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Sonia Lippke, Christina Derksen: Gesundheits­kompetenz lehren und lernen

Rezensiert von Prof. Dr. Michael Schilder, 27.08.2024

Cover Sonia Lippke, Christina Derksen: Gesundheits­kompetenz lehren und lernen ISBN 978-3-456-86287-3

Sonia Lippke, Christina Derksen: Gesundheitskompetenz lehren und lernen. Trainingsprogramm für Sozial- und Gesundheitsberufe. Hogrefe AG (Bern) 2023. 167 Seiten. ISBN 978-3-456-86287-3. D: 49,95 EUR, A: 51,40 EUR, CH: 65,00 sFr.

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Thema

Die vorliegende Publikation adressiert die Herleitung und Darstellung eines theorie- und evidenzbasierten strukturierten Schulungsprogramms für Sozial und Gesundheitsberufe. Dieses richtet sich auf die kommunikativen patienten- und teamzentrierten Grundlagen zur Vermittlung von Gesundheitskompetenz mit dem Fokus auf klinische Versorgungssettings. Dies wiederum wird als wesentliche Voraussetzung einer professionellen Gesundheitskompetenz der Zielgruppe beschrieben, mittels der die Gesundheitskompetenz der von ihnen versorgten Personen (Patienten, Klienten, Angehörige) unterstützt wird, um Versorgungsprozesse kommunikativ sicherer zu gestalten und unerwünschten vermeidbaren Ereignissen (VUEs) vorzubeugen.

Autorinnen

Frau Prof. Dr. Sonia Lippke ist Professorin für Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin an der Constructor University (vormals Jacobs University Bremen). Sie forscht zu Themen der Gesundheitskompetenz, Kommunikation und Gesundheitsverhalten.

Frau Christina Derksen, promovierte Gesundheitspsychologin mit einem Schwerpunkt im Bereich der Kommunikation im Gesundheitswesen, ist Postdoctoral Research Assistant am Wolfson Institute for Population Health an der Queen Mary University of London und Gastwissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe für Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin, Constructor University Bremen. Sie forscht im Bereich der Kommunikation, Gesundheitsversorgung und Patient:innensicherheit.

Entstehungshintergrund

Das vorliegende Buch ist das Ergebnis mehrerer Entwicklungs- und Forschungsprojekte, die im europäischen Raum ihren Ausgang genommen haben und u a. mittels des PIKoG-Projekts auf den nationalen Kontext adaptiert sowie im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie digital weiterentwickelt worden sind.

Aufbau und Inhalt

Die Publikation ist wie folgt aufgebaut:

Einführung

  • Vorwort
  • 1 Einleitung
  • 2 Modell der interpersonellen Kommunikation für Programme der Gesundheitskompetenzförderung
  • 3 Triangulation von Lernzielen, bisheriger Forschung und Entwicklungen mittels Intervention Mapping
  • 4 Ein Kleingruppenprogramm in drei Einheiten
  • 5 Überführung in digitale Formate
  • 6 Empfehlungen für weitere Forschung und Praxis
  • Literatur
  • Autorinnen
  • Hinweise zu Zusatzmaterialien
  • Sachwortverzeichnis.

Zuerst wird in der Einführung, im Vorwort und im ersten Kapitel Einleitung kurz auf die Hintergründe der Bedeutung einer fachlich adäquaten und sicheren Kommunikation des Fachpersonals in der gesundheitlichen Versorgung und deren Zusammenhang zur professionellen Gesundheitskompetenz eingegangen. Dazu wird der Hintergrund des evidenz- und theoriebasierten interdisziplinären Schulungsprogramms kurz erläutert, das die bislang bestehende Wissenslücke dazu im deutschsprachigen Raum füllt. Es zielt letztlich auf die Befähigung von Fachpersonal im Gesundheitswesen, Gesundheitskompetenz der von ihnen versorgten Zielgruppen zu entwickeln oder aufrechtzuerhalten und z.B. Vermeidbaren unerwünschten Ereignissen (VUEs) vorzubeugen, was mit Bezug auf Studien ausgeführt wird. Die Leser werden mit Reflexionsübungen, etwa zur Einschätzung der eigenen Gesundheitskompetenz, einbezogen. Außerdem werden Links zu weiteren Materialien im Internet zum Selbststudium aufgezeigt. Neben einer kurzen Definition von Gesundheitskompetenz wird auf Aspekte deren Messung eingegangen und auf Herausforderungen in der Umsetzung wie auf notwendige Kompetenzen und Fähigkeiten.

Das zweite Kapitel nimmt Modelle der interpersonellen Kommunikation für Programme der Gesundheitskompetenzförderung in den Blick. Dabei wird auf Hintergründe zur Definition und Bedeutung professioneller Gesundheitskompetenz des Fachpersonals im Hinblick auf die Gesundheitskompetenz von Zielpersonen eingegangen und die klinische Relevanz nachteiliger gesundheitlicher Folgen beleuchtet. Die teils komplexen Zusammenhänge werden durch Abbildungen visualisiert, die Einflussfaktoren und Komponenten differenziert sichtbar machen. Dann folgen ausgewählte Kommunikationskonzepte, wie das Vier-Seiten-Modell der Kommunikation nach Schulz von Thun, die jeweils inhaltlich kurz umrissen werden und in ihren zentralen Kernaussagen dargestellt werden. Dabei werden jeweils komplexere Modelle einbezogen, teils unter Bezugnahme auf die fachlichen Hintergründe und den Anwendungskontext umrissen, wie die Zwei-Wege-Kommunikation und die Motivierende Gesprächsführung. Die integrierten Reflexionsansätze bieten für die Lesenden eine Grundlage zur persönlichen Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteile wie auch Anwendungsmöglichkeiten der Ansätze. Der Health Action Process Approach (HAPA) sowie das Compensatory Carry Over Action Model (CCAM) werden als recht komplexe aber im Kontext der Thematik vielversprechende Ansätze eingeführt. Weitere Kommunikationskonzepte und eine Studienübersicht über die Messung von Schulungserfolgen werden als empirische Basis ausgeführt und bieten einen internationalen evidenzbasierten wie auch recht aktuellen Überblick über den Forschungsstand.

Für die Basierung des didaktischen Teils des Schulungskonzepts werden auf dieser Basis in Kurzfassungen ausgewählte Lerntheorien und Modelle ausgeführt, bevor dann auf Schulungskonzepte zur Vermittlung und Verbesserung der professionellen Gesundheitskompetenz, wie Blooms Taxonomie, eingegangen wird, die weitere Konstruktionsprinzipien des Schulungskonzepts veranschaulichen.

Das 3. Kapitel Triangulation von Lernzielen, bisheriger Forschung und Entwicklungen mittels Intervention Mapping führt nun die im vorherigen Kapiteln bearbeiteten theoretischen und evidenzbasierten Perspektiven zusammen. Dies dient wiederum als Planungsgrundlage für das Konzept zum Schulungsprogramm in Kapitel 4. Sehr ausführlich werden Lernziele aus dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin zitiert. Dies wird wiederum mit Reflexionsaufgaben verbunden, die zur Berücksichtigung der eigenen beruflichen Erfahrungen anregen, bevor dann mit dem Ansatz Intervention Mapping eine zielgruppen- und auf die Bedingungen der Settings bezugnehmende strategische Ausrichtung des Konzepts geformt wird. Dieses wird in Form des konzeptionellen Rahmens für die Vermittlung von Gesundheitskompetenz in der Hochschulbildung, mit Leitprinzipien, Lernbereichen und betrieblichen Faktoren ausgeführt und mit konkreten Schritten in Form von Zielen und Methoden der Vermittlung verknüpft, bevor dann auf Implementierungsstrategien zur Optimierung professioneller Gesundheitskompetenz eingegangen wird, deren Lerneffekte auch wiederum mit Reflexionsaufgaben verbunden werden.

Das vierte Kapitel ist das Kernstück der Publikation und enthält das auf der Basis der vorangegangenen Kapitel konkret operationalisierte Schulungsprogramm. Dieses enthält drei Trainingseinheiten mit Begleitmaterial aus dem Internet (Power-Point-Präsentation, Evaluationsbogen, weiteres Hintergrundmaterial, Lernportfolio), was die Anwender des Schulungsprogramms schrittweise durch die Gestaltung des Programms leitet. Die drei Trainingseinheiten thematisieren:

  • Kommunikative Fähigkeiten im Patient:innengespräch
  • Patientenzentrierte Kommunikation und
  • Kommunikation im Team.

Dazu wird auch auf die Aspekte des Transfers in den Alltag über das Lernportfolio und die Evaluation mit einem entsprechenden Instrument eingegangen. Die einzelnen Schritte und Phasen des Programms werden durch die digitalen Materialien ergänzt, die von den Nutzern des Schulungsprogramms direkt eingesetzt werden können. Die Darstellung des Ablaufs wird jeweils durch theoretische Grundlagen vertieft. Die curricularen Schulungsinhalte sind sehr konkret dargestellt, orientieren sich thematisch an den klinischen Versorgungssettings, deren Anforderungen, Rahmenbedingungen und aktuellen Problematiken und Herausforderungen (wie Interkulturalität, Fachkräftemangel) und bieten damit ein gutes Potenzial der Übertragbarkeit auf das klinische Setting, was ein zentrales Anliegen der Autorinnen darstellt.

Kapitel 5 bietet den Transfer im Hinblick auf die Überführung des Schulungsprogramms in digitale Formate, deren Notwendigkeit begründet wird und in ihren Eigenschaften als digitale Trainingskomponenten operationalisiert werden.

Das Kapitel 6 enthält schließlich Empfehlungen für weitere Forschung und Praxis: so werden ausgehend der einbezogenen empirischen Basis Forschungsdesiderate ausgemacht und Hinweise zur partizipatorischen Implementierung der Schulungsinhalte vermittelt.

Die Publikation wird durch das Literatur-, Sachwortverzeichnis, Hinweise zu den Autorinnen und den digitalen Zusatzmaterialen beschlossen.

Diskussion

Die Autorinnen verfolgen einen anspruchsvollen Ansatz, indessen in einem durch den Umfang der Publikation begrenzten Rahmen grundlegende theoretische Ansätze und evidenzbasierte Befunde zur Kommunikation und zur professionellen Gesundheitskompetenz ausgeführt werden. Dabei sind die Inhalte kurz gehalten, didaktisch mit Abbildungen, Grafiken und Tabellen gut aufbereitet worden. Mit dieser Darstellungsform werden die Autorinnen ihrem Ziel, Praktiker ein theoretisch und empirisch fundiertes Schulungsprogramm zur Verfügung zu stellen, gerecht. In der Umsetzung im vierten Kapitel gelingt deren Operationalisierung gut, wenn auch kleinere Mängel in den Begleitmaterialen (Formatierung der Power-Point-Folien teilweise verschoben, teilweise schlecht lesbar) festzustellen sind. In didaktischer Hinsicht fällt auf, dass teilweise recht viele Folien für die geplante Zeit zur Verfügung gestellt werden. Dennoch kann der Nutzer aus der Fülle an Material auswählen, was wiederum dem Anspruch der Publikation gerecht wird. Mitunter fallen recht ausführliche Hinweise zur Corona-Pandemie auf. Vereinzelt fallen die Inhalte der Schulung gegenüber dem anspruchsvollen theoretischen Teil etwas ab. Doch im Großen und Ganzen liegt mit dieser Arbeit eine sehr gute Entwicklungs- und Forschungsarbeit vor, deren Verwertbarkeit an dem entwickelten Schulungsmaterial demonstriert wird. Die dargestellten Entwicklungsschritte sind beispielgebend für zukünftige Projekte der systematischen Entwicklung von theoretisch geleiteten und empirisch basierten Schulungsprogrammen. Für Anwender in der Praxis ist das Schulungskonzept gut geeignet und kann z.B. durch die vielen Hinweise, Links und Materialien eigenständig vertieft und weiterentwickelt werden.

Fazit

Insgesamt handelt es sich um eine fundierte Darstellung eines Schulungskonzepts, das für unterschiedliche Nutzergruppen konstruktiven Nutzen entfalten kann.

Rezension von
Prof. Dr. Michael Schilder
Professor für klinische Pflegewissenschaft an der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt
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Es gibt 17 Rezensionen von Michael Schilder.

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Zitiervorschlag
Michael Schilder. Rezension vom 27.08.2024 zu: Sonia Lippke, Christina Derksen: Gesundheitskompetenz lehren und lernen. Trainingsprogramm für Sozial- und Gesundheitsberufe. Hogrefe AG (Bern) 2023. ISBN 978-3-456-86287-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31661.php, Datum des Zugriffs 15.09.2024.


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