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Dorothea Sauter, Julia Junghanss et al.: Gewalt und Zwang vermeiden

Rezensiert von Georg Peneder, 27.10.2025

Cover Dorothea Sauter, Julia Junghanss et al.: Gewalt und Zwang vermeiden ISBN 978-3-96605-229-0

Dorothea Sauter, Julia Junghanss, Felix Bühling-Schindowski: Gewalt und Zwang vermeiden. Leitliniengerechtes Handeln auf psychiatrischen Stationen. Psychiatrie Verlag GmbH (Köln) 2024. 224 Seiten. ISBN 978-3-96605-229-0. D: 35,00 EUR, A: 36,00 EUR.

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Thema

Der Titel beschreibt bereits das Thema.

Die seit fünf Jahren bestehende S3 Leitlinie, der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), zur Reduzierung von Zwangsmaßnahmen soll mit den im Buch ausgeführten 12 PreVCo Empfehlungen

(Prevention of Coercion and Violence) den Praxistransfer unterstützen, Anleitung geben und kritische Reflexion des Status quo auf psychiatrischen Stationen oder in sozialpsychiatrischen Wohneinrichtungen, ermöglichen.

Autor:in oder Herausgeber:in

Das Autorenteam entspricht einem multiprofessionellen Team im Klinikalltag.

Dorothea Sauter M.Sc., mit langjähriger Berufserfahrung als Krankenschwester, Pflegedienstleitung und als Gesundheitswissenschaftlerin.

Julia Junghans, Dr. med, Ärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der

AG Sozialpsychiatrie und

Felix Bühling-Schindowski, Dipl. Jurist, Dr. med, als Assistenzarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Vivantes Klinikum, Berlin.

Entstehungshintergrund

Eine der großen Herausforderungen im gesamten Gesundheitsbereich, speziell in der Psychiatrie, ist der Umgang mit Zwangsmaßnahmen. Hier einen angemessenen und adäquaten Umgang zu finden, die Würde der Betroffenen zu wahren, sie dennoch vor sich selbst oder auch das Umfeld zu schützen, erfordert individuelle und situationsbezogene, reflektierte richtige Entscheidungen.

Wissen, Erfahrung und entsprechende Handlungsmodelle, wie in diesem Buch beschrieben, sollen dabei unterstützen.

Aufbau

Auf den ersten 50 Seiten beschäftigt sich das Autorenteam mit der Bedeutung von Leitlinien und dem Implementierungsprozess zur Reduktion bzw. Vermeidung von Gewalt und Zwangsmaßnahmen auf psychiatrischen Stationen. Ausgehend von den Erfahrungen der PreVCo – Studie werden auf ca. 120 Seiten, zwölf PreVCo Empfehlungen für den Stationsalltag vorgestellt.

Beginnend von der Datenerfassung oder internen Standards bis hin zu einem Schulungsplan zum Deeskalations- und Aggressionsmanagement oder zu standardisierten Nachbesprechungen von Zwangsmaßnahmen, um nur einige anzuführen.

Zahlreiche Downloadmaterialen, z.B. PreVCo-Arbeitshilfe, 12 Implementierungsempfehlungen, Leitfaden zur Nachbesprechung von Zwangsmaßnahmen, diverse Checklisten oder Behandlungsvereinbarungen, stehen zur Verfügung. Ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis komplettiert diese Arbeit.

Inhalt

„Gewalt und Zwang vermeiden“ bietet Unterstützung für den Praxistransfer der seit 2019 bestehenden Leitlinie zur Reduzierung von Zwangsmaßnahmen. Das Autorenteam begleitete und beriet 55 psychiatrische Stationen bei der Umsetzung der zentralen Empfehlungen zur S3 Leitlinie der DGPPN.

Begriffsklärungen zu Beginn erleichtern das Themenverständnis. Von der Leitlinie zur Empfehlung zur Implementierung sowie die Vorstellung der PreVCo Studie, als inhaltlich zentraler Teil des Buches.

PreVCo „Prevention of Coercion und Violence” – übernimmt methodisch zahlreiche Erfahrungen aus der vorangegangenen Pilotstudie, wo speziell auf die Machbarkeit fokussiert wurde.

PrevCo selbst stellt sich dann der Frage der Wirksamkeit wie:

„Kann die Implementierung des 12-Punkte-Programms tatsächlich die Häufigkeit der Anwendung von Zwang auf psychiatrischen Stationen reduzieren?

Und gelingt dies ohne Zunahme aggressiver Übergriffe?“

Vier Empfehlungen seien hier exemplarisch angeführt:

Empfehlung 1

regt eine standardisierte Erfassung von Zwangsmaßnahmen und aggressiven Übergriffen an, mit der Möglichkeit der regelmäßigen Evaluation auf Stationsebene.

Empfehlung 3

bezieht sich auf regelmäßige Besprechungen und Reflexion mit der Stationsleitung, wo Daten zu Zwangsmaßnahmen oder aggressiven Vorfälle analysiert und Hintergründe besprochen werden

Empfehlung 4

beschreibt Schulungspläne zum Thema Deeskalations- und Aggressionsmanagement.

Empfehlung 8

beschäftigt sich mit aggressionsmindernder Gestaltung von Räumlichkeiten.

Empfehlung 12

schlägt die Einführung komplexer Interventionen in den Stationsbetrieb vor und beschreibt dazu zwei Modelle:

Safewards = ein Erklärungsmodell für die Entstehung und Eskalation von Konflikten auf psychiatrischen Stationen und das

Weddinger Modell = ein recovery-orientiertes Konzept mit den Schwerpunkten Partizipation, Individualisierung und Flexibilität der Behandlung, etwa durch eine Stärkung der Multiprofessionalität und der engen Vernetzung von ambulanten und stationären Therapieangeboten.

Jedes der 12 Empfehlungskapitel leitet mit Hintergrundinformation ein, beschreibt Ziel und Nutzen der Empfehlung, widmet sich ausführlich dem Transfer von der Theorie in die Praxis und fasst kurz und prägnant auf einer halben Seite zusammen.

Diskussion

Der dringend erforderlichen Auseinandersetzung mit der Thematik Gewalt und Zwang in der Psychiatrie, stellt diese Arbeit aus meiner Sicht zahlreiche sehr hilfreiche Aspekte, fachliche Expertisen, Methoden und Anregungen zur Verfügung. Ich bin selbst seit über 4o Jahren in der psychiatrischen Nachsorge tätig und mit dem Spannungsfeld „Selbstbestimmtheit versus Zwangsmaßnahme“ immer wieder konfrontiert.

Fazit

Allen am Thema Interessierten ist dieses Buch sehr zu empfehlen. Es kategorisiert nicht in „richtig oder falsch“, sondern stellt die umfangreichen Studienerfahrungen mit hoher Expertise zur Verfügung, regt Diskussions- und Weiterentwicklungsprozesse im Sinne der Betroffenen an.

Rezension von
Georg Peneder
DSA, MMH, langjährige Praxis in der psychiatrischen Nachsorge, u.a. im Kriseninterventionszentrum Linz (A), Leitung im Übergangswohnhaus Kaisergasse, Linz (A) seit 23 Jahren, Lehrtätigkeit an der FH Linz für Sozialberufe. Studium UNI Klagenfurt – Master of Mental Health
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Es gibt 3 Rezensionen von Georg Peneder.

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ISSN 2190-9245