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Margit Franz: Morgenkreis 2.0

Rezensiert von Alexandra Großer, 20.06.2024

Cover Margit Franz: Morgenkreis 2.0

Margit Franz: Morgenkreis 2.0 - Check-up für ein bewährtes Ritual in Krippe und Kita. AV1 Pädagogik-Filme (Kaufungen) 2023.
DVD-Nummer 46505373;
Online Nummer 46505373;
Artikelnummer 01-PF-47-MK
Laufzeit 69 Min

Besprochenes Werk kaufen über den AV1-Shop .

Thema

Der Morgenkreis bietet mehr Potenzial als das tägliche Abfragen von Anwesenheiten, dem Datum und Jahreszeiten. Der Morgenkreis ist eine Zusammenkunft, in der gelacht wird, in der alle Freude und Spaß haben dürfen, in der erzählt und nachgedacht wird, in der jedes Kind etwas sagen darf. Margit Franz lädt ein, die bisherige Praxis kritisch zu hinterfragen. Sie zeigt die vielen Potenziale und Lernmöglichkeiten auf, die der Morgenkreis bereithält und fordert dazu auf, den Morgenkreis „dialogisch-partizipativ zu gestalten“. Sie zeigt anschaulich, wie der Morgenkreis sich von der täglichen Routine mit Abzählen der Kinder und dem Bestimmen des Wetters zu einem kindgerechten dialogisch-partizipativen Morgenkreis verwandelt. Praxisbeispiele und Berichte von Fachkräften unterstützen ihre Ausführungen.

AutorIn oder HerausgeberIn

Margit Franz ist Erzieherin, Diplom-Sozialpädagogin, Diplom-Pädagogin, Autorin, Publizistin und Fachreferentin. Sie arbeitete als Erzieherin, Kita-Leitung, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Sozialpädagogik sowie Lehrbeauftragte an der Hochschule Darmstadt und Fachberaterin. Sie war Herausgeberin des Fachmagazins „PRAXIS-Kita“ für kindzentrierte Pädagogik. Aktuell arbeitet sie als freiberufliche Fachreferentin im elementarpädagogischen Bereich.

Aufbau und Inhalt

Der DVD „Morgenkreis 2.0 – Check-up für ein bewährtes Ritual in Krippe und Kita“ liegt ein umfangreiches Booklet bei. Dieses greift die Kapitel der DVD noch einmal ausführlich auf. Einige Kapitel enthalten zusätzlich Reflexionsfragen. Der Film ist in 15 Themenbereiche aufgeteilt, die als Fragen an die Expertin, Margit Franz, formuliert sind. Margit Franz erläutert anhand der 15 Themenbereiche, wie Morgenkreise partizipativ und kindgerecht gestaltet werden und was es dazu braucht. Praxisbeispiele aus fünf Kindertageseinrichtungen sowie Erklärungen von pädagogischen Fachkräften unterstreichen ihre Ausführungen.

01 Wofür sind Morgenkreise wichtig und wie zeitgemäß sind sie? (00:35 – 04:06)

Zunächst erklärt Margit Franz, was ein Morgenkreis, der viele unterschiedliche Bezeichnungen haben kann, ist und welche „verschiedenen Varianten von Morgenkreisen“ es gibt. Morgenkreise bieten Kindern, wenn sie kindgerecht gestaltet sind, verschiedene Lernerfahrungen und -möglichkeiten, die oft nicht genutzt werden.

02 Welche Ziele können mit Morgenkreisen verknüpft sein? (04:06 – 08:43)

Margit Franz benennt fünf Ziele, die sie mit dem Morgenkreis verbindet, jedoch auch im gut gelebten pädagogischen Alltag zu finden sind. Fachkräften empfiehlt sie sich im Team über ihre Ziele, die sie mit dem Morgenkreis verbinden, auszutauschen und sich auf gemeinsame Ziele zu verständigen und in der Konzeption zu verankern.

03 Welcher Zeitpunkt ist für einen Morgenkreis günstig? (08:43 – 12:18)

Vom Kind ausgehend, „ist der Zeitpunkt 9:00 Uhr für einen Morgenkreis äußerst ungünstig gewählt, weil er mit drei Grundbedürfnissen der Kinder kollidiert“. Kinder haben das Bedürfnis, sich von ihren Eltern zu verabschieden und in Ruhe anzukommen, sie möchten frühstücken und ihr Hungerbedürfnis stillen und sie haben das Bedürfnis zu spielen. Sind diese Grundbedürfnisse nicht erfüllt, sinkt die Motivation der Kinder am Morgenkreis teilzunehmen. Oft wird der Zeitpunkt 9:00 Uhr gewählt, um Eltern zur Pünktlichkeit zu erziehen. Margit Franz stellt klar, dass dies nicht die Aufgabe der Kita ist. Aufgabe der Fachkräfte ist es, „dafür zu sorgen, dass alle Kinder die Möglichkeit haben am Morgenkreis“ (S. 06) teilzunehmen. Ein Ausschluss von Kindern aus dem Morgenkreis wegen Verspätung ist pädagogisch weder halt- noch begründbar. Sie plädiert dafür, den Zeitpunkt des Morgenkreis auf den späten Vormittag zu legen.

04 Welche Gruppengrößen sind für Kinder angemessen? (12:18 – 19:39)

In dieser Filmsequenz befürwortet die Expertin, als auch die Kita-Leitung Beate Neff,kleinere Gruppen im Morgenkreis. In Großgruppen von 15 und mehr Kindern ist die Altersspanne und Entwicklungsbreite von Kindern sehr groß. Dies führt bei Kindern zu Unter- oder Überforderung in den Morgenkreisen und damit zu Stress. Sowohl Margit Franz als auch die Leitung regen an, die Praxis von Morgenkreisen in Großgruppen einer Prüfung zu unterziehen und Alternativen für die verschiedenen Altersgruppen zu finden.

05 Was spricht für eine freiwillige Teilnahme der Kinder an Morgenkreisen? (19:39 – 23:56)

Morgenkreise sollten sich stärker an den Kindern und ihren Bedarfen orientieren und eine freiwillige Teilnahme ermöglichen. Ein kindgerechter Morgenkreis lässt den Kindern die Wahl, ob sie daran teilnehmen möchten oder nicht. Die Leitung Judith Metz führt einen weiteren Gesichtspunkt an, der für die Freiwilligkeit der Kinder am Morgenkreis spricht: Im Sinne des Kinderschutzkonzepts kann kein Kind zum Morgenkreis gezwungen werden. Freiwilligkeit bedeutet, dass Kinder nur im Morgenkreis sitzen dürfen, ohne sich zu beteiligen oder auch aus einer räumlichen Distanz (zum Beispiel vom Baubereich) heraus den Morgenkreis beobachten können. Die Frage, ob jedes Kind am Morgenkreis teilnehmen muss oder ob Kinder frei wählen können, muss jedes Team für sich klären. Impulse dazu finden sich im Booklet.

06 Wie regelmäßig und mit welcher Zeitdauer finden Morgenkreise statt? (23:56 – 28:56)

Im Booklet finden sich für verschiedene Altersspannen, Richtwerte für die Dauer von Morgenkreisen. Kinder zeigen jedoch durch ihr Verhalten ganz klar ihre Bedürfnisse. Die Dauer des Morgenkreises ist von den Bedürfnissen der Kinder sowie der kindgerechten auf aktive Beteiligung ausgerichtete Gestaltung des Morgenkreises abhängig. Kinder, die engagiert sind, macht ein längerer Morgenkreis nichts aus, während Kinder, für die der Morgenkreis eher Stress bedeutet, mit Unruhe reagieren. „Eine kritische Analyse der Gesamtsituation“ (S. 10) und die Befragung der Kinder nach ihren Wünschen, hilft, die Morgenkreis-Situation nach den Themen und Interessen der Kinder zu verändern sowie die Regelmäßigkeit des Morgenkreises zu hinterfragen.

07 Wie können die Mikrotransitionen rund um den Morgenkreis gestaltet werden? (28:56 – 33:04)

„Die Gestaltung von Morgenkreisen ist mit zwei Übergängen (Mikrotransitionen) verbunden: in den Morgenkreis hinein und aus dem Morgenkreis heraus“ (S. 11). Damit Kinder Übergänge gut bewältigen können, brauchen diese Mikrotransitionen eine gute Struktur (vgl. ebd.). Dies bedeutet den Kindern Aufgaben zu geben, damit sie wissen, was sie tun können, sobald sie aufgeräumt haben. Bewährt haben sich auch sogenannte Ankerplätze, an denen sich die Kinder sammeln und die von einer Fachkraft begleitet werden.

08 Wo finden Morgenkreise statt und wie ist der Raum vorbereitet? (33:04 – 39:27)

Während die Expertin berichtet, wo überall Morgenkreise stattfinden können, werden verschiedene Praxisbeispiele eingeblendet, die verschiedene Orte und Gestaltungen für Morgenkreise zeigen und mehrere Fachkräfte berichten aus der Praxis. Wichtig für den Morgenkreis ist die gestaltete Mitte, die entweder immer gleich gestaltet ist oder sich in ihrer Gestaltung am aktuellen Thema orientiert.

09 Welche Materialien sind für Kinder besonders ansprechend? (39:27 – 41:43)

Margit Franz plädiert dafür, in Morgenkreisen, möglichst Echtmaterial, zu verwenden, welches die besprochenen Themen für die Kinder mit allen Sinnen begreifbar macht.

10 Welche Kompetenzen brauchen Fachkräfte, um kindgerechte Morgenkreise zu gestalten? (41:43 – 45:50)

Damit alle Kinder gut in den gemeinsamen Austausch kommen und sich im Morgenkreis beteiligen, braucht die pädagogische Fachkraft „dialogisch-partizipative Kompetenz“. Anhand dieser erläutert die Expertin die verschiedenen Formen des Dialogs, die bei der Gestaltung und Durchführung von Morgenkreisen durch die Fachkräfte eine Rolle spielen.

11 Wie gelingt es, die Themen der Kinder in den Fokus von Morgenkreisen zu stellen? (45:50 – 48:59)

Um zu den Themen der Kinder zu kommen, zeigt Margit Franz mehrere Möglichkeiten auf und macht auf eine weitere Rolle der Fachkraft aufmerksam: die Rolle der Kinderversteherin/des Kinderverstehers. Als Kinderversteher*in geht es darum herauszufinden, „was sie [die Kinder] miteinander spielen, was sie miteinander aushandeln, wie sie denken, […], welche Ideen sie entwickeln und welche Wünsche sie haben“. Sich im Alltag und im Morgenkreis auf Augenhöhe der Kinder zu begeben und echtes Interesse an ihren Themen zu zeigen. Erleben Kinder an ihnen und ihren Themen interessierte Erwachsene, lassen sie sich auch gerne auf die Themen dieser ein. Im Morgenkreis ist die Fachkraft, als Kinderversteher*in interessierte Dialogpartnerin und die Kinder die Experten ihrer Themen.

12 Wie können Morgenkreise methodisch interessant gestaltet werden? (48:59 – 53:35)

Die Expertin erläutert verschiedene kreative Methoden, anhand derer Fachkräfte an die Themen der Kinder im Morgenkreis anknüpfen können.

13 Welche Strukturen sind für einen Morgenkreis günstig? (53:35 – 56:09)

Die Struktur des Morgenkreises besteht aus dem Beginn, mit einem Ritual; Austausch und Dialog; einer Bewegungseinheit und dem Abschluss. Gerade zu Beginn des Morgenkreises ist die Konzentration der Kinder am höchsten, daher sollte diese Zeit für die wichtigen „Themen genutzt werden“ (S. 17) und nicht für Abfragerituale. Rituale, wie Lieder, Fingerspiele oder, wie im Film erzählt, ein Brummkreisel, schaffen Ruhe und Aufmerksamkeit und signalisieren den Beginn bzw. das Ende des Morgenkreises.

14 Wie können Morgenkreise zielführend reflektiert und in anderer Weise gestaltet werden? (56:09 – 1:03:50)

Die Expertin empfiehlt, bei der Reflexion des Morgenkreises nach den „vier Planungsschritten des Situationsansatzes“ (S. 18) vorzugehen. Dieses Vorgehen ist vor allem dann ratsam, wenn der Morgenkreis für Kinder und/oder pädagogische Fachkräfte mehr Last als Lust ist.

15 Welche Empfehlungen sind hilfreich? (1:03:50 – 1:08:55)

Margit Franz will pädagogischen Fachkräften Mut machen, kritisch über den Morgenkreis nachzudenken und auf den Prüfstand zu stellen. Sich zu fragen, ob der Morgenkreis in seiner jetzigen Form noch zeitgemäß ist, ob er kindgerecht, partizipativ-dialogisch ist und für alle Beteiligten eine Bereicherung. Oft gilt es nur eine Kleinigkeit zu verändern, um „eine völlig andere Wirkung“ zu erzielen, wie zum Beispiel den Zeitpunkt, den Ort oder auch die Arbeitsteilung zwischen den pädagogischen Fachkräften.

Diskussion

Ein Film über den Morgenkreis, der diesen, wie er bisher war, völlig auf den Kopf stellen kann. Oftmals laufen Morgenkreise nach dem immer gleichen Schema ab. Erst wird die Anwesenheit der Kinder abgefragt, dann der Tag, der Monat, das Jahr, die Jahreszeit und das Wetter bestimmt. Häufig lässt sich bereits an der gemeinschaftlichen Wiederholung von Datum und Jahreszeit erkennen, was die Kinder von dieser Routine halten. Der Film zeigt eindrücklich, dass Morgenkreise nicht dazu dienen, die Anwesenheit von Kindern, die Wochentage, Monate, Jahreszeiten und Wetterlagen abzufragen.

Margit Franz gelingt es, frühpädagogische Fachkräfte ganz neu über den Morgenkreis nachdenken zu lassen. Das Schlimmste, was Kindern und Fachkräften passieren kann ist, dass der Morgenkreis durch immer gleiche Routinen langweilig wird und alle in Stress geraten. Die älteren Kinder wegen Unterforderung, die jüngeren Kinder wegen Überforderung, die Fachkräfte, weil Kinder anfangen ihren Unmut über die Situation durch Unruhe, dazwischen Reden, Zappeln zeigen. Regelmäßige Ermahnungen sind die Folge. Keiner hat mehr so richtig Lust auf den Morgenkreis. Oft wird an ihm und den Routinen festgehalten, damit die Kinder lernen, sich in einer großen Gruppe zu konzentrieren, stillzusitzen, zu reden, zu warten, bis sie dran sind. Oft genug jedoch an den Themen und Interessen der Kinder vorbei.

Die Expertin macht Mut, den Morgenkreis auf den Prüfstand zu stellen und ihm einer kleinen Auffrischungskur zu unterziehen. Oft reichen bereits kleine Veränderungen, wie Zeit, Ort, Gruppengröße aus, damit der Morgenkreis zu einer Bereicherung für alle Beteiligten wird. Es geht ihr nicht um noch mehr Fingerspiele, Reime und Singkreisspiele oder gar die Abschaffung des Morgenkreises, sondern darum den Morgenkreis bedürfnisorientiert und kindgerecht zu gestalten. Die Kinder dialogisch-partizipativ zu beteiligen und als Akteure ihrer Bildung wertzuschätzen, mit ihnen zusammen ins Gespräch zu kommen, mit ihnen Ideen und Lösungen für Herausforderungen im Alltag zu finden. Der Morgenkreis bietet viele Potenziale und Lernmöglichkeiten für Kinder, wie Erwachsene.

Ganz nebenher, auch wenn es vorrangig um die pädagogische und zeitgemäße Gestaltung des Morgenkreises geht, bekommen die Zuschauer*innen wertvolle pädagogische und entwicklungspsychologische Informationen zur kindgerechten, dialogisch-partizipativen Gestaltung des pädagogischen Alltags.

Fazit

Der Film „Morgenkreis 2.0 – Check-up für ein bewährtes Ritual in Krippe und Kita“ lädt dazu ein, sich kritisch und aktiv mit diesem täglichen Ritual auseinanderzusetzen. Es geht nicht darum, den Morgenkreis neu zu erfinden, sondern in kleinen Details zu verändern. Eingesetzt in Teamsitzungen und Workshops, bietet er eine gute Grundlage zur Reflexion der bisherigen Morgenkreispraxis.

Rezension von
Alexandra Großer
Fortbildnerin, päd. Prozessbegleiterin, systemische Beraterin
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Es gibt 74 Rezensionen von Alexandra Großer.

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ISSN 2190-9245