Manfred Wolfersdorf, Elmar Etzersdorfer: Suizid und Suizidprävention
Rezensiert von Sebastian Kron, 19.03.2024

Manfred Wolfersdorf, Elmar Etzersdorfer: Suizid und Suizidprävention. Ein Handbuch für die medizinische und psychosoziale Praxis. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2023. 2., erweiterte und überarbeitete Auflage. 292 Seiten. ISBN 978-3-17-037158-3. 49,00 EUR.
Thema und Entstehungshintergrund
Wir leben in einer Zeit, die von weltweiten Unruhen gekennzeichnet ist und in der (seelische) Gewalttaten, Ausgrenzungsprozesse und stetiger Leistungsdruck zunehmen. Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass sämtliche Störungsbilder im Anstieg begriffen sind. Zunehmend wird deutlich, dass sich immer mehr Menschen aus Gründen seelischer Not krankschreiben lassen. Burnout, Depressionen und Ängste zählen zu den häufigsten, seelischen Krisen und Störungsbildern.
Bestimmte Teile Deutschlands, insbesondere die Lausitz, stehen aktuell vor der großen Herausforderung der demografischen Entwicklung und des Wegzugs Jüngerer in Regionen, in denen Einkommen und Arbeit gesichert sind. Durch das Auseinanderdriften unterschiedlicher Generationen nehmen die Zahlen einsamer Menschen stetig zu.
Alles das sind Risikofaktoren, die dazu führen könnten, dass Menschen Phantasien um den eigenen Tod entwickeln, sich abwerten und erniedrigen, schlussendlich sogar suizidal werden. Suizidale Krisen zählen zu den sehr ernstzunehmenden psychischen Krisen, die durch einen Ausdruck enormer seelischer Not gekennzeichnet sind und bei denen viele Faktoren zusammenspielen.
Autor:innen
Herr Prof. Dr. med. Manfred Wolfersdorf war ärztlicher Direktor des BKH Bayreuth und Chefarzt der Klinik für Psychiatrie. Auch war er Leiter des DGPPN-Referats Suizidologie. Er beschäftigt sich mit Erscheinungen schwerer Depressionen und den daraus (oftmals) entstehenden suizidalen Krisen.
Herr Prof. Dr. med. Elmar Etzersdorfer ist Chefarzt des Furtbachkrankenhauses in Stuttgart. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
Aufbau und Inhalt
Die vorliegende Fachliteratur beinhaltet 16 Kernkapitel, die sich mit der Entstehung suizidalen Verhaltens befassen, den Zusammenhang zwischen psychischer Krankheit und Suizidalität fassen sowie Suizidprävention und die Intervention suizidaler Gedanken in den Fokus rücken. Es diskutiert das Krisen- und Krankheitsmodell der Suizidalität und verdeutlicht den Zusammenhang schwerer Depressionen, Psychosen und Persönlichkeitsstörungen mit Blick auf die Entstehung suizidalen Leidens.
Schwerpunkt sind außerdem der präventive und behandlungsspezifische Blickwinkel in der ambulanten und stationären Psychotherapie sowie in der Notfallpsychiatrie. Aktuell diskutierte Themen, wie Beihilfe zu suizidalen Handlungen, bereichern die zweite Auflage des vorliegenden Werkes.
Das Buch diskutiert tiefenpsychologische Theorien und Hintergründe der Suizidalität und Suizidprävention. Die besondere Bedeutung von einer guten, therapeutischen Beziehung, die von Empathie und Wertschätzung geprägt ist, steht im Fokus der Interventionen. Postpräventive Maßnahmen für Angehörige von Menschen, die suizidal wurden, bilden den Abschluss des Fachbuches.
Diskussion
Seelische Erkrankungen sind vielfach mit einem erhöhten Suizidrisiko verknüpft. Es ist daher wichtig, bereits depressive Krisen behandeln zu lassen. Menschen sind „Rudeltiere“. Deshalb kann bereits der Wegfall enger Bindungen in seelischer Not münden. Soziale Arbeit kann dort ansetzen, wo Beziehung und Bindung sichergestellt werden müssen, wo Menschen einsam, zurückgezogen oder sozial ängstlich leben. Weiterhin wird die schwierige Rolle von Mobbing und Ausgrenzungen in den kommenden Jahren zunehmen. Hier muss bereits die Soziale Arbeit in der Schule präventiv ansetzen. Sozial ängstliche, einsame oder letztlich Menschen in suizidalen Krisen sind oftmals von schwersten Traumatisierungen betroffen und benötigen Halt, Zuversicht und Beziehungen.
Das frühere, meist im Osten etablierte Konzept der Gemeindeschwester könnte in aktuellen Zeiten bereichernd, trostspendend und einsamkeitslindernd sein, insbesondere in Regionen, die durch demografische Entwicklungen von einem zahlenmäßigen Anstieg älterer Menschen betroffen sind. Es sollte jedoch nicht nur bei älteren Menschen Anwendung finden, sondern auch bei jüngeren perspektivisch geprobt werden. Beziehung braucht Zeit, die leider in Konzepten sozialer Berufe immer geringfügiger Berücksichtigung findet.
Fazit
Das vorliegende Werk ist bereichernd für Berufsgruppen, die sich mit schweren psychischen Krisen, Suizid und Suizidprävention befassen. Es liefert Bausteine für die Arbeit mit schwerst psychisch erkrankten Menschen.
Rezension von
Sebastian Kron
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