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Don R. Catherall: Emotionale Sicherheit

Rezensiert von Dr. Anke Höhne, 11.07.2024

Cover Don R. Catherall: Emotionale Sicherheit ISBN 978-3-8497-0386-8

Don R. Catherall: Emotionale Sicherheit. Affektive Kommunikation in Paarbeziehung und Paartherapie. Carl-Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2022. 397 Seiten. ISBN 978-3-8497-0386-8. D: 59,00 EUR, A: 60,70 EUR.
Reihe: Systemische Therapie und Beratung.

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Thema

Das aus dem Amerikanischen übersetzte Buch beschäftigt sich mit der Rolle von Emotionen, die ein Paar mitbringt, wenn es sich in Paartherapie begibt. Don R. Catherall stellt die Themen Wertschätzung und Bindung in einer Paarbeziehung in den Mittelpunkt der Paartherapie. Das von ihm entwickelte Modell der emotionalen Sicherheit hilft, alle beteiligten Affekte und Emotionen, die bei den Partnern eine Rolle spielen, zu erkennen, auszuhalten und zu integrieren.

Das Buch richtet sich an Paartherapeut:innen als Zielgruppe.

Autor

Don R. Catherall, PhD, ist außerordentlicher klinischer Professor an der Feinberg School of Medicine an der Northwestern University in Evanston, Illinois.

Aufbau

Das Buch besteht aus zwei Teilen, die ihrerseits in mehrere Kapitel untergliedert sind:

  • Teil 1: Theorie und Grundlagen (Kap. 1–8)
  • Teil 2: Therapeutische Praxis (Kap. 9–17)

Inhalt

Kap. 1 „Das Problem“ steigt anhand von Fallbeispielen direkt ins Thema der unter Umständen fehlenden emotionalen Sicherheit in Partnerschaften ein und beschreibt unterschiedliche typische Reaktionsmuster der Partner in der Beziehung, die zu wiederkehrenden Konfliktthemen in der Beziehung werden können.

Kap. 2 „Die Sprache des Affekts“ widmet sich der Rolle der Affekte in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Dabei legt der Autor die Basis für ein grundlegendes Verständnis für die grundlegenden menschlichen Affekte, die Funktion der Affekte, v.a. ihre motivierende Kraft und die Beziehung zwischen Emotion und Affekt. Besonders betont er die Macht des Schameffekts, der eine positive Erfahrung zunichtemachen kann, indem er ein auftretendes Hindernis verstärkt und die zuvor aufgetretenen positiven Affekte mit der Folge überlagert, dass sich die beschämte Person zurückzieht, was im Kontext der Paartherapie dann später von besonderem Interesse sein wird

In Kap. 3 „Bereiche des Affekts: Bindung und Wertschätzung“ wird Bezug auf das Bindungskonzept von John Bowlby genommen. Die Bindungstheorie, ursprünglich zur Erklärung der Bindungsmuster von Kindern entwickelt, wurde in den letzten Jahren auf Erwachsene und ihre Liebesbeziehungen erweitert. Die Begriffe Bindung und Wertschätzung sind für das Modell der Emotionalen Sicherheit, um die es in diesem Buch zentral geht, besonders relevant und werden in diesem Kapitel vorgestellt.

In Kap. 4 „Der Bereich der Emotionen: Selbstbilder und Fremdbilder“ wird der Einfluss der frühen Bindungserfahrungen auf emotionale Selbst- und Fremdbilder dargestellt, wobei auch auf Bindungsstile Erwachsener (nach Griffins und Bartholomews) eingegangen wird.

In Kap. 5 „Die Landkarte der emotionalen Beziehung“ werden die Erfahrungen des Einzelnen in den Bereichen Wertschätzung und Bindung mithilfe eines Vierfelder-Diagramms dargestellt. Die Landkarte der emotionalen Beziehung bildet die wesentlichen Bindungs- und Wertschätzungsemotionen für sich selbst und den anderen Partner ab. In der Paartherapie kann den Partnern die Möglichkeit eröffnet werden, dass beide Partner beginnen, sich in Bewegung zu setzen und so einen Wandel in der affektiven Gestimmtheit gegenüber sich selbst und gegenüber dem anderen herbeizuführen.

Kap. 6 „Warum Partner wichtig sind: die Macht der affektiven Resonanz“ behandelt die Bedeutsamkeit des Umgangs mit der affektiven Gestimmtheit des anderen in einer intimen Beziehung. Der Autor arbeitet hier heraus, wie wichtig es für eine „erfolgreiche Intimität“ ist, sich sowohl einerseits von den Affekten des anderen abzugrenzen („empathische Abschirmung“) als auch andererseits Nähe und Fürsorglichkeit zum Anderen aufrechtzuerhalten.

In 7.Kap. „Warum Wertschätzung wichtig ist: die Macht von Scham und Stolz“ wird auf die besonders wichtigen Emotionen, Scham und Stolz, näher eingegangen und ihre Rolle in intimen Beziehungen herausgestellt.

Kap. 8 widmet sich dem Thema („Wie Emotionen funktionieren: Selbstskripts und Fremdskripts“. Hier macht der Autor deutlich, wie sich Selbst- und Fremdbilder regelrecht festschreiben („Skript“), die dann in bestimmten Situationen Schamaffekte auslösen, die die Verbindung zwischen den Partnern durchtrennen. Don R. Catherall schlägt am Ende des Kapitels eine Kategorisierung häufiger Schamskripts in Bezug auf einen selbst als auch auf den anderen vor.

Der zweite Teil des Buches nimmt die Therapeutische Praxis in den Blick.

Kap. 9 „Die zentralen Komponenten von Beziehungsproblemen“ macht zunächst noch einmal die Bedeutung der Bindungsbedürfnisse in intimen Partnerschaften deutlich, bevor die Bindungsbedrohung (z.B. durch den Tod eines Partners oder Untreue) und die Reaktionen auf die Bindungsbedrohung vertiefend behandelt werden.

Im Kap. 10 „Maladaptive Reaktionsmuster“ vertieft der Autor seine zentrale These, dass, wenn maladaptive Reaktionsmuster in intimen Partnerschaften nicht korrigiert werden, sich leicht zu dysfunktionalen Mustern, in der jeder Partner eine charakteristische Rolle übernimmt, verfestigen können. Die Grundstimmung ist durch eine negative affektive Gestimmtheit und verfestige Interaktionsmuster geprägt. Es werden verschiedene Muster, wie Partner auf die Bindungs- bzw. Selbstwertbedrohung reagieren, beschrieben.

Kap. 11 „Das Problem identifizieren“ widmet sich dem Thema Verletzungen in intimen Beziehungen. Don R. Catherall macht deutlich, wie wichtig es in der Paartherapie ist, genau herauszuarbeiten, worin die Bindungs- und Wertschätzungsbedrohung besteht, bevor durch den Therapeuten bzw. die Therapeutin im Modell der emotionalen Sicherheit genau festgelegt wird, an welchen konkreten Verhaltensweisen jeder Partner arbeiten muss, um das Problem zu einer Lösung zu führen.

Kap. 12 „Sicherheit schaffen“ geht auf den zentralen Aspekt in der Paartherapie nach dem Konzept der emotionalen Sicherheit ein – das Paar wird bei der Erlangung und Aufrechterhaltung von emotionaler Sicherheit unterstützt. Zentral ist hierbei die Abwendung von Bindungsbedrohungen und positive Bindung zu fördern, Wertschätzungsbedrohungen zu vermeiden und die Kommunikation zu verbessern.

Kap. 13 „Wertschätzung aufrechterhalten“ beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Selbstwertgefühl und -stärkung und dies mit dem Fokus, wie Partner einander helfen können, ein besseres Selbstwertgefühl zu entwickeln. Der Autor stellt das Konzept des Selbstwertgefühls von Nathaniel Branden vor, das sechs Prinzipien zur Aufrechterhaltung eines guten Selbstwertgefühls identifiziert.

Kap. 14 „Beschädigten Selbstwert wiederaufbauen“ widmet sich dem Thema, wie ein beschädigter Selbstwert in intimen Beziehungen geheilt werden kann. Der Autor spricht hier von „Heilung der Scham“: Sogenannte Schamskripts, die entweder vor der Beziehung entstanden sind (in der Regel in der Kindheit) oder solche, die sich innerhalb der Beziehung entwickelt haben, gelten als Quellen der Scham, die den Selbstwert beschädigt haben. Für den Wiederaufbau des beschädigten Selbstwerts ist sowohl das Individuum selbst verantwortlich; es kommt aber auch dem Partner in seiner Rolle eine Aufgabe dabei zu.

Kap. 15 „Bindungssicherheit aufrechterhalten“ behandelt die Verhaltensweisen und Botschaften, die die sichere Bindung in intimen Beziehungen unterstützen können. Das Bindungsverhalten wird nach dem Modell der emotionalen Sicherheit in drei Kategorien aufgeteilt: Einstimmungsverhalten, positives Affektverhalten und Verlässlichkeit und Engagement

Kap. 16 „Bindungsverletzungen heilen“ nimmt den Prozess der Heilung von Bindungsverletzungen in den Fokus. Dies ist dann erforderlich, wenn die Beseitigung der Bindungsbedrohungen allein nicht länger ausreicht.

Das 17. und letzte Kap. „Behandlung im Rahmen des Modells der emotionalen Sicherheit“ geht auf die konkrete Anwendung des Modells der emotionalen Sicherheit im Rahmen der Paartherapie ein. Die Grundinterventionen des Therapeuten bzw. der Therapeutin bestehen darin, die Bereiche der Partner zu thematisieren, in denen sie sich unsicher fühlen. Ziel der Therapie ist, emotionale Sicherheit in der Beziehung zu schaffen und aufrechtzuerhalten.

Ein umfangreiches Literaturverzeichnis sowie umfangreiche und vertiefende Anmerkungen zu einzelnen Aspekten des Ansatzes runden das Buch ab.

Diskussion

Dieses Buch führt den Leser bzw. die Leserin Schritt für Schritt durch das Modell der emotionalen Sicherheit in intimen Beziehungen. Als zentral werden von Don R. Catherall die Themen Bindung und Wertschätzung in Partnerschaften behandelt. Gewisse inhaltliche Wiederholungen sind durch den Schritt-für-Schritt-Charakter des Buches kaum vermeidbar, beschränken sich aber auf ein akzeptables Maß.

Die Gliederung ist sehr übersichtlich. Immer wieder illustriert der Autor anhand von Fallbeispielen aus seiner therapeutischen Arbeit mit Paaren sein Modell. Die Fallbeispiele werden in grauen Kästen dargestellt und damit vom Fließtext abgehoben.

Fazit

Dem Autor ist ein sehr überzeugendes Buch für alle in der Paarberatung und -therapie tätigen Fachkräfte gelungen. Die 17 Kapitel des Buches bauen aufeinander auf – insofern muss man zunächst schon Zeit und Energie aufwänden, sich in das Konzept des Autors einzuarbeiten. Gleichzeitig eignet sich das Buch, um gezielt einzelne Themen in Vor- oder Nachbereitung einer Paartherapiesitzung vertiefend zu lesen, um einzelne Aspekte (z.B. die Rolle von Scham, verletzte Wertschätzung) in der Paartherapie aufgreifen zu können. Die Illustration anhand von Fallbeispielen aus der Praxis von Don R. Catherall macht die Bedeutsamkeit von Affekten und Gefühlen für die Dynamik in intimen Beziehungen deutlich.

Rezension von
Dr. Anke Höhne
Dipl.-Sozialwiss., Referentin bei SUCHT.HAMBURG gGmbH, Systemische Beraterin und Familientherapeutin
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Es gibt 21 Rezensionen von Anke Höhne.

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ISSN 2190-9245