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Anja Nöske (Hrsg.): Zukunftsorientiertes Versorgungsmanagement

Rezensiert von Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf, 08.03.2024

Cover Anja Nöske (Hrsg.): Zukunftsorientiertes Versorgungsmanagement ISBN 978-3-943001-83-9

Anja Nöske (Hrsg.): Zukunftsorientiertes Versorgungsmanagement. Apollon University Press (Bremen) 2024. 424 Seiten. ISBN 978-3-943001-83-9. D: 44,90 EUR, A: 46,20 EUR.
Reihe: APOLLON Wissensträger - 2.

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Autor:innen

Die Herausgeberin, Anja Nöske (M. A.), ist Gesundheitswissenschaftlerin mit mehrjähriger Berufserfahrung in Pflegestützpunkten. Sie war als Beraterin in einer Kassenärztlichen Vereinigung und für die AOK u.a. im Bereich Stakeholdermanagement, Politik-, Markt- und Wettbewerbsbeobachtung, Anforderungsmanagement und strategische Entwicklung tätig.

Dr. Michael Erhart ist Diplom-Psychologe und Professor für Gesundheits- und Rehabilitationswissenschaften an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin, wo er seit 2021 Leiter der Studiengänge Physio-/​Ergotherapie ist. Seit 2015 ist er zudem Professor für Psychologie mit Schwerpunkt klinische Psychologie und Diagnostik an der Apollon Hochschule.

Dr. Barbara Birkner ist Diplom-Volkswirtin mit Schwerpunkt Gesundheitsökonomie. Sie war u.a. als freie Mitarbeiterin am Institut für Gesundheitsökonomie in München und als wissenschaftliche Angestellte an der LMU in München tätig. Sie arbeitet derzeit freiberufliche als Dozentin und Fachbuchautorin.

Thema

In Folge des demografischen Wandels, bedingt durch steigende Kosten, Personalknappheit, rechtliche Hürden und weiteres mehr steht das Gesundheitswesen in Deutschland vor manchen Herausforderungen. Mehr ältere Menschen bedeuten nicht nur mehr Behandlungen, sondern auch einen größeren Versorgungsbedarf, der nicht mit der Entlassung aus dem Krankenhaus endet, sondern gerade dann oftmals erst beginnt. Die Versorgung muss konzeptioniert und koordiniert werden. Hier kommt Versorgungsmanagement ins Spiel. Dieses gestaltet sich ob der vielen Akteur:innen, rechtlichen und professionellen Zuständigkeiten bisweilen herausfordernd. Diese Herausforderungen – und Chancen, die sich aus ihrem konstruktiven Angehen ergeben – werden im Buch von der Herausgeberin Anja Nöske und ihren Mitautor:innen Michael Erhart und Barbara Birkner aufgegriffen und anhand diverser Beispiel erläutert. Intersektorale Ansätze und strukturierte Behandlungsprogramme werden anhand von Modellprojekten vorgestellt, wobei auf ökonomische, juristische und prozessuale Aspekte eingegangen wird, die das Versorgungsmanagement tangieren. Ein besonderer Blick wird dabei auf die steigende Bedeutung der Digitalisierung im Gesundheitswesen gelegt.

Aufbau und Inhalt

Das Fachbuch ist 2024 im zur Klett-Gruppe gehörenden Verlag Apollon University Press erschienen, hat 424 Seiten und beinhaltet 10 Kapitel. Das Buch wurde größtenteils verfasst von der Herausgeberin, Anja Nöske, es finden sich aber auch Textteile, an denen Barbara Birkner (Kapitel 1–3) und Michael Erhart (Kapitel 6–10) mitgewirkt haben. Der Text beginnt mit einem Vorwort in dem die Herausgeberin darlegt, dass der demografische Wandel neben einer steigenden Zunahme alter Menschen in der Bevölkerung auch eine höhere Anzahl alleinlebender, verwitweter und teils kranker bzw. gesundheitlich geschwächter Menschen mit sich bringe. Auch werde der Anteil von Menschen ohne Geschwister und ohne Kinder größer, was bedeute, dass diese Personengruppe verstärkt institutionalisierte, außerfamiliäre Hilfe in Anspruch nehmen müsse. Da im Gesundheits- und Sozialwesen derzeit ein gravierender Fachkräftemangel herrsche, könne dem steigenden Pflegebedarf nicht adäquat Rechnung getragen werden, schreibt Nöske, die zudem mahnt, dass das Gesundheitswesen vor einer großen Herausforderung stünde, wie es sie bisher in diesem Umfang noch nicht gegeben habe.

Ein Weg, Personal- und Finanzknappheit bei steigendem Bedarf besser zu bewältigen, sei Versorgungsmanagement, ist die Autorin überzeugt. Eine koordinierte, übergreifende Organisations- und Beratungskompetenz von Versorgungsmanager:innen sei daher essenziell. Eben deshalb werde das, so schreibt Nöske, in ihrem Fachbuch beleuchtet. Um das leisten zu können, ist das Werk in drei Teile unterteilt: Der erste Buchteil befasse sich „mit der Entstehung und den grundlegenden Konzepten von Versorgungsmanagement sowie dessen Nutzen und Notwendigkeit“ (S. 12), im zweiten Teil stünden dann „die intersektoralen Versorgungsansätze und der damit verbundene Nutzen sowie die konkreten „Hemmnisse dieser Versorgungsformen“ im Fokus (ebd.). Im dritten Teil schließlich würde die „Versorgungsforschung betrachtet, deren Entwicklung in Deutschland sowie ihre Ziele und Methoden aufgezeigt werden“ (ebd.).

Im ersten Kapitel nimmt sich Anja Nöske zusammen mit Barbara Birkner mit definitorischem Blick zunächst der Frage an, was unter Versorgungsmanagement zu verstehen sei. „Ziel des Versorgungsmanagements ist die Integration und Kontinuität arbeitsteiliger Versorgung“, schreiben die Autorinnen (S. 19). Die Kontinuität der Versorgung, welche von der WHO gefordert werde, betrachte „das Versorgungsgeschehen aus der Perspektive des Patienten bzw. der Patientin und bezieht den zeitlichen Aspekt mit ein“ (S. 20). Dabei seien drei Prinzipien zu berücksichtigen: Erstens sei Care Management eine „gemeinschaftliche Anstrengung, für deren Erfolg die betroffenen Parteien (Patienten, Angehörige, Leistungsanbietende, Kostenträger) in einen kooperativen Prozess eingebunden werden müssen“ (ebd., S. 21). Zweitens sei Care Management „bevölkerungsorientiert und gruppiert die Patienten nach gemeinsamen Kriterien wie Wohnort/​Region, Gesundheitsstatus, Krankheitsbild, soziale Lage“ ein. Drittens sichere Care Management Behandlungserfolge durch die Kooperation der Beteiligten.

Es stehe bei der Versorgungskontinuität die Lebensqualität chronisch kranker Menschen im Vordergrund, wobei die Vermeidung kostentreibender Reibungsverluste ebenfalls beachtet werden müsse. „Wie muss Versorgung ausgestaltet sein, wenn Kontinuität im Interesse des Patienten bzw. der Patientin gewahrt werden soll?“ – Diese Frage wird im ersten Kapitel gestellt und beantwortet. Ein gewichtiger Aspekt dabei seien „Health Maintenance Organisationen (HMO)“, schreiben Nöske & Birkner (S. 25). Diese könnten als „Prototyp des Versorgungsmanagements angesehen werde“, da sie erlaubten, „die damit verbundenen Vorzüge und Probleme exemplarisch darzustellen“ (ebd.). Die Entstehungsgeschichte und derzeitige Entwicklungen dieser HMO werden von den Autorinnen geschildert. Darüber hinaus nehmen Nöske & Birkner sich der Variationsbreite der Versorgungsmanagementangebote in Deutschland an. Sie beschreiben eine Reihe von institutionalisierten Formen von »Managed Care«, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben (S. 31).

In diesem Kontext zu nennen seien „Medizinische Versorgungszentren (MVZ)“, also ärztlich geleitete ambulante Einrichtungen, „in denen Ärzte und Ärztinnen fachübergreifend als Angestellte oder Freiberufler/‑innen tätig sind“ (S. 31). Seit 2004 seien solche MVZ neben der „klassischen“ Arztpraxis ebenfalls zur Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten zugelassen. Ferner könnten MVZ seit 2016 auch von Ärzt:innen der gleichen Fachrichtung gegründet werden. Zudem werde es Kommunen ermöglicht, in öffentlich-rechtlicher Rechtsformen einen Eigenbetrieb von MVZ zu vollziehen, wodurch der Gesetzgeber sich eine „erleichterte Gründung von MVZ in schlecht versorgten ländlichen Gebieten“ erhoffe. Allerdings zeigten statistische Daten, dass dies nicht erfüllt worden sei, erklären Nöske & Birkner (ebd.). MVZ siedelten sich „eher in Großstädten und städtischen Räumen an. Die Daten legen zudem nahe, dass die Kommunen kaum Gebrauch davon machen, selbst MVZ gründen zu können. Ein möglicher Grund dafür kann sein, dass Nachwuchsmediziner/‑innen auch für eine Anstellung im MVZ eher städtische Regionen bevorzugen“, heißt es im Text (S. 32).

Üblicherweise würden im Versorgungsmanagement zwei Grundtypen definiert, schreiben die Autorinnen. Das seien das Disease Management und das Case Management. Beides unterscheide sich danach, „ob es gilt, den Behandlungsablauf für eine Gruppe von Patienten und Patientinnen mit der gleichen Erkrankung zu steuern (Disease Management)“ oder „ob der Versorgungsbedarf eines einzelnen Patienten bzw. einer einzelnen Patientin zu koordinieren ist (Case Management)“ (S. 34). Disease Management bezwecke eine Steuerung der Versorgung für Patient:innen, „die an einer häufig auftretenden und schweren Erkrankung“ litten, wobei diese Behandlung anhand von wissenschaftlichen Leitlinien standardisiert werde (S. 35). Case Management hingegen diene „der Koordinierung des Bedarfs eines einzelnen Patienten bzw. einer einzelnen Patientin, unabhängig von der Art der Erkrankung“ (ebd.). Es sei mittlerweile ein eigenständiges Berufsbild mit spezifischer Weiterbildung und eigne sich im Gesundheitswesen vor allem für Personen in Pflegeberufen, „die aufgrund ihres beruflichen Hintergrunds a priori über Kenntnisse der Gesundheitsversorgung verfügen und zudem Erfahrungen im Umgang mit kranken Menschen besitzen“, schildern Nöske & Birkner (S. 38).

„Clinical Pathways (Behandlungspfade)“, die Anfang der 1990er-Jahre in den USA und in Großbritannien entwickelt worden seien, stehen ebenfalls im Fokus der Betrachtung. „Typischerweise basieren Behandlungspfade auf einer evidenzbasierten Leitlinie und geben somit den gegenwärtigen State of the Art wieder“, heißt es im Buch (S. 43). Mit diesen Pfaden werde die Vorgaben der Leitlinie in chronologischer Behandlungssteuerung umgesetzt, indem „zu jedem Zeitpunkt der Diagnostik/​Therapie/​Nachsorge die Arbeitsschritte vorgezeichnet werden“ (ebd.). Wie sich solche Pfade grafisch darstellen lassen, wird erläutert. Im weiteren Verlauf des Kapitels befassen sich Nöske & Birkner mit der Identifikation des Versorgungsmanagementbedarfs, was sie als „Patientensteuerung im Sinne einer geordneten, wissenschaftlich begründbaren und folglich nicht willkürlichen Zuweisung zur Versorgung“ beschreiben (S. 62). Heutzutage werde dies „nicht nur unter Kostenaspekten diskutiert, sondern unter dem Aspekt der Effizienz, der über die alleinige Kostenbetrachtung hinausgeht“ (ebd.)

Warum ist Versorgungsmanagement notwendig? – so lautet der Titel des zweiten, mit 12 Seiten relativ kurz gehaltenen Kapitels. Da „Versorgungsmanagement weitere Akteure und Prozesse in der bereits komplexen Versorgungslandschaft hervorbringt“, müsse es schließlich „gute Gründe geben, warum hierfür Ressourcen aufgewendet werden sollen“, schreiben Nöske & Birkner (S. 65), die sich nachfolgend zudem mit Demografie und veränderten Krankheitsspektren, mit der Intransparenz der Angebotslandschaft von Vorsorgungsleistungen und mit Fragen nach der Möglichkeit der Erhöhung der Effizienz der Angebote befassen sowie einen Blick auf den Qualitätswettbewerb der Krankenkassen werfen. Im dritten Kapitel setzen sich die Autorinnen mit den diversen Hemmnissen und Anreizen im Versorgungsmanagement auseinander. Aufmerksam machen sie auf juristische, institutionelle und ökonomische Hemmnissen, deren Spezifika erläutert werden. Ebenfalls wird auf die Bedeutung spezifischer Freiheitsrechte im Gesundheitswesen sowie auf das traditionelle Berufsverständnis im deutschen Gesundheitswesen eingegangen, das um den Beruf der Ärzt:innen herum organisiert sei, die in jeder Hinsicht im Mittelpunkt des Geschehens stünden.

„Die Behandlungsstrategie wird von ihnen festgelegt und nicht ärztliche Gesundheitsberufe sind weisungsgebunden. Im Umkehrschluss ist es Ärzten und Ärztinnen laut ihrer Berufsordnung untersagt, bezüglich ihrer ärztlichen Entscheidungen Weisungen von Personen aus nicht ärztlichen Gesundheitsberufen entgegenzunehmen“, schreiben die Autorinnen (S. 79). Das habe zur Folge, dass eine Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen nur dann erfolge, wenn Verantwortungsbereiche deutlich voneinander abgetrennt seien. In der Pflege und im Case Management hingegen herrsche eine gänzlich andere Berufsauffassung, in der Interdisziplinarität hoch geschätzt, gefördert und eingefordert werde. Die Konsequenzen aus diesen unterschiedlichen Auffassungen werden im Buch reflektiert. Ferner wird der Aspekt von Kollektivverträgen und selektivem Kontrahieren der Krankenkassen im weiteren Textverlauf beleuchtet (d.h. es wird auf die ökonomischen und juristischen Beziehungen zwischen Kassen und Leistungserbringenden eingegangen).

Die intersektorale Versorgung in Deutschland und die unterschiedlichen Arten des Versorgungsmanagements stehen im vierten Kapitel im Fokus. Hier benennt Nöske, was Versorgungsmanagement in welchem Kontext in Deutschland meint, welchen Nutzen es stiftet und welche Hürden es dabei zu überwinden gelte. Dabei geht die Autorin auch auf die Differenz von Case- und Care-Management ein und betont, dass manche Autor:innen Fallmanagement als eine Technik von Managed Care bzw. als aktives Versorgungsmanagement begriffen. Unter die allgemeinen Ansätze des Versorgungsmanagements fielen Versorgungsangebote, Versorgung eines Individuums sowie indikationsbezogene Versorgung. Auch ließen sich Versorgungsformen hinsichtlich dessen unterscheiden, ob die Leistungserbringung „eher auf Kooperation zwischen den Akteuren beruht oder die formelle Zusammenarbeit mittels Integration im Vordergrund steht“, schreibt Nöske bezugnehmend auf Hahn (2020, S. 22 f.). Eingegangen wird auf die Bedeutung intersektoraler Netzwerke, auf unternehmerische Integration und auf diagonale Kooperation/​Integration von Leistungen.

Im Anschluss daran werde die Spezifika des Case Managements und des Gatekeepings sowie die Hausarztzentrierte Versorgung, das Medikationsmanagement wie auch intersektorale Ansätze des Versorgungsmanagements beschrieben, wobei auch auf ein Best Practice-Beispiel der intersektoralen Versorgung aus einer Praxisklinik rekurriert wird. Darlegungen zum Nutzen von intersektoralem Versorgungsmanagement und zu Hemmnisse von intersektoraler Versorgung (juristisch, institutionell, ökonomisch) runden das Kapitel ab. Digitalisierung zur Förderung des Versorgungsmanagements und der Versorgungssteuerung werden im fünften Kapitel thematisiert. „Insbesondere durch den Wechsel von Leistungserbringenden und über verschiedene Sektoren hinweg, aber selbst innerhalb großer Einrichtungen entstehen in der ‚analogen‘ Welt viele Informationsbrüche, die zu Intransparenz über Vorerkrankungen und aktuelle Therapien, Medikation und bereits erfolgte Diagnostik und Therapie führen“ (S. 173). Die Folgen dessen seien mögliche Über-, Unter- und Fehlversorgung, was eine Ressourcenverschwendung wie auch ein insgesamt suboptimales Behandlungsgeschehen bewirken könne, schreibt die Autorin.

Nöske schildert, dass die Digitalisierung zur „Chefsache des BMG“ erklärt worden sei und geht in diesem Kontext u.a. auf die Bedeutung der Telematikinfrastruktur (TI), die elektronische Patientenakte (ePA) und die Standardisierung von Gesundheitsdaten ein. „Weil eine auf Freiwilligkeit beruhende Anbindung an die TI und Nutzung der ePA auf wenig Engagement der Leistungserbringenden hoffen ließ, verpflichtete der Gesetzgeber mit dem Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG), in Kraft getreten am 01.01.2020, Vertrags(zahn)ärzte/‑ärztinnen und Krankenhäuser unter Androhung von Honorarabschlägen bzw. Budgetkürzungen, sich bis zum 01.01.2021 an die Telematikinfrastruktur anzuschließen“, schreibt die Autorin (S. 174). Auch hätten Versicherte heute einen Anspruch auf digitale Pflegeanwendungen (DiPA), „wenn diese vom BfArM analog zur DiGA zugelassen wurden“ (S. 175).

Nöske nimmt sich in diesem Kapitel auch dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung, der Kostenübernahme digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA), der Heil- und Hilfsmittelverordnungen, der häuslichen Krankenpflege und weiterer Aspekte wie einer Kassen-APP an, die im Rahmen der Digitalisierung im Gesundheits- und Pflegewesen von Bedeutung seien. Sie betont, dass laut einer repräsentativen Studie unter 1.000 Versicherten aus dem Jahr 2021 das Interesse an einer elektronischen Patientenakte (ePA) hoch sei, dass „Leistungserbringende, insbesondere die niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen“, der ePA indes „weniger positiv gegenüber [stehen] der Sachverständigenrat und die von der gematik befragten Versicherten“ (S. 178). Zu bedenken sei, dass ob der hohen Datenschutzanforderungen zum Betrieb, zur Einrichtung und zur Nutzung einer ePA-App diese auf älteren Smartphones (die viele ältere Menschen nutzen) nicht genutzt werden könne.

Eine kritische Gesamtwürdigung vornehmend schreibt Nöske, dass der Gesetzgeber den Kassen erlaube, neben den gesetzlich verankerten und von der gematik spezifizierten Funktionen der ePA auch sogenannte Mehrwertanwendungen in den Kassen-Apps der ePA anzubieten. „Dies können neben Notiz- und Erinnerungsfunktionen auch Verknüpfungen mit bestehenden und neuen Angeboten sein“ (S. 193). Es könnten so ggf. „Versichertengelder effizienter eingesetzt werden, wenn besonders versorgungsintensive Patienten und Patientinnen passgenaue und wirksamere Angebote erhalten, deren Wirksamkeit dann wiederum auf Basis der ePA- und Abrechnungsdaten überprüft werden könnte“, heißt es im Text (ebd.). Allerdings bleibe abzuwarten, inwieweit die Kassen und die Versicherten von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen würden. Des Weiteren werden digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) thematisiert, welche die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder die Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen zum Ziel hätten und von Patient:innen und Leistungserbringer:innen gemeinsam genutzt werden könnten, erklärt Nöske.

Im DiGA-Leitfaden des BfArM würden die Verbesserung des Gesundheitszustands, die Verkürzung der Krankheitsdauer, die Verlängerung des Überlebens oder die Verbesserung der Lebensqualität als Anforderungen an die maßgeblichen patientenrelevanten Endpunkte Morbidität, Mortalität und Lebensqualität definiert (S. 197). Wie es um die Wirksamkeit dieser DiGA bestellt ist, wird beschrieben, wobei die Autorin deutlich macht, dass in deren Wirksamkeitsbewertung bisher eine Kosten-Nutzen-Betrachtung fehle. Bisher sei es „aufgrund der ausstehenden Nachweise bei den meisten der (vorläufig) zugelassenen DiGA noch nicht möglich, die Versorgungseffekte und das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu beurteilen“, schreibt Nöske (S. 204). Es müssten umfassendere, hochwertige Vergleichsstudien abgewartet werden.

Im zweiten Teil des Buches, an dem neben Anja Nöske auch Michael Erhart als Autor mitgewirkt hat, steht die angewandte Versorgungsforschung im Fokus. Das Kapitel beginnt mit einer Darlegung mehrerer Definitionen dessen, was unter „Versorgungsforschung“ verstanden wird. Die verschiedenen Definitionen beschreiben, so heißt es im Buch, „i.d.R. mehr oder weniger detailliert, dass sich Versorgungsforschung auf die Erforschung der Auswirkungen von Gesundheitsversorgung auf die Gesundheit der betroffenen Patienten und Patientinnen sowie der Bevölkerung bezieht. Einige Definitionen spezifizieren bereits die verschiedenen Forschungssettings. Nur wenige Definitionen beziehen auch soziale und individuelle Verhaltensfaktoren als Forschungsgegenstand ein (vgl. Lohr/Steinwachs, 2002)“ (S. 230). Einen wesentlichen Unterschied der Versorgungsforschung im Vergleich zur klinischen Forschung sehen die beiden Autor:innen in der Untersuchung der Auswirkungen von Behandlungsmaßnahmen unter Alltagsbedingungen (ebd.).

Im Hinblick auf die Versorgungsforschung in Deutschland schildern die Autor:innen im sechsten Kapitel, dass diese noch nicht auf eine vergleichbar lange Historie wie in den angelsächsischen Ländern zurückblicken könne. Erst seit Ende der 1990er-Jahre sei ein Anstieg an Studien zur Versorgungsforschung von den verschiedenen Akteur:innen des Gesundheitswesens zu konstatieren. Nöske & Erhart beleuchten positive und negative Aspekte der Entwicklung der Versorgungsforschung, schildern die Bedeutung des Datenschutz (und des Datenmangels, der manche Forschungen verhindert bzw. diese kaum repräsentativ macht) und nehmen sich auch erneut der elektronische Patientenakte (ePA) an. Hinsichtlich des Sammelns, Erhebens und Vernetzens von Gesundheitsdaten beschreiben die Autor:innen, dass momentan die Daten vor allem bei denjenigen lägen, die sie erheben – „also bei Leistungserbringenden, Krankenkassen, wissenschaftlichen Institutionen und der forschenden Industrie“ (S. 238).

Verschiedene Institutionen veröffentlichten regelmäßig eigene Gesundheitsreports auf Basis eigens erhobener Daten. „Zum Beispiel widmen sich die Gesundheitsreports des Barmer Instituts für Gesundheitsforschung (bfig) sowie die Publikationen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) jeweils konkreten Gesundheitsthemen, die der interessierten Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht werden“, heißt es im Text (ebd.). Nötig sei eine populationsbezogene, kohärente Versorgungsforschung, was eine Verfügbarkeit der Daten in Echtzeit erfordere und einheitliche Standards voraussetze. Auch sei die Verknüpfungsoption unterschiedlicher Daten essenziell. Diesbezüglich gäbe es derzeit einige Initiativen in Wissenschaft und Forschung, die das voranbrächten, schildern Nöske & Erhart, die zusammenfassend zum Ergebnis kommen, dass die elektronische Übermittlung und Weiterverarbeitung von Daten in Deutschland über Sektoren und Institutionen hinweg noch immer eher die Ausnahme als die Regel darstelle.

Es gäbe zahlreiche Datensilos, die allerdings u.a. aufgrund des restriktiven Datenschutzes in Deutschland oft nicht verknüpft werden (könnten). Auch sei „der Stand der Digitalisierung und die Datenqualität als eher gering zu bewerten“ (S. 242). Relevante Gesundheitsdaten müssten „auffindbar, zugänglich, interoperabel, wiederverwendbar und verknüpfbar sein. Zudem müssten sich die institutionellen Rahmenbedingungen ändern. Dies betrifft den Datenschutz, die vereinfachten Möglichkeiten zur Einwilligung in die Datenverarbeitung aus Sicht der Patientinnen und Patienten sowie den erleichterten Zugang zu Forschungsdaten für Industrie und Wirtschaft“, schreiben die Autor:innen bezugnehmend auf ein Gutachten des Sachverständigenrat aus 2021 (ebd.). Im weiteren Kapitelverlauf wird dann anhand diverser Beispiele auf die länderübergreifende Versorgungsforschung eingegangen.

Der Gegenstand der Versorgungsforschung in Deutschland wird von Nöske & Erhart im siebten Kapitel thematisiert. Hier wird zunächst rekapituliert, dass es bei der Versorgungsforschung in Deutschland um die Beschreibung und Erklärung der Versorgungssituation, die wissenschaftliche Weiterentwicklung von Versorgungskonzepten, die wissenschaftliche Begleitung der Umsetzung von Versorgungskonzepten und die Evaluation der Versorgungssituation unter Alltagsbedingungen ginge (S. 250 f.). Ziele seien „die verbesserte Abschätzung von Wirksamkeit und Nutzen der medizinischen Versorgung sowie die Verbesserung ihrer Effizienz und Qualität“, die kontinuierliche „Evaluation des Gesundheitssystems und die Erfassung der Auswirkungen von veränderten Strukturen“ und Behandlungsstrategien, „die Identifikation von Schwächen und Veränderungsbedarfen“, „die Zusammenführung von wissenschaftlicher Versorgungsforschung und -praxis, der Abbau von Barrieren bei der Umsetzung von wissenschaftlichen Ergebnissen“ sowie „eine erhöhte Multidisziplinarität im methodischen Ansatz, das Schaffen von strukturellen, konzeptuellen und methodischen Voraussetzungen für effektive Forschungsarbeit“ (S. 251).

Wichtige Themen der Versorgungsforschung seien z.B. das Erhöhen und Aufzeigen von Zugangsmöglichkeiten bzw. der Abbau von Zugangsbarrieren zum Versorgungssystem, die Verteilung von Lasten und Nutzen auf die Bevölkerung, die Sicherstellung und Steigerung der Versorgungsqualität, das Vermeiden von Schäden, die Angemessenheit von Leistungen und das Setzen von „Anreizwirkungen aufseiten der Leistungsanbietenden“ wie auch die Sicherstellung uns Überprüfung von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Versorgung auf allen Ebenen. Teildisziplinen der Versorgungsforschung sind Nöske & Erhart zufolge Bedarfsforschung, Inanspruchnahmeforschung, Organisationsforschung, Health-Technology-Assessment, Versorgungsökonomie, Versorgungsepidemiologie und Qualitätsforschung (S. 255). Nicht zur Versorgungsforschung gehörten laut Bundesärztekammer die Evaluation von medizinischen Produkten und Maßnahmen, Metaanalysen, systematische Reviews und klinischen Studien, „sofern diese sich nur auf die medizinische Wirkung, aber nicht (wenigstens auch) auf den Nutzen der entsprechenden Versorgungsmaßnahmen beziehen“, die „Arzneimittelstudien der Phasen I bis III“ sowie „Studien, die nicht explizit gesundheitsbezogene Dienstleister untersuchen“ wie auch „analytische Epidemiologie, die auf die Identifikation von Ursachen und risikoerhöhenden Faktoren (von Erkrankungen) fokussiert sind, sich aber nicht auf spezifische Versorgungsformen bezieht“ (S. 258).

Was die Methoden der Versorgungsforschung anbelangt, benennen die Autor:innen bezugnehmend auf eine Stellungnahme der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) deskriptive Studien, prognostische Studien, evaluative Studien, analytische Studien, (quasi-)experimentelle Studien, planend-beratende Studien, theoretische Studien und explorative Studien als Möglichkeiten der Forschung. Was unter diesen Studien-Typen zu verstehen sei, wird dargelegt. Im Hinblick auf die in der Versorgungsforschung angewandten Forschungstechniken, die von qualitativer und quantitativen Natur sein können, werden teilnehmende und nicht teilnehmende Beobachtung, Expert:innen-Interviews, Gruppenbefragungen/​-diskussionen, systemische Reviews, Dokumentenanalysen, Sekundäranalysen, Metaanalysen, Primärdatenanalysen sowie die Delphi-Methode benannt und beschrieben. Auch auf statistische Verfahren wird eingegangen. Die Grundfrage, die ob der vielen Möglichkeiten der Forschung stets von Bedeutung ist, sei, wann welches Studiendesign und wann welche Forschungstechnik(en) probat seien. Konkludent gehen Nöske & Erhart in diesem Kapitel ebenfalls auf die Anforderungen an eine „gute“ Versorgungsforschungsstudie ein und beschreiben diese. Das Kapitel endet mit einer Auflistung und Beschreibung von Einrichtungen der Versorgungsforschung in Deutschland, einer Skizzierung von Forschungsnetzwerken, Forschungsinstituten und Fachzeitschriften.

Integrierte Versorgungskonzepte stehen im Zentrum des achten Kapitels. Diese bezögen sich, so heißt es im Text, „auf die enge Zusammenarbeit zwischen hausärztlichen, fachärztlichen und stationären Leistungserbringenden bei der Versorgung bestimmter Krankheitsbilder. Diese Verträge zur Integrierten Versorgung (IV) können auch direkt zwischen den Versorgenden und den Krankenkassen organisiert werden“ (S. 295). Das Ziel sei es, Wirtschaftlichkeit und Versorgungsqualität mittels sektorenübergreifender Arbeitsteilung zu fördern. Die Versorgung solle dabei aus einer Hand erfolgen, um zu vermeiden, dass Patient:innen verloren gingen. „Den Akteuren vor Ort wird mehr Freiheit zur eigenverantwortlichen Versorgung eingeräumt. Insgesamt soll die Innovationskraft für eine verbesserte Versorgung gefördert werden“ (S. 296). Für die Versorgungsforschung stellt sich den Autor:innen zufolge die Frage nach der Qualität, den Kosten und dem Nutzen der integrierten Versorgung. Schwierig sei die Identifikation von Über-, Unter- und Fehlversorgung.

Kriterien und (Behandlungs-)Leitlinien sollten evidenzbasiert sein, die bedarfsgerechte Versorgung könne aber „niemals allein anhand ‚objektiver‘ medizinischer Kriterien wie Diagnosen, Laborwerten und Funktionstests bestimmt werden“, merken Nöske & Erhart an (S. 301). Wichtig sei „auch die Berücksichtigung der subjektiven Wahrnehmungen, Erwartungen und Einschätzungen der Betroffenen sowie deren sozialer Situation. Hierzu gehört z.B. die soziale Unterstützung, die aus der Familie, dem Freundeskreis oder der Nachbarschaft bezogen werden kann“ (ebd.). Zur Beurteilung bzgl. der Passung einer Versorgung sei es erforderlich, zu untersuchen, „ob z.B. die Behandlungsleitlinien im Alltag beachtet werden, d.h. ob die in Leitlinien spezifizierten Maßstäbe auch bei den Versorgungsleistenden und den Patienten und Patientinnen umgesetzt werden und wie lange es dauert, bis festgesetzte Richtlinien in der ‚Versorgungsrealität‘ ankommen“ (ebd.). Beispiele für Über- und Unterversorgung werden im Text benannt. Auch wird auf den Zusammenhang von sozioökonomischem Status und Gesundheitszustand eingegangen.

Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention müssten daher „spezifisch auf sozial benachteiligte Gruppen zugeschnitten sein. Insbesondere sind Maßnahmen notwendig, die den Zugang der Betroffenen zu diesen Fördermaßnahmen erleichtern. Gerade sozial Benachteiligte werden von unspezifischen Maßnahmen kaum erreicht. Ansonsten werden Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention, die unspezifisch für die gesamte Bevölkerung angeboten werden, am stärksten von besser gestellten Schichten genutzt“, heißt es im Text (S. 310 f.). Zu bedenken sei ferner, dass Menschen aus niedrigen sozioökonomischen Statusgruppen häufiger Allgemeinmediziner:innen, aber seltener Fachärzt:innen aufsuchten als Menschen mit hohem sozioökonomischem Status. Dass die Gesundheitsversorgung in Deutschland durch weitgehend unabhängig voneinander existierende Versorgungsbereiche gekennzeichnet sei, erschwere „die koordinierte Zusammenarbeit bei der Versorgung eines Patienten bzw. einer Patientin (vgl. Mühlbacher, 2002, S. 52 ff.).“

Die mangelnde Koordination der Versorgung verursache an den Übergängen zwischen den Versorgungssektoren Wartezeiten, unnötige Doppeluntersuchungen und -behandlungen, überflüssige Zusatzuntersuchungen und infolge nicht weitergegebener Information Über-, Unter- und Fehlversorgungen“, mahnen die Autor:innen an (S. 312). Es fehle die Verzahnung, denn Diagnose und Behandlung einer Krankheit seien ein zusammenhängender Prozess, „bei dem die unterschiedlich spezialisierten Leistungserbringenden sinnvoll zusammenwirken und sich ergänzen können“ (S. 313). Als Beispiel für integrierte Versorgungskonzepte werden sogenannte Komplexpauschalen aufgezeigt, über die in der gesetzlichen Krankenversicherung mehrere Versorgungsleistungen verbunden werden, die von unterschiedlichen Leistungserbringenden erbracht werden, „indem ein Bündel von ambulanten, teilstationären, vollstationären Behandlungen und eventuell sich anschließenden rehabilitativen Versorgungen durch eine pauschale Vergütung abgedeckt wird“ (S. 320).

Nöske & Erhart legen dar, dass zur Steuerung der Integrierten Versorgung unterschiedliche Modelle zur Verfügung stünden. Explizit gehen sie im neunten Kapitel auf Case Management, Disease Management und Gatekeeping ein. Was unter diesen Ansätze zu verstehen sei und inwieweit sie nützlich sein können, wird hier skizziert, bevor im letzten Kapitel der Blick nochmals auf die sektorenübergreifenden Versorgungsstrukturen gerichtet wird. Hier werden einige Modellprojekte beschrieben, bevor im Detail näher auf psychiatrische Versorgungsmodelle, das Prosper-Modell der Bundesknappschaft, weitere Gesundheitsnetze, die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach § 116b SGB V sowie auf die Evaluation sektorenübergreifender Versorgungsstrukturen eingegangen wird. Der Text endet mit einer Schlussbetrachtung, in der angemerkt wird, dass das Versorgungsgeschehen häufig unbekannt bleibe, in Anbetracht der finanziell enger werdenden Rahmenbedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung und soziodemografisch bedingt jedoch heute notwendiger denn je sei. Die Versorgungsforschung in Deutschland stehe vor vielfältigen Herausforderungen, zu denen „umfassende, langfristig angelegte und methodisch hochwertige wissenschaftliche Untersuchungen notwendig“ seien, lautet das Fazit (S. 374).

Diskussion

Was lässt sich zu dem Buch nun festhalten? Ist es lesenswert? Wie ist die inhaltliche Qualität? Wer profitiert von der Lektüre und welche Kritikpunkte gibt es? Die Antworten auf diese Fragen sind subjektiv. Aus Sicht des Rezensenten, der selbst als Case Management-Ausbilder zum Vorsorgungsmanagement forscht und ausbildet, lässt sich dazu folgendes sagen:

Inhaltliches: Leser:innen bietet der Sammelband einen guten und hinreichend fundierten Überblick darüber, was Versorgungsmanagement alles umfasst, wie es aussehen kann, welche Aspekte rechtlicher, prozessualer, IT-technologischer und ökonomischer Art dabei eine Rolle spielen, welche Probleme im Versorgungsmanagement bestehen und wie diese konstruktiv angegangen werden können (und sollten). Auch darüber, wie zum Versorgungsmanagement geforscht wird, welche Forschungsaspekte aktuell fokussiert werden und inwieweit das hiesige Versorgungsmanagement von Erfahrungen aus dem Ausland profitieren kann, werden Leser:innen aufgeklärt. Die Frage, welche organisationalen Rahmenbedingungen Einfluss auf das Gelingen des Versorgungsmanagements nehmen, werden im Text beantwortet. Ebenfalls wird gut verständlich und beispielhaft auf die hohe Bedeutung der Digitalisierung im Gesundheitswesen eingegangen. Was gutes Versorgungsmanagement in welchen Konstellationen auszeichnet, in welche Prozessschritte es sich unterteilen lässt und welch hohe Bedeutung der Netzwerkarbeit und der interprofessionellen Zusammenarbeit zukommt (an der es manchmal hapert, sei es auch Datenschutzgründen, aus rechtlichen oder aus professionspraktischen Gründen), wird im Text gut deutlich gemacht.

Positiv hervorhebenswert sind die vielen Fallbeispiel, denen es zu verdanken ist, dass der Text sich nicht auf allgemeingültig-abstrakte Darlegungen beschränkt, sondern beispielhaft erfahrbar macht, wie sich Versorgungsmanagement in der Praxis ganz konkret vollzieht und wie etwaige Hürden dabei angegangen werden können. Wer noch keinerlei Vorwissen zum Thema Versorgungsmanagement hat, kann sich mittels der Lektüre des Buches ein solides Überblickswissen erarbeiten, das den aktuellen Stand der Forschung und Gesetzgebung in diesem volatilen Bereich gut abdeckt. Aber auch Menschen, die bereits Vorwissen haben, können von der Lektüre profitieren, da sie darin auf innovative, ihnen ggf. bisher noch unbekannte »good practices« von Versorgungskonzepten stoßen können.

Als Kritikpunkt sieht der Rezensent lediglich, dass die Darlegungen über Versorgungsforschung zu Steuerungsmodellen der Integrierten Versorgung, insbesondere zum Case Management, doch relativ kurz ausfallen. In Folge dessen, dass Case Management eine so bedeutende Methode im Vorsorgungsmanagement ist, wäre es aus Sicht des Rezensenten wünschenswert gewesen, diesen Aspekt weiter zu vertiefen und aufzuzeigen, wie sich das Case Management im Gesundheitswesen in den letzten 10 Jahren, in denen die Publikationen dazu deutlich zugenommen haben, weiter entwickelt hat. Davon abgesehen ist ein weiterer Kritikpunkt, dass das Werk diverse Redundanzen enthält, was in Werken mit multipler Autor:innenschaft allerdings auch nicht unüblich ist. Das muss nicht per se schlecht sein, da Wiederholung auch den Lerngewinn befördern (können), durch mehr Stringenz hätte das Werk aber gut um 50 Seiten gekürzt werden können, ohne an inhaltlicher Qualität einzubüßen. Alles in allem mindert dies die Qualität des Werkes, die als hoch einzuschätzen ist, aber nicht wirklich.

Zielgruppe: Das Werk richtet sich an Fachkräfte im Gesundheitswesen wie z.B. Versorgungs- und Case Manager:innen, Krankenhaussozialarbeiter:innen, Pflegefachkräfte sowie Public Health Manager:innen. Auch Studierende der Sozial-, Pflege- und Gesundheitswissenschaften sowie der Sozialen Arbeite und des Gesundheitsmanagements können von der Lektüre profitieren. Gleiches gilt für Ärzt:innen und Medizin-Studierende, die ganzheitlich auf die Behandlung von Menschen blicken und ihr Wissen über diversen Schnittstellenproblematiken im Gesundheitswesen vertiefen möchten. Das Buch ist darüber hinaus auch für Führungskräfte mit Managementverantwortung wie Krankenhaus-, Sozial- und Pflegedienstleitungen als Lektüre und Nachschlagewerk geeignet. Sehr gut lässt es sich aufgrund der zahlreichen Beispiele und Übungsaufgaben auch in der Lehre an Hochschulen einsetzen.

Formale Gestaltung: Wie für Fachbücher des Apollon-Verlages üblich ist das Werk fachbuchtypisch gestaltet, klar gegliedert und sehr gut aufgemacht. Alle Abbildungen sind klar erkennbar und anschaulich, überdies ist das Schriftbild gut zu lesen. Der Text selbst liest sich ebenfalls recht gut, wenngleich es manche doch arg lange Schachtelsätze darin gibt. Didaktisch sehr gut ist, dass sich zahlreich, durch Grauschattierung gut hervorgehobene, Fachbeispiele durch den gesamten Text ziehen. Gleiches gilt für Lesetipps, Definitionen und sonstige Hinweise, die das im Text thematisierte veranschaulichen oder bestimmte Aspekte vertiefen. Dem Verständnis wie auch dem schnellen Nachschlagen dienlich ist, dass sich kompakte Zusammenfassung des jeweils im Kapitel Thematisierten an den Kapitelenden finden. Ebenfalls sehr gut ist, dass jedes Kapitel mit mehreren Aufgaben zur Selbstprüfung abschließen, anhand derer Leser:innen herausfinden können, ob sie das im Kapitel Behandelte verstanden haben. Lösung zu den Aufgaben finden sich im Anhang ebenso wie ein Abkürzungsverzeichnis, ein Glossar, ein Rechtsquellen-, Abbildungs- und Sachwortverzeichnis sowie das obligatorische Inhaltsverzeichnis.

Fazit

Anja Nöske legt mit »Zukunftsorientiertes Versorgungsmanagement« ein lesenswertes, sehr informatives Werk vor, das sich als Grundlagen- und Nachschlagewerk für Fachpraktiker:innen und Führungskräfte im Gesundheitswesen ebenso eignet wie als Lehrbuch für Dozent:innen und Studierende an Hochschulen. Leser:innen können sich durch die Lektüre einen soliden Überblick dazu verschaffen, wie vielfältig sich Versorgungsmanagement gestaltet und welche Potenziale darin liegen.

Rezension von
Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf
Sozialwissenschaftler, Diplom-Sozialarbeiter/-pädagoge (FH), Sozial- und Organisationspädagoge M. A., Case Management-Ausbilder (DGCC), Systemischer Berater (DGSF), zertifizierter Mediator, lehrt Soziale Arbeit und Integrationsmanagement an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim.
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ISSN 2190-9245