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Tony Attwood, Michelle Garnett: Mit Asperger-Syndrom im Job zufrieden und erfolgreich sein

Rezensiert von Dipl.-Päd. Petra Steinborn, 24.04.2024

Cover Tony Attwood, Michelle Garnett: Mit Asperger-Syndrom im Job zufrieden und erfolgreich sein ISBN 978-3-432-11836-9

Tony Attwood, Michelle Garnett: Mit Asperger-Syndrom im Job zufrieden und erfolgreich sein. Das 7-Schritte-Programm für Menschen im Autismus-Spektrum. Trias (Stuttgart) 2024. 144 Seiten. ISBN 978-3-432-11836-9. D: 24,99 EUR, A: 25,70 EUR.

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Thema

Nicht selten haben Menschen, die unter den Bedingungen von Autismus leben, Probleme im Beruf, obwohl sie viele Stärken und Fähigkeiten mitbringen, die gefragt sind. Beispielsweise gestaltet sich die Kommunikation schwierig, weil Formulierungen wortwörtlich genommen werden oder durch die Konzentration auf Details geht der Überblick verloren, auch werden Geräusche und andere Sinneseindrücke stärker wahrgenommen. Rasche Veränderungen, wie sie in der heutigen Arbeitswelt üblich sind, fallen schwer. Integration in den Arbeitsmarkt kann gelingen, wenn eine Stelle gefunden wurde, die den Fähigkeiten entspricht.

Das Buch stellt Strategien zur gezielten Unterstützung vor, damit Menschen im Autismus Spektrum lernen, sich auf den Einstieg für eine Arbeitsstelle vorzubereiten, dort erfolgreich zu sein und sich weiterzuentwickeln. Ganz praktisch gibt es für jede Woche eine Toolbox mit konkreten Arbeitsblättern und Übungen für zu Hause, ein praktisches Selbsthilfe-Programm auf dem Weg zu mehr Erfolg und Zufriedenheit.

Autor:innen

Tony Attwood ist seit fünf Jahrzehnten praktizierender klinischer Psychologe, er ist spezialisiert auf die Behandlung von Menschen, die unter den Bedingungen von Autismus leben. Weltweit bietet er Workshops und Kurse für Eltern, Fachkräfte und betroffene Menschen an. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, teilweise auch mit Michelle Garnett.

Michelle Garnett ist klinische Psychologin und verfügt über 30 Jahre Erfahrung auf dem Gebiet des Autismus Spektrums. Ihr besonderer Schwerpunkt ist die psychische Gesundheit von Menschen, insbesondere von Frauen. Michelle Garnett bietet Seminare an verschiedenen australischen Universitäten und Online-Seminare für Betroffene an.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist im DIN A 5 Softcover Format erschienen und hat einen Umfang von 151 Seiten, die sich in acht Kapitel, die nicht durchnummeriert sind, gliedern. Der Fließtext ist gut strukturiert, freie Zeilen und zahlreiche Tabellen laden ein, zu konkreten Punkten eigene Notizen einzutragen. Am oberen rechten Seitenrand ist der Titel des jeweiligen Kapitels abgedruckt, so lassen sich die entsprechenden Einheiten schnell finden. Jede Stufe ist gleich aufgebaut: es gibt Erklärungen zum Thema, Fragebögen zur Einschätzung der individuellen Situation, daran schließen sich praktische Übungen an und jede Stufe endet mit einer Reflexion bezogen auf die Erfahrungen und Erkenntnisse zum jeweiligen Thema. Das Buch hält ein Stichwortverzeichnis bereit, welches das Suchen nach Begriffen erleichtert. Zu finden sind Empfehlungen von Michelle Garnett und Tony Attwood zu weiterführender Literatur inkl. Empfehlung der deutschen Redaktion

Zum Finden des richtigen Berufs gehört eine Berufsorientierung, die schon in der Schulzeit beginnen sollte. Benötigt werden zudem viele Informationen dazu, was den Arbeitsplatz ausmacht, vor allem zu sozialen und sensorischen Aspekte, zur Atmosphäre und zur Haltung der Mitarbeitenden und der Führungskräfte. Zu Anfang wird der Hinweis gegeben, dass es eine persönliche Entscheidung ist, ob in der Bewerbung auf eine Arbeitsstelle ein Hinweis zum Autismus gegeben wird, Vor-und Nachteile sind abzuwägen. Sollte der Autismus thematisiert werden kann eine kurze Erklärung hilfreich sein. Vorstellungsgespräche sind komplexe soziale Prüfungen, deshalb ist es ratsam, sich vorzubereiten, zu überlegen, was angezogen wird, welche Fragen gestellt werden könnten und was in Bezug auf das Verstehen von Körpersprache erwartet wird. Wenn der Autismus zur Sprache kommt sollte ehrlich geantwortet und mitgeteilt werden, was Schwierigkeiten bereitet, gleichzeitig ist aber auch darauf hinzuweisen, dass diese wesentlich geringer sind, als die positiven Eigenschaften, die durch die Autismus-Disposition für die Stelle bedeutsam sind. Auch ist der Hinweis wichtig, dass es Strategien gibt, die eine erfolgreiche Beschäftigung erleichtern – wie im Buch beschrieben.

Das 7-Schritte-Programm fußt auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und klinischen Erfahrungen. Das Buch ist als Selbsthilfebuch konzipiert, so kann das Programm auch zuhause durchgeführt werden. Die Aktivitäten können über den Tag oder die Woche verteilt werden und sich so dem individuellen Bedarf und Bedingungen anpassen. Zu beachten ist dabei allerdings auch, dass das häusliche Umfeld problematisch sein kann durch z.B. Ablenkung wie dem Computer, dem Fernseher oder durhc Haus- und Familienarbeit. Die einzelnen Einheiten (Stufen) sind wichtige Werkzeuge, das Autorenteam spricht vom „autistischen Werkzeugkasten“. Jede Einheit ist so angelegt, dass jeweils zwei Stunden pro Woche benötigt werden. Jede Einheit wird ausführlich jeweils in einem eigenen Kapitel behandelt.

An Materialien stehen 11 Videos (in englischer Sprache) und 3 Audioaufnahmen, Fragebögen und eine Skala zur Feststellung von Depression, Angst und Stress sowie Informationen zu einem persönlichen Beschäftigungsplan zur Verfügung. Nicht alle Materialien sind in diesem Buch vorhanden, manches ist auf einer website online im Netz zu finden.

Forschungen haben ergeben, dass durch die Beratung eines Mentors oder einer Mentorin effizienter und effektiver gelernt werden kann. Diese Person unterstützt dabei, sich selbst zu verstehen, eine andere Perspektive einzunehmen und eine breite Palette an Strategien zu entwickeln. Die Unterstützung kann über das Internet, per Telefon oder E-Mail oder jeder anderen bevorzugten Kommunikationsmethode gegeben werden.

Wichtig ist auch Kenntnis darüber zu haben, wie der eigene Lernstil ist. Menschen aus dem Autismus-Spektrum haben einen eigenen atypischen Wahrnehmungs-, Denk-und Lernstil, der eine Stärke ist aber auch ein Hemmnis sein kann. Zu beachten sind zudem: das Bedürfnis nach Beständigkeit und Sicherheit, intellektuelle Stärken beim Lernen, Aufmerksamkeitsschwierigkeiten (Autismus ist oft vergesellschaftet mit ADHS oder ADS), Probleme beim Organisieren und Planen, einseitiges Denken, Angst vor Fehlern, besondere Interessen, Alexithymie (Gefühlsblindheit), Herausforderungen zur Selbstauskunft am Arbeitsplatz, besondere Lern- und Sprachschwierigkeiten, Beachtung der sensorischen Wahrnehmung sowie Schwierigkeiten, sich selbst zu begreifen und zu beschreiben (S. 13–23). Durch unbeschriebene Vordrucke wird das Notieren von Erkenntnissen unterstützt, diese sind in den jeweiligen Kapiteln vorhanden, damit lassen sich ganz individuell Merkmale, die die eigene Person betreffen, eintragen. Zusätzlich werden viele Hinweise zu Tools gegeben, sodass nach Beendigung des Programms quasi ein autistischer Werkzeugkasten bereit steht.

Stufe 1: Werkzeuge zur Stressbewältigung (S. 24–55)

Menschen, die unter den Bedingungen von Autismus leben, haben viele Stärken, die sie in ihre Arbeit einbringen können wie z.B. hohe Standards in der Arbeit, eine kreative Problemlösungskompetenz oder starkes Engagement. Daneben sind aber auch Herausforderungen vorhanden wie ein höheres Stressniveau, Probleme mit dem Aufschieben, dem Priorisieren oder dem Zeitmanagement sowie Schwierigkeiten bei der Bewältigung des täglichen Lebens wie z.B. eine gesunde Schlaf- und Essensroutine.

Vor dem Einstieg in die einzelnen Stufen und den dazugehörigen Aktivitäten braucht es Informationen. Dafür sind Fragebögen bereitgestellt um a) die Stärken und Schwierigkeiten am Arbeitsplatz zu ermitteln, b) die Gründe von Stress und Angst und persönliche Anzeichen von Stress und Angst zu erkennen und c) herauszufinden, was entspannend wirkt. Dafür ist die DASS-21 Skala geeignet. Depression, Angst und Stress werden anhand von 21 Fragen ermittelt. Die Skala ist ab 18. Lebensjahr einsetzbar.

Studien belegen, dass es eine Wechselwirkung zwischen Autismus und Stress gibt. Das Autorenteam weist darauf hin, dass manche Menschen ihre Emotionen zu wenig erkennen und „überhitzen“, andere wiederum sehr schnell den „Panikknopf“ drücken, ohne, dass es schon notwendig wäre (S. 26). Weitere Faktoren für erhöhten Stress sind sensorische Empfindlichkeit, Schwierigkeiten, nonverbale Kommunikation zu verstehen und die andere Art des Denkens z.B. unflexible Denkweisen. Auslöser für Angstzustände können unerwartete Ereignisse sein, Situationen mit zu hohen Erwartungen oder Situationen, in denen gewartet oder sich beeilt werden muss (weitere Stressoren siehe S. 28). Die siebte Aktivität hält eine Anregung für ein Energietagebuch bereit, welches von Maja Toudal, die selbst unter den Bedingungen von Autismus lebt, entwickelt wurde. In ihrem Energietagebuch listet sie wie bei einer herkömmlichen Buchhaltung „Abhebungen“ und „Einzahlungen“ auf, um Situationen zu erkennen, die psychologisch toxisch und Energieräuber sind. Das Energietagebuch kann noch durch eine numerische Wert-Einheit ergänzt werden, die einordnet, wie viel Energie wofür verloren geht bzw. eingenommen wird. Damit kann am Ende des Tages das „Soll und Haben“ errechnet werden (S. 47) und damit einen guten Überblick geben. Aufgrund der vielfältigen Auslöser für Stresserleben ist die Fähigkeit, sich zu entspannen von enormer Bedeutung. Das kann Yoga oder Progressive Muskel Relaxation (kurz PMR) sein (Anleitung S. 49–53). Diese Vorschläge finden sich im achten Aktivierungsvorschlag. Die Stufe 1 endet mit der Reflexion der eigenen Erfahrungen, die wiederum auch notiert wird.

Stufe 2 enthält Werkzeuge für das sensorische Management (S. 55–65). In den DSM-5 Diagnosekriterien ist beschrieben, dass Menschen aus dem autistischen Spektrum ein sensorisches Wahrnehmungssystem haben, das anders funktioniert als bei neurotypischen Menschen. Leider gibt es aktuell noch zu wenig Forschungen darüber, warum es bei manchen zu einer Überreaktion und bei anderen zu einer Unterreaktion bei Sinneseindrücken kommt, vorkommen können auch sensorische Verzerrungen oder Schwierigkeiten bei der Identifizierung der Herkunft von sensorischen Informationen.

Ein Fragebogen auf den Seiten 58–60 unterstützt die Erstellung eines Profils zur individuellen sensorischen Wahrnehmung. Daran schließen sich drei Aktivitäten für den Umgang damit an. In der zweiten Aktivität wird gemeinsam mit dem Mentor/der Mentorin eine Tabelle erstellt, in der Strategien für den Umgang mit sensorischer Empfindlichkeit erfasst werden, diese Angaben werden durch die Punkte „persönliche Bewältigungsstrategie“ und „räumliche Anpassung“ ergänzt. Ein Beispiel dafür sind Ohrstöpsel, mit denen einer Geräuschempfindlichkeit begegnet werden kann. Die dritte Aktivität bearbeitet Erfahrungen mit einem sensorischen meltdown (Zusammenbruch). Die Stufe 2 endet wieder mit einer Reflexion zu den persönlichen Erkenntnissen.

In der 3.Stufe stehen Werkzeuge bei sozialen Schwierigkeiten (S. 66–87) im Mittelpunkt. Menschen, die unter den Bedingungen von Autismus leben haben soziale Schwierigkeiten wie das Erreichen sozialer Reziprozität, dem Verstehen nonverbaler Kommunikation und bei der Entwicklung von Teamfähigkeiten. Im Arbeitsleben können viele Probleme bei der sozialen Kommunikation entstehen. Neurotypische und autistische Menschen verfolgen unterschiedliche Ziele: neurotypische Menschen legen eher Wert auf das soziale Miteinander, autistische Menschen legen den Fokus darauf, Ziele zu erreichen und hohe Standards einzuhalten. Beides muss seinen Platz – entsprechend der Arbeitsanforderungen – haben. Erfolgreich ist das Zusammenarbeiten dann, wenn jede und jeder seinen Anteil an dem Miteinander sieht und reflektiert.

Strategien, die eine soziale Interaktion für Menschen aus dem autistischen Spektrum erfolgreicher machen sind: ein Zugang zu sozialer Beratung am Arbeitsplatz, die effiziente Verwendung von Skripten für die soziale Kommunikation, Kennen von Strategien, die helfen, wenn die soziale Kommunikation zusammenbricht und selbstbewusstes und effektives Vorgehen gegen Mobbing am Arbeitsplatz.

Das Autorenteam benennt im Anschluss 10 Aktivitäten und stellt das konkrete Vorgehen anhand von Arbeitsblättern vor. Diese Reflektion beginnt mit dem Benennen der eigenen Persönlichkeitsmerkmale und der Einordnung, welche Persönlichkeitsmerkmale Stärken für den Arbeitsplatz darstellen und Vorteile bringen. Eine Übung auf S. 71 unterstützt Arbeitskolleg:innen dabei, die Kommunikation mit Menschen aus dem autistischen Spektrum besser zu verstehen. Eine Liste mit fünf Beispielen zeigt mögliche autistische Verhaltensmuster, erläutert das „Warum“ und gibt Hinweise, was zu tun ist. Dabei werden mögliche soziale Kommunikationsschwierigkeiten aufgelistet wie z.B. um Hilfe zu bitten, wenn ich sie brauche. In der 5. Aktivität wird die Unterstützung durch eine oder einen Mentor beschrieben, Aktivität 6 regt an, weitere Personen aufzuschreiben, die im sozialen Umfeld unterstützend sein können. Auch hier gibt es ein vorbereitetes Formular, in dem die entsprechende Person eingetragen werden kann. Aktivität 8 regt an, zu formulieren und aufzuschreiben, wie die Unterstützung konkret aussehen soll. Daraus kann dann ein sog. Skript entstehen und in der Aktivität 9 wird dieses in einem Rollenspiel geübt. Die letzte Aktivität in dieser Stufe bearbeitet das Thema Mobbing. Es gibt sieben unterschiedliche Arten von Mobbing wie z.B. verbales, emotionales oder finanzielles Mobbing. Hier schließen sich Erklärungen an, warum Menschen Mobbing betreiben. Den Abschluss bilden Hinweise, wie es gelingen kann, Mobbing zu erkennen und welche Reaktionen darauf sinnvoll und hilfreich sind.

Die 4. Stufe bearbeitet Werkzeuge für mehr Selbstbewusstsein (S. 89–97), im Mittelpunkt steht die Meditation. Schon 10 Minuten Meditation am Tag unterstützen die körperliche und geistige Gesundheit, stärkt das Bewusstsein für sich und andere.

Besprochen werden auch Werkzeuge gegen nicht hilfreiche Denkmuster (Stufe 5 – S. 98–112). Beginnend mit Erläuterungen zum Verständnis der Verbindung von Denken und Fühlen, dann wird angeregt, eigene Gedanken zu hinterfragen, auch diese Ergebnisse werden notiert. Diese Stufe schließt mit einer Liste mit Denkmustern definiert von Aaron Beck ab. Diese Denkmuster sind mit starken Emotionen wie Angst, Wut, Depressionen und großem Stress verbunden. Beispielsweise wird das Schwarz-Weiß-Denken benannt oder übertriebene Verallgemeinerungen sowie die Abwertung von Positivem. In einer vorbereiteten Tabelle kann angekreuzt werden, welche Denkmuster auf die Person zutreffen. Diese Stufe schließt damit ab, immer wieder zu reflektieren und nicht hilfreiche Denkmuster zu hinterfragen und andere Denkmuster in Betracht zu ziehen.

Organisatorische Werkzeuge (S. 114–134) sind Thema in der 6. Stufe. Stärken von Menschen aus dem autistischen Spektrum können auch zu Schwächen werden z.B. eine hohe Detailwahrnehmung, die aber auch die Auswirkung einer leichteren Ablenkbarkeit hat. Bekannt ist, dass Menschen aus dem autistischen Spektrum eine Beeinträchtigung in den exekutiven Funktionen haben, also zu bestimmen, was für eine Aufgabe benötigt wird, wie lange etwas dauert und wie eine Aktivität beendet wird. Das hat Auswirkungen auf organisatorische und planerische Fähigkeiten oder auf das Arbeitsgedächtnis, auf Zeitmanagement und Prioritätensetzung oder das Einbeziehen neuer Strategien. Erklärungen und Arbeitsblätter bearbeiten diese organisatorischen Werkzeuge ausführlich und legen damit Grundlagen für Zufriedenheit und Erfolgserleben im Beruf.

Mithilfe der Stufe 7 wird ein persönlicher Beschäftigungsplan (S. 135–141) erstellt, der dazu dient, spezifische Ideen, Hilfsmittel und Strategien aufzuzeigen, die hilfreich sind, eigene Ziele zu erreichen und die soziale Kommunikation am Arbeitsplatz zu bewältigen. Dieser Plan ist quasi eine Broschüre für Arbeitgebende und Kolleg:innen, in welcher Form diese Broschüre bekannt gemacht wird ist jeder Person selber überlassen.

Diskussion

Das Buch stellt ein „7-Schritte Programm“ für Zufriedenheit und Erfolg im Beruf vor. Zielgruppe sind Menschen mit Asperger-Syndrom. Im Mittelpunkt stehen Strategien, die auf eine Beschäftigung vorbereiten, den Erfolg am Arbeitsplatz unterstützen und dabei Fortschritte zu erzielen.

Es gibt bisher im deutschsprachigen Raum nur wenige Bücher zu diesem Thema. Die Konzeption und der Aufbau dieses Buches regt an, selbstständig zu arbeiten und für sich selbst herauszufinden, um den Einstieg ins Berufsleben erfolgreich und zufrieden zu gestalten. Das ist notwendig, weil viele Menschen aus dem autistischen Spektrum zwar gut ausgebildet sind, dann aber den Einstieg in das Berufsleben als große Hürde erleben. Das Konzept der 7 Schritte bringt die Person in die eigene Verantwortung, dieser Weg ist eine Art Selbst-Psychoedukation, die die Selbstreflexion und Selbsterkenntnis unterstützt, was nachhaltiger ist als gute Ratschläge zu bekommen. Diese selbst erarbeiteten strukturierten Interventionen, eng am Alltag und der aktuellen Situation orientiert, sind eine gute Voraussetzung für den Transfer der erarbeiteten Erkenntnisse.

Die Materialien zeigen: Visualisierung und Strukturierung sind hilfreich! Fragen werden beleuchtet, Lösungen entwickelt und Ergebnisse werden aufgeschrieben und durch die Schriftform und vorbereiteten Notizblätter dauerhaft strukturiert visualisiert. Gezeigt hat sich zudem, dass die Unterstützung durch eine Mentorin oder einen Mentor erfolgreich ist, in einem vorbereiteten Formular können weitere Personen aufgelistet werden, die im sozialen Umfeld unterstützend sein können.

Die einzelnen Stufen beleuchten Themen, die beim Einstieg und Verbleib im Beruf wichtig sind. Viele Menschen aus dem Autismus Spektrum machen die Erfahrung zwar gut ausgebildet zu sein, dann aber Probleme beim Einstieg und Verbleib in den Arbeitsmarkt zu haben. Dieses Programm reflektiert beide Seiten, der Schwerpunkt liegt bei der Person aus dem autistischen Spektrum.

Eingeflossen sind viele Erkenntnisse von anderen Expert:innen wie z.B. Aaron Beck, ein amerikanischer Psychiater und Psychotherapeut, der als Vater der kognitiven Verhaltenstherapie gilt. Er revolutionierte die Therapie von Depressionen und entwickelte mit der Kognitiven Verhaltenstherapie eine Alternative zur klassischen Psychoanalyse. Sein Modell wurde als sog. kognitive Triade bekannt. Sie besagt, dass drei gedankliche Verzerrungen bei einer Depression wirksam sind: ein negatives Selbstbild, ein negatives Weltbild und eine negative Sicht auf die Zukunft.

Aaron Beck nimmt an, dass Menschen nicht nur deshalb leiden, weil ihnen ein negatives Ereignis widerfährt, entscheidend sind vor allem ihre individuellen Interpretationen und Bewertungen dieses Ereignisses. Er hat erkannt, dass die eigene Sicht auf das Ereignis einen enormen Einfluss hat. So können unterschiedliche Bewertungen dazu führen, dass Menschen sich besser oder schlechter fühlen. Er hat erkannt, dass besonders bei Menschen mit Depressionen verzerrt wahrnehmen. Die Welt und die Ereignisse werden wie durch eine negative Brille betrachtet und eingeordnet. Auf der Seite 105ff findet sich eine Liste mit Denkmustern nach Aaron Beck. Diese Denkmuster sind mit starken Emotionen wie Angst, Wut, Depressionen und großem Stress verbunden. Beispielsweise werden das Schwarz-Weiß-Denken oder übertriebene Verallgemeinerungen sowie die Abwertung von Positivem aufgelistet. In dieser vorbereiteten Tabelle kann angekreuzt werden, welche Denkmuster auf die Person zutreffen. Diese Stufe schließt damit ab, nicht hilfreiche Denkmuster zu hinterfragen und andere Denkmuster in Betracht zu ziehen.

In dieser Form werden alle Stufen bearbeitet, Ergebnisse werden in Schriftform festgehalten und können jederzeit nachgelesen werden. Das Autorenteam regt an, in einem nächsten Schritt die Ergebnisse und Erkenntnisse des Programms in einer Broschüre zusammenzufassen und anderen zur Verfügung zu stellen. Ein wichtiger Hinweis, denn neurotypische und autistische Menschen haben unterschiedliche Wahrnehmungs-, Denk- und Sichtweisen, diese zu kennen ist Basis für ein erfolgreicheres Miteinander.

Mir begegnet in meinen Beratungen und Coachings immer wieder das Vorurteil und oft sogar eine vehemente Ablehnung, Strukturierung und Visualisierung in der Unterstützung von Menschen aus dem Asperger Spektrum einzusetzen, es wird argumentiert, das sei nicht notwendig, weil sie intelligent seien und sich Sachverhalte eigenständig gedanklich erschließen könnten. Aus dieser Logik heraus wird auf Methoden in dieser Form verzichtet und damit wertvolle Möglichkeiten vertan, denn wir alle nutzen im Alltag Visualisierung und Strukturierung: jeder Kalender ist eine Form der Strukturierung und jedes Straßenschild übermittelt visuelle Informationen. Was wäre wenn wir darauf verzichten müssten?

Das Bild des persönlichen Werkzeugkastens belegt die Notwendigkeit. Form und Art der Hinweise können individuell gewählt werden – das Buch hält z.B. ausreichend Platz für Notizen (Linien auf leeren Seiten) bereit, eine Form an Strukturierung, um das erarbeitete Wissen durch Schrift zu visualisieren. Das 7-Schritte-Programm wurde in der Praxis erfolgreich erprobt und belegt durch seine Aufmachung eindeutig, dass diese Form notwendig und wichtig ist!

Positiv ist, dass das Thema, sich Hilfe zu holen aufgegriffen wurde. Auch darüber führe ich in meinen Beratungen immer wieder Diskussionen, bei denen argumentiert wird, dass es doch kein Problem sei, sich Hilfe zu holen. Das ist ein Trugschluss: Erstens ist es nicht so, dass es jedem Menschen einfach gelingt, sich Hilfe zu holen und diese dann auch anzunehmen und zweitens braucht es Selbstreflexion, um zu erkennen, wobei Hilfe gebraucht wird. Deshalb ist es wichtig, sich mit den Anforderungen, die an das „Hilfe-holen“ gestellt werden auseinander zu setzen, denn sich Hilfe zu holen ist mehr als „nur“ jemand anderen etwas zu fragen.

Aus den Ergebnissen des Programms kann eine Broschüre erstellt werden, die Arbeitgebern und Kolleg:innen wichtige Hinweise liefern.

Fazit

Ein praktisches Selbsthilfe-Programm in sieben Stufen entwickelt Strategien zur gezielten Unterstützung für einen erfolgreichen Einstieg in den Arbeitsmarkt. Alltagsnah gibt es für jede Woche eine Toolbox mit konkreten Arbeitsblättern und Übungen für zu Hause, quasi ein autistischer Werkzeugkasten. Ziel ist Schritt für Schritt, zu mehr Erfolg und Zufriedenheit zu gelangen, eigene spezifische Verhaltensweisen zu verstehen und sich weiterzuentwickeln.

Rezension von
Dipl.-Päd. Petra Steinborn
Tätig im Personal- und Qualitätsmanagement in einer großen Ev. Stiftung in Hamburg-Horn. Freiberuflich in eigener Praxis (Heilpraktikerin für Psychotherapie). Leitung von ABC Autismus (Akademie-Beratung-Coaching), Schwerpunkte: Autismus, TEACCH, herausforderndes Verhalten, Strategien der Deeskalation (systemisch), erworbene Hirnschädigungen
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ISSN 2190-9245