Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Klaus Eidenschink: Es gibt keine Narzissten!

Rezensiert von Diplompsychologin Iris Meilicke, 13.02.2025

Cover Klaus Eidenschink: Es gibt keine Narzissten! ISBN 978-3-8497-0534-3

Klaus Eidenschink: Es gibt keine Narzissten! Nur Menschen in narzisstischen Nöten. Eine Handreichung für alle und jede(n). Carl-Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2024. 161 Seiten. ISBN 978-3-8497-0534-3. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR.
Reihe: Fachbücher für jede:n.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Autor:in oder Herausgeber:in

Klaus Eidenschink: Organisationsberater, Coachingausbilder, Exekutive-Coach; Senior Coach im Deutschen Bundesverband Coaching e.V. (DBVC); Studium der Theologie, Philosophie und Psycholgoie.

Aufbau und Inhalt

Das Buch gliedert sich in 12 Hauptkapitel und behandelt auf den gut 160 Seiten wichtige Aspekte des Themas: Im Kern argumentiert Eidenschink, dass „Narzissmus“ Ausdruck einer tiefen inneren Not ist, die bereits in der Kindheit durch mangelnde oder falsche Spiegelung durch Bezugspersonen entstehen kann. Diese „narzisstische Not“ führt dazu, dass Betroffene sich von einer „besten Version ihrer selbst“ leiten lassen und den Kontakt zu ihrem wahren Selbst verlieren. Weder die Betroffenen noch ihr Umfeld erkennen oft, dass etwas nicht stimmt.

Das Buch verfolgt das Ziel, das Verständnis für narzisstische Verhaltensweisen zu schärfen und Wege aufzuzeigen, konstruktiv mit diesem Phänomen umzugehen – sowohl im Umgang mit anderen als auch mit sich selbst. Eidenschink betont, dass jeder mehr oder weniger gefährdet ist, narzisstische Nöte zu entwickeln oder bei anderen zu begünstigen.

Die einzelnen Kapitel des Buches widmen sich verschiedenen Aspekten der narzisstischen Not:

  • Einführung: Eidenschink stellt seine These von der narzisstischen Not als Folge frühkindlicher Erfahrungen vor und betont die Notwendigkeit eines differenzierten Verständnisses.
  • Kapitel 1: Es wird die Entstehung narzisstischer Not als Überlebensstrategie bei mangelnder innerer Orientierung erläutert. Zentral ist der Gedanke: „Man spürt nicht, was man will, sondern man spürt, was man denkt, dass man es spüren sollte.“
  • Kapitel 2: Hier geht es darum, welche elterlichen Verhaltensweisen zur Entwicklung narzisstischer Not bei Kindern beitragen können.
  • Kapitel 3: Dieses Kapitel beschreibt, wie sich narzisstische Not im Alltag manifestiert, etwa durch Streben nach grandiosen Erfolgen oder dem Gefühl ständiger Kränkung.
  • Kapitel 4: Es werden Verhaltensweisen im Umgang mit Menschen in narzisstischer Not thematisiert, die kontraproduktiv sind und die Problematik eher verstärken, wie z.B. das übermäßige Streben nach Anerkennung und Bewunderung.
  • Kapitel 5: Die Dynamik narzisstischer Not in Paarbeziehungen wird beleuchtet.
  • Kapitel 6: Es werden Strukturen und Dynamiken in Organisationen analysiert, die narzisstische Muster begünstigen, wie z.B. Freund-Feind-Denken oder die Betonung von Idealen anstelle der Realität.
  • Kapitel 7: Die gesellschaftlichen Faktoren, die zur narzisstischen Not beitragen, werden untersucht.
  • Kapitel 8: Die Gefahren narzisstischer Not werden erörtert, wie z.B. der Verlust von Selbstzweifeln und die Anfälligkeit für Rachefeldzüge. Es wird auch darauf eingegangen, wie man diese Gefahren durch eigenes Verhalten verstärken kann.
  • Kapitel 9: Es werden Wege aufgezeigt, wie Betroffene ihre eigene narzisstische Not lindern können, wobei die Schwierigkeit betont wird, diese ohne fremde Hilfe zu überwinden. Der Fokus liegt darauf, sich wieder als „ganz gewöhnlicher Mensch“ zu akzeptieren.
  • Kapitel 10: Es wird erläutert, wie man narzisstische Not bei anderen erkennen kann. Eidenschink betont, dass es nicht ausreicht, sich nur auf beobachtbares Verhalten zu verlassen, sondern dass es wichtig ist, die eigenen Reaktionen auf die betreffende Person zu reflektieren.
  • Kapitel 11: Dieses Kapitel richtet sich an professionelle Berater:Innen, Coaches und Therapeut:Innen und gibt Hinweise für den Umgang mit Menschen in narzisstischer Not.
  • Kapitel 12: Es wird ein Plädoyer gegen die Etikettierung von Menschen als „Narzissten“ gehalten, da dies zu einer Verfestigung und Abwertung führt.
  • Schlusswort: Abschließend betont Eidenschink die Bedeutung echter Begegnung und warnt davor, Stolz mit narzisstischer Eitelkeit zu verwechseln. Er ruft dazu auf, sich allen Nöten, einschließlich der narzisstischen, zu stellen.

Diskussion

Das Buch grenzt sich von vielen anderen Ratgebern ab, da Eidenschinks Buch Menschen mit einer narzisstischen Störung nicht dämonisiert, sondern indem es leicht verständlich und einfühlsam eine Vorstellung von der Dynamik narzisstischer Verhaltensweisen aus verschiedenen Perspektiven vermittelt.

Leider wird die aktuelle Psychotherapieforschung fast nicht berücksichtigt, obwohl in der Literaturliste viele einschlägige Fachbücher zu diesem Thema benannt werden. So wäre es meiner Ansicht nach auch für Laien ein Gewinn zu wissen, dass in den letzten 10 Jahren alle von der gesetzlichen Krankenkasse geförderten Therapierichtungen spezifische Behandlungstechniken für Menschen mit narzisstischen Störungen entwickelt haben. Auch ist Diagnostik kein „Etikett“, sondern ermöglicht ein tieferes Problemverständnis: es ist für die Interaktion bzw. Behandlung entscheidend zu wissen, ob ich es mit einem Menschen zu tun habe, der narzisstisch strukturiert ist, aber keine Persönlichkeitsstörung aufweist (also jemand, der vielleicht angeberisch, kompetitiv und leicht kränkbar ist) oder jemand eine Persönlichkeitsstörung mit einem pathologischen grandiosen Selbst aufweist, der für sich und vor allem andere eine Gefahr ist, weil sein moralischer Kompass beschädigt ist (Manipulation, Lügen, Schädigung anderer, Kriminalität). In diesem Fall ist es notwendig, eine schwere Persönlichkeitsstörung beim Namen zu nennen – die PatientInnen (patiens – Leidender!) und Angehörige haben das Recht, über ihre Erkrankung adäquat aufgeklärt zu werden. Deshalb hätte ich mir einige für Laien verständliche Seiten zum aktuellen Stand der Psychotherapieforschung zur Diagnostik und Behandlung gewünscht, zumal die Literatur dazu im Anhang aufgeführt wird.

Insgesamt kann ich aber nicht genug loben, wie zugänglich, verständlich und praktisch anwendbar dieses Buch ist!

Fazit

Zusammenfassend bietet das Buch einen für Laien differenzierten Blick auf das Phänomen „Narzissmus“ und plädiert für ein Verständnis, das die zugrunde liegende Not in den Vordergrund stellt, dabei bietet es sowohl Betroffenen als auch deren Umfeld wertvolle Einsichten und Handlungsansätze. Eidenschink gelingt es in seinem Werk, die komplexe – intrapsychische und interaktionelle – Dynamik des Narzissmus auf verständliche darzustellen und durch eine Vielzahl an Beispielen und Fallstudien verdeutlicht er die Auswirkungen narzisstischer Verhaltensweisen auf das soziale Umfeld und bietet praktische Lösungsansätze. Es ist gut verständlich, lebendig und humorvoll geschrieben und macht Spaß zu lesen.

Rezension von
Diplompsychologin Iris Meilicke
Psychologische Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin
Mailformular

Es gibt 4 Rezensionen von Iris Meilicke.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245