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Joana Krizanits: Leadership – Management – Führung

Rezensiert von Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf, 04.09.2024

Cover Joana Krizanits: Leadership – Management – Führung ISBN 978-3-8497-0522-0

Joana Krizanits: Leadership – Management – Führung. Vom Industriezeitalter zur klimaneutralen Gesellschaft. Carl Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2024. 240 Seiten. ISBN 978-3-8497-0522-0. D: 38,00 EUR, A: 39,10 EUR.
Reihe: Management.

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Autor

Joana Krizanits, Mag. phil. der Psychologie verfügt über langjährige Erfahrung in verschiedenen Fach- und Führungsrollen und als systemische Unternehmensberaterin, Trainerin, Lehrbeauftragte sowie Autorin. Ihre Schwerpunkte liegen in der Organisationsberatung, im Management Development und in der Organisationstheorie.

Thema

Leadership – Management – Führung: Das sind drei Worte, zu denen sich eine kaum mehr überschaubare Masse an Publikationen aus den Bereichen BWL, Organisationswissenschaft, Psychologie und Soziologie finden. Joana Krizanits nimmt sich diesem Konvolut an und beleuchtet die verschiedenen Aspekte von Führung im modernen Arbeitsumfeld. Sie nimmt dabei einen historischen Abriss vor und zeigt auf, wie sich Management und Leadership im Laufe von über 100 Jahren differenziert und ausgeformt haben. Dabei stellt sie vor, welche „Moden“ und Konzepte in welchen Jahrzehnten populär wurden. Was davon essenzielle Konzepte mit Bestand sind, wer welche Konzepte geprägt hat, wie die Konzepte zusammenhängen, auf welche Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft sie eine Antwort liefern und welche Herausforderungen das heute so prägende Paradigma der »Großen Transformation« zur klimaverträglichen Gesellschaft mit sich bringt, wird im Buch aufgezeigt. Dabei wird die Frage reflektiert, welche Konzepte für Leadership, Management und Führung neu entstehen und adaptiert werden (müssen), um den sich wandelnden Herausforderungen gerecht zu werden.

Aufbau und Inhalt

Das 230-seitige Fachbuch ist 2024 im Carl-Auer-Verlag in der Reihe „Management/​Organisationsberatung“ erschienen. Deren Ziel ist laut Verlagsbeschreibung, „empirisch gehaltvolle Forschungen über die Prozesse des Organisierens wie auch theoretisch angemessene Führungs- und Beratungsansätze zu präsentieren“ (S. 2). Ebenfalls sollen bewährte Methoden einer system- und lösungsorientierten Praxis im Kontext von Organisationen überprüft und neue Ansätze entwickelt werden. Dieser Ansätze nimmt Joana Krizanits sich in den 5 Kapiteln ihres Buches an.

Mit „Führen im Industriezeitalter“ ist das erste Kapitel überschrieben. Die Autorin nimmt hier einen historischen Abriss vor und zeigt auf, wie Management im Industriezeitalter durch das mentale Modell des Rationalitätsglaubens geprägt gewesen ist. Krizanits geht auf das Wirken solcher Industriegrößen und Arbeitsorganisationspionieren wie Henry Ford und Alfred Sloan ein. Sie rekurriert auf das Schaffen von Frederick Winslow Taylor und sein Scientific Management ebenso wie auf Henri Fayol und dessen Darlegungen über die generellen Funktionen der Administration. Diesen und weiteren Ansätzen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gemein gewesen sei ihr „Verständnis von Management als technokratische Ingenieurwissenschaft“ (S. 14).

In der Tradition des ingenieurwissenschaftlichen Zugangs zu Führung stehe auch der PDCA-Zyklus, den William Edwards Deming in den 1950ern entwickelte. Auf REFA und Industrial Engineering wird ebenso eingegangen wie auf den Human-Relations-Ansatz und damit verbundene Autoren wie Chester Barnard, dessen Führungs- und Organisationstheorie eine Grundlage des späteren Human-Relations-Ansatz vorwegnahm. Die Beleuchtungsstudien in den Hawthorne-Werken, die ab Mitte der 1920er-Jahre in klassischer Ingenieurstradition die Einflüsse technischer Arbeitsplatzausstattungen auf die Produktivität am Fließband messen sollten, werden von Krizanits ebenso beschrieben wie Kurt Lewins Studien zu Gruppendynamik, sein in den Handlungswissenschaften noch immer bedeutsamer Action Research Ansatz und seine Theorie organisationalen Wandelns (Unfreez – Change – Refreeze).

Wenn von Führen im Industriezeitalter die Rede ist, darf auch die X/Y-Theorie Douglas McGregors aus den 1960 nicht fehlen. McGregors Theorie X übernimmt die Prämissen des Taylorismus und geht davon aus, dass der Mensch eine angeborene Abneigung gegen Arbeit hat und Leistung verweigert“, schildert die Autorin (S. 21). Die Theorie Y hingegen übernehme die Prämissen von Maslows Bedürfnismodell: „Menschen seien von Natur aus leistungswillig, sie besäßen Kreativität, Arbeit sei eine Quelle für soziale Zugehörigkeit, die Befriedigung von Ich-Bedürfnissen und das Streben nach Selbstverwirklichung. Angemessene Führung setze Ziele und sorge für eine Arbeit, die Herausforderungen berge, eigenständige Gestaltungsmöglichkeiten und einen hohen Grad an Eigeninitiative und Selbstbestimmung der Mitarbeitenden ermögliche“ (S. 23). Führungstheorien und Führungsstil-Kategorisierungen anderer Autor:innen wie Robert Tannenbaum und Warren Schmidt, Paul Hersey, Kenneth Blanchard, Robert Blake und Jane Mouton werden von Krizanits ebenfalls beschrieben.

Die auch heute noch wirksame Erkenntnis, dass soziale Beziehungen, Einstellungen und Gruppennormen leistungsbestimmende Faktoren seien, sei prägend gewesen für die gegen Ende des Industriezeitalters aufkommende Organisationsentwicklung und die damit verbundene Unternehmensberatung, die angetreten war, „um vor dem Hintergrund entfremdender Arbeit und Hierarchiebarrieren die Effizienz der Organisation zu steigern“ (S. 24). Das Kapitel schließt mit der Frage, wie hilfreich die im Industriezeitalter entwickelten und damals oft funktionalen Führungskonzepte heute noch seien. Krizanits ist der Überzeugung, dass die einzelnen Führungskonzepte des Industriezeitalters heute zumeist als aus der Zeit gefallen seien und dass von einigen von ihnen regelrecht eine Gefahr ausgehe. So sei ein Führungsverhalten nach dem PDCA-Kreis, das auf Übereinstimmung mit Planung abstellte, in komplexen, nicht planbaren Kontexten (wie in HRO oder in agilen Teams) kontraindiziert.

„Gerade die kleinen Abweichungen, die man ausbügelt, können Vorboten von Turbulenzen und Kippeffekten sein und müssen höchste Aufmerksamkeit finden“, ist die Autorin überzeugt (S. 29). Das Verständnis von Organisation im Human-Relations-Ansatzes sei noch immer zeitgeistkonform, wirke auf manche Entscheider:innen allerdings naiv und könne in seinem normativen Anspruch irritieren. Andererseits sähen Studien „die Stellgrößen für soziale Kooperation, Gesundheit und Leistungsmotivation tatsächlich ähnlich“ gibt Krizanits zu bedenken (S. 29). In ihrer Reduzierung von Führung auf die unmittelbare Mitarbeiterführung und die Dichotomie von Sach- und Personenorientierung blieben die Human-Relations-Ansätze hinter der Komplexität heutiger Herausforderungen zurück, die an Führung in moderneren, komplexeren Settings gestellt werde.

Den zentralen Vorgängern dieser moderneren Settings nimmt sich die Autorin im zweiten, deutlich umfangreicheren Kapitel an, das mit „Management und Leadership im Konsumzeitalter“ überschrieben ist. Krizanits erklärt hier, dass von Anfang der 1970er- bis Ende der 1980er-Jahre eine Fülle grundlegender Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Organisationen zu beobachten gewesen sei. Ulrich Beck spricht nicht ohne Grund von einer Risikogesellschaft. „Auf Ebene der Gesellschaft lassen sich die Entwicklungen in einem Bogen von der Konsumgesellschaft zur Wegwerfgesellschaft, zur Dienstleistungsgesellschaft und schließlich zur Wissensgesellschaft spannen“, beschreibt die Autorin diese Zeitspanne (S. 30). Es sei zu beobachten gewesen, dass Organisationen im Verdrängungswettbewerb die zunehmende Komplexität in ihren internen Umwelten abgebildet und darauf reagiert hätten, indem sie immer neue Funktionen, Prozesse und Systeme ausdifferenziert hätten (Stichwort: Lernende Organisation).

Führung sei in jener Zeit zu einer eigenen Expertise geworden, die in einem sich schnell drehenden Seminarmarkt und in den neuen MBA-Ausbildungen vermittelt worden sei. Diese Entwicklung, die manchen unintendierten Folgewirkungen bis in die 2000er-Jahre nach sich zog, veranlasste 2004 u. a. Henry Mintzberg zur Publikation seines Werkes »Managers – Not MBAs«, worin er die damals ums ich greifende Verantwortungslosigkeit und ethisch fragwürdige Praktiken von MBA-Absolvent:innen kritisierte. „Das Narrativ des Konsumzeitalters verherrlicht die Entfaltung des Individuums und den grenzenlosen Fortschritt sowie das Narrativ des Industriezeitalters den Aufstieg des Tellerwäschers“, fasst Krizanits zusammen (S. 30). Zu konstatieren sei damals ein ungebremster Fortschrittsglauben gewesen, der ein mentales Modell mit der tiefen Überzeugung einer stetig besser werdenden Entwicklung korrespondierte, in der es, so die Autorin, „nur eine Frage der Zeit ist, bis Expertinnen und Experten schließlich jede Art von Problem lösen, ja der Überzeugung, jedes Problem sei ein Problem technischer Natur“ (ebd.).

Ausgangspunkt dafür seien Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft Ende der 1960er-Jahre gewesen, als sich Verkäufermärkte werden zu Käufermärkten transformierten, in denen die Käufer:innen die Regeln des Marktes diktierten (zu jener Zeit kamen in Deutschland auch die ersten Supermärkte auf). Aufgekommen sei damit indes auch die Wegwerfgesellschaft, deren Auswirkungen auf den Planeten heute massiv gespürt werden. „Haltbarkeit wird zum Thema im öffentlichen Diskurs, Wegwerfen und mit gutem Gewissen neu Kaufen wird zur Maxime“, fasst die Autorin den damaligen Zeitgeist zusammen, der aufgrund der schöpferischen Zerstörung in der Industrie die Gesellschaft befallen habe (S. 31). Vorreiter dieser Entwicklung sei u.a. gewesen, dass die antiautoritäre Bewegung in Europa und die Hippiebewegung in den USA zum Aufstand gegen Autoritäten und Hierarchie in Wissenschaft und Politik aufgerufen hätten“ (S. 32). Die Gesellschaft sei dadurch pluralistischer, individualistischer und damit unüberschaubarer geworden, was auch vor Organisationen nicht Halt gemacht habe.

Damals seien weltweit werden Manager:innen dazu ausgebildet worden, ihr Führungsverhalten zu demokratisieren, schreibt Krizanits. Konzepte wie Management by Objectives und Führen nach den SMART-Regeln seien aufgekommen. Es hätten sich dabei zwei divergente Rollenstereotypen in Unternehmen ausgebildet: Der Entrepreneur und der General Managers. Diese Zeitspanne sei auch jene der Unternehmensberatungen gewesen, die mittels ihrer SWOT-Analysen diverse Strategien empfahlen, um Unternehmen zukunftsträchtig, effektiv und effizient auszurichten. Auch sei es die Zeit der Management-Gurus wie Peter Drucker gewesen. Einflussreich seien auch die von Michael Porter (1980) entwickelten Konzepte gewesen, schreibt Krizanits. Das damalige Grundverständnis, dass Organisationen als Regelkreise zu verstehen seien, habe sich in den TQM- Modellen ab gebildet, die Ende der 1980er-Jahre in den USA und Europa entwickelt worden seien.

„Treiber für diese TQM-Modelle ist der japanische Wettbewerbserfolg in den späten 1970er- und den 1980er-Jahren, der auf einer radikalen Qualitätsstrategie beruht“ (S. 47). Mit Beginn der 1980er-Jahre hätten sich Management und Unternehmensberatung dann zunehmend mit der Frage befasst, „warum manche Unternehmen erfolgreicher sind als andere, obwohl sie doch in ihren Strategien, Strukturen und technischen Systemen ähnlich ausgelegt sind“ (ebd.). Das habe den Fokus auf die Bedeutung der sogenannten »soft factors« bzw. der Unternehmenskultur gelegt. Als richtungsweisende Ansätze benennt die Autorin diesbezüglich das 7-S-Modell von McKinsey wie auch die Publikationen zur Bedeutung der Organisationskultur von Edgar Schein. Ab ca. Mitte der 1980er-Jahre habe dann ein Diskurs über den Unterschied von Management und Leadership eingesetzt. Mit den damals aufkommenden New-Leadership-Ansätzen habe eine Welle verkürzender populärwissenschaftlicher Managementliteratur begonnen, die auf den Markt strömte, andererseits habe der Diskurs um charismatische und transformationale Führung in den folgenden Jahren auch eine Fülle von wissenschaftlichen Studien hervorgebracht und Leadership zu einer wissenschaftlichen Disziplin gemacht, gibt Krizanits zu bedenken (S. 56).

Die Autorin fasst zusammen, dass das Konsumzeitalter das Management sophistiziert habe. „Wie viel Ideologie und welche Hybris hinter dem Führungsverständnis des Konsumzeitalters liegt, wird spätestens in Peter Druckers Aussage deutlich, dass General Manager die neue Führungskaste seien, die das Wohl der Gesellschaft gewährleisten und damit wohl Politiker substituieren können sollen“ (S. 66). Summa summarum sprächen die Leadership-Ansätze des Konsumzeitalters Bände über Hybris und Heroisierung im Hinblick auf die Vereinnahmung der Mitarbeitenden durch Führung, was in der wissenschaftlichen Begleitforschung dieser Entwicklung viel zu wenig aufgegriffen und kritisiert worden sei, ist Krizanits überzeugt.

„Change-Leadership im Change-Zeitalter“ lautet der Titel des dritten Kapitels. Unter Change-Zeitalter fasst die Autorin die Zeitspanne zwischen Anfang der 1990er-Jahre bis zur Weltwirtschaftskrise 2008 zusammen. Diese Zeit sei ihr zufolge ebenfalls wieder gekennzeichnet gewesen durch neue, radikale Umbrüche in Politik, Wirtschaft, Technologien und Gesellschaft. Es habe kaum einen Lebensbereich gegeben, der keine tiefgehenden Veränderungen erfahren hätte – und dies sei in atemberaubendem Tempo vorangegangen. Überdies sei das Change-Zeitalter „ein Zeitalter allgegenwärtiger, alltäglicher Paradoxien“ (S. 68). Die aus westlicher Sicht bedeutendsten Megatrends dieser Zeit seien die Globalisierung, der Turbokapitalismus und die Aufschaukelbewegung zwischen Internet und neuen Medien gewesen. Die 1990er-Jahre seien eingeleitet worden mit dem Zerfall der politischen Blöcke. Der Kalte Krieg endete und es öffneten sich im ehemaligen Ostblock neue Märkte.

Vor allem Schwellenländer wie Brasilien, Russland, Indien und China hätten Investoren mit der Aussicht auf enorme Wachstumspotenziale angelockt. Der Goldgräberstimmung der Aufbruchsjahre sei aber bald schon eine „eine Katerstimmung angesichts von Produkt- und Technologieplagiaten, zunehmender staatlicher Regulierung auf den neuen Märkten, überbordender interner Komplexität und schmerzhafter Lernerfahrungen durch fehlende organisationale Flexibilität und mangelnde interkulturelle Kompetenz des Managements“ gewichen (S. 69). (Anmerkung des Rezensenten: Als Paradebeispiel hierfür kann das Scheitern von Wal-Mart in Deutschland ins Feld geführt werden. U. a. aufgrund mangelnder interkultureller Managementkompetenz zog sich das Unternehmen 2006 aus Deutschland zurück).

Kennzeichnend für jene Epoche seien der Neoliberalismus und der Rückzug des Staates bzw. der öffentlichen Hand aus Industrie- und Dienstleistungsbetrieben gewesen (Stichwort: wellfare to workfare-state). Branchen mit öffentlichem Versorgungsauftrag wie Telekom, Post und Bahn seien dereguliert und nach der Logik von Börsenkonzernen umgebaut worden. Das Primat des Shareholder-Values habe dies auf die Spitze getrieben und die Finanzmärkte entfesselt, was zur Folge gehabt habe, dass die Kapitalrenditen am Finanzmarkt deutlich höher lagen als das, was sich in der Realwirtschaft erzielen ließe. So sei die Schere zwischen Finanzwirtschaft und Realwirtschaft immer größer geworden. Insgesamt sei es eine Zeit gewesen, in der Organisationen aller gesellschaftlichen Bereiche (auch öffentliche) zunehmend unter den Druck der Wirtschaftslogik geraden seien. „Sie müssen sich über effiziente Organisationsstrukturen legitimieren, die dem Modell der Unternehmung nachgebaut sind“, beschreibt Krizanits (S. 70).

Der zweite große Wandeltreiber im Change-Zeitalter sei die Technologie der neuen Medien gewesen. Es seien ganz neue Märkte wie die Share- und Platform-Economy entstanden. Das Ansinnen, mehr Kund:innennähe durch individuelles Eingehen auf deren Wünsche zu erreichen, habe Konzepte wie Reengineering und Lean Management hervorgebracht. Es habe sich die Arbeit verdichtet und die Spanne der Tätigkeiten und Verantwortungen sei größer geworden. Auch die Taktung der Tätigkeiten sei ungleich höher geworden und die Vernetzung mit Umwelten habe zugenommen, was Arbeitnehmer:innen mehr Kompetenzen, und mehr Aufmerksamkeit abverlangt habe und ebenso zu mehr mentaler Anspannung geführt habe (S. 76 f.). Das Change-Zeitalter habe auch neue Ansätze wie Corporate Governance hervorgebracht. „Im Change-Zeitalter setzt sich Führung damit auseinander, wie die Organisation als Gesamte zu gestalten und zu führen sei. Die wesentlichen Organisationskonzepte dieses Zeitalters sind Change-Management, die »lernende Organisation«, Innovation und Intrapreneurship, Interkulturelles Management, Resilienz und Mindfulness, Komplexitätsmanagement und Agile Management“, erklärt die Autorin (S. 88).

Anfang der 1990er-Jahre hätten so gut wie alle großen Unternehmen eine Matrixstruktur eingerichtet, die ob ihres hohen Abstimmungsbedarfes in Verbindung mit den zahlreichen Hierarchieebenen in großen Unternehmen regelmäßig zu schwerfälligen und von Marktentwicklungen entkoppelten Entscheidungsprozessen geführt hätte. In Weiterführung der Spartenorganisation seien dann voneinander unabhängige Produkt-Markt-Kombinationen in eigenständige, mittelgroße Unternehmen „mit Profit-and-Loss-Verantwortung und allen notwendigen Funktionsbereichen ausgetöchtert“ worden (S. 77). Auch Shared-Service-Center wurden zu jener Zeit populär. Das manageriale Handeln in börsennotierten Unternehmen sei zu jener Zeit (und auch heute noch vielfach) geprägt gewesen vom Shareholder-Value.

Durch den Zusammenbruch der politischen Blöcke in den Jahren 1989/90 hätten viele dieser Unternehmen große Potenziale in neuen Märkten gesehen und die dortigen Standortvorteile via Produktionsverlagerung für sich nutzbar gemacht. „Eine verhängnisvolle Spirale setzt ein: Je mehr Bereiche dorthin verlagert werden, desto kostenintensiver wird der Hauptstandort für die verbleibenden Bereiche. In Verbindung mit den neuen elektronischen Medien entstehen neue Formen der Arbeitsteilung: Virtuelle Teams arbeiten über die verschiedenen Zeitzonen des Erdballs zusammen – eine neue Definition von Echtzeit“, schildert die Autorin die Entwicklung zu jener Zeit (S. 78 f.). In Folge dessen hätten Organisationen in immer höherem Ausmaß mit immer mehr Ausdifferenzierung reagiert. Im internationalen Wettbewerb der Globalisierung seien „Organizational Capabilities“ und „Organizational Competencies“ nach Dave Ulrich (1997) zur »DNA der Wettbewerbsfähigkeit« geworden, schreibt Krizanits (S. 83).

Es habe sich das Verständnis von Strategie und Strategiearbeit verändert, erklärt die Autorin bezugnehmend auf Henry Mintzberg, der zu jener Zeit mehr strategisches Denken statt strategischer Planung anmahnte. „1998 führt Mintzberg diesen Gedanken mit Bruce Ahlstrand und Joseph Lampel im gemeinsamen Buch »Strategy Safari« weiter“, heißt es im Text (S. 84). Auch sei die Vorstellung, dass Unternehmen sich auf ihre Kernkompetenzen fokussieren sollten, zu jener Zeit (wieder) populär geworden. „Welche Zukunftspotenziale können wir mit unseren bestehenden Fertigkeiten und Kompetenzen erschließen? Mit welchen Kompetenzen haben wir Alleinstellung wofür? Was können wir, was andere nicht können? Welche Kompetenzen müssen wir ausbauen oder neu entwickeln?“ – so hätten zentrale Fragen im Management gelautet (S. 87).

Im weiteren Verlauf des Kapitels setzt sich die Autorin mit einigen populären Konzepte für Führung, Management und Change-Leadership auseinander, darunter der Ansatz der High Reliability Organizations (HRO) von Roberts, Rochlin & LaPorte (1987), John Kotters 8 Phasen mit 8 Aufgabenschwerpunkten für Führung (1996), Kurt Lewins Unfreeze-Move-Refreeze-Model (1947), Peter Senges Fifth Discipline, Arbeiten über interkulturelles Management nach Geert Hofstedes »Cultures and Organizations« (2010), das 5-Level-Management von Jim Collins & Jerry Porras (1994), der Mindset-Ansatz von Jonathan Gosling & Henry Mintzberg (2003), die Leadership-Pipeline von Ram Charan, Stephen Drotter und James Noel (2001) und weitere mehr.

Krizanits schlussfolgert, dass der Turbokapitalismus am Ende des Change-Zeitalters seine Kinder abgehängt habe. „Er hat die Kassen der Wohlfahrtsstaaten geplündert und die Welt quer über den Globus und quer durch die Nationalstaaten in Arm und Reich geteilt in einem Ausmaß, wie wir es seit der Zeit der mechanischen Webstühle und der Manufaktur nicht kannten“ (S. 108). An sein Ende gelangt sei dieses Zeitalter spätestens im September 2008 mit der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers und der dadurch verursachten Finanzkrise. Diese habe nur entstehen können, weil die Strukturen der (Finanz-)Wirtschaft international schon damals weltweit derart stark vernetzt gewesen seien, „dass eine Störung sich schlagartig ausbreiten und weltweite Krisen auslösen kann“ (S. 109).

„Kollektive Führung in der Postmoderne“ ist der Titel des vierten Kapitels. Es beginnt damit, dass die Autorin ausführt, dass Konzepte wie der Konstruktivismus, Dekonstruktivismus und die Postmoderne 2008 in Medien und Gesellschaft wieder ein Revival erlebt hätten. „Denn am Ende des Change-Zeitalters ist die Gesellschaft in unzählige Gruppen aufgefächert, die sich nicht mehr mit dem Maßstab einer homogenen Kultur vermessen lassen. Neoliberalismus, der auf ökonomische Deregulierung und eigenmotivierte Akteure gesetzt, und Linksliberalismus, der die Aufwertung benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen verfolgt hatte, haben zu einer breiten alltagskulturellen Bewegung und zur Pluralisierung der Lebensstile geführt“ beschreibt Krizanits die Lage bezugnehmend auf Ausführungen des Soziologen Andreas Reckwitz (S. 111).

Auf der Ebene von Führung und Organisationen sei nach Ende des Zeitalters des Change-Managements nun ein Zeitalter des Management-Change entstanden. Dabei habe das Zeitalter der Postmoderne für Organisationen zwei neue Erzählungen parat gehabt: Digitalisierung und New Work. Auch in Führung und Management hätten postmoderne Theorien Einfluss genommen, was die Autorin mit Rekurs auf Werke von Jeremy Rifkin (Kollaboratives Zeitalter), Maja Storch & Franz Krause (Zürcher Ressourcen Modell) sowie Claus Otto Scharmer (Theorie U) erläutert. Zudem geht sie bezugnehmend auf das Salutogenese-Konzept von Aaron Antonovskys auf das daraus entstandene salutogene Führen ein, welches auf Autonomie, Achtsamkeit und Anerkennung in der Mitarbeiter:innenbeziehung sowie auf gemeinsame Überzeugungen, Werte und Strukturen setze, die zwischenmenschliche Kooperation erleichtern sollen. Auf dieses habe auch Martin Seligman, der „Vater“ der Positiven Psychologie (PP), Bezug genommen. Positive Leadership sei ein darauf aufbauendes Führungskonzept, das den Fokus auf das Erleben Der Gegenwärtigkeit lege und eine Arbeitskultur des Flows zu kreieren bemüht sei.

Damit wiederum einher gehe das »Positive Organizational Scholarship« (POS) Kim Camerons, was nur ein Beispiel für die radikale Ressourcenorientierung im Positive Leadership sei. „Die Methoden des Positive Leadership aktivieren über positive Emotionen das neuronale Belohnungszentrum, das einen Motivationscocktail ausschüttet. Dabei reagieren wir vor allem auf soziale Resonanz und Kooperation; Menschen, mit denen wir gute Beziehungserfahrungen gemacht haben, wirken auf unsere Motivation und Energie wie ein Verführungsreiz: Wir werden aktiv und sind bereit, für diese Beziehung auch etwas zu opfern“, heißt es im Text (S. 123). Fehlen darf, wenn von kollektiver Führung in der Postmoderne die Rede ist, auch nicht das Konzept des postheroischen Managements, das insbesondere durch Henry Mintzberg in seinem Buch »Managers, not MBAs« „als Antithese zum abgehobenen, »heroischen« Managementstil, den die MBA-Kaderschmieden propagieren“, popularisiert wurde. Auf das Konzept verwies u.a. Dirk Baecker allerdings ebenfalls schon 1994.

Mintzberg fordere ein postheroisches, »engagiertes, kollaboratives« Management. Er betonte, die Wichtigkeit von Führung messe sich daran, inwiefern sie anderen helfe, Wichtigkeit und Einfluss zu erlangen. Allerdings sei Mintzbergs Ansatz in der Rezeption von manchen Leuten als kollaboratives Führen missverstanden worden, schreibt Krizanits. Von dezidiert distributiver Führung habe Gary Hamel geschrieben. Seiner Vorstellung nach sollten mehr Menschen Entscheidungen treffen und in strategische wie auch planende Management-Prozesse einbezogen werden (S. 124). Essenziell für die Postmoderne sei, dass das Handeln von Akteur:innen mit unternehmerischem Antrieb in agilen Strukturen zur Quelle strategischer Wettbewerbsvorteile geworden sei. In die »Management-DNA« seien Managementprinzipien aus dem 19. Jahrhundert und Managementprozesse aus dem 20. Jahrhundert einkodiert, das 21. Jahrhundert allerdings brauche ein Postmanagement mit neuen Werten und Idealen, quasi ein Management 2.0. Im Rahmen dessen seien auch Corporate-Foresight-Konzepte populär geworden.

Eine Besonderheit von Organisationskonzepten in der Postmoderne sei, dass Organisationen heute unter den Trends der Digitalisierung stünden. An Popularität gewonnen hätten in den letzten 20 Jahren Modelle für agile Arbeitsformen und weitere New-Work-Ansätze, die vom Grundsatz her auf Partizipation und Dezentralisierung von Entscheidungen setzten (S. 129). Eine besondere Entwicklung in der Management-Ausrichtung vieler Unternehmen habe es in Folge der Finanzkrise ab 2008 gegeben: Die Corporate Social Responsibility und Gemeinwohl-Ökonomie. 2010 sei der »Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung von Organisationen«, die DIN EN ISO 26000 erschienen, die Norm und Handlungsfelder für CSR benenne. Ab 2013 könnten Unternehmen und Organisationen aus Kommunen, aus dem Bildungs- oder dem Non Profit Bereich eine Gemeinwohl- Bilanz erstellen. „Anhand eines Kriterienkatalogs können sie den Beitrag ihrer Organisation zum Gemeinwohl messen und nach außen sichtbar machen“, schreibt die Autorin (S. 134).

2014 habe das Buch »Reventing Organizations« von Frederic Laloux (2015) dann eine Welle von New-Work-Ansätzen ausgelöst. Ebenso sei Holokratie (engl. Holacracy) heute ein Management-Buzzword, das diverse Leadership-Konzepte präge. In holokratischen Organisationen arbeiten Menschen in Rollen, die „nach einer Segmentierung in chunks of work an geeignete Rolleninhaber vergeben werden, die die Autonomie haben, diese Rolle auszugestalten, d.h. mit den Handlungs- und Entscheidungsbefugnissen und Freiräumen auszustatten, die die Verrichtung ihrer Arbeit erfordern“, erklärt die Autorin (S. 147). Kreise arbeiteten in übergeordneten Kreisen, die sich wiederum in übergeordneten Kreisen zusammensetzten. Ein übergeordneter Kreis sei dabei durch zwei Rollen mit einem untergeordneten verbunden; „von oben nach unten durch den Lead Link, der Rahmensetzungen und Rollen weitergibt, und von unten nach oben durch den Rep Link, der die Anliegen des Kreises im übergeordneten vertritt“ (ebd.).

Es gäbe somit zwei unabhängige Mandate in zwei getrennten Rollen und keine intra-personalen Rollenkonflikte. Wesentlicher als die Strukturen seien für Holacracy aber die Prinzipien, nach denen Kommunikation gesteuert werden. „Wo die klassische Organisationstheorie davon ausgeht, dass Organisationen zwangsläufig eine Bühne für Mikropolitik bereitstellen, reguliere das Holacracy-System die Kommunikation so, dass solche Attitüden und Dynamiken außen vor bleiben“, schreibt Krizanits. Die Regelkommunikation fände auf Ebene des Kreises statt und umfasst Tactical Meetings und Governance-Meetings. Aus managementtheoretischer Sicht sei es aber fragwürdig, wie agiles Handeln aus der Abgrenzung von Aufgabenbereichen und Rollen resultieren können solle, gibt die Autorin zu bedenken. Denn auch „wenn die einzelnen Rolleninhalte laufend nachgestellt werden, gelten für die Rolleninhaber doch – »im Verfassungsrang« – die Prinzipien rollenkonformen Handelns und der Rollenabgrenzung in Domänen“ (S. 151). Das laufe auf eine enge Kopplung und damit gerade nicht auf mehr Agilität hinaus (Anmerkung des Rezensenten: Umfassend zu dieser Kritik am Holokratie-Konzept siehe das Buch »Schattenorganisation« von Stefan Kühl; Rezension hier).

Das letzte Kapitel ist betitelt mit „Führen in der Transformation zur klimaverträglichen Gesellschaft“. Hier ist die Autorin mit ihren Beschreibungen in der Gegenwart angekommen. Sie fasst das in Politik, Teilen der Zivilgesellschaft und Teilen der Wirtschaft heute gängige Narrativ von der Notwendigkeit einer klimaverträglichen, nachhaltigen, mit regenerativer Energie arbeitenden Wirtschaft zusammen. „2019 ist in Gesellschaft und Politik ein Wendejahr, in dem erste prägende Entwicklungen in der Transformation zur klimaneutralen Gesellschaft manifest werden“, schreibt die Autorin (S. 157). Eine ungerechte Gesellschaft sei auf Politikverdrossenheit und einen tiefgehender Vertrauensverlust in die Demokratie sowie auf einen unaufhaltsamen Fortschritt der Digitalisierung gestoßen. Diese Entwicklung habe Colin Crouch schon 2004 in seinem Buch »Postdemokratie« beschrieben.

Die Digitalisierung bringe „nicht nur Speichervolumen und automatisierte Abläufe mit sich, sondern auch künstliche Intelligenz und weitreichende Innovationen“ (S. 161). Im Dezember 2022 sei dann ChatGPT vorgestellt worden, welches in den ersten zwei Monaten bereits 100 Mio. aktive Nutzer:innen hatte. Die Autorin macht deutlich, dass in den letzten gut 20 Jahren völlig neue Berufsfelder wie Cloud-Computing, Digital-Design, Data-Science, App-Entwicklung, Content-Management, Prompt-Engineering und Social-Media-Marketing entstanden seien. Durch die systematische Verknüpfung von Daten und den Einsatz von KI hätten es diverse IT-Konzerne geschafft, heute zu den bedeutendsten weltweiten Unternehmen zu gehören. Geschäftsmodelle der Platform- und Sharing-Ökonomie wären ohne künstliche Intelligenz unvorstellbar. Allerdings sei darauf hinzuweisen, dass die Digitalisierung auch „mit steigendem Energie- und Ressourcenverbrauch und Produktions- und Konsummustern einher [geht], die die Ökosysteme massiv belasten“ (S. 163).

Die Covid Pandemie hätte dann in Gesellschaften und Wirtschaften weltweit eine Art »Reset« bedeutet. Aspekte wie die Versorgung mit Nahrung, Wasser und sanitären Anlagen sowie Energie, Frieden und Gerechtigkeit, Einkommen und Arbeit, Gesundheit, Zugang zu Bildung, Wohnen, soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung der Geschlechter würden nunmehr verstärkt unter der Prämisse der Auswirkung auf und Bedeutung von Klimaneutralität diskutiert. Im Lebensstil spiegelte sich das, denn die reichsten zehn Prozent der Menschheit seien für 47 % aller CO2-Emissionen verantwortlich, während weltweit die Hälfte der Menschheit nur ein Zehntel davon verursache (S. 175). Ein weiteres Thema neben Energieunsicherheit und dem Krieg in der Ukraine, das sich zum Dauerbrenner entwickelt habe, sei auch der Mangel an Arbeitskräften, vor allem an Facharbeiter/​innen, Verwaltungs-, Lehr- und Pflegekräften.

Dies alles (und weiteres) habe eine neue Rahmensetzungen für Wirtschaft und Organisationen zur Folge, ist Krizanits überzeugt. Die Notwendigkeit der Senkung des Energieverbrauchs, die Steigerung der Energieeffizienz, der Ausbau erneuerbarer Energien, die European Green Finance- und die Taxonomie-Verordnung, der Industrieplan zum Europäischen »Green deal«, der Aktionsplan Kreislaufwirtschaft und weitere Initiativen, Verordnungen und Gesetzesänderungen nähmen heute massiven Einfluss auf Organisationen, die ihre Prozesse – sowie teils gar das ganze Geschäftsmodell – überdenken müssten: „Entscheidungsträger stehen vor der grundsätzlichen Wahl, zu reagieren oder zu agieren: Sie können im Camp auf die Wettervorhersage und die Route für die jeweils bevorstehende Etappe warten, sich dann rüsten und mit den anderen aufbrechen; oder sie können sich ein Bild vom 8.000er machen und bergsteigermäßig vom Gipfel abwärts einen Weg für den Aufstieg erkunden“ (S. 194).

Das Thema Klimawandel müsse heute über alle Unternehmensbereiche hinweg gemainstreamed werden. Die neuen Regulierungen zögen dabei einen massiven Eingriff in die Governance-Architektur nach sich. An allen Schnittstellen der Organisation nach außen entstünde ein hoher Aufwand für Kommunikation, Abstimmungen und Verhandlungen. Finanzmittel müssten deinvestiert, umverteilt und neu beschafft werden. Führungskräfte müssten daher heute enorm viele Entscheidungen treffen – bei gleichzeitiger Unsicherheit darüber, wie die Zukunft sich wohl entwickeln werde. Zudem habe die geänderte Verteilung von Arbeit auch die Inhalte verändert, die in der Führungsarbeit prozessiert würden, schreibt die Autorin (S. 205). Das werfe Fragen wie die auf, was Führungskräfte nun tun könnten, welche Führungskonzepte vom Industriezeitalter bis heute überkommen seien, welche sich als Rüstzeug mitnehmen oder neu erfinden ließen und wie Führungskräfte insgesamt heute agieren müssten. Darauf gibt die Autorin in ihrem Buch möglich Antworten – wohlwissend, dass diese auch anders ausfallen könnten.

Diskussion

Was lässt sich zu dem Werk nun festhalten? Kann es empfohlen werden? Und wenn ja, für wen? Dazu kann der Rezensent folgendes sagen: Zunächst einmal lässt sich festhalten, dass die Lektüre des Buches deutlich macht, dass gute Führung zu leisten echte Arbeit ist. Sie fällt nicht vom Himmel. Führungs- und Managementkompetenz entwickeln sich und sind immer auch eine Reaktion auf Gegebenheiten in Organisation, die (auch) gesellschaftlich geprägt sind. Solche Prägungen, die Einfluss nehmen auf unser Verständnis von Führung und Management, analysiert Joana Krizanits auf kurzweilige Art und Weise. Sie untersucht verschiedene Führungsstile und ihre Eignung in unterschiedlichen Kontexten, die sich im Laufe von Jahrzenten entwickelt haben und Antworten auf gesellschaftliche Veränderungen waren (und sind). Es geht der Autorin dabei auch um die Anpassungsfähigkeit von Führungskräften an die Anforderungen einer dynamischen Welt.

Krizanits thematisiert die Herausforderungen, denen Führungskräfte in einer sich verändernden Arbeitswelt begegnen – und diese Herausforderungen haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert. Industrie 4.0, Digitalisierung, Diversität, Globalisierung, New Work, Agilität, Holokratie und CSR sind nur einige Schlagworte, die davon zeugen. Krizanits schafft es, wichtige Entwicklungsschritte der Industriegeschichte sie auch den damit korrespondierenden gesellschaftlichen Wandel nachvollziehbar und kompakt zu beschreiben. Sie geht nicht allzu sehr ins Detail, doch hatte der Rezensent nie das Gefühl, dass die Ausführungen zu oberflächlich waren. Die Tiefe der fachlichen Auseinandersetzung ist genau richtig. Die Autorin bringt auf gut 200 Seiten eine enorme Fülle an Informationen unter, es kommt aber nie das Gefühl auf, dass es zu viel sei. Redundanzen konnte der Rezensent kaum feststellen.

Man braucht kein Vorwissen, um die Darlegungen im Werk nachvollziehen zu können. Menschen mit Vorerfahrung in der Lektüre von Management-Literatur finden im Text aber sicher unzählige Anknüpfungspunkte, so dass es tatsächlich Spaß macht, das Buch zu lesen. Diverse Schaubilder (alle gut zu erkennen) runden den Text ab und ergänzen die schriftlichen Ausführungen. Inhaltlich positiv hervorzuheben ist des Weiteren, dass auch die Bedeutung von emotionaler Intelligenz und sozialer Kompetenz für erfolgreiche Führung seitens der Autorin gut verständlich aufgezeigt werden. Sie macht deutlich, dass mechanistische Vorstellungen von Führung definitiv ausgedient haben, da Emotionen die Motivation und die Leistung der Mitarbeiter:innen erheblich beeinflussen. Das wiederum können Führungskräfte für sich und ihr Unternehmen gezielt nutzen. Wie es gelingen kann, macht Krizanits deutlich.

Das Buch richtet sie sich in erster Linie an Manager:innen, Organisationsentwickler:innen und Organisationsberater:innen, aber es können auch Lehrende und Studierende der Organisationswissenschaften und BWL von der Lektüre profitieren. Positiv hervorzuheben ist, dass sich Krizanits Werk anders als diverse andere, vor allem industriesoziologische Werke, in denen ebenfalls die Entwicklungsgeschichte des modernen Managements und moderner Führungsansätze nachgezeichnet werden, für ein Fachbuch erstaunlich flüssig liest. Die Autorin bedient sich zwar eines der Materie angemessenen wissenschaftlichen und managerialen Sprachstils inklusive diverser Anglizismen (was in Management-Kreisen nicht unüblich ist), es gelingt ihr dabei aber doch sehr gut, zentrale Entwicklungsphasen sowie das Wirken bedeutender Akteur:innen verständlich und interessant darzustellen.

Ein Kritikpunkt aus Sicht des Rezensenten ist lediglich, dass der klare Bezug auf Management- und Führung, der in den Kapiteln 1–4 gegeben ist, im 5. Kapitel weniger stark ausgeprägt ist. Dort werden gesamtgesellschaftliche und politische Entwicklungen u.a. auf europäischer Ebene viel stärker beschrieben. Die Verknüpfung mit der Frage, was daraus fürs Management folgt, findet zwar statt, aber nicht so pointiert und klar, wie es in den vorherigen Kapiteln der Fall ist. Dieses Kapitel hätte aus Sicht des Rezensenten deutlich gestrafft werden können. Eine weiterer Kritikpunkt ist, dass bedeutende Erkenntnisse aus der Organisationspsychologie und -soziologie, die Einfluss auf modernes Managementwissen nahmen, im Werk kaum Erwähnung finden. Hervorzuheben sind hier u.a. James March mit seinem »garbage can model of rational choice«, Karl Weick mit seinen Ausführungen zu »sensemaking in organizations«, Nils Brunsson mit der »organization of hypocrisy« oder auch Herbert A. Simon mit seinen Darlegungen zu »bounded rationality«.

Das auf keines dieser Modelle eingegangen wird, die in der wissenschaftlichen Organisationsforschung oft zitiert werden, verwundert etwas, schmälert das insgesamt gute Lesevergnügen indes nur wenig. Die Verbindung von theoretischen Konzepten mit praktischen Beispielen macht das Buch alles in allem zu einer wertvollen Ressource für Führungskräfte, denen es praktische Ansätze und Werkzeuge bietet, um die eigenen Leadership- und Managementfähigkeiten weiter auszubauen. Das Buch ist ein gelungenes Werk für Praktiker:innen, das auch in der hochschulischen Lehre zum Einsatz kommen kann.

Fazit

Joana Krizanits bietet einen umfassenden Überblick über die Theorie und Praxis von Führung und Management. Sie zeigt auf, wie wichtig es ist, sowohl Leadership- als auch Managementfähigkeiten zu entwickeln, um als Führungskraft erfolgreich zu sein. Die Lektüre des Buches kann all jenen empfohlen werden, die sich schnell einen Überblick über zentrale Entwicklungsphasen der modernen Managements verschaffen möchten, ohne dafür zahlreiche Lehr- und Fachbücher lesen zu müssen.

Rezension von
Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf
Sozialwissenschaftler, Diplom-Sozialarbeiter/-pädagoge (FH), Sozial- und Organisationspädagoge M. A., Case Management-Ausbilder (DGCC), Systemischer Berater (DGSF), zertifizierter Mediator, lehrt Soziale Arbeit und Integrationsmanagement an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim.
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Zitiervorschlag
Christian Philipp Nixdorf. Rezension vom 04.09.2024 zu: Joana Krizanits: Leadership – Management – Führung. Vom Industriezeitalter zur klimaneutralen Gesellschaft. Carl Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2024. ISBN 978-3-8497-0522-0. Reihe: Management. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31712.php, Datum des Zugriffs 12.09.2024.


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