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Michael Noack: Integrierte Methodik in der Sozialen Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. Banu Citlak, 27.09.2024

Cover Michael Noack: Integrierte Methodik in der Sozialen Arbeit ISBN 978-3-17-036893-4

Michael Noack: Integrierte Methodik in der Sozialen Arbeit. Einzelfall-, gruppen- und gemeinwesenbezogen intervenieren. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2024. 394 Seiten. ISBN 978-3-17-036893-4. D: 34,00 EUR, A: 35,00 EUR.
Reihe: Grundwissen Soziale Arbeit - 43.

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Thema

Die Intention des Lehrbuches ist die vergleichende Analyse vorhandener integrativer Modelle in der Sozialen Arbeit und die Entwicklung eines eigenen Phasenmodells (Integrierte Methodik), das auf die drei Arbeitssettings Einzelfall-, Gruppen- und Gemeinwesen methodenintegrativ anwendbar ist.

Autor

Prof. Dr. Michael Noack lehrt im Fachbereich Sozialwesen an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach und ist spezialisiert auf Methoden der Sozialen Arbeit, insbesondere im Bereich Gemeinwesen- und Quartiersmanagement.

Entstehungshintergrund

Im Vorwort beschreibt der Autor die Entstehung des Buches als Reaktion auf die Beobachtung, „dass es bisher keine methodenintegrativen Modelle gibt, die methodische Ansätze der Einzelfall-, Gruppen- und der Gemeinwesenarbeit beinhalten“ (S. 6). Diese Lücke will der Autor mit dem Modell „Integrierte Methodik Sozialer Arbeit“ (IMSA) schließen. 

Aufbau

Das Buch ist in drei Hauptkapitel aufgeteilt. In Teil I werden die theoretischen Grundlagen dargelegt und die dazugehörenden Begriffe definiert. In Teil II wird eine Gegenüberstellung der bisherigen integrativen Modelle vorgenommen, um anschließend in Teil III die von dem Autor entwickelte „Integrierte Methodik Sozialer Arbeit“ (IMSA) zu präsentieren. Die in Teil III folgenden fünf Unterkapitel sind den einzelnen Phasen des Hilfeprozesses (Situationserfassung, Situationsanalyse, Interventionsplanung, Interventionsdurchführung und Interventionsevaluation) gewidmet. In jeder Phase werden methodische Ansätze für die drei Arbeitsformen (Einzelfall-, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit) beschrieben und in Bezug auf ihre Hauptprinzipien, ihre Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung erläutert und mit Beispielen untermauert. Am Anfang eines jeden Kapitels werden stichpunktartig die jeweiligen Lernziele formuliert sowie eine kurze Zusammenfassung der Kernaussagen am Ende eines jeden Kapitels angeführt. Bezugnahmen auf Theorien werden am Rand mit einem Symbol kenntlich gemacht. 

Inhalt

Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit

Der erste Abschnitt widmet sich den theoretischen Grundlagen (Grundbegriffe und Geschichte des methodischen Handelns, S. 26 f. und S. 62 f.) und der berufsethischen Positionierung der Sozialen Arbeit. Die methodische und professionelle Haltung Sozialarbeitender im Umgang mit den Herausforderungen des Berufes wird dabei kritisch reflektiert. Der Autor thematisiert neben rechtlichen Rahmenbedingungen die Herausforderungen, die mit der sog. „Allzuständigkeit“ (Galuske 2012) Sozialarbeitender einhergehen, sowie die Herausforderungen, die mit dem sog. „strukturellen Technologiedefizit“ in sozialen Berufen im Allgemeinen verbunden sind. Er argumentiert, dass aufgrund dieser Rahmenbedingungen dem sowohl ethisch als auch methodisch fundiertem Handeln in der Sozialen Arbeit eine besondere Bedeutung zukommt. Sodann vertieft der Autor die Kompetenzbereiche, die für das methodische Handeln in der Disziplin ausschlaggebend sind (S. 46 f.). Danach folgt eine komprimierte Betrachtung der methodischen Entwicklung der drei Arbeitsformen. Die historische Betrachtung der Methodenentwicklung in der Sozialen Arbeit zeigt auf, dass die einzelnen Arbeitsformen nur theoretisch zu trennen sind. Der letzte Abschnitt der theoretischen Grundlegung fokussiert dann auf die Unterscheidung der Begriffe Konzept, Methode und Verfahren (Technik). Mithilfe von Anwendungsbeispielen bringt der Autor die praktische Umsetzung in den einzelnen Arbeitsformen den Leser: innen nahe, wobei er wesentlich umfassender auf die Gemeinwesenarbeit eingeht. Diese Gewichtung ist wohl den Arbeitsschwerpunkten des Autors geschuldet. Am Beispiel des Fachkonzepts Sozialraumorientierung (Hinte 2020) verdeutlicht der Autor die zunehmend verschwindenden Grenzen zwischen den einzelnen Arbeitsformen, da das Konzept sowohl fallspezifisch, einzelfallspezifisch als auch fallübergreifend umgesetzt werden kann (S. 62).

Vergleich verschiedener Handlungsmodelle

Der Autor vergleicht unter vier Gesichtspunkten in der Fachliteratur gängige Handlungsmodelle der Sozialen Arbeit (Müller 2012; Hochuli Freund, Stotz 20121; Wendt 1997; von Spiegel 2021; Hinte 2020) um dann Rückschlüsse aus diesem strukturierten Vergleich für das Modell „Integrative Methodik in der Sozialen Arbeit“ zu ziehen (S. 103 ff.) „IMSA unterscheidet sich von allen fünf Modellen durch die Berücksichtigung methodischer Ansätze für alle drei sozialarbeiterischen Arbeitsformen, der Einzelfall-, Gruppen und Gemeinwesenarbeit.“ (S. 112) Das vom Autor entwickelte Modell besteht aus fünf Phasen: 

  • Situationserfassung, 
  • Situationsanalyse,
  • Interventionsplanung,
  • Interventionsdurchführung und
  • Interventionsevaluation.

Aus der Synopse vorheriger Modelle übernimmt der Autor bestimmte Aspekte:

  • Die Berücksichtigung der organisatorischen Eingebundenheit bei der Situationserfassung,
  • Die Trennung der Situationserfassung von der Situationsanalyse, um voreingenommene Bewertungen auszuschließen und professionelle Selbstreflexion zu ermöglichen sowie die
  • Voranstellung der Zielentwicklung vor Interventionsplanung und 
  • die Verknüpfung von Interventionsdurchführung mit -monitoring durch die prozesshafte Evaluation (S. 103 ff.)

Der Autor warnt allerdings davor, die einzelnen Hilfeschritte nacheinander, also linear anwenden zu wollen und legt stattdessen den Leser: innen ein zirkuläres Modell der Methodenanwendung nahe, da es nicht selten notwendig sei „IMSA rückwärts zu durchlaufen“ (S. 114). 

Integrierte Methodik Sozialer Arbeit (IMSA): das Phasenmodell

Sodann beschreibt der Autor in Unterkapiteln (Kap. 5 bis 9) die einzelnen Phasen des integrativen Modells und ordnet ihnen jeweils einzelfall-, gruppen- und gemeinwesenbezogene Methoden zu. Die genannten methodischen Ansätze werden wiederum ihrerseits bei der Darstellung unterteilt in drei Phasen: Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. In jedem der Unterabschnitte wird einleitend die jeweils relevante fachliche Haltung thematisiert und die Grundprinzipien der genannten methodischen Ansätze erläutert. 

  • So bspw. wird zu der ersten Phase „Situationserfassung“ die professionelle Haltung des „Nichtwissens“ erläutert. Danach folgen Beschreibungen der Methoden der personenzentrierten Gesprächsführung sowie der Erfassung von Werthaltungen und Ressourcen für die Einzelfallebene (vgl. S. 123 f.). Methodische Ansätze für die Situationserfassung auf der Gruppenebene unterteilt der Autor in Mikro-, Meso- und Makrobereiche (S. 164 ff.). Dadurch soll die Situation sowohl aus der Wahrnehmung der einzelnen Gruppenmitglieder heraus erfasst werden als auch auf der Ebene ihrer Interaktionen sowie der Gruppendynamik insgesamt. Im Rahmen der Gemeinwesenarbeit (S. 189 ff.) erweitert sich schließlich der Fokus. Bei der Situationserfassung „werden Informationen über verschiedene Gruppen im Gemeinwesen und ihr Verhältnis zueinander gesammelt“. Der Blick richtet sich, so der Autor, „auf die soziale Infrastruktur, die lokale Ökonomie und kommunalpolitische Prozesse, die das Zusammenleben in einem Gemeinwesen beeinflussen“ (S. 190).
  • Die darauffolgende Phase der „Situationsanalyse“ (S. 20 ff.) wird in ähnlicher Form für alle drei Arbeitsformen erläutert. Für die einzelfallbezogene Situationsanalyse wird u.a. die Methode der motivierenden Gesprächsführung (S. 209 f.) und die doppelte Fallanalyse (S. 223 f.) als theoretisches Werkzeug dargestellt. Mithilfe eines Fallbeispiels aus der Kinder- und Jugendhilfe, das sich durch das Buch hindurchzieht, wird den Leser: innen ein Mehrperspektivenraster als Analyseschema dargelegt, das nach Gegenüberstellung mehrerer Sichtweisen auf den Fall, eine informierte Zielsetzung ermöglichen kann (S. 236–238). In der Arbeit mit Gruppen werden Methoden der sozialen Gruppenarbeit für Wahl- und Funktionsgruppen beschrieben und für die Gemeinwesenarbeit u.a. die Erfassung von Gesprächsergebnissen in Bewohnerversammlungen schrittweise beschrieben. 
  • Im Unterkapitel 7 wird die Interventionsplanung behandelt. Neben der Unvoreingenommenheit geht es in dieser Phase darum, „Handlungsschritte zu entwickeln, die die Menschen umsetzen können und wollen“ (S. 269). Methodische Ansätze aus den vorangegangenen Themenfeldern wie aus dem Bereich Kindeswohlgefährdung werden für diese Phase aufgegriffen. Zusätzlich werden in diesem Abschnitt die kollegiale Beratung und der Familienrat vertieft. 
  • Bei der Interventionsdurchführung behandelt der Autor zuerst die Nähe und Distanz Problematik und spricht sich für eine professionelle Distanz bei der Gestaltung der Beziehungen zu Klient: innen. „Wer mit Menschen sozial arbeitet, sollte dies nicht tun, weil er gebraucht werden will“ (S. 305). Um mögliche Verstrickungen dieser Form im Hilfeprozess reflektieren zu können, schlägt der Autor in Anlehnung an Hochuli Freund und Stotz (2021) die schriftliche Dokumentation der Interventionsschritte vor (S. 307 f.). Methodisch wird bei der Begleitung von Einzelpersonen die motivierende Gesprächsführung aufgegriffen, die vor allem Menschen im Veränderungsprozess motivieren soll. In der Arbeit mit Gruppen werden zuerst die grundlegenden Regeln der Themenzentrierten Interaktion und die Methoden der Erlebnispädagogik mit ihren jeweiligen Handlungsmaximen sowie ihre jeweiligen methodischen Prinzipien (vgl. 321 f.) dargelegt. Danach geht der Autor auf die Arbeit mit Gruppen im Zwangskontext ein. Im Bereich der Gemeinwesenarbeit thematisiert der Autor die Öffentlichkeitsarbeit und stellt das Konzept der „Problemmuster“ nach Früchtel, Budde und Cyprian 2013 genauer vor (S. 338 f.).
  • In der Phase der Interventionsevaluation unterscheidet der Autor eingangs zwischen der Formativen- und Summativen-Interventionsevaluation und der Fremd- und Selbstevaluation sowie der Supervision. Für die Einzelfallebene nach Abschluss der Intervention werden Arbeitshilfen aus von Spiegel 2021 (S. 356–359) beigefügt. Für gruppenbezogene Interventionen stellt der Autor neben standardisierten Gruppenbefragungen die „Interventionssonne“ vor, „die dazu dient, unterschiedliche Aspekte des Gruppengeschehens zu bewerten“ (S. 341). Als Letztes werden für den Bereich der Gemeinwesenarbeit aktivierende (Haustür)gespräche genannt und mögliche Fragen zur Zielerreichung durch die Einschätzung von Bewohner: innen beispielhaft aufgeführt. 

Diskussion

Die theoretischen und methodischen Grundlegungen im vorliegenden Lehrbuch umfassen die wichtigsten Aspekte, die heute curricular im Studiengang Soziale Arbeit behandelt werden. Besonders hervorzuheben ist die für didaktische Zwecke optimal strukturierte Gliederung des Buches. Die ausgewählten Beispiele spiegeln die am häufigsten auftretenden Anliegen und Fälle in der Sozialen Arbeit wider. Sie sind aber natürlich nicht annähernd vollständig. Daher bietet der logische Aufbau jedes Abschnitts genug Raum für weitere Anknüpfungspunkte, die Studierende und Lehrende auf eigene Fallbeispiele anwendend nutzen können. Das vorgeschlagene IMSA-Modell ist eine Synopse bereits vorhandener Modelle wie die von Hochuli Freud und Stotz 2021, die zuvor die grundlegende Trennung der Situationserfassung von der Analyse vorschlagen und auch die Formulierung der Interventionsziele der Durchführung voranstellen. Die integrative Herangehensweise selbst ist ein grundlegendes Prinzip der Sozialen Arbeit und nicht eine neue Strategie. Diese historische Tatsache wird im Lehrbuch nicht ausreichend berücksichtigt, da selbst die Vorläuferinnen der Sozialen Arbeit wie Mary Richmond und Alice Salomon methodisch integriert gearbeitet haben. Der Autor verweist allerdings darauf, dass das Phasenmodell noch in Entwicklung ist und die Grenzen zwischen den einzelnen Arbeitsformen zunehmend verschwinden (S. 62). 

Fazit

Die in anderen Lehrbüchern lediglich in der Auswahl der Beispiele erkennbare Zuordnung der Methoden zu den entsprechenden Arbeitsformen wird hier systematisch umgesetzt und inhaltlich begründet. Daher lässt sich das Phasenmodell für jede der drei Arbeitsformen erlernen oder anwenden. Insgesamt ist dieses Buch sowohl für die Lehre als auch als Handbuch für Praktiker geeignet.

Rezension von
Prof. Dr. Banu Citlak
Gastprofessorin an der BTU-Cottbus-Senftenberg
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Es gibt 1 Rezension von Banu Citlak.

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Zitiervorschlag
Banu Citlak. Rezension vom 27.09.2024 zu: Michael Noack: Integrierte Methodik in der Sozialen Arbeit. Einzelfall-, gruppen- und gemeinwesenbezogen intervenieren. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2024. ISBN 978-3-17-036893-4. Reihe: Grundwissen Soziale Arbeit - 43. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31691.php, Datum des Zugriffs 06.10.2024.


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