Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Meike Sophia Baader, Britta Hoffarth et al. (Hrsg.): Erziehung und Bildung

Rezensiert von Maya Ostrowski, 01.11.2024

Cover Meike Sophia Baader, Britta Hoffarth et al. (Hrsg.): Erziehung und Bildung ISBN 978-3-7799-7186-3

Meike Sophia Baader, Britta Hoffarth, Barbara Rendtorff, Christine Thon (Hrsg.): Erziehung und Bildung. Geschlechtertheoretische Positionierungen. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2024. 214 Seiten. ISBN 978-3-7799-7186-3. D: 26,00 EUR, A: 26,90 EUR.
Reihe: Erziehungswissenschaft geschlechtertheoretisch. In Beziehung stehende Ressource: ISBN: 9783779973256.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Kaufen beim socialnet Buchversand
Kaufen beim Verlag

Thema und Entstehungshintergrund

Das Thema des Buches bilden geschlechtertheoretische Positionierungen zu den Begriffen „Erziehung“ und „Bildung“, bei denen es sich um zentrale Gegenstände der Erziehungswissenschaft in Theorie und Praxis handelt. Die Geschichte der Begriffe „Erziehung“ und „Bildung“ wird – so die Herausgeber:innen – innerhalb der erziehungswissenschaftlichen Disziplin und deren Fachdiskursen und Theoriekonzepten bislang zu selten dahingehend reflektiert, dass sie „sowohl in theoriesystematischer Hinsicht als auch in ihrer Verhältnissetzung zueinander aufs Engste mit gesellschaftlichen Geschlechterordnungen verknüpft ist“ – sowohl, was die Begriffsbildung als auch die Unterscheidung der Begriffe betrifft (S. 9). Ziel des Bandes ist es, mit der Aufarbeitung dieser Lücke zu beginnen (S. 10). Es werden verschiedene Fragen dahingehend gestellt, „wie das Verhältnis von Geschlechterordnung und erziehungswissenschaftlicher Begriffsbildung grundsätzlich zu denken ist: Wie ist erziehungswissenschaftliche Theoriebildung bezüglich Erziehung und Bildung auf Fragen von Geschlecht und gesellschaftlichen Geschlechterordnungen verwiesen? Worin transportiert sie vermeintliche Selbstverständlichkeiten, die sich unter geschlechterkritischer Perspektive als problematische machtvolle Engführungen erweisen? Welchen Erkenntnisgewinn verspricht hingegen ein systematischer Einbezug geschlechtertheoretischer Inhalte? Wie können Subjekte von Erziehung und Bildung jenseits einer Vereindeutigung innerhalb einer binären Geschlechterordnung gedacht werden? Wie lassen sich dann die Begriffe ‚Erziehung‘ und ‚Bildung‘ in ihrem Verhältnis zueinander neu und zeitgemäß bestimmen, wenn die unterstellte Trennung einer (weiblich-)privaten Sphäre gegenseitiger Abhängigkeit und einer (männlich-)öffentlichen Sphäre als autonom imaginierter Subjekte obsolet wird? Welche anderen Ordnungen der Unterscheidung zwischen dem, was bislang in Erziehung und Bildung differenziert wird, werden dann relevant und produktiv?“ (S. 11).

Bei dem Buch handelt es sich um den ersten Band der Reihe „Erziehungswissenschaft geschlechtertheoretisch“, die von Robert Baar, Marita Kampshoff, Bettina Kleiner, Antje Langer, Thomas Viola Rieske und Christine Thon herausgegeben wird und beim Verlag Beltz Juventa erscheint.

Herausgeber:innen

Die nachfolgende Vorstellung der Herausgeber:innen und Autor:innen des Buches erfolgt in enger Anlehnung an und überwiegend direkter Übernahme aus dem Autor:innenverzeichnis des Bandes.

Meike Sophia Baader, Dr. in phil., ist Professorin für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Universität Hildesheim. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Historische Bildungsforschung, Geschlechterforschung, Kindheitsforschung und Kindheitsgeschichte, Erziehung, Bildung und soziale Bewegungen, Geschlecht in der Bildungsgeschichte der DDR, Erinnerungskulturen und Bildung, Paradoxe Bildung und Gewaltgeschichte sowie Sexualisierte Gewalt in pädagogischen Kontexten.

Britta Hoffarth, Dr. phil., ist Professorin für Gender und Bildungskulturen am Institut für Erziehungswissenschaft und Leitung des Zentrums für Geschlechterforschung der Universität Hildesheim. Aktuelle Arbeiten von Britta Hoffarth befassen sich mit Affektivität und Politik, intersektionalen Perspektiven auf Digitalität oder Fernsehserien und praxeologischen Zugängen zum Körper. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Geschlecht, Jugend, Rassismus, Körper, Medien und Materialität.

Barbara Rendtorff, Dr. phil., ist Seniorprofessorin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Theorie von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen sowie Tradierung von Geschlechtervorstellungen im Kontext des Aufwachsens.

Christine Thon, Dr. phil., ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Geschlechterforschung an der Europa-Universität Flensburg. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind theoretische und qualitativ-empirische Forschungen zu Bildung und Geschlecht im Kontext gesellschaftlicher Ungleichheitsverhältnisse und Transformationsprozesse und zu Zusammenhängen von Pädagogik, Politik und Geschlecht.

Autor:innen

Jutta Hartmann, Dr. phil., ist Professorin für Allgemeine Pädagogik und Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind heteronormativitätskritische Bildung, geschlechterreflektierende Gewaltprävention sowie das Dreieck Kritische Bildungstheorie – Queer-Feminismus – Poststrukturalismus.

Bettina Kleiner, Dr. phil., ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Gender Studies und Qualitative Methoden an der Goethe Universität Frankfurt. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Gender/​Queer Studies als Wissenschaftskritik, Postkoloniale und feministische Perspektiven auf Erziehung und Bildung, erziehungswissenschaftliche Diskurs- und Subjektivierungsforschung sowie Differenz und Ungleichheit im Kontext von Bildungsorganisationen und -biografien.

Astrid Messerschmidt, Dr. phil., ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Geschlecht und Diversität an der Bergischen Universität Wuppertal. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Migrationsgesellschaftliche und geschlechterreflektierende Bildung, Rassismus- und Antisemitismuskritik sowie Kritische Bildungstheorie.

Aufbau

Das Buch umfasst 214 Seiten und enthält neben einem Vorwort und einer Einleitung insgesamt 12 Kapitel und ein Autor:innenverzeichnis. Die Kapitel sind gegliedert in drei verschiedene inhaltliche Abschnitte (s.u.). Jedes der Kapitel enthält ein eigenes Literaturverzeichnis und in fast allen Kapiteln werden den Lesenden zum Schluss weiterführende Lektüreempfehlungen gegeben. Die Kapitel stehen jeweils für sich und können, da sie zum Verständnis die Inhalte der anderen Kapitel nicht voraussetzen, sowohl getrennt als auch zusammenhängend gelesen werden (S. 14). Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über den thematischen Aufbau des Bandes und die Zuordnung der Kapitel gegeben werden, bevor auf diese jeweils näher eingegangen wird.

Abschnitt 1: Einordnung und Kritik

1. Die Geschlechterordnung als strukturbildendes Moment in der Erziehungswissenschaft (Meike Sophia Baader, Barbara Rendtorff)

2. Erziehung, Bildung und Geschlecht. Wissenschaftstheoretische Reflexionen (Britta Hoffarth, Christine Thon)

3. Zum Verhältnis von Erziehung und Bildung aus geschlechtertheoretischer Perspektive – drei Zugänge (Meike Sophia Baader, Barbara Rendtorff, Christine Thon)

4. Feministische Kritik an „klassischen“ Erziehungs- und Bildungstheorien (Christine Thon)

Abschnitt 2: Geschlechtertheoretische Problematisierungen erziehungswissenschaftlicher Fragestellungen und Begriffsfelder

5. Sorge und Angewiesensein (Barbara Rendtorff)

6. Anerkennung – geschlechtertheoretische Perspektiven (Bettina Kleiner)

7. Macht und Gewalt (Meike Sophia Baader, Barbara Rendtorff)

8. Körper und Geschlecht in der Erziehungswissenschaft (Britta Hoffarth)

Abschnitt 3: Erziehung und Bildung in ihren gesellschaftlichen Spannungsverhältnissen – geschlechtertheoretische Reflexionen

9. Bildung in intersektionalen Differenz- und globalen Dominanzverhältnissen (Astrid Messerschmidt)

10. Kindererziehung zwischen Familie und öffentlicher Erziehung (Meike Sophia Baader)

11. Queere Bildung – kritisch-dekonstruktive Perspektiven auf Geschlecht und Sexualität (Jutta Hartmann)

12. Open End mit drei Skizzen (Christine Thon)

Inhalt

Kapitel 1

Meike Sophia Baader und Barbara Rendtorff erläutern in Kapitel 1 die grundlegende Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Frage, wie „geschlechtsbezogene[] gesellschaftliche[] Auffassungen […] in pädagogische Theoriemodelle eingegangen“ sind, wie „diese wiederum auf die Gesellschaftsordnung zurückgewirkt“ haben und ob dies auch heute noch zu beobachten ist (S. 18). Im weiteren Verlauf des Artikels wird die Wirkmächtigkeit der Geschlechterordnung als strukturbildendem Moment in der Erziehungswissenschaft an konkreten historischen wie auch aktuellen Beispielen verdeutlicht. In einem historischen Rückblick (1.1) gehen die Autorinnen unter anderem auf die sich in Deutschland sukzessiv herausgebildete Zweiteilung der Gesellschaft in eine „männlich-öffentliche“ und eine „häuslich-weibliche Sphäre“ (S. 21) ein. Sie zeigen auf, wie sich diese Dynamik auch auf das Erziehungs- und Bildungssystem auswirkte und gehen auf die damit zusammenhängenden weitreichenden Begrenzungen für Mädchen und Frauen im Bildungssystem und Erwerbsleben ein. Verdeutlicht wird dabei auch die bedeutsame Rolle „historischer[r] erziehungsbezogene[r] Schriften“ (S. 22). Gleichzeitig wird aber auch auf die Widerstände eingegangen, die seitens frauenbewegter Akteurinnen bzw. Organisationen im Verlauf dieser Entwicklungen geleistet wurden. In einem weiteren Teil (1.2) befassen sich die Autorinnen mit den Nachwirkungen dieser Entwicklungen und gehen dabei unter anderem auf Auswirkungen auf verschiedene Bereiche wie die Berufsbildung, die Berufswahl und vergeschlechtlichte Zuschreibungen in Bezug auf Berufsgruppen ein. Auch thematisieren sie eine sich herausgebildete hierarchisierte Trennung im erziehungswissenschaftlichen Denken „von Erziehung als einer weiblichen und Bildung als einer männlichen Domäne“, die sich – so die Autorinnen – „wiederum auf die Struktur des im 20. Jahrhundert neu geordneten Bildungswesens auswirkte“ (S. 24). Darüber hinaus befassen sich die Autorinnen mit dem Niederschlag in pädagogischen Feldern (1.3) und Begriffen (1.4), bevor sie ihren Beitrag mit einem Ausblick (1.5) abschließen.

Kapitel 2

Britta Hoffarth und Christine Thon befassen sich in Kapitel 2 mit den wissenschaftstheoretischen Grundlagen der erziehungswissenschaftlichen Geschlechterforschung. Sie stellen die Frage danach, auf welche Theorietraditionen bei Ansätzen der erziehungswissenschaftlichen Geschlechterforschung zurückgegriffen wird. Sie gehen in diesem Zusammenhang auf verschiedene geschlechtertheoretische Ansätze ein. In den Blick genommen werden dabei „gesellschaftstheoretische, psychoanalytische, sozialisationstheoretische, konstruktivistische und dekonstruktivistische Ansätze“ (2.1) (S. 34).

Darüber hinaus beschäftigen sich die Autorinnen mit der Praxis feministischer Wissenschaftskritik (2.2) und wenden sich zudem der Frage zu, wie sich verschiedene geschlechtertheoretische und feministisch-wissenschaftskritische Ansätze in pädagogischen Konzepten wiederfinden bzw. niederschlagen (2.3). Hierbei erfolgt ein exemplarischer Blick auf die Handlungsfelder Mädchenarbeit und Schule sowie auf „pädagogische Debatten rund um Konzeptionen von Koedukation/​Monoedukation, Dramatisierung/​Entdramatisierung von Geschlecht sowie dekonstruktiver Pädagogik“ (S. 44). Den Abschluss des Beitrags bildet ein Resümee der Autorinnen (2.4).

Kapitel 3

Meike Sophia Baader, Barbara Rendtorff und Christine Thon nehmen in Kapitel 3 den Aspekt in den Blick, dass die Begriffe „Erziehung“ und „Bildung“ in der Literatur unterschiedlich definiert werden. Dies führe – so die Autorinnen – entsprechend auch „zu unterschiedlichen Einschätzungen und Pointierungen der Geschlechterdimension und der Geschlechterbezüge, die beide Begriffe durchziehen“ (S. 51). Auch die Autorinnen des Beitrags seien sich „zwar einig in der Einschätzung der strukturierenden Bedeutung des relationalen Begriffspaars Erziehung-Bildung, sehen aber jeweils verschiedene Theorieaspekte als zentral und charakteristisch an“ (S. 51). Dies skizzieren die Autorinnen im weiteren Verlauf des Kapitels. Dabei werden die beiden Begriffe zunächst vor dem Hintergrund ihrer vergeschlechtlichten Dimensionen historisch reflektiert. Im Anschluss hieran werden verschiedene Lesarten angeboten, „um das Verhältnis der Begriffe zueinander in ihrer geschlechterbezogenen Relation einzuschätzen: eher skeptisch gegenüber deren separierender Behandlung oder eher unter Betonung ihrer Verschiedenheit“ (S. 52).

Kapitel 4

Christine Thon befasst sich in Kapitel 4 mit feministischer Kritik an „klassischen“ Erziehungs- und Bildungstheorien. Zunächst erfolgt eine sozialgeschichtliche Einordnung der Entstehung und des Zusammenhangs von pädagogischen Konzepten auf der einen Seite und von Geschlechterordnungen auf der anderen Seite. Im Anschluss hieran geht die Autorin der Frage nach, auf welchen Geschlechterkonzepten Theorien von Erziehung und Bildung beruhen und geht hierbei auf verschiedene Theoretiker:innen ein. Abschließend systematisiert die Autorin die feministische Kritik hieran (S. 68 ff.).

Kapitel 5

Barbara Rendtorff befasst sich in Kapitel 5 zentral mit den Themen „Sorge“ und „Angewiesensein“ (S. 84), wobei Angewiesensein als „ein konstitutives Element des menschlichen Lebens“ gefasst wird (S. 84). Dies erläutert die Autorin anhand verschiedener Facetten (5.1), bevor sie sich mit den Begriffen „Sorge“, „Fürsorge“ und „Care“ auseinandersetzt, die – so die Autorin – „gewissermaßen Antworten auf die Tatsache menschlicher Angewiesenheit“ (S. 85) darstellen. Es folgen zwei Abschnitte zu „Sorge als ‚mütterliche[m] Modus“ (5.2) und „Sorge als Element von Erziehung“ (5.3) (S. 88 ff.), bevor die Autorin mit einem Fazit (5.4) den Beitrag abschließt und Desiderate aufzeigt.

Kapitel 6

Bettina Kleiner beschäftigt sich in Kapitel 6 mit geschlechtertheoretischen Perspektiven auf Anerkennung. Hierbei zeigt sie zunächst die Hintergründe der zunehmenden Thematisierung von Anerkennung im politischen, politikphilosophischen und erziehungswissenschaftlichen Diskurs auf. Anschließend (6.2 und 6.3) geht die Autorin ausführlich auf die von ihr bereits zuvor benannten Perspektiven auf Anerkennung und Geschlecht ein, die sich – so die Autorin – „sowohl in Bezug auf den Gebrauch, den systematischen Stellenwert wie auch auf die Auslegung des Anerkennungsbegriffs und die zugrundeliegenden Geschlechtertheorien“ unterscheiden (S. 101). Konkret handelt es sich hierbei um die theoretischen Perspektiven von Annedore Prengel, Eva Borst und Judith Butler. Hierbei arbeitet die Autorin insbesondere die Zusammenhänge von Anerkennung und Geschlecht heraus. Die Ansätze werden miteinander verglichen, wobei die Theorie von Judith Butler als Zentralperspektive genutzt wird (S. 101). Das Kapitel abschließend beschäftigt sich die Autorin mit der Frage der „Bedeutung von Anerkennung für eine geschlechtertheoretisch informierte Erziehungswissenschaft“ und den Schlussfolgerungen, die sich für eine in diesem Sinne ausgerichtete Erziehungswissenschaft ziehen lassen (6.4) (S. 110).

Kapitel 7

Meike Sophia Baader und Barbara Rendtorff befassen sich in Kapitel 7 zentral mit Macht und Gewalt, die – so die Autorinnen – historisch wie auch gegenwärtig Geschlechterordnungen und -verhältnisse wie auch generationale Ordnungen und -verhältnisse durchziehen. Ziel ihres Beitrages ist, „die komplexe Verwobenheit von Macht und Gewalt mit Geschlechter- und Erziehungsverhältnissen, die stets auch Generationenverhältnisse sind, zu entfalten“ (S. 114). Zunächst befassen sich die Autorinnen dabei mit Generation und Geschlecht, bevor sie den Blick auf Macht als Dimension von Erziehung richten. Anschließend analysieren sie „das Konzept der Schwarzen Pädagogik als gewaltförmiges Erziehungsprogramm […] sowie Macht und Gewalt in pädagogischen Kontexten“ (S. 114). Ein zusammenfassender Ausblick, der nicht zuletzt auch verschiedene Desiderate aufzeigt, bildet hieran anschließend den Schluss des Beitrags.

Kapitel 8

Britta Hoffarth fokussiert in Kapitel 8 die Frage nach der historischen wie auch gegenwärtigen Berücksichtigung von Körpern in Erziehungs- und Bildungskonzeptionen und stellt dabei ebenso die Frage nach der Verknüpfung dieser Berücksichtigung mit der Kategorie Geschlecht. Sie nimmt dabei sowohl historische als auch systematische Perspektiven ein. Im ersten Teil des Beitrags befasst sich die Autorin „mit einer Skizze jener pädagogischen Strömungen, in denen Körper(-lichkeit) in der Pädagogik der Moderne mitgedacht, praktisch adressiert oder in pädagogische Arrangements eingebunden und wie Geschlecht dabei relevant wurde“ (S. 143). Im zweiten Teil des Beitrags wird die Frage der Bearbeitung von Körper im Rahmen von Ansätzen der Erziehungswissenschaft bzw. der Geschlechterforschung fokussiert, bevor in einem abschließenden Teil auf Desiderate eingegangen wird.

Kapitel 9

Astrid Messerschmidt befasst sich in Kapitel 9 mit „Bildung in intersektionalen Differenz- und globalen Dominanzverhältnissen“ (S. 150). Sie geht darauf ein, „wie in globalisierten postkolonialen Migrationsgesellschaften Geschlechterordnungen und national-kulturelle Zugehörigkeitsordnungen miteinander verwoben sind, und verweist entsprechend auf die Bedeutung intersektionaler Analysen insbesondere von Sexismus, Rassismus und Antisemitismus in pädagogischen Kontexten“ (S. 12 f.). Neben Intersektionalität und deren gesellschaftlichen Kontexten (9.1) behandelt die Autorin in ihrem Beitrag verschiedene weitere Themen wie eine geschlechterreflektierende Migrationsforschung (9.2), die „dreifache Vergesellschaftung in globalisierten Verhältnissen“ (9.3) (S. 154), die „Fokussierung von Islam und Geschlecht in der deutschen Migrationsdebatte“ (9.4) (S. 156) sowie „Antisemitismus und Rassismus in feministischen Debatten“ (9.5) (S. 158). Ein Ausblick (9.6) bildet den Abschluss des Beitrags.

Kapitel 10

Meike Sophia Baader nimmt in Kapitel 10 das Spannungsverhältnis zwischen privater und öffentlicher Erziehung in den Blick. Dieses betrachtet sie im Kontext historischer und gegenwärtiger Generationen-, Familien- und Geschlechterverhältnisse sowie Vorstellungen von Kindheit und Konzepten von Erziehung und Bildung (Teil 1). In einem zweiten Teil wendet sich die Autorin dem Kindergarten und dessen Situierung zwischen privater und öffentlicher Erziehung zu. Diese Entwicklung betrachtet sie aus einer historischen Perspektive, bei der sie auch auf die Rolle und Diskurse der Frauenbewegungen eingeht. Im dritten Teil des Beitrags geht die Autorin auf die Geschichte der „Kinderläden“ und die politischen Hintergründe für deren Entstehung im Kontext von Geschlechterverhältnissen ein (S. 165 ff.). Den Beitrag abschließend nimmt sie in einem vierten Teil eine Perspektive auf „Familie und Kindererziehung heute zwischen pluralisierten Familienformen und Retraditionalisierung“ ein (S. 166).

Kapitel 11

Jutta Hartmann befasst sich in Kapitel 11 mit kritisch-dekonstruktiven Perspektiven auf Geschlecht und Sexualität. Dabei führt sie in einem ersten Teil in Grundlagen der Queer Theory ein und erörtert Herausforderungen, die sich mit den Erkenntnissen der Queer Theory im Hinblick auf eine geschlechterreflektierende Konzeption von Bildung und Erziehung ergeben. Im zweiten Teil bearbeitet die Autorin die Frage, inwiefern die erziehungswissenschaftliche Debatte um Erziehung und Bildung explizit oder implizit prägende Annahmen zu Geschlecht und Sexualität „durch Perspektiven der Queer Theory infrage gestellt [werden] und welche alternativen Ansätze […] in der erziehungswissenschaftlichen Disziplin entwickelt [werden]“ (S. 182 f.). Im dritten Teil schließt die Autorin hieran mit der Bearbeitung der Frage an, ob „Bildungstheorie vor diesem Hintergrund queertheoretisch reformuliert werden“ soll und „an welchen Schnittstellen zwischen Queer Theory und Bildungstheorie […] dieses Vorhaben wie an[setzt]“ (S. 183). Eine Zusammenfassung und Ausblick bilden den Abschluss des Beitrags.

Kapitel 12

Das Kapitel 12 von Christine Thon, das den Abschluss des Bandes bildet, „versteht sich […] als eine Einladung zur Fortsetzung der begonnenen Diskussion in verschiedenen, sich wandelnden Kontexten und mit wechselnden Bezügen“ (S. 196). Christine Thon präsentiert hierfür drei Skizzen, in denen Impulse gegenwärtiger geschlechtertheoretischer und -politischer Debatten aufgegriffen und „auf ihre Bedeutung für geschlechtertheoretische Erziehungswissenschaft und für Theoretisierungsmöglichkeiten von Erziehung und Bildung hin untersucht werden“ (S. 197). Anliegen ist, so die Autorin, „Querverbindungen zwischen Kapiteln dieses Bandes nachzuzeichnen und Fragen, die dort diskutiert werden, vor einem erweiterten Hintergrund in einen gemeinsamen Zusammenhang zu bringen – in der Hoffnung auf vielfältige Anschlüsse und auf Diskussionen, in denen sie produktiv werden können“ (S. 197).

Diskussion

Die Herausgeber:innen und Autor:innen des Bandes „Erziehung und Bildung: geschlechtertheoretische Positionierungen“ haben ein Desiderat aufgegriffen, das es dringend und noch deutlich häufiger zu bearbeiten gilt. Diese Notwendigkeit verdeutlichen sie sehr plausibel in den verschiedenen Kapiteln des Bandes. Ihnen selbst ist es durch den vorliegenden Band gelungen, hierfür ein breites Fundament zu legen. Aus vielfältigen Perspektiven haben sie sich der Bearbeitung des Themas angenommen, wie bereits das Inhaltsverzeichnis vermuten lässt. Dies gilt auch für die einzelnen Kapitel selbst.

Die Lesenden erwartet eine fundierte Bearbeitung der einzelnen Themen, bei der eine hohe Bandbreite an Facetten aufgezeigt und verschiedene Denkansätze präsentiert werden. Hierdurch wird nicht zuletzt auch die Komplexität der im Buch behandelten Thematik deutlich. Der Band zeichnet sich darüber hinaus durch seine Leser:innenorientierung aus. Dies beginnt bereits bei der Einleitung, in der es nicht nur gelungen ist, die im Buch behandelten Fragestellungen und Themen nachvollziehbar darzustellen, sondern die Lesenden auch sehr gut durch den Aufbau und die Struktur des Buches zu navigieren. Auch Grenzen des Vorhabens werden nachvollziehbar beschrieben und vorab transparent gemacht. Des Weiteren finden sich in fast allen Kapiteln Lektüreempfehlungen für die weitere Auseinandersetzung mit der Thematik des Bandes.

Fazit

Das Buch stellt einen hohen Gewinn für die Erziehungswissenschaft dar, da es zum einen ein dringend zu bearbeitendes Desiderat aufzeigt und aufgreift und zum anderen vielfältige Ansatz- und Reflexionspunkte für weitere Fachdiskurse und Theoriebildungsprozesse zu den Begriffen „Erziehung“ und „Bildung“ aus geschlechtertheoretischer Perspektive bietet. Personen, die sich für diese Thematik interessieren, finden eine hohe Bandbreite an Blickrichtungen und Denkansätzen vor, die ein geeignetes Fundament für die weitere Bearbeitung der Thematik bieten.

Rezension von
Maya Ostrowski
Sozialarbeiterin (M.A.) und Doktorandin im Fachgebiet Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Mailformular

Es gibt 1 Rezension von Maya Ostrowski.

Besprochenes Werk kaufen
Sie fördern den Rezensionsdienst, wenn Sie diesen Titel – in Deutschland versandkostenfrei – über den socialnet Buchversand bestellen.


Zitiervorschlag
Maya Ostrowski. Rezension vom 01.11.2024 zu: Meike Sophia Baader, Britta Hoffarth, Barbara Rendtorff, Christine Thon (Hrsg.): Erziehung und Bildung. Geschlechtertheoretische Positionierungen. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2024. ISBN 978-3-7799-7186-3. Reihe: Erziehungswissenschaft geschlechtertheoretisch. In Beziehung stehende Ressource: ISBN: 9783779973256. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31671.php, Datum des Zugriffs 13.12.2024.


Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht