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Gaby Reinhard: Sozialraumorientierung in der Sozialen Arbeit

Rezensiert von Nojin Malla Mirza, 20.08.2024

Cover Gaby Reinhard: Sozialraumorientierung in der Sozialen Arbeit ISBN 978-3-17-044033-3

Gaby Reinhard: Sozialraumorientierung in der Sozialen Arbeit. Ein Arbeits- und Materialbuch für Studium, Lehre und Praxis. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2024. 250 Seiten. ISBN 978-3-17-044033-3. 32,00 EUR.

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Thema

Die vorliegende Veröffentlichung bietet eine Skizze der sozialraumorientierten Hilfe- und Teilhabeplanung als Gegenentwurf zur sozialpädagogischen Diagnostik. Das Ziel ist es, dadurch ein flexibles und passgenaues Unterstützungssettings in der Sozialen Arbeit zu entwerfen. Dabei wird besonders eine willens- und ressourcenorientierte Haltung fokussiert, die als Grundlage für Beratungen etabliert werden soll.

Autorin

Dr. Gaby Reinhard ist Professorin für Methoden der Sozialen Arbeit an der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf. Vorherige Stationen ihrer Karriere umfassten leitende Positionen an der Universität Duisburg-Essen sowie im Jugendamt der Stadt Essen.

Zusätzlich ist sie am Institut für Sozialraumorientierte Arbeit und Beratung (isab e.V.) sowie an der Akademie für Sozialraumorientierung und Inklusion aktiv, wo sie Fortbildungen und Beratungen in sozialraumorientierten Umstrukturierungsprozessen durchführt.

Entstehungshintergrund

Das Buch wurde von den Erfahrungen der Autorin inspiriert und entstand aus einer fachlichen Diskussion mit einer Kollegin während einer Fachtagung. In diesem Austausch erörterten sie ihre fachlichen Ausrichtungen anhand einer exemplarischen Situation, was den Anstoß für die entstandene Veröffentlichung gab.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist in fünf Kapitel gegliedert:

Einführendes Kapitel: Fallbeispiel und Einführung (S. 7–19)

Das Buch beginnt mit einem Fallbeispiel, das auf einem Austausch zwischen der Autorin und einer Kollegin auf einer Fachtagung basiert. Darauf folgt eine Einführung und theoretische Kontextualisierung des Buches, die auf die bestehende Literatur zur Sozialraumorientierung (SRO) hinweist. Die Veröffentlichung schließt eine Lücke, indem sie eine für Studium, Lehre und Praxis relevante Ausdifferenzierung der fachlichen Prinzipien bietet (S. 11).

Kapitel 1: Das Fachkonzept Sozialraumorientierung (S. 19–97)

Dieses Kapitel behandelt die konzeptionellen Grundlagen der SRO mit der konkreten Fokussetzung auf das Fachkonzept der SRO nach Hinte. Zunächst geht sie auf das SONI-Modell von Früchtel, Budde und Cyprian ein und beschriebt seine vier Dimensionen: Sozialstruktur, Organisation, Netzwerk und Individuum, die eine umfassende Perspektive auf die sozialraumorientierte Arbeit bieten.

Anschließend werden theoretische Grundlagen zu „Der Soziale Raum“ und „Der Fall im Feld“ umrissen, um dann ausführlich auf Hintes Fachkonzept einzugehen. Hinte definiert den sozialen Raum als zentralen Bezugspunkt für Interventionen in der Sozialen Arbeit. Die fünf methodischen Fachprinzipien von Hinte werden detailliert beschrieben und durch praxisnahe Fallbeispiele verdeutlicht. Diese Prinzipien bilden die theoretischen Grundlagen der SRO (S. 25):

  1. Ausgangspunkt jeglicher Arbeit sind Wille und Interesse der Menschen
  2. Selbsthilfekräfte und Eigeninitiative haben Vorrang vor betreuender Tätigkeit
  3. Bei der Gestaltung von Arrangements spielen personale und sozialräumliche Ressourcen eine entscheidende Rolle
  4. Aktivitäten sind überwiegend zielgruppen- und bereichsübergreifend angelegt
  5. Vernetzung und Integration der verschiedenen sozialen Dienste sind die Grundlage funktionierender Einzelfallhilfe

Diese theoretischen Grundlagen werden kontinuierlich durch Fallbeispiele und praktische Darstellungen ergänzt, um zu zeigen, wie die Prinzipien umgesetzt werden können.

Kapitel 2: Die sozialraumorientierte Hilfe- und Teilhabeplanung (S. 97–137)

Dieses Kapitel skizziert die sozialraumorientierte Hilfe- und Teilhabeplanung unter Berücksichtigung der im ersten Kapitel erläuterten Grundsätze und der damit verbundenen Haltung auf Menschen. Sie wird anhand von Beratungsprozessen im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe mit sechs wesentlichen Elementen illustriert. Diese Elemente, zusammen mit praxisnahen Fallbeispielen, werden zur Veranschaulichung herangezogen (S. 109 ff.):

  • Erstes Element: Die Ausgangssituation der Person wird aus ihrer Perspektive erfasst
  • Zweites Element: Der Wille der Person ist erkundet
  • Drittes Element: Schritte/​Meilensteine/​Ziele sind im O-Ton der Person beschrieben und darauf bezogener Ressourcen-Check erfolgt
  • Viertes Element: Vereinbarungen zum weiteren Vorgehen sind getroffen
  • Fünftes Element: Die vereinbarten Schritte/Tätigkeiten werden umgesetzt
  • Sechstes Element: Gemeinsames Auswertungsgespräch findet statt

Kapitel 3: Kollegiale Beratung (S. 137–152)

Hier wird die kollegiale Beratung als zentrales Instrument der Sozialen Arbeit hervorgehoben. Die Autorin betont die Relevanz dieses Instruments, um professionelle Reflexion und Kompetenzsteigerung innerhalb von Teams zu steigern. In ihre Ausführungen stellt sie die Differenz zwischen der klassischen Variante der kollegialen Beratung und der kollegialen Beratung zum Fall im Feld mit sozialraumorientierter Perspektive dar. Anschließend folgt die Darlegung der sieben Phasen dieser Beratungsvariante und ihre spezifischen Merkmale.

In diesem Zusammenhang weist sie zusammenfassend darauf hin, dass dieser Strukturierungsversuch nicht zu Formalisierung führen sollte, sondern die Absicht verfolgt, „eine grundsätzliche fachlich- strukturierte Rahmung, die eine fokussierte und zugleich kreative Beratung ermöglichen soll“ zu fördern (S. 150).

Kapitel 4: Sozialraumorientierung und Signs of Safety (S. 152- 168)

In diesem Kapitel wird die mögliche Verbindung zwischen der SRO und dem Signs of Safety-Ansatz dargestellt, der als innovativ, ressourcenorientiert und sicherheitsfördernd gilt. Die Autor*innen beleuchten aktuelle Entwicklungen und Diskurse im Bereich der Kindeswohlgefährdung. Sie plädieren dafür, Signs of Safety mit dem Fachkonzept der SRO zu verknüpfen, um den Wirkungsbereich zu erweitern. Diese Integration wird als „netzwerkgestützte Sicherheitslösungen im Kinderschutz“ beschrieben (S. 166).

Kapitel 5: Sozialraumorientierung und Motivational Interviewing (S. 168–182)

Das letzte Kapitel untersucht die Verbindung zwischen SRO und Motivational Interviewing. Es erklärt die Grundprinzipien und kommunikativen Strategien des Motivational Interviewing und diskutiert Ähnlichkeiten und Unterschiede zur SRO. Anhand der Ausführungen und anschaulichen Beispiele wird das Fazit gezogen, dass die beiden Ansätze in ihren Grundlagen gleich oder ähnlich sind, was eine kompatible Zusammenführung ermöglicht.

Diskussion

Die Veröffentlichung von Dr. Gaby Reinhard liefert einen umfassenden Einblick in die sozialraumorientierte Hilfe- und Teilhabeplanung, die sich als Gegenentwurf zur traditionellen sozialpädagogischen Diagnostik positioniert. Diese alternative Herangehensweise hebt die Bedeutung von Wille und Ressourcen der Menschen hervor. Durch die detaillierte Darstellung der theoretischen Grundlagen und die praktische Veranschaulichung durch Fallbeispiele wird deutlich, dass die sozialraumorientierte Methode/​Perspektive eine flexible und anpassungsfähige Alternative zu herkömmlichen Ansätzen darstellt.

Ein weiteres besonders Merkmal der Veröffentlichung ist die Erörterung der potenziellen Verbindungen zwischen SRO und anderen innovativen Methoden wie Signs of Safety und Motivational Interviewing. Diese umrissene Interdisziplinarität könnte bei weiteren konzeptuellen Entwicklungen neue Wege für die Praxis eröffnen.

Fazit

Das Arbeits- und Materialbuch bietet eine umfassende und praxisorientierte Einführung in die sozialraumorientierte Hilfe- und Teilhabeplanung und verbindet theoretische Grundlagen mit konkreten Anwendungsmöglichkeiten. Die klare Strukturierung und die Vielzahl an Fallbeispielen machen das Werk besonders nützlich für Praktiker*innen, Studierende und Lehrende der Sozialen Arbeit.

Rezension von
Nojin Malla Mirza
M.A., Lehrbeauftragte an der Hochschule Bielefeld, promoviert im Rahmen des Promotionskollegs NRW zum Thema „Sozialraumorientierung als Beratungsansatz im Kontext der Grundsicherungsleistung der Jobcenter“.
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Es gibt 3 Rezensionen von Nojin Malla Mirza.

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Zitiervorschlag
Nojin Malla Mirza. Rezension vom 20.08.2024 zu: Gaby Reinhard: Sozialraumorientierung in der Sozialen Arbeit. Ein Arbeits- und Materialbuch für Studium, Lehre und Praxis. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2024. ISBN 978-3-17-044033-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31913.php, Datum des Zugriffs 15.09.2024.


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