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Nina Jordis: Lass mal Therapie gehen!

Rezensiert von Sebastian Kron, 26.04.2024

Cover Nina Jordis: Lass mal Therapie gehen! ISBN 978-3-7575-3833-0

Nina Jordis: Lass mal Therapie gehen! Sechs Therapie-Storys von Jugendlichen. epubli (Berlin) 2023. 4. Auflage. 208 Seiten. ISBN 978-3-7575-3833-0. D: 14,95 EUR, A: 14,95 EUR.

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Thema und Entstehungshintergrund

Junge Menschen wachsen heute in einer Welt heran, in der sie von vielfältigen Anforderungen umgeben sind. Sie werden von klein an in ein Muster gebracht, welches es schwierig macht, als Kind unbeschwert heranzuwachsen. Der Anschein kommt auf, es sei erwünscht, dass junge Menschen nicht mehr einzigartig sein dürfen, sich entfremden und anpassen müssen. In der Schule werden nicht mehr Kinder erzogen, die von Einzigartigkeit und Individualität profitieren. Es ist festzustellen, dass Leistungen daran gemessen werden, eine*r von vielen zu sein.

Weltweite Unruhen, Ausgrenzungs-, Stigmatisierungsprozesse oder familiäre Herausforderungen bringen zusätzlich eine Kinder- und Jugendseele zum „Überkochen“, gleichwohl, dass das digitale Zeitalter Menschen in eine nicht reale Welt bringt, in der sie fernab von Zwischenmenschlichkeit und engen Beziehungen heranwachsen.

So wird in der heutigen Zeit deutlich, dass Kinder und Jugendliche vielen Stressoren ausgesetzt sind. Sie „verlernen“ zunehmend auf sich selbst zu achten, auf Gefühle und tiefe Wünsche einzugehen, für sich selbst zu sorgen.

Autor:in

Die Autorin verwendet zum Schutz und zur Anonymität ihrer Patient*innen ein Pseudonym. Sie nennt sich Dr. Nina Jordis und ist approbierte, psychologische Kinder- und Jugendpsychotherapeutin der Fachrichtung Verhaltenstherapie.

Aufbau und Inhalt

Das Buch geht auf verschiedene Störungsbilder im Kinder- und Jugendalter ein, beschreibt diese in einfacher Sprache und verdeutlicht den Weg von der Entstehung bis zur Intervention psychischen Leidens. Es hebt das Störungsbild und deren Merkmale hervor.

Das erste Kapitel beschreibt die Depressionen und suizidal, selbstverletzenden Gedanken eines Mädchens namens Krissi. Viele verschiedene Lebensumstände führten dazu, dass die einst so gute Schülerin kognitiv nicht mehr aufnahmefähig war. Zu der gedrückten Stimmung paarten sich Selbstzweifel und ein gravierender Abfall des Selbstwertgefühls. Hobbies, die der Schülerin einst Spaß machten, verlierten mehr und mehr an Bedeutung. Es drängten sich später Gedanken auf, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen. Verhaltenstherapie setzt nun dort an, wo negative Gedanken Selbstwert und Lebensaufgaben beeinflussen und versucht diese umzustrukturieren.

Im zweiten Kapitel geht es um Marie und ihre Diagnose Angst und Depressionen gemischt. Marie wirkte vor der Therapie in sich gekehrt, unruhig und unsicher. Ihre Noten in der Schule waren relativ schlecht und ihre Versetzung war gefährdet. Dies hing damit zusammen, dass sie sich nicht traute, am Unterricht mitzuwirken, aus Angst beurteilt, beobachtet, kritisiert zu werden oder gar etwas Falsches zu sagen. Soziale Unsicherheiten, gepaart mit einer enormen, inneren Unruhe und Niedergeschlagenheit beeinflussen das Erleben und Verhalten der Schülerin. Die verhaltenstherapeutische Intervention setzt dort an, wo Gedanken Ängste hervorrufen und Emotionen in einer Niedergeschlagenheit münden.

Pauline, eine sechsjährige Schülerin, leidet seit einiger Zeit unter einer Phobie. Sie hat extreme Angst vor dem eigenen und dem Erbrechen anderer. Daher strukturiert sie ihren Tag und plant genau ihre Mahlzeiten, aus Angst sich übergeben zu müssen. Diese Angst führt zu einem Leistungsabfall und ein Rückzug von der Außenwelt. Phobien, wie diese, werden verhaltenstherapeutisch interveniert, in dem Gedanken und Befürchtungen besprochen werden und nach Alternativgedanken gesucht wird, etwaige Ängste zu beherrschen und diese nicht über freudeverheißende Aktivitäten zu stellen. Ferner hilft die gedankliche Konfrontation mit angstauslösenden Gefühlen, Situationen oder Zuständen, das Bewusstsein für die Erkrankung zu schärfen und ein Lernvorgang der Angstverarbeitung in Gang zu setzen.

Der 16-jährige Felix leidet unter einer Computerspielsucht, sitzt bis zu neun Stunden am PC, vernachlässigt soziale Kontakte und die schulische Arbeit. Felix ist in sich gekehrt, scheint nur noch in der digitalen Welt fernab der Realität zurechtzukommen. Intensiv wurde an Felix' Gefühlen gearbeitet und Ressourcen- sowie Stärkenanalysen durchgeführt.

Emilia leidet an einer Essstörung, bei der sie extreme Heißhungerattacken bekommt und sich anschließend übergibt. Anfangs führt sie den Brechreiz herbei, später kommt dieser von ganz allein. Scheinbar wurde der seelische Schmerz, verursacht durch die Trennung der Eltern, kleiner, wenn es bei Emilia zu Essanfällen kam und sie sich anschließend übergeben hat. Die Therapie hat das Kennenlernen von Sinn und Unsinn der Erkrankung geschult, Tagesstrukturen geschaffen und konstruktiv an irrrationalen Gedanken gearbeitet.

Niklas leidet an einer Somatisierungsstörung, bei der sich Stress, negative Gefühle und Unwohlsein auf den Bauch schlagen. Er hat verlernt, zu fühlen oder hat seine Gefühle nicht zugelassen. Die Therapie hilft, sich auf Stress, Emotionen und Gefühle einzulassen, über sie zu sprechen und einen wertschätzenden, empathischen Kontakt während der therapeutischen Arbeit zu haben.

Diskussion

Seele und Körper, Körper und Geist, familiäre Ereignisse, einschneidende Erlebnisse, Angst, Wut und Trauer, irgendwie wirken alle diese Faktoren zusammen und bilden ein großes Ganzes. Was können Sozialarbeiter*innen tun, wenn die Seele der Betroffenen auf erschütternde Ereignisse, auf negative Gefühle oder auf verletzende Außeneinwirkungen reagiert? Man kann sagen, eine ganze Menge. Auch wenn die soziale Arbeit nicht therapeutisch agieren kann, kann sie aus verschiedenen Theorien zehren, ein offenes Ohr haben, Stärken- und Ressourcenanalysen durchführen oder einfach nur da sein. Dieses „Einfach-nur-da-sein“ scheint simple zu klingen, ist aber für eine verletzte Seele in einer stressigen und unruhigen Welt goldwert. Der offene, empathische Austausch über das Erleben und Verhalten der Klient*innen kann bei Sozialarbeiter*innen ein Bewusstsein für den Menschen schärfen, gleichwohl, ob es sich um ein Kind, einen Jugendlichen oder einen Erwachsenen handelt. Viele Klient*innen erkennen bereits in einem gemeinsamen, empathischen Gespräch, dass ihre Gedanken irreführend oder nicht rational sind. Sie lernen sich neu kennen und entwickeln ein „neues“ Selbstwertgefühl und Achtsamkeitsempfinden.

Fazit

Das Buch beschreibt in einfacher Sprache, aufbereitet für Jugendliche, ausgewählte psychische Beeinträchtigungen und verdeutlicht den Leidensdruck anhand ausgewählter, realer Fallbeispiele aus der Kinder- und Jugendpsychotherapie. Anhand dieser Beispiele wird das Bewusstsein für die verhaltenstherapeutische Herangehensweise bei Leser*innen geschärft. Die alltagsnahe Sprache macht das Werk zu einem Klassiker und appelliert an ein empathisches Bewusstsein für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter.

Rezension von
Sebastian Kron
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Es gibt 21 Rezensionen von Sebastian Kron.

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ISSN 2190-9245