autoren mit Vorschlägen zur „Gesprächsführung“ (Chirly dos Santos-Stubbe und Alexander Noyen), mit Ideen und Konzepten für „Gruppenarbeit und Gruppenpädagogik“ (Hedtke-Becker und Peter), mit Aspekten für eine „positive Peerkultur“ (Günther Opp und Ariane Bößneck), mit „positive(m) Peer Counseling“ (Peter), mit „Erlebnispädagogik – Experiential Learning“ (Thorsten Fischer und Jörg Ziegenspeck). Es sind Herausforderungen beim „Umgang mit Konflikten, Aggressivität und Gewalt“ (Kilb), verhaltenstherapeutisch (Alexander Noyen), mit Zugängen zur „Streitschlichtung und Mediation“ (Birgit Hoffmann), beim „Täter-Opfer-Ausgleich“ (Ulla Törnig). Der Politologe Roland Büchner zeigt mit „konfrontative(m) Sozial-Kompetenz-Training“ Wege auf. Stefan Werner setzt sich mit „Mobbinginterventionen“ auseinander. Claudia Seefeld nimmt die Ideen zur Autoritätsbildung und gewaltlosem Widerstand auf, wie sie vom israelischen Philosophen Haim Omer als „neue Autorität“ entwickelt wurden. Eine besondere pädagogische und psychologische Aufmerksamkeit ist gefordert, wenn es um Verdacht von „Kindeswohlgefährdung“ geht (Birgit Hoffmann); z.B. mit „Beratungsgespräch“ (Edmund Sichau). Auf den Zusammenhang von „Gemeinwesenarbeit und Quartiermanagement“ verweist Kilb – auf die „Arbeit mit kreativen Medien“ (Marion Baldus), auf Konzepte und Methoden zur „psychosoziale(n) Diagnostik und Fallanalyse“ (Peter), auf „traumapädagogische Ansätze“ (Baldus), auf „Suchtprävention und Gesundheitsförderung“ (Angela Heinrich). Die pädagogischen, professionellen Zugänge werden wirksam durch „Teamarbeit und Supervision“ (Heidrun Munker), mit den Aspekten von „Organisationsentwicklung und Management“ (Winfried W. Weber), durch „bedarfsorientierte und verzahnte Schulentwicklungs- und Sozialplanung“ (Kilb).

Diskussion

Schule, als gesellschaftliche, verpflichtende Institution für Bildung und Erziehung, gilt als dominierender Sozialisationsraum für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. In der von der UNESCO, der Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsorganisation der Vereinten Nationen, am 19.11.1974 vorgelegten „Empfehlung zur internationalen Erziehung“, wird Erziehung als „Gesamtprozess des sozialen Lebens (definiert), innerhalb dessen Einzelpersonen und gesellschaftliche Gruppen es lernen, in ihrer eigenen Gesellschaft und im Rahmen der gesamten Weltgemeinschaft ihre persönlichen Fähigkeiten und Einstellungen, ihr Können und ihr Wissen bewusst und bestmöglich zu entfalten“. Es sind die vielfältigen Bildungs- und Erziehungseinflüsse, die auf die Entwicklungs- und Gestaltungsprozesse einwirken: Eltern, Angehörige, gesellschaftliche und kulturelle Werte und Normen, Lehrkräfte und SozialarbeiterInnen. Wenn also Erziehung zur Menschlichkeit, Demokratie und Solidarität gelingen soll, bedarf es der Abstimmung und Kooperation aller Beteiligten. Die pädagogischen Professionen von Schule und Sozialer Arbeit müssen ihre je eigenen, professionellen Wissens- und Methoden-Kompetenzen aufeinander beziehen und so eine gedeihliche Zusammenarbeit für eine „soziale Schule“ ermöglichen. Die Herausgeber und die beteiligten Autorinnen und Autoren nehmen mit der Neuherausgabe des Lehrbuchs eine Reihe von pädagogischen Innovationen und Entwicklungen auf, die für den schulischen Diskussionsprozess bedeutsam sind; z.B. die Frage nach den Autoritäten in der Schule (Martin Lemme/Bruno Körner2018, www.socialnet.de/rezensionen/​23891.php); wie auch Auseinandersetzungen über Einstellungs- und Verhaltensformen „Anpassung und/oder Widerstand“ (Philipp Staab 2022, www.socialnet.de/rezensionen/​30373.php).

Fazit

Der neu aufgelegte, erweiterte und auf die gesellschaftlichen, lokalen und globalen Anforderungen ausgerichtete Grundlagen-, Konzept- und Methodenband „Soziale Arbeit in Schulen“ ist Informations-, Lehr- und Handbuch für alle Beteiligten beim Bildungs-, Aufklärungs- und Erziehungsprozess. Es dient der professionellen Selbstvergewisserung und der Förderung einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe!

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Es gibt 1702 Rezensionen von Jos Schnurer.

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ISSN 2190-9245