Fritz B. Simon, Gunthard Weber: Vom Navigieren beim Driften
Rezensiert von Katharina Maria Pongratz, 14.11.2024
Fritz B. Simon, Gunthard Weber: Vom Navigieren beim Driften. "Post aus der Werkstatt" der systemischen Therapie.
Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2022.
128 Seiten.
ISBN 978-3-89670-878-6.
D: 14,95 EUR,
A: 15,40 EUR.
Reihe: Systemische Therapie.
Thema
In dem Buch „Vom Navigieren beim Driften. Post aus der Werkstatt der systemischen Therapie“ wird eine Kolumne der beiden Autoren Fritz B. Simon und Gunthard Weber in der 6. Auflage neu gedruckt und dargestellt. Eigene Erfahrungen aus Therapie und Beratung werden wiederholt humorvoll, authentisch und auf fachlich sehr hohem Niveau für unterschiedliche Leser*innengruppen fruchtbar gemacht. Das Buch zielt darauf ab, klassische Beratungs- und Therapiestrukturen (so es so etwas überhaupt gibt) zu irritieren und durch authentische Berichte bzw. einen großen Erfahrungsfundus heraus neue und alte Wege von Therapie und Beratung sichtbar zu machen.
Autoren
Mit Fritz B. Simon und Gunthard Weberstellen zwei „Felsen“ der systemischen Therapie und Beratung ihr altes Wissen „neu“ zur Verfügung. Beide Autoren sind multiprofessionell geschult (eine Auflistung ist bei beiden selbst nachzulesen und würde hier den Rahmen sprengen) und zählen zu den erfolgreichsten und erfahrensten Systemikern Deutschlands.
Entstehungshintergrund
Die Zeitschrift Familiendynamik brachte vor vielen Jahren die Kolumne „Post aus der Werkstatt“ hervor. Autoren waren Fritz B. Simon und Gunthard Weber. Um alle Artikel nachlesen zu können, war bis zur Erstauflage dieses Buches im Jahr 2004 ein großer Rechercheaufwand nötig. Innerhalb der unterschiedlichen systemischen Communities wurden Kopien gedruckt oder digital weitergegeben; gefühlt jeder „hat schonmal davon gehört“ und eine Ausfertigung „ergattert“. Mit dem Erscheinen der ersten Auflage wurden die oft von unterschiedlichen Akteuren des systemischen Kosmos herangezogenen Kolummnenbeiträge der beiden erstmals gebündelt präsentiert. Dieser Schritt war für viele fachliche Fans der Beiträge eine große Freude und beinhaltete gleichzeitig das Bereitstellen von gebündeltem Fachwissen/Erfahrung.
Aufbau und Inhalt
Das Buch besteht aus einer aktualisierten Einleitung und der Abbildung der einzelnen Beiträge der einstigen Kolumne „Post aus der Werkstatt“. Folgt man der Einleitung und lässt sich auf die einzelnen Artikel ein, wird schnell deutlich, wie viel gebündeltes Fachwissen sich in jedem einzelnen Abschnitt dokumentiert. Systemische Fragetechniken, Herausforderungen und Überforderungen im Beratungs- und Therapiealltag, Berichte über Erfolge und Scheitern zeigen das Herzstück des systemischen Beratungs- und Therapieansatzes ungeschminkt und wertvoll. Durch die Darstellung von realen menschlichen Begegnungen wird das theoretische Fundament der systemischen Therapie und Beratung sichtbar(er), nachvollziehbar und erlebbar. Fragen für BeraterInnen und TherapeutInnen aller Erfahrungsstufen werden thematisiert, aufbereitet, humorvoll dargestellt und auf eine wertschätzende Art brutal ehrlich und tabufrei präsentiert.
Diskussion
Auf den ersten Blick wirkt das Buch schlicht und unscheinbar. Spätestens beim Lesen des Inhaltsverzeichnisses wird allerdings schnell klar: Irgendetwas scheint hier anders als bei klassischen Lehrbüchern der systemischen Therapie. Von „Zwischen Allmacht, Ohnmacht und „macht nichts!…“ bis hin zu „Alles klar – keiner weiß Bescheid“ oder „Gezogene Individuation“ zeigt sich, dass es sich um ein Werk handelt, das vor Provokation strotzt und auch erfahrenste Systemiker zur Reflexion einlädt. Das „wissende Nichtwissen“ packt den Leser und fordert zu einer intensiven Auseinandersetzung der eigenen systemischen Arbeit heraus – wenn man denn bereit es diese anzunehmen. Gleichzeitig zieht es die Lesenden durch eine spannende und fachlich informative Einleitung in das Buch hinein und weckt die Neugier nach noch mehr praktisch anwendbarem Erfahrungswissen und Unterhaltung. Jahrelange Erfahrung, zahlreiche Qualifizierungen und Weiterbildungen, Authentizität und eine entscheidende Prise Humor zeichnen beide Autoren aus und machen ihre alte Kolumne neu gedruckt einzigartig. Ein Buch das für das gesamte Spektrum der praktischen systemischen Arbeit fruchtbar gemacht werden kann. Es adressiert direkt und indirekt alle von an einer systemischen Ausbildung interessierten, über Studierende bis hin zu erfahrenden PraktikerInnen. Nicht ohne Grund erscheint das Werk mittlerweile in der 6. Auflage. Für die 7. Auflage wäre zu empfehlen die einzelnen Beiträge der Vergangenheit mit Wissen aus der heutigen Zeit zu kommentieren, wenngleich die AutorInnen darauf verweisen, dass sie das eben nicht möchten. Für die neue Generation der SystemikerInnen wäre es sicher eine große Bereicherung.
Fazit
Ein absolut zu empfehlendes Lehrbuch für alle MENSCHEN, die mit MENSCHEN lehren, lernen, leben, arbeiten – und (hoffentlich auch) an und mit sich selbst.
Rezension von
Katharina Maria Pongratz
M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl wissenschaftliche Weiterbildung, Weiterbildungsforschung, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
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Es gibt 4 Rezensionen von Katharina Maria Pongratz.
Zitiervorschlag
Katharina Maria Pongratz. Rezension vom 14.11.2024 zu:
Fritz B. Simon, Gunthard Weber: Vom Navigieren beim Driften. "Post aus der Werkstatt" der systemischen Therapie. Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2022.
ISBN 978-3-89670-878-6.
Reihe: Systemische Therapie.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31629.php, Datum des Zugriffs 13.12.2024.
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