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Guido Landreh: Schule und die Krise der Demokratie

Rezensiert von Dr. Monika Wilkening, 05.08.2024

Cover Guido Landreh: Schule und die Krise der Demokratie ISBN 978-3-8497-0531-2

Guido Landreh: Schule und die Krise der Demokratie. Was sich ändern lässt und wie. Carl Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2024. 228 Seiten. ISBN 978-3-8497-0531-2. D: 29,95 EUR, A: 30,80 EUR.
Reihe: Systemische Pädagogik.

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Thema

Landreh stellt – in rückschauender Narration und als ehemaliger Schulleiter – im Rahmen der Berliner Schulstrukturreform mit der systemisch emergenten Schulentwicklung einen neuen Weg dar. Anhand von Erfahrungen und Beispielen beschreibt er, wie freiheitliche Lernarrangements daraus wachsen, die gestaltet sind in gemeinsamer Verantwortung von SchülerInnen, Eltern, Lehrkräften und außerschulischen Fachkräften.

Das Buch erscheint in der Reihe „Systemische Pädagogik“, die verschiedene systemtheoretische Grunderkenntnisse, Sicht- und Handlungsweisen mit dem Forschungsstand und den Erkenntnissen der Erziehungswissenschaften verbindet und für den pädagogischen Alltag nutzbar macht. Es geht insgesamt um die sehr differenzierten Möglichkeiten, Menschen bei ihrem Aufwachsen zu selbstkritischen und selbststeuerungsfähigen Wesen gezielt zu unterstützen.

Autor

Landreh ist ehemaliger Schulleiter einer integrierten Sekundarschule in Berlin und Mitbegründer der „Stadt-als-Schule Berlin“.

Entstehungshintergrund

Landreh wird als Schulleiter in eine reformierte Sekundarschule versetzt; dort baut er eine Schulkultur auf und entwickelt ein Schulprogramm, wie sie hier beschrieben werden.

Aufbau

  1. Jedes Ende ist ein neuer Anfang
  2. Die Idee
  3. Die Kultur der Resonanz
  4. Herausforderungen meistern
  5. Emergenz

Nach jedem Abschnitt steht eine „Pinnwand“, jedoch nicht in der Form einer herkömmlichen Zusammenfassung, sondern als Festhalten wichtiger Theorien, Definitionen, Ideen und teils auch als Anregung zur Reflexion durch Fragestellungen. Teilweise haben die Anmerkungen auch fortbildenden Charakter.

Das Inhaltsverzeichnis ist entsprechend der narrativen Struktur des Buches aufgebaut.

In „Einladung“ berichtet Landreh von der zwangsweisen Umsetzung an eine andere Schule, im Anhang finden sich u.a. Ergebnisse von Schulinspektionen und eine Checkliste für die Arbeit von Lehrkräften.

Inhalt

Kapitel 1

Landreh beschreibt im ersten Kapitel, wie er „als Überhang“ an eine Hauptschule in Berlin-Pankow zwangsweise und gegen den Willen des dortigen Kollegiums versetzt worden ist.

Zunächst bemüht er sich, ein wertschätzendes Klima mit dem und im Kollegium einzuführen. Ein „Weiter-So“ ist für ihn ausgeschlossen, auch wenn ihm viele Widerstände begegnen.

Kapitel 2

Landreh erklärt verschiedene zentrale Elemente von Lernen: Dieses muss das Wesen und die Würde der Person ansprechen, Kreativität erlauben, individuelles und gemeinschaftliches Wissen generieren und dann kritisch reflektieren. Jugendliche müssen das Wesentliche für sich und ihr Leben finden.

Jedoch ergeben sich vielfältige Schwierigkeiten aus diesem Weg zu gutem Lernen: Bildungs- und Entwicklungsprozesse sind nicht immer vollständig zu steuern. Außerdem beschreibt Landreh seine Schwierigkeiten, dem abweisenden Kollegium die Notwendigkeit von Entwicklungsprozessen der Schul- und Lernkultur zu vermitteln.

Kapitel 3

Hier werden Formen und Inhalte von Unterricht diskutiert: Lernende sollten als Subjekte im Mittelpunkt stehen, mit ihren Wünschen, Interessen und Potenzialen. Da heutiger Unterricht Lernende nicht erreicht, ist es nötig, personalisierte Angebote zu machen. Landreh baut mit allen Teilnehmenden Interdisziplinarität und produktive Projektarbeit mit Praxisbezug und engen Kontakten nach außen auf.

Es geht auch um Themen wie Inklusion, Teamarbeit, Lernerfolgsmessung und große Ideale wie Resonanz, Empathie, Freiheit, Verantwortung, Würde.

Die Führungsrolle der Schulleitung wird besprochen. In einer neuen Gesprächskultur mit hoher kommunikativer Kompetenz entwickeln alle Beteiligten Ideen und Lösungen selbst und setzen sie in Beziehung zu persönlichen Ressourcen. Alle Konflikte müssen thematisiert werden: Es geht um Verstehen und Lösen, nicht um Gewinnen oder Verlieren. Wenn Teamarbeit nicht funktioniert, geraten Entwicklungen ins Stocken.

Bildung ist ein lebenslanger Prozess; der Nutzen des Lernens liegt in der Gegenwart und trägt in die Zukunft. Emergente Prozesse sind: gemeinsam Lernen entwickeln, evaluieren, modifizieren, neu interpretieren. Innovation erfordert Mut, die Möglichkeit des Scheiterns zuzulassen.

Die standardisierten Verfahren der Schulinspektionen sind ungeeignet, um den Wert einer Entwicklung zu beurteilen. Der vorgegebene Weg der Schulentwicklung ist auch ungeeignet, weil er hierarchisch organisiert ist. Gleichberechtigung aller am Prozess Teilnehmenden ist vonnöten.

Kapitel 4

Als die größte Herausforderung bezeichnet es Landreh, die Spanne zwischen größtmöglicher Vielfalt und Gemeinsamkeit in der Schulgemeinde aufrechtzuerhalten und immer wieder das Verbindende zu finden. Das Schulprogramm muss dazu offen bleiben, um immer wieder kleine Entwicklungen zu erlauben. Jeder Teilnehmende trägt hierfür Verantwortung.

Kapitel 5

Hier werden nochmals die inhaltlichen Hauptideen für eine Schule dargestellt, die ein gelungenes, zukunftsträchtiges Lernen ermöglichen.

  • Wesentliche persönliche Lernkontexte, die bilden, werden geschaffen.
  • Alle Teilnehmenden sind gleichberechtigt und tragen Verantwortung am Prozess, Bildung zu erschaffen.
  • Sie kultivieren Selbstachtung sowie Achtung der Anderen, jede/r gewinnt.
  • Bildung ist ein Grundkurs in Einübung sozialer Regeln.
  • Der Selbstfindungsprozess ist zentral für wahre Bildung, denn diese hat einen subjektiven, persönlichen Wert

Die Probleme der heutigen starren Schule werden beschrieben, die durch zu viel Steuerung entstehen: Freiheit, Verantwortung und kreatives Potenzial gehen verloren, wird Lernenden ausgetrieben.

Das Buch endet mit einer Reflexion über den Krieg in der Ukraine und vergleicht die politische mit der pädagogischen Kultur.

Diskussion

Landrehs Buch ist ein großes Credo für den Aufbau gelingender Schulentwicklung als Beispiel für den Lernprozess einer Organisation. Emergenz, das Auftreten neuer, nicht voraussagbarer Qualitäten beim Zusammenwirken mehrerer Faktoren, ist hierbei ein durchgängiges Schlüsselwort.

Es ist interessant zu lesen, inspiriert und bildet fort.

Große Ideale – teils wie philosophische Gedanken – (z.B. Das Wesentliche ist die Würde des Menschen und des Lebens) und kleine Umsetzungsideen auf Schulebene werden beschrieben als Lebenswerk am Ende der Schultätigkeit des Autors. Für ihn ist der Weg das Ziel. Er ist stolz, trotz der und mit den vielfältigen Widerständen in seiner Schule dazu beigetragen zu haben, etwas zu verändern, indem er mit allen Teilnehmenden die Veränderungen praktiziert hat.

Landreh endet mit seinem Credo für eine lebendige, partizipative, werteorientierte Schulkultur, die beiträgt zur Entstehung einer Welt, in der Kulturen und Naturen miteinander in Frieden leben können. (paraphrasiert aus S. 201)

Fazit

Landreh berichtet als ehemaliger Schulleiter in Form von Narration über den Aufbau gelingender Schulentwicklung an einer Berliner Sekundarschule, die wahre Bildung für das Leben ermöglicht. Seine philosophischen Reflexionen über Menschenwürde, Selbstverantwortung sowie Verantwortung für Andere im Kleinen, wie in der Welt, sind inspirierend.

Rezension von
Dr. Monika Wilkening
Gymnasiallehrerin, Autorin von Aufsätzen zur Fremdsprachendidaktik, zur Pädagogik, zu Entwicklungen von Feedback im Unterricht und Autorin von Fachbüchern zu Lernhaltungen und Lernprozessen im Unterricht.
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Es gibt 16 Rezensionen von Monika Wilkening.

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Zitiervorschlag
Monika Wilkening. Rezension vom 05.08.2024 zu: Guido Landreh: Schule und die Krise der Demokratie. Was sich ändern lässt und wie. Carl Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2024. ISBN 978-3-8497-0531-2. Reihe: Systemische Pädagogik. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31850.php, Datum des Zugriffs 15.09.2024.


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