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Martin Lüdemann, Markus G. Feil et al.: Systemisch-psychodynamische Organisationsberatung

Rezensiert von Prof. Dr. Alfred Janes, 31.12.2024

Cover Martin Lüdemann, Markus G. Feil et al.: Systemisch-psychodynamische Organisationsberatung ISBN 978-3-8379-3281-2

Martin Lüdemann, Markus G. Feil, Celina Rodriguez Drescher: Systemisch-psychodynamische Organisationsberatung. Konzepte und Anwendungen. Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG (Gießen) 2024. 290 Seiten. ISBN 978-3-8379-3281-2. D: 32,90 EUR, A: 33,90 EUR.
Reihe: Therapie & Beratung.

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Thematik des vorliegenden Bandes

Das Buch beschreibt den als „Tavistock- Ansatz“ bekannt gewordenen, auf die Psychoanalyse nach Sigmund Freud, den Gruppenpsychologie-Ansatz nach Wilfried Bion, die Allgemeine Theorie offener Systeme nach Ludwig v. Bertalanffy, sowie die Arbeiten der österreichisch-britischen Psychoanalytikerin Melanie Klein gründenden Beratungsansatz.

Herausgeber:innen und Autor:innen

Ullrich Beumer Coach, Supervisor, Trainer und Management-Berater. Markus G. Feil Sexualwissenschaftler, Psychoanalytiker und Psychotherapie. Rudolf Heltzel Arzt (psychiatr. und neurologische –, psychotherapeutische Medizin), Gruppenanalytiker, Organisationsberater, Supervisor und Coach. Susan Long arbeitet nach einer akademischen Karriere als Organisationswissenschaftlerin als Organisationsberaterin und Executive Coach. Martin Lüdemann ausgebildeter Organisationsanalytiker, Arbeits- und Organisationspsychologe und arbeitet als Psychologe, Supervisor, Gruppenanalytiker und Berater. Martin Ringer arbeitet mit einem fachlichen Hintergrund in psychoanalytisch fokussierten Organisationsstudien in Gruppen, Organisationen, als Hochschullehrer, Autor und Künstler. Celina Rodriguez Drescher Pädagogische Psychoanalytikerin und Organisationsberaterin. Als psychologische Beraterin, Supervisorin und Coach ist sie im Profit- und Non-Profit-Bereich im Einsatz. Christopher Scanlon Psychotherapeut mit einem forensischen Schwerpunkt, Gruppenanalytiker, Praktiker und Weiterbildner in Therapeutischen Gemeinschaften und im Bereich Forensic Mental Health, Organisationsberater in „traumatisierten Organisationen“. Moritz Senarclens de Grancy Psychoanalytiker, Supervisor, Berater, sowie Consultant bei Group-Relations-Konferenzen nach dem Tavistock -Modell. Nicola Wreford-Howard Organisationsberaterin, Executive Coach und Supervisorin mit einem systemisch-psychodynamischen Ansatz. Vega Zagier Roberts arbeitet vor dem Hintergrund einer vielfältigen Integration – als Wissenschafterin und Consultant – in den Kontext des Tavistock Institut of Human Relations als Freie Beraterin und Coach.

Entstehungshintergrund

Zu Beginn des Textes beschreiben die drei Herausgeber:innen in einer kurzen Einführung das dem Buch zugrundeliegende Motiv: „Den durch die Arbeiten des Tavistock Institute of Human Relations und der Tavistock Clinic (beide in London, AJ) entwickelten systemisch-psychodynamischen Ansatz in einem umfassenden, theoretisch differenzierten und praxisbezogenen Format verstärkt in den deutschsprachigen Raum bringen zu wollen, um sich damit auch seinen Ursprüngen zu stellen.“ Ein Team von Wissenschaftler:innen, Supervisor:innen, Coaches und Berater:innen, die dem Tavistock-Ansatz theoretisch und praktisch nahestehen, ist als Co-Autor:innen in das Vorhaben eingebunden.

Aufbau

Nach Hinweisen zu den theoretischen Grundlagen und den strukturgebenden Begriffen des systemisch-psychodynamischen Ansatzes (spdA) skizzieren die Herausgeber:innen in einer Einführung den inhaltlichen Aufbau des aus 10 eigenständig, von unterschiedlichen Autoren erstellten Beiträgen bestehenden Gesamttextes. Die einzelnen Beiträge nehmen aus unterschiedlichen theoretischen, methodischen oder anwendungspraktischen Perspektiven Bezug auf den durch das Buch vorzustellenden Ansatz. Inhaltlich lässt sich das Werk jedoch gut in drei Themenbereiche gliedern. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und ein für die Lektüre sowie den wissenschaftlichen und praktischen Nutzen des Werkes hilfreiches Register sind dem inhaltlichen Teil abschließend beigefügt.

Inhalt

Theoretische Wurzeln und Entwicklung

Martin Lüdemann beschreibt die Entwicklung zurückgehend auf die Erfahrungen von W. Bion mit der auf den Gruppenprozess und die Selbstorganisation in Therapiegruppen aufsetzenden Rehabilitation von traumatisierten Soldaten in einem Militärkrankenhaus in Northfield/UK um 1942. Die von Bion 1961 in seinem Werk „Experiences in Groups and other Papers“ formulierte Gruppenpsychologie wird als Fundament für das psychodynamische Arbeiten mit Gruppen konnotiert. Das sich daraus am Tavistock Institut entwickelnde Group Relations Konzept wird in seinen weiteren Bezugnahmen auf die Arbeiten von Kurt Lewin (Feldtheorie), S.H. Foulkes (Gruppenmatrix), S. Freud (insbesondere sein Konzept zum Unbewussten und seine Ideen zur Verdrängung) und die General-System-Theory von L. v. Bertalanffy im vorliegenden Werk nachgezeichnet und charakterisiert. In dem darauf folgenden Kapitel werden von Celina Rodriguez Drescher die folgend skizzierten Schlüsselbegriffe und Schlüsselkonzepte der systemisch-psychodynamischen Beratung (spdB) vorgestellt:

Organisation:

Verstanden als soziotechnisches System; als solches produziert und prozessiert es unbewusste Gefühle und Ideen …

Kernauftrag einer Organisation:

Die Aufgaben, die eine Organisation prozessiert (primary task); sie löst Ängste aus, gegen die sich die Teilnehmenden des Organisationssystems mittels Abwehrmechanismen zur Wehr setzen…

Beratungskonzepte:

Berater:innen erarbeiten sich durch ihre Konzepte zu diesen Abwehrmechanismen einen Zugang, um mit dem Unbewussten, den unbewussten Dimensionen der Organisation, arbeiten zu können…

Übertragung:

Verstanden „als Reaktivierung in der Vergangenheit entwickelter, unbewusster Erlebens- und Verhaltensmuster, die nun aber auf eine Person der Gegenwart gerichtet sind.“ Gegenübertragung „als meist unbewusste Reaktion der Beratungsperson auf die Klientin/den Klienten“

Projektive Identifikation:

Bedeutet im spdA eine „unbewusste, manipulative Verlagerung unerträglicher Selbstaspekte auf eine andere Person, die sich damit identifiziert und danach handelt“…

Emotionen:

Sind ein struktureller Teil der spdB. Sie sind oft unklar und müssen mit Unterstützung der Beratungsperson entschlüsselt werden…

Primäraufgabe der Organisation:

Verstanden als „zentrale Frage nach derprimären Aufgabe der Organisation“…

primäre Risiken:

Eine weitere zentrale Annahme des spdA –, verstanden als „psychologische, empfundene Risiken (eines Subsystems, eines Teilnehmenden, der Organisation) eine falsche Primäraufgabe gewählt zu haben“…

Containment:

„Eine Funktion in der Organisation, von deren Vorhandensein es in hohem Ausmaß abhängt, dass die Beratungsperson unbewusste, in sie hinein projizierte Ängste und andere durch das Klienten:innensystem schwer zu ertragende Gefühle bearbeiten und dann wieder bekömmlich an das Klient:innensystem zurückkommunizieren kann…“

Organisation-in-the mind:

Wird als „emotionale Realität der Organisation und wie sie die/der Einzelne erlebt“ verstanden. Ihre Exploration bei den einzelnen Organisationsmitgliedern gibt Aufschlüsse über ihr Verständnis der Primäraufgabe und ihre Wünsche und Motive.

Arbeit mit Gruppen und Prozessberatung:

Hat den Stellenwert eines Schlüsselkonzeptes; wird als Beratungsarbeit verstanden, bei der die Beratungsperson interpretierend mit dem von der Klient:innengruppe produzierten Material arbeitet. Dabei wird das Individuum aus dem Fokus genommen und das System (die Organisation) in den Mittelpunkt gesetzt.

Schlüsselkompetenzen von Beratungspersonen:

Neben Selbstreflexion, Mut zum Wagnis, Strukturellem Containment (die Beratungsperson als Gastgeber:in) beschreibt der Text unter Bezugnahme auf psychoanalytische Konzepte (nach W. Bion und S. Freud) „Negative Capability“ und „Reverie“ als Fähigkeit der Beratungsperson, eigene Frustration, Angst und scheinbaren Stillstand des Beratungsprozesses zu ertragen um die „freischwebende Aufmerksamkeit“ zu bewahren. Um vorerst nur zu erahnen, warum eine Äußerung erfolgt (Reverie), um dann erst zu einem späteren Zeitpunkt im Beratungsprozess die Bedeutung einer Mitteilung erfassen zu können.

Methodik und Hinweise zu Anwendungsfeldern:

Aufbauend auf den theoretischen Wurzeln und beschriebenen Entwicklungen des spdAes liefert dieser Themenbereich einen weiteren Schwerpunkt. Die einzelnen Kapitel werden hier im Folgenden kurz skizziert.

Organisations-Rollenanalyse:

Aufbauend auf das Konzept eines psychosozialen Rollenkonzeptes als Verschränkung von Person (Psychogramm) und Organisation (Organigramm) werden von Ulrich Beumer die Konzepte Rolle, Rollenberatung und Rollenanalyse auf die sozialwissenschaftlich und psychoanalytisch geprägten Arbeiten der seit Ende 1950 durchgeführten „Group-Relations-Conferences“ des Tavistock Institute of Human Relations zurückgeführt. Der Rollenanalyse werden dabei drei beratungsrelevante Funktionen zugewiesen: Als Arbeitsmodell für jedwede Form von Einzel- und Gruppenberatung, als Modell zur Diagnose einzelner Personen, Teams und Organisationen helfe es bewusste und unbewusste „Verschachtelungen“ von Person und Organisation „besser zu verstehen“. Ebenso hilfreich sei es, um in Form einer „Organisation-Rollenanalyse“ – in Form von gemalten Rollenbildern – die Interrelation zwischen Person und Organisation im Kontext beruflicher Rollen zu untersuchen und Handlungsalternativen zu ermöglichen. Darauf Bezug nehmend werden vom Autor noch Hinweise auf Anlässe und Anwendungsformen der Rollenanalyse formuliert.

Im darauffolgenden Kapitel befasst sich Markus G. Feil mit dem Thema Führung aus systemisch-psychodynamischer Perspektive“. Der Autor setzt seine Hinweise, Überlegungen und Konzepte zu „Führung“ konsequent auf die im 2. Kapitel von Martin Lüdemann skizzierten Arbeiten von K. Lewin (Feldtheorie), S.H. Foulkes (Gruppenmatrix), S.Freud (insbesondere sein Konzept zum Unbewussten und seine Ideen zur Verdrängung), sowie von L. v. Bertalanffy (General-System-Theory) auf. Dabei ist es ihm ein Anliegen das „Alleinstellungsmerkmal“ des systemisch-psychodynamischen Führungskonzeptes sichtbar werden zu lassen: Starke Fokussierung auf Emotionen und grundsätzliche Konflikthaftigkeit aller emotionalen Bedürfnisse, die zwangsläufig zu individuellen psychischen und psycho-sozialen Abwehrbewegungen von Gruppen/​Systemen führen. Sich mit einer Organisation und Führung auseinanderzusetzen heiße dann, sich mit dem Unbewussten, also auch unbewussten Emotionen und kognitiven Anteilen von Individuen, Gruppen, beziehungsweise Systemen (wie ganze Organisationen) zu beschäftigen. Auf diesem „Weg“ wird sowohl Gruppen, als auch Organisationen gewissermaßen ein „Subjekt-Status“ zugeordnet (AJ). Die inhaltlichen Schwerpunkte des Textes befassen sich in der Folge mit „Emotionen (in) der Organisation“; „der/die Einzelne, Gruppe und Führung“; „Container-Contained/n“ und „Aufgaben von Führung“. Darauf folgt ein Beitrag von Martin Ringer in dem der eben mit Bezug zu Führung erwähnte (Subjekt-)Stellenwert von Gruppen aufgegriffen wird. Sein Beitrag ist als „Die Gruppe als Ganzes“ überschrieben. In einer beinahe alltäglich anmutenden Sprache geschrieben, bei gleichzeitig inhaltlicher Differenziertheit und Tiefe, befasst sich das nächste von Susan Long verfasste Kapitel mit „Das Soziale Unbewusste“. Die Autorin verortet den Begriff auf einer politischen und soziologischen Grundlage als Fluss des assoziativen Denkens zwischen interagierenden Menschen; als ein Interaktionsfeld. Als Feld aber existiere das Denken in Assoziationen unbewusst. Dieses soziale Feld sei immer in Bewegung und interaktiv, und das Potenzial für neues Denken sei immer vorhanden. Das Feld des Sozialen bzw. sozialen Unbewussten sei „ein Feld des primärprozesshaften Denkens ohne Sinn für Zeit oder lineare Logik“. „Erst, wenn man darauf zugreift kann man sekundärprozesshaftes Denken anwenden und versuchen, einen Sinn zu finden – zumindest für einen Moment in der Zeit, in dem es sinnvoll sein könnte“. Abschließend benennt die Autorin einzelne Kontexte, in denen sie dem „Sozialen Unbewussten“ Bedeutung für konkretes Handeln zuweist.

Beispiele zu Anwendungen des systemisch-psychodynamischen Beratungsansatzes im Bereich sozialwirtschaftlicher Organisationen: In den darauf folgenden vier Abschnitten, das Buch inhaltlich abschließend, beschreiben die Autor:innen eigene Erfahrungen mit einer systemisch-psychodynamischen Beratungsarbeit in unterschiedlichen Beratungskontexten innerhalb des sozialwirtschaftlichen Sektors. Das Kapitel „Zur Praxeologie gruppenanalytischer Großgruppen in Organisationen“ von Rudolf Hetzel setzt sich mit Anwendungen des gruppenanalytischen Arbeitens in und mit Großgruppen in Organisationen auseinander. Er berichtet dazu aus einem eigenen Fallbeispiel über die in einem Schwerpunktkrankenhaus mit privater Trägerschaft im Halbjahresrhythmus von ihm geleiteten Großgruppensupervisionen. Christopher Scanlon eröffnet seinen Beitrag zu „Die traumatised-organisation-in-the-mind, Räume für schwierige Dialoge“ mit dem Hinweis, dass aus seiner Sicht im Bereich der Organisationsberatung keine sinnvolle Unterscheidung zwischen der systemisch-psychodynamischen und der gruppenanalytischen Tradition möglich sei, diese Sichtweise aber von vielen Kolleg:innen nicht geteilt werde. Sein Erfahrungsbericht liefert eine strukturierte, methodisch und theoretisch hinterlegte Grundlage zum gruppenanalytischen Arbeiten in forensischen Kontexten. Von den „emotionalen Auswirkungen organisatorischen Wandels“ schreibt Vega Zagier Roberts in ihrem Beitrag „Geburt und Trauer, Blut und Tränen“. Auf Basis einer Fallstudie: „Veränderung als Angriff auf die eigene Identität“ erörtert die Autorin ihre Erfahrungen mit der beratenden Begleitung einer gemeinnützigen Stiftung für die Betreuung von 250 Kindern und Jugendlichen mit schweren Mehrfachbehinderungen durch einen tiefgreifenden Transformationsprozess. Strukturiert als eine Abfolge von dynamischen Phasen: „Bedrohung der Identität einer Organisation“, „Trauer, Verachtung und Widerstand gegen Veränderungen“, „Trauer und Trauerphasen“ „Geburt, Trauer und Kollusion zur Verhinderung von Trauer“ führt sie den Leser – theoretisch-gestützt – durch die Fallstudie. Abschließend formuliert die Autorin Verallgemeinerungen zur systemisch-psychodynamischen Beratungsarbeit in der Begleitung tiefgreifender Transformationsprozesse. Der das Buch beendende Text von Moritz Senarclens de Grancy und Nicola Wreford-Howard zu Social Dreaming in der Organisationsentwicklung“ schildert die im Kontext von Tavistock entwickelte Methodik des Social Dreaming als ein Eröffnungssetting für Großgruppenveranstaltungen (insbes. Konferenzen und Kongressevents). Dabei werden die Teilnehmende eingeladen, ihre Träume aus der Veranstaltung vorausgehenden Nacht in einem Kreissetting zu veröffentlichen, um sich in einem nächsten Schritt einem sich daraus entwickelnden reflexiven Kommunikationsprozess anzuvertrauen.

Diskussion

Das vorliegende Buch beschreibt seine titelgebende „Marke“ in differenzierten, immer wieder wissenschaftlich begründenden Texten. Ihre psychoanalytischen und sozialpsychologischen Quellen, sowie die sich in der Arbeit der Londoner Tavistock-Institutionen daraus entwickelten gruppenanalytischen Konzepte werden theoretisch und mit Blick auf praktische Beratungsarbeit in Organisationen nachvollziehbar vermittelt. Insbesondere werden die den systemisch-psychodynamischen Ansatz prägenden Arbeitsbegriffe und Methoden jeweils definiert und erläutert. In dem sich daraus ergebenden „beraterisch-arbeitssprachlichen Wording“(Übertragung, Gegenübertragung, das Sozial Unbewusste, Organisation-in-the mind etc.) bleiben die beschriebenen Quellen dieses Ansatzes assoziativ gewahrt. Darauf Bezug nehmend, ist darauf hinzuweisen, dass der die titelgebende Marke prägende Begriff ‚systemisch‘ nicht auf die, zumindest im deutschsprachigen Feld der Organisationsberatung, weit verbreitete Assoziation mit konstruktivistischen Konzepten und der Systemtheorie Niklas Luhmanns verweist, sondern auf die Allgemeine Systemtheorie Ludwig von Bertalanffys. Diese möglicherweise akademisch anmutende Differenz ermöglicht jedoch in keiner Weise unterschiedliche, verallgemeinerbare ‚Wert-Zuschreibungen‘ (darauf ist hier hinzuweisen). Sie hat jedoch einen erheblichen, das beruflich-beraterische Handeln von Organisationsberater:innen beeinflussenden Stellenwert. Der auch im Titel des vorliegenden Werks benutzte Begriff ‚Organisationsberatung‘ öffnet ja eine weit verzweigte, höchst vielfältig anmutende professionelle Landschaft. Die Differenz zwischen den beiden, für die Praxis von Organisationsberatung Orientierung liefernden Systemtheorien ermöglicht es unter anderem, dass – etwas pointiert formuliert – ‚Tavistokianer:innen‘ und ‚Luhmanniaer:innen‘ in dieser ‚Landschaft Organisationsberatung‘ äußerst unterschiedliche Regionen bewohnen. Für die Erstgenannten kann sich die Beratungsarbeit in/für Organisationen auf die Interaktion zwischen Individuen, zwischen mit einem Subjektstatus ausgestatteten Gruppen sowie zwischen Individuen und Gruppen beziehen. Für die Zweitgenannten bestehen Organisationen aus Strukturen, Entscheidungsprämissen und Kommunikationen/​Entscheidungen. Es ist eine Qualität des vorliegenden Bandes, diese Differenzierung zu ermöglichen und die zwischen diesen ‚Regionen‘ liegende Grenze nicht nur zu erahnen, sondern theoretisch untermauert, sprachlich differenziert zu formulieren und wohl auch zu bewirtschaften.

Fazit

Die Lektüre dieses Buches ermöglicht Wissenschaftler:innen und Berater:innen einen profunden Zugang zu den psychoanalytisch-sozialpsychologischen Grundlagen des titelgebenden, gruppenanalytisch orientierten Beratungsansatzes. In diesem Zusammenhang verfügt das Buch auch über die Qualität eines Nachschlagwerkes.

Rezension von
Prof. Dr. Alfred Janes
Coaching von Mitgliedern universitärer Lehrkörper sowie von Organisationsberater:innen
Supervision von Organisationsberatungs-Projekten
Schreiben von Texten, Artikeln, Buchbeiträgen und Büchern zum Themenfeld Organisationsberatung
Vorträge und Referate zum Themenfeld Organisationsberatung
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Es gibt 2 Rezensionen von Alfred Janes.

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Zitiervorschlag
Alfred Janes. Rezension vom 31.12.2024 zu: Martin Lüdemann, Markus G. Feil, Celina Rodriguez Drescher: Systemisch-psychodynamische Organisationsberatung. Konzepte und Anwendungen. Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG (Gießen) 2024. ISBN 978-3-8379-3281-2. Reihe: Therapie & Beratung. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31899.php, Datum des Zugriffs 19.01.2025.


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