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Mareike Ernst: Einsamkeit

Rezensiert von Michael Mayer, 02.09.2024

Cover Mareike Ernst: Einsamkeit ISBN 978-3-8252-6229-7

Mareike Ernst: Einsamkeit - Modelle, Ursachen, Interventionen. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2024. 270 Seiten. ISBN 978-3-8252-6229-7. D: 39,90 EUR, A: 41,10 EUR, CH: 48,70 sFr.
Reihe: PsychoMed compact.

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Thema

Das bedrückende Gefühl der Einsamkeit ist nicht nur mit einem hohen individuellen Leidensdruck verbunden, sondern in seiner chronischen Form auch mit vielfältigen gesundheitlichen Problemen. Es handelt sich um ein Phänomen, das in unserer modernen Gesellschaft, nicht zuletzt durch die einschneidenden Erfahrungen in der Corona-Krise, verstärkt ins Blickfeld gerückt ist. In Zeiten erzwungener Isolation und sozialer Distanzierung hätte man eine dramatische Zunahme dieses Gefühls erwartet. Die Realität zeigt jedoch, dass Einsamkeit komplexer ist, als es auf den ersten Blick scheint.

Autorin

Mareike Ernst ist Psychologin und Professorin für psychodynamisch orientierte Psychotherapieforschung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt in Österreich. Sie hat zum Thema Einsamkeit geforscht, insbesondere im Rahmen der COVID-19-Pandemie.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist in acht Kapitel unterteilt:

  1. Was ist Einsamkeit? Im ersten Kapitel nähert sich die Autorin dem Konstrukt Einsamkeit aus verschiedenen Perspektiven. Dabei nimmt sie auch eine Abgrenzung zu anderen sozialen Konstrukten wie sozialer Isolation, sozialer Exklusion oder der frei gewählten Solitude vor. Anschließend werden qualitative Kategorien und zeitliche Dimensionen von Einsamkeit beschrieben.
  2. Epidemiologie: Wer ist einsam? Viele Menschen kennen das Gefühl der Einsamkeit. Jedes Lebensalter bringt seine eigenen Herausforderungen mit sich, wie die Ablehnung durch die Peergroup in der Jugend, der Eintritt in den Ruhestand im Alter oder die eingeschränkte Teilhabe durch gesundheitliche Probleme. Betroffen sind aber auch marginalisierte, benachteiligte oder diskriminierte Bevölkerungsgruppen.
  3. Ätiologie: Wie entsteht Einsamkeit? Unter den psychologischen Modellen werden beispielsweise die Evolutionstheorie, das Teufelskreismodell und die Reaffiliation Motive behandelt. Darüber hinaus wird auf die psychodynamische Perspektive zur Entstehung von Einsamkeit vorgestellt, die Einsamkeit als Folge individueller biografischer Entwicklungen betrachtet. Nach der Darstellung experimentalpsychologischer Forschungsergebnisse schließen zwei konzeptionelle Rahmenmodelle das Kapitel ab.
  4. Gesellschaftliche Perspektiven auf Einsamkeit, ihre Ursachen und Folgen. Einsamkeit ist nicht nur ein individuelles Erleben. Die Autorin weist auch auf gesellschaftliche Zusammenhänge hin, wie sie beispielsweise während der COVID-19-Pandemie deutlich wurden. Aber auch soziale Medien können das Erleben von Einsamkeit beeinflussen. Und schließlich können auch gesellschaftliche Prozesse durch Einsamkeit beeinflusst werden.
  5. Ist Einsamkeit immer nur schlecht? Einsamkeit verweist auf das Bedürfnis nach Kontakt und hat damit für den Menschen eine ähnliche Signalfunktion wie Durst oder Schmerz. Die Autorin wendet sich daher gegen die Pathologisierung und Stigmatisierung von Einsamkeit. Stattdessen stellt sie mit der Emotionsfokussierten Therapie (EFT) auf einen psychotherapeutischen Ansatz zum Umgang mit schwierigen Gefühlen vor.
  6. Einsamkeit und Gesundheit. Einsamkeit beeinträchtigt die psychische und körperliche Gesundheit. Dabei kann Einsamkeit sowohl eine ursächliche Bedingung als auch Folge einer schweren Erkrankung sein. Häufig handelt es sich um komplexe Wechselwirkungen, die die Autorin anhand einer schematischen Darstellung veranschaulicht.
  7. Erhebung und Erforschung von Einsamkeit und assoziierten Konstrukten. In diesem Kapitel werden verschiedene psychologische Instrumente zur direkten und indirekten Messung von Einsamkeit beziehungsweise von Beziehungsaspekten vorgestellt. Dabei wird auch kurz auf die Bedeutung qualitativer Erhebungsverfahren eingegangen.
  8. Was hilft gegen Einsamkeit? Den Abschluss bildet ein umfangreiches Kapitel zu individuellen Bewältigungsmöglichkeiten und Interventionsstrategien. Die vorgestellten Interventionen reichen von der individuellen Unterstützung einsamer Menschen über psychotherapeutische und psychosoziale Hilfen bis zu Interventionen auf gesellschaftlicher Ebene.

Diskussion

In acht strukturierten Kapiteln nähert sich Mareike Ernst den verschiedenen Facetten der Einsamkeit. Jedes Kapitel endet mit einer kurzen Zusammenfassung der Inhalte und Fragen zur Wiederholung er Inhalte. Einige Kapitel schließen mit Fallbeispielen und dazugehörigen Fragen, um den Praxistransfer der Inhalte zu fördern.

Didaktische Elemente wie Literaturempfehlungen, Definitionen, Merksätze, Beispiele, Verweise auf Studien sowie Fragen zur Wiederholung sind durch Piktogramme gekennzeichnet und unterstreichen den Lehrbuchcharakter. Fachbegriffe aus der psychologischen Forschung, wie „Meta-Analyse“ oder „Odds Ratio“ werden in speziell gekennzeichneten Einschüben erklärt. Ein umfangreiches Glossar rundet den für ein Lehrbuch positiven Eindruck ab.

Das Buch gibt einen umfassenden Überblick über das Thema Einsamkeit aus psychologischer Sicht. Es wird auf zahlreiche aktuelle Studien und Übersichtsarbeiten sowie psychologische Modelle verwiesen. Für Leserinnen und Leser ohne Vorkenntnisse sind manche Inhalte, wie zum Beispiel im Kapitel zu psychodynamischen Ansätzen, vielleicht etwas zu konzentriert. Andererseits gibt es genügend Verweise, um die Inhalte selbstständig zu vertiefen. So kann das Buch vor allem Studierenden, aber auch für wissenschaftlich Interessierten, die sich einen Überblick verschaffen wollen, empfohlen werden.

Fazit

Das Buch bietet eine umfassende und gut strukturierte Einführung in das Thema Einsamkeit aus psychologischer Sicht. Es ist didaktisch durchdacht und eignet sich besonders für Studierende und wissenschaftlich Interessierte, die sich einen fundierten Überblick verschaffen wollen. Es stellt verschiedene Modelle von Einsamkeit, deren Ursachen und Interventionsmöglichkeiten vor. Die Inhalte basieren auf aktuellen Studien, was das Buch zu einer wertvollen Ressource im akademischen Kontext macht.

Rezension von
Michael Mayer
M. A. soziale Verhaltenswissenschaften, Erziehungswissenschaften und Philosophie, Supervisor, Krankenpfleger für Psychiatrie, Leitung Akademie der Bezirkskliniken Schwaben.
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Es gibt 11 Rezensionen von Michael Mayer.

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Zitiervorschlag
Michael Mayer. Rezension vom 02.09.2024 zu: Mareike Ernst: Einsamkeit - Modelle, Ursachen, Interventionen. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2024. ISBN 978-3-8252-6229-7. Reihe: PsychoMed compact. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31702.php, Datum des Zugriffs 15.09.2024.


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