Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Doris Klappenbach-Lentz: Mediative Kommunikation

Rezensiert von Prof. Dr. Josef Freise, 31.12.2024

Cover Doris Klappenbach-Lentz: Mediative Kommunikation ISBN 978-3-7495-0483-1

Doris Klappenbach-Lentz: Mediative Kommunikation. Mit Rogers, Rosenberg & Co. konfliktfähig für den Alltag werden. 2. überarbeitete Auflage. Junfermann Verlag GmbH (Paderborn) 2024. 304 Seiten. ISBN 978-3-7495-0483-1. D: 34,00 EUR, A: 35,00 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Thema

Mediative Kommunikation ist ein Ansatz der Gesprächsführung für Personen, die Konflikte zwischen zwei Konfliktparteien erhellen und klären wollen. Diese Personen sind z.B. Trainer:innen, Mediator:innen, Coaches und Moderator:innen.

Der Ansatz der mediativen Kommunikation verbindet zwei schon bestehende Gesprächsführungstraditionen: Die erste Tradition ist das Konfliktmanagement mit der Methode der Mediation. Dieser Ansatz hat eine klare Struktur: Die Konfliktparteien legen nacheinander ihre Sicht der Dinge dar. Der/die Konfliktvermittlerin moderiert und hilft dabei, dass die Konfliktparteien selber Lösungen finden. Brainstorming, das Auflisten möglicher Lösungen, verschriftlichte Abmachungen zwischen den Konfliktparteien und spätere Überprüfung der Einhaltung dessen, was verabredet wurde, sind Elemente dieses Ansatzes.

Die zweite Traditionslinie bezieht sich auf Gesprächsführungsansätze, die der Humanistischen Psychologie nahestehen. Dabei geht es u.a. um die Frage einer respektvollen Haltung, um Werteorientierung und um die Berücksichtigung von Gefühlen und Bedürfnissen.

Beide Ansätze zusammenzubringen, macht das Spezifische der mediativen Kommunikation aus.

Mediative Kommunikation kann sowohl in privaten Konflikten z.B. bei Ehe- und Partnerkonflikten, wie auch in beruflichen Teamkonflikten oder bei Auseinandersetzungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden eingesetzt werden.

Autorin

Die Autorin Doris Klappenbach-Lentz ist Direktorin des Instituts für Mediative Kommunikation und Diversitätskompetenz an der Internationalen Akademie Berlin gGmbH. Dort ist Mediative Kommunikation Ausbildungsansatz eines modularen Zertifikationsstudienprogramms. Das hier vorliegende Buch stellt quasi das Lehrbuch für dieses Studienprogramm dar.

Entstehungshintergrund

Als Doris Klappenbach-Lentz Frauenbeauftragte an der Freien Universität Berlin war, wurden vielfältige Konflikte an sie herangetragen. Die Bearbeitung dieser Konflikte prägte auch ihre Promotion zur Diversity-Kompetenz. Der Alltag der Autorin „ist seitdem weiterhin geprägt durch verschiedene Anwendungsfelder Mediativer Kommunikation – ob im Rahmen von Begleitung und Beratung, im Privaten oder in der Zusammenarbeit“ (S. 259).

Aufbau

In 2. Auflage stellt Doris Klappenbach-Lentz auf knapp 300 Seiten die meditative Kommunikation vor. Im ersten Kapitel erläutert sie die Ursprünge und die Entwicklung der Mediativen Kommunikation. Im zweiten Kapitel geht sie auf die Haltung der Mediativen Kommunikation ein. Das dritte Kapitel stellt unterschiedliche Elemente dieses Ansatzes vor. Im vierten Kapitel werden Methoden präsentiert und reflektiert. Das abschließende fünfte Kapitel gibt einen Ausblick auf die situationsgerechte Kombination der unterschiedlichen Elemente und Methoden der Mediativen Kommunikation.

 Inhalt

Im Alltag wird bei Konflikten schnell nach Schuldigen gesucht, das Konfliktmanagement rückt das Problem selbst anstelle der Schuldfrage in den Mittelpunkt (S. 30). Mediation als eine Form des Konfliktmanagements stellt die Hintergründe des Konflikts ins Zentrum. Mediator:innen sind allparteiliche Konfliktvermittler:innen. Allparteilichkeit heißt, dass allen Konfliktbeteiligten als Menschen mit Respekt begegnet wird. Die Mediator:innen suchen nach win-win-Lösungen. Auch Doris Klappenbach-Lentz bezieht sich auf das bekannte Beispiel der Orange, die zwei Menschen haben möchten. Anstatt die Orange zu teilen, wird nach den Beweggründen gefragt, was an der Orange für die jeweilige Person wichtig ist. Dabei stellt sich heraus, dass die eine den Saft haben möchte und die andere die Schale: Das Nachfragen führt zu einer win-win – Lösung.

Mediative Kommunikation bezieht auch das Unbewusste mit ein, wie beispielsweise die durch die Sozialisation geprägten Gefühle und Bedürfnisse. Damit wartet Mediative Kommunikation nicht, bis der Konflikt eskaliert, sondern nimmt bereits das Konfliktpotenzial in den Blick (S. 48). Es kann ja sein, dass der auf dem Tisch liegende Konflikt in Wahrheit stellvertretend für etwas anderes steht und den unbewussten Versuch darstellt, ein tieferliegendes Problem zu lösen. Für solche tieferliegenden Analysen eignen sich auf unterschiedliche Weise mehrere bekannte Kommunikationsansätze: die Gewaltfreie Kommunikation von Marshall Rosenberg, die Themenzentrierte Interaktion von Ruth Cohn, das Neurolinguistische Programmieren (NLP) und die Transaktionsanalyse.

Gewaltfreie Kommunikation geht von der möglichst wertfreien Wahrnehmung der Situation aus, fokussiert auf Gefühle und Bedürfnisse und ermutigt, Bitten statt Forderungen zu formulieren. Einzelne Konfliktgespräche können sequenzweise analysiert und umformuliert werden.

Hier spielt die innere Haltung eine wesentliche Rolle, genauso wie bei den weiteren Ansätzen.

Themenzentrierte Interaktion (TZI) fokussiert auf das Ich, das Wir und den Inhalt. Es geht darum, dass die Beziehungsebene in der Gruppe eine Rolle spielt und nicht nur das Thema. Eine Gruppe besteht aus Individuen. Es gilt für dieses Dreieck des Ich, des Wir und des Inhalts eine Balance zu finden.

 Das Neurolinguistische Programmieren (NLP) kennt das Modell des „inneren Teams": Das innere Team spiegelt unterschiedliche Aspekte einer Person (wie Harmoniebedürfnis, Angst, Selbstdarstellung) und kann die einzelnen Aspekte neu positionieren.

Die Transaktionsanalyse unterscheidet zwischen Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich und Kindheits-Ich, alle drei Aspekte prägen menschliche Kommunikation.

Die Grundlagen für das Menschenbild der Mediativen Kommunikation findet die Autorin in der Humanistischen Psychologie. Es geht darin um Ressourcenorientierung und um das Vertrauen darauf, dass Menschen grundsätzlich kreativ und bereit zur konstruktiven Veränderung sind (S. 52).

Das Buch präsentiert ein detailliertes Theorie- und Methodengerüst der Kommunikativen Mediation. Um dieses Gerüst verständlich zu machen, werden Praxisbeispiele mit fiktiven Personen herangezogen, die zuvor eingeführt wurden. Diese Beispiele veranschaulichen die Theorie- und Methodenansätze auf greifbare Weise. So wird etwa in einer Übung zum „inneren Team“ beschrieben, wie die fiktive Lara ihre Sprachlosigkeit überwindet, als ihr cholerischer Chef sie angreift. „Bloß keine Bewegung“, sagt die dominante Bestimmerin in Laras „innerem Team“. Doch weitere innere Stimmen – wie die Erklärerin, die Mutmacherin, die Rebellin und die Verzagende – kommen zu Wort. Indem Lara diese Stimmen in einer Übungsgruppe symbolisch sprechen lässt, wird sie weniger abhängig von der „Bestimmerin“, die ihr Schweigen diktiert (S. 70), und findet Strategien, ihrem Chef zu antworten. Die Darstellung solcher Übungen ermöglicht es den Lesenden, zentrale Aspekte der Mediativen Kommunikation besser zu durchdringen.

Diskussion

Für „Einsteiger:innen“ in konfliktvermittelnder Kommunikation ist dieses Buch möglicherweise schwere Kost. Es kann aber eine Orientierungshilfe für anstehende Lern- und Übungsprozesse sein, wenn das Buch im Kontext von Übungsseminaren benutzt wird. Mediative Kommunikation lernt man natürlich nicht durch das Lesen eines noch so guten Fachbuches. Zu Recht verweist die Autorin auf die von ihr initiierten Zeritifikatskurse, für die dieses Buch die Hintergrundlektüre darstellt.

Für erfahrene Moderator:innen, Trainer:innen, Coaches, Mediator:innen und Prozessbegleiter:innen stellt das Buch eine gute Möglichkeit dar, die eigenen Gesprächsführungskompetenzen zu erweitern.

Fazit

Doris Klappenbach-Lentz hat ein theoriegeleitetes und zugleich erfahrungsgesättigtes Buch über den Ansatz der Mediativen Kommunikation geschrieben. Anschauliche Beispiele und Übungen machen die Inhalte verständlich. Es ist insbesondere für „Fortgeschrittene“ geschrieben oder für Kursteilnehmer:innen, die anhand des Buches Mediative Kommunikation einüben. Es wird sich zeigen, ob dieser Ansatz Verbreitung findet. Hilfreich könnte es sein, wenn der Ansatz von den großen Mediationsverbänden und -gesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgegriffen würde. Dem Buch und dem Ansatz der Mediativen Kommunikation ist eine weite Verbreitung zu wünschen.

Rezension von
Prof. Dr. Josef Freise
pensionierter Professor im Fachbereich Sozialwesen der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Köln
Website
Mailformular

Es gibt 16 Rezensionen von Josef Freise.

Besprochenes Werk kaufen
Sie fördern den Rezensionsdienst, wenn Sie diesen Titel – in Deutschland versandkostenfrei – über den socialnet Buchversand bestellen.


Zitiervorschlag
Josef Freise. Rezension vom 31.12.2024 zu: Doris Klappenbach-Lentz: Mediative Kommunikation. Mit Rogers, Rosenberg & Co. konfliktfähig für den Alltag werden. 2. überarbeitete Auflage. Junfermann Verlag GmbH (Paderborn) 2024. ISBN 978-3-7495-0483-1. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31771.php, Datum des Zugriffs 24.01.2025.


Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht