Thorsten Heedt: Borderline-Persönlichkeitsstörung (griffbereit)
Rezensiert von Wolfgang Schneider, 07.05.2024
Thorsten Heedt: Borderline-Persönlichkeitsstörung (griffbereit). Die wichtigsten Therapieverfahren.
Schattauer
(Stuttgart) 2024.
2., aktualisierte und überarbeitete Auflage.
378 Seiten.
ISBN 978-3-608-40174-5.
D: 38,00 EUR,
A: 39,10 EUR.
Reihe: griffbereit.
Thema
Dieses Buch bietet einen aktuellen und fachkundigen Überblick über die Borderline-Persönlichkeitsstörung und mögliche Herangehensweisen in verschiedenen Phasen der Therapie. Im Mittelpunkt stehen dabei die wichtigsten Therapieansätze: DBT nach Linehan, MBT nach Bateman und Fonagy, die Schematherapie nach Young und TFP nach Kernberg.
AutorIn oder HerausgeberIn
Dr. med Thorsten Heedt ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Außerdem hat er einen Master in Health Business Administration und ist zertifizierter EMDR-Therapeut. Er ist Oberarzt der Akutklinik Bad Saulgau mit den klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunkten Depression, Trauma insbesondere die Behandlung mit EMDR sowie die Borderline-Persönlichkeitsstörung.
Entstehungshintergrund
Es handelt sich um die zweite aktualisierte und überarbeitete Neuauflage, bei der vor allem der neue Forschungsstand seit der Erstauflage neu eingearbeitet wurde. Die Erstausgabe erschien 2018.
Aufbau und Inhalt
Zunächst liefert der Autor einige grundlegende Informationen zur Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). So stehen unter anderem die Symptomatik und Entstehung der Störung im Fokus, wobei Thorsten Heedt gleich mit der häufig anzutreffenden Einschätzung aufräumt, dass die BPS fast ausschließlich auf traumatischen Erfahrungen in der Kindheit fuße.
Das zweite Kapitel widmet sich der DBT – Dialektisch-Behaviorale Therapie – nach Linehan, eines der bekanntesten Therapiekonzepte in diesem Zusammenhang, das sich klar und deutlich auf die Seite der Klient:innen stellt. Sehr kleinschrittig beschreibt der Autor die einzelnen Schritte und Vorgehensweisen, setzt sich aber auch mit dem Umgang mit Suizidalität und Aggressivität im Rahmen der Therapie auseinander. Das Kapitel schließt mit einem Blick auf neurobiologische Auswirkungen der DBT. Ein umfassendes Literaturverzeichnis findet sich wie bei den folgenden Kapiteln auch am Ende dieses Kapitels.
Das zweite vorgestellte Therapiekonzept ist die Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT), die auf einem 18-monatigen Programm fußt, Dieses startet mit einer ausführlichen Diagnostik, Einschätzungsprozeduren und einführenden Sitzung. Im späteren Verlauf stehen Einzel- und Gruppentherapien auf dem Plan sowie die Erstellung von Krisenplänen.
Die Schematherapie und ihre Anwendung bei einer BPS sind Inhalt des vierten Kapitels. Dieses Konzept wurde in den 1990-er Jahren von Jeffrey Young entwickelt und beinhaltet eine Mischung von Elementen der Kognitiven Verhaltenstherapie und erlebnisorientierten Techniken. Die Herausforderung dieser Therapieform liegt in der langen Dauer – bis zu vier Jahren. Unter Schemata wird in diesem Zusammenhang verstanden, dass in der Kindheit organisierte Strukturen des Denkens, Handelns und Fühlens entwickelt wurden, die sich in bestimmten Verhaltensweisen, Gedanken und Emotionen zeigen.
Recht kurz wird eine mittlerweile auch evidenzbasiert wirksame Therapieform vorgestellt, die ein rund 20-wöchiges Programm umfasst. Das besteht aus Gruppensitzungen, in die Elemente der Kognitiven Verhaltenstherapie, des Skillstrainings aber auch eine systemische Perspektive einfließen. Diese Therapieform wird ambulant angeboten und nennt sich STEPPS, was ein Akronym für „System Training for Emotional Pracitiability and Problem Solving“ ist.
Nach einem kurzen Exkurs in die Neurobiologie, Genetik, Epigenetik und Psychotherapie der Posttraumatischen Belastungsstörung vergleicht der Autor die zuvor dargestellten BPS-Therapiekonzepte. Dabei greift er unter anderem auf die Merkmale Theoretische Fundierung, Erlernbarkeit, Erklärbarkeit, Komorbiditäten und Evaluationskonzepte zurück.
Im neunten Kapitel wagt das Buch einen Blick in die Zukunft. Es wird eine Idee der idealen BPS-Therapie entwickelt und was dazu aktuell noch fehlt. Zum Abschluss folgt ein eingefügtes Kapitel, das sich neuen Entwicklungen seit der ersten Auflage widmet. Dazu gehören neben Veröffentlichungen seit 2021 auch die neu entwickelte Borderline-Leitlinie.
Diskussion
Die Arbeit mit Menschen, die von einer BPS betroffen sind, gleicht manchmal einem Waschmaschinen-Schleudergang. Es tut anhand der in der Einleitung erzählten Fallbeispiele aus der klinischen Praxis des Autors schon gut, dass das einem solchen Fachmann nicht viel anders geht. Mit seinem flüssigen Schreibstil gelingt es Thorsten Heedt durchgängig, komplexe Fakten und Informationen an die Leser:innen zu vermitteln. Und so hilft es wirklich, die auf dem Buchrücken gestellten Fragen – zumindest in der Theorie – zu beantworten: Lassen Ihre Patient:innen ein ruhiges, kontinuierliches Arbeiten an der Problematik kaum zu? Verwirren sie das Behandlungsteam, entwerten die Therapie und drohen bei Entlassung mit Selbstverletzung oder Suizid?
Auch wenn sich der Titel von der Ausrichtung her eher an medizinisches und therapeutisches Personal wendet, bietet er auch für Sozialarbeiter:innen viele Ansätze, die im Alltag hilfreich sein können. Denn dass die Arbeit mit BPS-Patient:innen oder -Klient:innen sehr anspruchsvoll sein kann, ist bekannt. Umso wichtiger ist es, ein gutes Verständnis für dieses Störungsbild zu haben und Möglichkeiten und Grenzen von Therapie zu kennen. Und das gelingt mit diesem Buch hervorragend.
Fazit
Eine große Vielzahl von Informationen, die sich flüssig lesen lässt und Dank eines strukturierten Layouts auch für Wissensvermehrung sorgt, dazu ein in Wissenschaft und Praxis erfahrener Autor – schon ist ein hilfreiches Buch veröffentlicht, das auch über Professionsgrenzen hinaus hilfreich sein kann.
Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
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Zitiervorschlag
Wolfgang Schneider. Rezension vom 07.05.2024 zu:
Thorsten Heedt: Borderline-Persönlichkeitsstörung (griffbereit). Die wichtigsten Therapieverfahren. Schattauer
(Stuttgart) 2024. 2., aktualisierte und überarbeitete Auflage.
ISBN 978-3-608-40174-5.
Reihe: griffbereit.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31770.php, Datum des Zugriffs 03.11.2024.
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