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Diethelm Klesczewski, Janika Kepser et al. (Hrsg.): Ökologische Transformation von Gesellschaft und Recht

Rezensiert von Lea Dohm, 15.07.2024

Cover Diethelm Klesczewski, Janika Kepser et al. (Hrsg.): Ökologische Transformation von Gesellschaft und Recht ISBN 978-3-8325-5745-4

Diethelm Klesczewski, Janika Kepser, Felix Lingath, Frank Neuhaus (Hrsg.): Ökologische Transformation von Gesellschaft und Recht. Logos Verlag (Berlin) 2023. 164 Seiten. ISBN 978-3-8325-5745-4. D: 39,00 EUR, A: 40,50 EUR.

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Thema

Das Buch „Ökologische Transformation von Gesellschaft und Recht“ ist eine Zusammenstellung von Vorträgen der Sommerakademie mit gleichnamigem Titel des Vereins „Academia Philosophia Iuris“ aus dem Jahr 2022. In sämtlichen Beiträgen wird die nötige gesellschaftliche Transformation in Richtung Nachhaltigkeit grundsätzlich anerkannt und aus interdisziplinären Perspektiven beleuchtet.

Autor:innen und Herausgeber:innen

Die Herausgeber:innen sind Diethelm Klesczewski, Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie sowie Janika Kepser, Felix Lingath und Frank Neuhaus, wissenschaftliche Mitarbeiter:innen an der gleichen Fakultät.

Die Beiträge im Buch stammen von zwölf Autor:innen mit folgenden beruflichen Hintergründen: Staatswissenschaften, Plurale Ökonomik, Jura/Rechtswissenschaften, öffentliches Recht, Umweltethik, Umweltpolitik, Landschaftsentwicklung, Peace Research, (Wirtschafts-) Strafrecht, Kriminologie, Philosophie und Soziologie.

Entstehungshintergrund

Die Sommerakademie, auf der die Beiträge dieses Buches in Form von Vorträgen erstmals dargestellt wurden, sah es als Grundlage der Diskussion, dass die unserer Rechtsordnung zugrunde liegenden Strukturen durch die Klimakrise vielfach in Frage gestellt und neu gedacht werden müssen. In welcher Form dieses Wissen erschlossen und umgesetzt werden kann, damit beschäftigen sich die Artikel des Buches aus verschiedenen Perspektiven.

Aufbau

„Ökologische Transformation von Gesellschaft und Recht“ gliedert sich nach einem Vorwort in sieben Kapitel sowie einen Tagungsbericht der Sommerakademie auf. Die Kapitel umfassen je 14–32 Seiten, fallen durch verschiedene Herangehensweisen an das Thema auf und sind unterschiedlich voraussetzungsvoll für die Lesenden.

Inhalt

Im ersten Kapitel beschreibt Helge Peukert, Professor für Plurale Ökonomik, Wirtschafts- und Staatswissenschaftler, die Faktenlage rund um die Klimakrise auf anschauliche Art und Weise. Inhaltlich geht er z.B. auf den Begriff des „Restbudgets“ nach Definition des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) ein und macht deutlich, dass der im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbarte 1,5 Grad Pfad „völlig unrealistisch“ sei. Auch Ökomodernismus, d.h. die Abkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch und den Emissionen sei eine „Illusion“. Peukert listet im Folgenden gut verständlich und anschaulich auf, was für eine ökologische Transformation gesellschaftlich geschehen müsste („kleiner Maßnahmenkatalog“ von der Rolle der Zentralbank bis hin zur Mobilitätswende). Beim Lesen scheint die Empörung des Autors über die verschleppte Klimapolitik spürbar.

Das zweite Kapitel des vorliegenden Buches widmet sich dem berühmt gewordenen „Klima-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts. Felix Ekardt, Jurist, Philosoph, Soziologe und selbst an der zum Urteil führenden Verfassungsbeschwerde beteiligt, geht darin v.a. auf den Freiheitsbegriff ein: Einerseits sei die Klimakrise an sich eine Freiheitsgefährdung für die Menschen, andererseits sei es eine überstürzte, weil zuvor verschlafene Klimapolitik jedoch auch. Klimaschutz bedeute immer auch intertemporale und globale Freiheitssicherung. Die wegweisende Bedeutung des historischen Urteils wird in diesem Beitrag deutlich.

Die folgenden beiden Kapitel beleuchten aus umweltethischer und soziologischer Perspektive die physiozentrischen Prinzipien der Ethik im deutschen Recht (Kapitel drei) sowie die Dialektik des Natur- und Rechtsverständnisses (Kapitel vier). Die Darstellung der ethischen Grundlagen erfolgt überwiegend theoretisch. Kapitel vier erscheint offenbar als unüberarbeiteter Originaltext der Sommerakademie, was die Lesbarkeit reduziert.

Yannik Thomas, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht der Universität Freiburg, widmet sich in Kapitel fünf der mit Klimaschutzmaßnahmen verbundenen Frage der Verteilungsgerechtigkeit. In anschaulicher Weise beschreibt er z.B. die Unterschiede, die sich aus der Frage ergeben, ob und wie die übrigen Ressourcen, aber auch die notwendigen Emissionsminderungen, auf die heute lebenden Menschen aufgeteilt werden sollten – und wie sich diese Gerechtigkeitsfragen verändern, wenn auch zukünftige Generationen in die Überlegungen einbezogen werden. Auch Klimageld, Emissions- und Zertifikatshandel werden beschrieben und bzgl. ihrer Verteilungsgerechtigkeit eingeordnet.

Abgeschlossen wird das Buch von einem Kapitel zur feministischen Rechtswissenschaft (Kapitel sechs) sowie einem soziologischen siebten Kapitel, das Degrowth und Green Growth Ansätze einer sozial-ökologischen Transformation vergleicht. Das Buch endet mit einem kurzen Tagungsbericht der Sommerakademie.

Diskussion

In dem vorliegenden Sammelband mit Vorträgen der Sommerakademie unterscheidet sich die Qualität und Lesbarkeit der Beiträge zum Teil erheblich. Als Nicht-Juristin, die gut in das Thema der sozial-ökologischen Transformation eingearbeitet ist, erschienen der Autorin einige Aspekte leider nur schwer zugänglich und die an die Vorträge angelehnte Argumentationsweise zum Teil eher assoziativ oder sehr theoretisch (v.a. in Kapitel drei und sechs).

Positiv fielen vor allem das erste Kapitel zur Umweltzerstörung einer wachstumsabhängigen Marktwirtschaft sowie das fünfte Kapitel zur Verteilungsgerechtigkeit auf: In beiden Beiträgen wurden abstrakte Zusammenhänge in hervorragender Lesbarkeit aufgearbeitet. Sie wecken Interesse, sich einerseits z.B. über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, aber auch über die Tücken des Emissionshandels weiter zu informieren. Beim Lesen entsteht ein Eindruck über die Chancen, aber auch die Grenzen einer juristischen Herangehensweise an die nötigen gesellschaftlichen Transformationsprozesse: Ermutigende und ernüchternde Aspekte stehen hier schließlich in ihrer Wirkung nebeneinander.

Insgesamt trägt die Lektüre des Buches auch dazu bei, das eigene Verständnis über die Rechtswissenschaft und ihre zugrunde liegenden Theorien in Bezug auf die Klimakrise auszubauen. Es ist ermutigend, dass Expert*innen sich mit diesen Themen inkl. ihrer „dicken Bretter“ beschäftigen, wenngleich hier auch noch viel fachliche Arbeit zu leisten scheint, um einen wirkungsstarken Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation bieten zu können.

Fazit

Das Buch „Ökologische Transformation von Gesellschaft und Recht“ ist ein Sammelband von Vorträgen der Sommerakademie mit gleichnamigem Titel des Vereins „Academia Philosophia Iuris“ aus dem Jahr 2022. Die sieben Beiträge verschiedener Autor*innen unterscheiden sich in Zugänglichkeit und Lesbarkeit teils erheblich. Insgesamt scheint das Buch vor allem für juristisch vorgebildete Menschen interessant, wobei insbesondere die Kapitel eins und fünf darüber hinaus eine gesonderte Veröffentlichung z.B. in einer Zeitschrift verdient hätten.

Rezension von
Lea Dohm
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Es gibt 3 Rezensionen von Lea Dohm.

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Zitiervorschlag
Lea Dohm. Rezension vom 15.07.2024 zu: Diethelm Klesczewski, Janika Kepser, Felix Lingath, Frank Neuhaus (Hrsg.): Ökologische Transformation von Gesellschaft und Recht. Logos Verlag (Berlin) 2023. ISBN 978-3-8325-5745-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31745.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.


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