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Jan Kepert, Jörg M. Fegert (Hrsg.): Multiprofessioneller Kinderschutz an der Schnittstelle Jugendhilfe - Medizin

Rezensiert von Wolfgang Schneider, 27.05.2024

Cover Jan Kepert, Jörg M. Fegert (Hrsg.): Multiprofessioneller Kinderschutz an der Schnittstelle Jugendhilfe - Medizin ISBN 978-3-8293-1867-9

Jan Kepert, Jörg M. Fegert (Hrsg.): Multiprofessioneller Kinderschutz an der Schnittstelle Jugendhilfe - Medizin. Kommunal- und Schul-Verlag GmbH & Co. KG (Wiesbaden) 2023. 150 Seiten. ISBN 978-3-8293-1867-9. D: 19,00 EUR, A: 19,60 EUR.

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Thema

Kinderschutz ist eine wichtige und gleichzeitig schwierige Aufgabe. Auf Basis eines unvollständigen Sachverhalts sind in die Zukunft gerichtete Prognoseentscheidungen zu treffen. Bei der Aufarbeitung fehlgeschlagener Kinderschutzverläufe wird immer wieder erkennbar, dass die entscheidungserheblichen Informationen nicht zusammengeführt und die zum Schutz des Kindes erforderlichen Maßnahmen deshalb unterlassen wurden. Dieses Handbuch stellt praktische Möglichkeiten des Informationsaustauschs zwischen der Jugendhilfe und Berufsgeheimnisträgerinnen und -trägern dar. Den Schwerpunkt bildet die Untersuchung der Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Jugendämtern und Stellen des medizinisch-therapeutischen Bereichs. Auch datenschutzrechtliche Probleme werden beleuchtet und Möglichkeiten und Chancen eines datenschutzkonformen Datenaustausches werden diskutiert. Das Werk stellt eine wichtige Arbeitshilfe für die Praxis im Bereich des Kinderschutzes Tätigen dar und soll zur Fortentwicklung des multiprofessionellen Kinderschutzes beitragen.

Herausgeber

Die Herausgeber: Prof. Dr. Jan Kepert lehrt als Professor für öffentliches Recht mit Schwerpunkt auf dem Kinder- und Jugendhilferecht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl. Prof. Dr. Jörg M. Fegert ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/​Psychotherapie an Universitätsklinikum Ulm. Weitere Autoren sind Prof. Dr. Michael Kölch, der Lehrstuhlinhaber für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie an der Universität Rostock und Direktor der Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter der Universitätsmedizin Rostock ist, Dr. Jo Ewert, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf sowie Samja Schäfer, die in der Medizinischen Kinderschutzhotline sowie in der Qualitätsentwicklung und -sicherung beim Jugendamt Stuttgart tätig ist. Markus Wegenke, Sozialarbeiter, ist zusammen mit Prof. Dr. Jan Kepert Inhaber des Freiburger Zentrums für Kinder- und Jugendhilfe.

Aufbau und Inhalt

Das Buch besteht aus vier Kapiteln, wobei das letzte eher eine Quintessenz aus den vorherigen Ausführungen ist. Aber der Reihe nach. Zunächst stellt Jan Kepert im Kapitel „Multiprofessioneller Kinderschutz aus dem Blickwinkel der Kinder- und Jugendhilfe“ vor allem die rechtlichen Komponenten des Kinderschutzverfahrens dabei. Dabei macht er das deutlich, was er zurecht auch immer wieder in seinen Fortbildungen sagt: Gelingender Kinderschutz braucht profunde Rechtskenntnisse bei den Beteiligten, am besten sogar eine:n Jurist:in bei den entsprechenden Einschätzungen des Jugendamtes. Anhand der einzelnen Schritte im öffentlich-rechtlichen Kinderschutzverfahren wird deutlich, an welchen Stellen auf medizinische Expertise nicht verzichtet werden kann und wie diese eingeholt werden sollte. Kepert räumt auch mit dem Mythos auf, dass in Deutschland Datenschutz vor Kinderschutz stehe. Immer wieder kommt er auch darauf zurück, dass Maßnahmen nach § 8a SGB VIII eben nicht repressiv zu verstehen sind, sondern prognostisch in die Zukunft blicken müssen. Es geht also nicht darum, welchen Schaden ein Kind schon erlitten hat, sondern welche weitere Schädigung in welcher Wahrscheinlichkeit droht – ein Fakt, der in den Jugendämtern bisweilen aus dem Blick gerät.

Aus der medizinischen Perspektive wird die Thematik im zweiten Kapitel „Multiprofessioneller Kinderschutz aus dem Blickwinkel des Gesundheitswesens, insbesondere der Medizin – Die Beteiligung medizinischer Experten als fachlicher Standard im Kinderschutzverfahren“ untersucht. Hier wird schnell deutlich, welches erhebliche Potenzial und welch immense Bedeutung für gelingenden Kinderschutz in dieser Zusammenarbeit steckt, aber auch die zahlreichen Vorurteile auf beiden Seiten, die in der Praxis eine gelingende Kooperation problematisch werden lassen. Dabei wird nicht außer Acht gelassen, dass es auf beiden Seiten dieser Medaille Optimierungsbedarf gibt – alleine schon in den völlig unterschiedlichen Bedeutungen derselben Begriffe wie ‚akut‘. Als ein (offensichtlich vor allem von den Jugendämtern noch wenig genutztes) Hilfsmittel wird die Arbeit der Medizinischen Kinderschutzhotline beschrieben. Das dritte Kapitel „Gewalt an Minderjährigen – ein Plädoyer für die Berücksichtigung der rechtsmedizinischen Perspektive“ macht deutlich, wie wichtig eben jene Perspektive in Fällen von jedweder Form körperlicher Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sein kann. Denn manche Spurenbilder und ihre Plausibilität können eben nur rechtsmedizinische Untersuchungen (er)klären.

Das vierte Kapitel „Empfehlungen für einen gelingenden Kinderschutz“ ist dann so etwas wie ein Destillat aus den vorherigen Seiten. 26 solcher Prognosen werden mittels einer prägnanten Aussage und einer kurzen Erläuterung aufgeführt. Darunter solche wie „Alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen“, „Im öffentlich-rechtlichen Kinderschutz gilt der Grundsatz in dubio pro infante“ oder „Elemente des Gefahrenbegriffs“. Letzteres ist zwar als Aussage nicht unbedingt eine Empfehlung, meint aber völlig zurecht, das Wissen um drei Aspekte der Gefährdungseinschätzung im Einzelfall: der zu erwartende Schaden für das Kind (=Rechtsgutbeeinträchtigung), dessen zeitliche Nähe sowie seine Wahrscheinlichkeit.

Diskussion

Wenn mit Jan Kepert und Jörg M. Fegert zwei – wenn auch aus unterschiedlichen Professionen – der profundesten Experten im Hinblick auf Kinderschutz in Deutschland ein Buch herausgeben, kann das einfach nur fachlich herausragend werden. Und das ist es auch, aber trotzdem lässt dieses Büchlein den Rezensenten etwas ratlos zurück, ohne dass er genau begründen könnte, warum das so ist. Am Inhalt liegt es jedenfalls nicht. Jan Kepert gelingt es, in die juristischen Tiefen des Kinderschutzes abzutauchen, und die Leser:innen dabei mitzunehmen, Zusammenhänge zu verdeutlichen und klare Kante zu zeigen. Dass er dabei manche Haltungen vertritt, die nicht mehrheitskonform ist, ist bekannt, macht seine Ausführungen aber umso lesenswerter. Wenn Jörg Fegert und sein Team über medizinischen Kinderschutz und die von ihnen initiierte Kinderschutzhotline schreiben, dann sieht es damit nicht viel anders aus. Das ist fachlich fundiert, nachvollziehbar und von deutlicher Klarheit, was sich insgesamt im Schlusskapitel mit 26 Empfehlungen für einen gelingenden Kinderschutz widerspiegelt. Und trotzdem: Irgendwie fehlt dem Buch etwas. Vielleicht ist es das Herunterbrechen auf die lokale Ebene, wo das im Buch aufgegriffene Thema Kooperation der Disziplinen oft an seine Grenzen stößt (was zweifelsohne beidseitig bedingt ist), was am Ende dazu beiträgt, dass die informativen und qualitativ hochwertigen Texte am Ende als Gesamtwerk an der Oberfläche bleiben. Etwas verwirrend erscheint auch die Gewichtung, da rund zwei Drittel eine – wirklich lesenswerte – juristische Abhandlung sind, während der medizinische Teil recht kurz gerät. Hier wäre vor allem für den Blick der Rechtsmedizin noch mehr Input erfreulich (und vielleicht sogar dringend notwendig) gewesen.

Fazit

Auch wenn die inhaltliche Gewichtung des Buches verwirrt, ist es inhaltlich informativ, spannend und erkenntnisreich und ein guter Beleg dafür, warum alle Akteur:innen im Kinderschutz immer wieder über den eigenen fachlichen Tellerrand herausschauen müssen.

Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
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Zitiervorschlag
Wolfgang Schneider. Rezension vom 27.05.2024 zu: Jan Kepert, Jörg M. Fegert (Hrsg.): Multiprofessioneller Kinderschutz an der Schnittstelle Jugendhilfe - Medizin. Kommunal- und Schul-Verlag GmbH & Co. KG (Wiesbaden) 2023. ISBN 978-3-8293-1867-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31600.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.


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