Claus Koch: Wenn aus Jugendlichen Erwachsene werden
Rezensiert von Angela Schmidt-Bernhardt, 12.08.2024
Claus Koch: Wenn aus Jugendlichen Erwachsene werden. Leben und Bindung junger Menschen zwischen 18 und 30 Jahren. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2024. 182 Seiten. ISBN 978-3-608-98730-0. D: 22,00 EUR, A: 22,70 EUR.
Thema
Thema des Buches von Claus Koch ‚Wenn aus Jugendlichen Erwachsene werden. Leben und Bindung junger Menschen zwischen 18 und 30 Jahren‘ ist die Charakterisierung der Entwicklungsphase zwischen Pubertät und Erwachsensein. Koch widmet sich diesem Lebensabschnitt als eigenständiger Entwicklungsetappe. Der Autor bezieht sich darüber hinaus auf die Ergebnisse der Bindungstheorie als entscheidenden Faktoren in der frühkindlichen Entwicklung und schlägt den Bogen von den Auswirkungen frühkindlicher Bindungen hin zu der Transitphase des Erwachsenwerdens.
Autor:in
Der Autor Claus Koch arbeitet als Diplom-Psychologe seit Jahren in Theorie und Praxis zur Phase von Pubertät, Adoleszenz und Erwachsenwerden.
Aufbau
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil widmet sich der Autor der Phase zwischen Pubertät und Erwachsensein als einer eigenständigen Lebensetappe.
Der zweite Teil wirft einen Blick auf die Bindungstheorie und auf die Bedeutung des Aufbaus frühkindlicher Bindungen für spätere Lebensphasen, insbesondere für die Phase des Erwachsenwerdens.
Im dritten Teil nimmt der Autor einen Perspektivenwechsel vor, indem er sich Rat gebend an die Eltern der jungen Menschen in der Phase des Erwachsenwerdens wendet. Am Ende seiner Ausführungen fasst er sechs Schlüsselqualifikationen, die zu einem gelingenden Erwachsenwerden beitragen, zusammen.
Inhalt
Im ersten Teil ordnet der Autor die Phase des Erwachsenwerdens zwischen dem Ende der Pubertät und dem Erwachsenenleben ein. Er erläutert die mit diesem Wandel verbundenen wesentlichen Entwicklungsaufgaben wie Abschied von Eltern und Schule, Entscheidung für einen beruflichen Weg und Aufbau stabiler Liebesbeziehungen. Die damit verbundenen Identitätskrisen werden als notwendig herausgearbeitet. Er bezieht sich auf die psychologische Grundlagenforschung und untermalt seine Ausführungen mit Beispielen aus Literatur, Film und Popkultur. Interviewausschnitte mit jungen Menschen in der Phase des Erwachsenwerdens illustrieren die Aussagen. Aktualität erhalten die Ausführungen durch den Bezug auf die besonderen Herausforderungen der pandemiebedingten Lebenseinschränkungen zwischen 2020 und 2022, die junge Menschen im Ausleben dieser Entwicklungsphase beeinträchtigten und bei ihnen zu psychischen Störungen führen konnten. Im zweiten Teil widmet sich der Autor der Bindungstheorie, skizziert ihre wesentlichen Ergebnisse und zieht Verbindungen zwischen frühkindlichen Bindungsmustern und Identitätsentwicklung. Er unterstreicht die Bedeutung der in der frühen Kindheit erworbenen Bindungsfähigkeit für eine positive Bewältigung der Phase des Erwachsenwerdens. Anhand von Fallvignetten erläutert er, wie sichere Bindungsmuster eine Grundlage für die Bewältigung der im Erwachsenwerden auftretenden Identitätskrisen und Ängste bilden können.
Im dritten Teil des Buches befasst sich der Autor mit den Aufgaben der begleitenden Eltern. Er unterstreicht die Notwendigkeit, dass Eltern ihre Rolle neu definieren müssen. Eltern sollen – so Koch – Präsenz zeigen und gleichzeitig Raum lassen. Bildlich gesprochen sollen sie, statt auf der Bühne zu agieren, wie es im Umgang mit kleinen Kindern notwendig ist, sich in die Kulisse zurückziehen. Anschließend erläutert Koch sechs Bausteine als Schlüsselqualifikationen, die zum Gelingen der Phase des Erwachsenwerdens wesentlich beitragen:
- Authentizität – Selbstwertgefühl – Selbstwirksamkeit – Kommunikationsfähigkeit – Selbstdisziplin – Sinnfindung.
Wichtig ist es dem Autor herauszuarbeiten, dass alle diese Bausteine sich in Beziehung mit anderen Menschen entwickeln. Er sagt in Rückbezug auf den zweiten Teil des Buches, dass das Fundament für diese Schlüsselqualifikationen in der frühen Kindheit gelegt wird, betont indes auch, dass die auf die frühe Kindheit folgenden Entwicklungsphasen zur Bildung dieser Kompetenzen beitragen können. Zahlreiche, die ersten Bezugspersonen ergänzende, einflussreiche Menschen können für Erwerb und Festigung der Schlüsselqualifikationen von Bedeutung sein. Grundsätzliche Überlegungen zu dem, was Erwachsenwerden und Erwachsensein im Sinne einer selbstverantworteten Identität ausmachen, schließen das Buch ab.
Diskussion
Es handelt sich um eine lebendig geschriebene Einführung in die Entwicklungsaufgaben der Lebensphase des Erwachsenwerdens, mit dem besonderen Vorzug der guten Lesbarkeit, die insbesondere auf die zahlreichen anschaulichen Beispiele zurückzuführen ist. Kritisch ist anzumerken, dass die Ausführungen orientiert sind an den Sozialisationsbedingungen der Mittelschicht im westlichen Kulturkreis, ohne dass diese Eingrenzung vom Autor thematisiert würde. Ebenso wenig differenziert der Autor zwischen männlicher und weiblicher Sozialisation und bezieht sich nicht auf aktuelle Diskussionen zur Bedeutung des biologischen und sozialen Geschlechts für die Entwicklung. Die Erwähnung hybrider Identitäten fehlt ebenfalls.
Ein Bezug auf die Theorien der Adoleszenzdebatte der letzten Jahre und eine begriffliche Abgrenzung zur ‚Adoleszenz‘ wäre ebenfalls wünschenswert gewesen.
Fazit
Das vorliegende Buch ist geeignet, um Interessierten und auch selbst betroffenen Laien einen Einblick in die Lebensphase des Erwachsenwerdens zu geben. Einblicke in Interviews mit Erwachsen-werdenden und Fallvignetten ergänzen die theoretischen Ausführungen anschaulich. Dass die Auswirkungen der pandemiebedingten Einschränkungen auf die Zielgruppe thematisiert werden, zeigt die besondere Aktualität des Werkes.
Rezension von
Angela Schmidt-Bernhardt
wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Philipps-Universität Marburg im Fachbereich Erziehungswissenschaft
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Es gibt 8 Rezensionen von Angela Schmidt-Bernhardt.
Zitiervorschlag
Angela Schmidt-Bernhardt. Rezension vom 12.08.2024 zu:
Claus Koch: Wenn aus Jugendlichen Erwachsene werden. Leben und Bindung junger Menschen zwischen 18 und 30 Jahren. Klett-Cotta Verlag
(Stuttgart) 2024.
ISBN 978-3-608-98730-0.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31833.php, Datum des Zugriffs 12.09.2024.
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