Edgar Baumgartner, Sigrid Haunberger: Wirkungsevaluationen in der Sozialen Arbeit
Rezensiert von Dr. Lea Putz-Erath, 30.08.2024
Edgar Baumgartner, Sigrid Haunberger: Wirkungsevaluationen in der Sozialen Arbeit. Ein Orientierungsbuch für die Praxis. Haupt Verlag (Bern Stuttgart Wien) 2023. 335 Seiten. ISBN 978-3-258-08251-6. D: 54,00 EUR, A: 55,60 EUR, CH: 49,00 sFr.
Thema
Im Buch geben der Autor und die Autorin einen vielfältigen, nachvollziehbaren und praxisnahen Ein- und Überblick zum Thema Wirkung und ihre Evaluation in der Sozialen Arbeit. Das Bild eines Wirkungskompasses führt die Lesenden durch die einzelnen Abschnitte und Kapitel.
Autoren und Entstehungshintergrund
Edgar Baumgartner leitet das Institut für Professionsforschung und -entwicklung an der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz. Dabei interessiert er sich in seiner Forschung vor allem für Evaluations- und Wirkungsforschung, Betriebliche Soziale Arbeit sowie Sozialpolitik und Behinderung.
Sigrid Haunberger arbeitet seit 2018 als Professorin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft im Departement Soziale Arbeit am Institut für Sozialmanagement. Ihre Forschungsinteressen drehen sich um Wirkungsevaluationen, Strukturanalyse, quantitative Forschungsmethoden und soziale Ungleichheit sowie Freiwilligenarbeit.
Beide Autor:innen studierten als Basis für ihre akademische Laufbahn Soziale Arbeit, Haunberger darüber hinaus auch Soziologie.
Dem Buch grundliegend ist ein Standpunkt der Anerkennung der Pluralität von Ansätzen, Designs und Methoden. Abhängig von Fragen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen haben viele Modelle ihre Anwendung.
Das Buch richtet sich an Personen, die für die Durchführung von sozialarbeiterischen Programmen und Interventionen verantwortlich sind und diese einer Wirkungsevaluation unterziehen wollen zB als Teil der Qualitätssicherung. Der Anspruch ist, dass das Buch eine Orientierung bietet. Es will keine Anleitung oder ein Leitfaden sein, ebenso wenig wie ein Lehrbuch.
Das Werk möchte…
- … Verständnis zur Unterschiedlichkeit möglicher Aufbauweisen und Ansätzen für Wirkungsevaluationen schaffen als Basis für die Einschätzung was zur jeweiligen Organisation passt.
- … Vertrautheit mit Begrifflichkeiten, Designs und Konzepten schaffen.
- … mit dem Instrument des Wirkungskompasses eine Entscheidungshilfe für die Planung einer Wirkungsevaluation sein.
Aufbau und Inhalt
Das Buch umfasst auf etwas über 330 Seiten zwölf Kapitel, die von einem Vorwort zu Beginn und einem Anhang mit Glossar und Stichwortverzeichnis zum Schluss eingerahmt werden. Ein Literaturverzeichnis findet sich am Ende jedes der zwölf Kapitel. Jedes Kapitel beginnt mit einer Kurzzusammenfassung und schließt mit einem Fazit, das beim Querlesen gleichermaßen Startpunkt für die Lektüre sein könnte.
Kapitel 1 (S 23–48) klärt einleitend wichtige Grundlagen und Begriffe. Die Ausgangslage stellt ein kurzer Aufriss zum Thema Bedeutung von Wirkungen für die Soziale Arbeit sowie eine Abgrenzung von Wirkungsevaluation und Forschung dar. Dann wird das Verständnis von Evaluationen im Allgemeinen und von Wirkungsevaluationen im speziellen erläutert. Die Differenzierung zwischen Wirkungsnachweis und Wirkungsplausibilisierung erweitert den Blick der Lesenden auf Wirkung.
Das Autor:innenduo hat die weiteren Kapitel so angeordnet, dass sie der Abfolge einer idealtypischen Wirkungsevaluation folgen.
Mit Kapitel 2 „Warum Wirkungsevaluationen?“ (S 49–60) beginnt diese Abfolge. Zweck und Nutzen einer Wirkungsevaluation sollten zu Beginn festgelegt werden. Dabei unterscheiden Baumgartner und Haunberger ausgehend von einer Rahmung in sozialpolitische und organisatorische Perspektiven vier Verwendungsabsichten:
- Verbesserungsorientierte Evaluation
- Entscheidungsorientierte Evaluation
- Wissensgenerierende Evaluation
- Rechenschaftslegungsorientierte Evaluation
Sie lassen die Lesenden jedoch nicht allein mit der Kategorisierung, sondern bieten in Ergänzung eine Checkliste mit Fragen zur Einordung.
Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie das Buch konkrete Umsetzungs- und Anwendungspotenziale bietet.
Die beiden Kapitel drei und vier fokussieren auf Planungsschritte und die Bestimmung von Evaluationsgegenstand und -fragen. Der Blick nach Innen und Außen wird durch die Benennung relevanter Akteur:innen eingenommen. Der Begriff des organisatorischen „Evaluationsvermögens“ (S 67) nimmt in einem eigenen Abschnitt eine wichtige Rolle ein. Die Autor:innen führen Lesende dabei gedanklich mit einem ganz speziellen Fokus durch die eigene Organisation: Welchen Raum, Kompetenzen und Ressourcen stellen Organisationen überhaupt für Evaluationen zur Verfügung? Und welche Organisationskultur bietet eine optimale Basis für Wirkungsevaluation? Dabei vergessen Edgar Baumgartner und Sigrid Haunberger nicht darauf, sichtbar zu machen, dass gewisse Förderlogiken und Anforderungen durch die geldgebenden Organisationen Einfluss auf das Evaluationsvermögen haben.
In Kapitel vier finden wir schließlich bekannte Modelle zum Bestimmen von Evaluationsgegenstand und -fragen: Die IOOI-Logik wird ebenso angeführt wie die Standards der Schweizerischen Evaluationsgesellschaft oder der „Programmbaum“ nach Balzer und Beywl.
„Nichts ist praktischer als ein gutes Wirkungsmodell“ titelt Kapitel fünf (S 97–126). Dieser Abschnittsname mag auch als ein weiteres Beispiel gelten, wie sehr sich die Autor:innen darum bemüht haben, das Buch nach den Anforderungen von verantwortlichen Menschen in Sozialen Organisationen auszurichten. Wer Zeit in ein gutes Wirkungsmodell investiert erhöht nicht nur die Aussagekraft der Wirkungsevaluation. Ein Wirkungsmodell leitet die beteiligten Menschen zu jedem Zeitpunkt durch die Evaluation. Edgar Baumgartner und Sigrid Haunberger stellen in diesem Kapitel unterschiedliche Modelle vor, geben Beispiele für die Erarbeitung und diskutieren kritisch Chancen und Risiken dieser Ansätze bevor sie im nächsten Kapitel (6) (S 127–150) den Fokus auf Wirkungsziele und Bewertungskriterien legen.
Die Definition von Wirkungszielen und deren Bewertungskriterien stellt ein komplexes systematisches Vorgehen dar. Die Autor:innen zeichnen eine mögliche Vorgehensweise zur Festlegung vor, die auf wenigen Seiten sehr viele Begriffe, Optionen und Ansätze bietet.
Wirkungsziele werden über Messung sichtbar gemacht. Daher stellt die Messbarkeit ein Pflichtkriterium für Wirkungsziele dar. Kapitel sieben (S 151–174) bietet auf kompakten 23 Seiten einen Überblick zu qualitativen und quantitativen Ansätzen der Operationalisierung und Sichtbarmachung von Wirkungszielen. Hier geht es noch auf theoretischer Ebene um Messen, Daten und Auswerten. Die Kapitel neun (S 211–244) „Daten für die Wirkungsevaluation erheben und einbeziehen“ und zehn „Daten auswerten, beurteilen und interpretieren“ (S 245–288) schließen dann auf praktischer Ebene hier an und wenden sich vor allem an jene Menschen, die ohne externe Institute/​Expert:innen Wirkungsevaluationen umsetzen wollen.
Welche unterschiedlichen Evaluationsansätze und -designs für Wirkungsevaluationen in der Sozialen Arbeit überhaupt in Frage kommen, diskutieren Baumgartner und Haunberger im achten Kapitel (S 175–210). Positivistische Evaluationsansätze, Theoriebasierte Evaluationsansätze und Interpretative Evaluationsansätze werden unterschieden und mit Praxisbeispielen nähergebracht.
Darstellung und Nutzung der Ergebnisse ist der Titel von Kapitel 11 (S 289–306). Wirkungsevaluationen sind kein Selbstzweck. Meist führen – wie auch von den Autor:innen zu Beginn dargelegt – Förderlogiken dazu, dass Organisationen der Sozialen Arbeit noch besser lernen ihre Wirkungen sichtbar zu machen. Von der konkreten Präsentation der Ergebnisse hängt es aber schließlich ab, ob die nun gemessenen Wirkweisen auch angemessen gesehen werden. Darüber hinaus findet sich in diesem Abschnitt Wissen über die Potenziale zur Nutzung von Evaluationsergebnissen.
Abschließend wird in Kapitel 12 (S 307–322) noch die Effizienzanalyse als spezielle Form von Wirkungsevaluation erläutert.
Diskussion
Das vorliegende Werk erfüllt den selbst gestellten Anspruch eines Handbuches für Verantwortungsträger:innen in Organisationen zu sein.
Das Buch hat einen nachvollziehbaren Aufbau, der durch das Modell des Wirkungskompasses und die Anordnung der Kapitel nach den Schritten einer Wirkungsevaluation gleichzeitig selbsterklärend und intuitiv flexibel nutzbar ist.
Dass die Darstellung und Nutzung der Ergebnisse mit Kapitel 11 eine besondere Bedeutung gewonnen hat, begrüßt die Rezensentin außerordentlich. Allzu oft können wir doch beobachten, dass zwar viele Ressourcen in Evaluationen eingebracht werden, die schließlich nie verwendet werden. Auch wenn wir davon ausgehen, dass die Erstellung von Wirkevaluationen an sich schon einen Effekt auf die Organisationen haben, scheint es doch viel zielgerichteter und selbstbestimmter von vorne weg eine Nutzung einzuplanen.
Fazit
Besonders hervorzuheben ist die Breite an erläuterten Ansätzen über die gesamte Schrittfolge der Wirkungsevaluation hinweg. Damit eignet sich das Buch sowohl als Einsteigerliteratur als auch für Fachkräfte, die bereits in der Praxis mit einzelnen Ansätzen von Wirkungsevaluation und Wirkungsorientierung (dieser Begriff findet sich zumindest in Österreich häufiger bei Förderausschreibungen im Sozialbereich) zu tun hatten und nun eine „Anbieterneutrale“ Ergänzung in theoretischer Tiefe und praktischer Breite suchen.
Rezension von
Dr. Lea Putz-Erath
Geschäftsführerin femail – Verein für Frauenberatung und zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit, AT
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Es gibt 21 Rezensionen von Lea Putz-Erath.
Zitiervorschlag
Lea Putz-Erath. Rezension vom 30.08.2024 zu:
Edgar Baumgartner, Sigrid Haunberger: Wirkungsevaluationen in der Sozialen Arbeit. Ein Orientierungsbuch für die Praxis. Haupt Verlag
(Bern Stuttgart Wien) 2023.
ISBN 978-3-258-08251-6.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31729.php, Datum des Zugriffs 15.09.2024.
Urheberrecht
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