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Petra Lang, Klaus Sarimski: Das Fragile-X-Syndrom

Rezensiert von Dr. Dipl.-Psych. Lothar Unzner, 11.09.2024

Cover Petra Lang, Klaus Sarimski: Das Fragile-X-Syndrom ISBN 978-3-497-03243-3

Petra Lang, Klaus Sarimski: Das Fragile-X-Syndrom. Ein Ratgeber für Eltern. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2024. 2., aktualisierte Auflage. 107 Seiten. ISBN 978-3-497-03243-3. D: 14,90 EUR, A: 15,40 EUR.

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Thema

Sie sind zappelig, impulsiv, berührungsempfindlich und scheu. Später als andere lernen sie laufen und sprechen: Kinder mit Fragilem-X-Syndrom. In diesem Buch schildert die Mutter eines betroffenen Jungen ihre Erfahrungen über lange Jahre bis zum Erwachsen werden des Kindes. Ergänzt wird dieser Erfahrungsbericht durch einen Überblick über den medizinischen, psychologischen und pädagogischen Kenntnisstand.

Autor*innen

Petra Lang, EDV-Fachfrau, hat einen Sohn, der vom Fragilen-X-Syndrom betroffen ist, und eine Tochter.

Prof. i.R. Dr. Klaus Sarimski, Diplom-Psychologe, war bis 2021 Professor für sonderpädagogische Frühförderung und Elementarpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.

Aufbau und Inhalt

Im ersten umfangreicheren Teil des Buches schildert Petra Lang ihre Erfahrungen mit dem herausfordernden Verhalten ihres Kindes von der frühen Kindheit bis zur Adoleszenz und dem frühen Erwachsenenalter. Sie erzählt von den Irritationen in den ersten vier Lebensjahres des Kindes. Sie sucht nach einer Erklärung für das herausfordernde Verhalten. Sie ist unsicher und voller Selbstzweifel und macht sich große Sorgen um die Zukunft. Die Erfahrungen mit Kindergarten, Ärzt*innen, Therapeut*innen und anderen Expert*innen sind sehr widersprüchlich. Sie stellt sich dennoch den erzieherischen Herausforderungen und findet individuelle Lösungen für Alltagsschwierigkeiten.

Es ist ein weiter Weg über die Verdachtsdiagnose „Asperger-Syndrom“ bis zur genetischen Diagnose „Fragiles X-Syndrom“. Der emotionale Umgang mit dieser Diagnose wird ausführlich geschildert und was es bedeutet, ein geistig behindertes Kind zu haben. Die Darstellung geht in dieser Auflage über die Schulzeit (Sonderschule) und der Pubertät bis zum Auszug, dem Umzug in eine Wohneinrichtung und dem Arbeitsbeginn in der Werkstatt, wo er in der Großküche die optimale Beschäftigung findet.

Im zweiten kürzeren, aber aktualisierten Teil des Buches gibt Klaus Sarimski einen Überblick über den medizinischen, psychologischen und pädagogischen Kenntnisstand. Er stellt den Verhaltensphänotyp mit seinen Stärken und Schwächen dar und bespricht die Bedeutung und Besonderheiten früher Diagnostik und Förderung und der sozialen Teilhabe in Kindergarten und Schule und gibt eine Perspektive für die Zeit nach der Schule. Wichtig ist Sarimski auch, zu besprechen, welche Hilfen Eltern bekommen können.

Das Buch endet mit einem Anhang mit Literaturempfehlungen und hilfreichen Adressen.

Diskussion

Das Buch erzählt die Leidensgeschichte eines 1992 geborenen Kindes und seiner Mutter (Familie). Die Angst und Unsicherheit der Mutter, aber auch die Wut über lange Wartezeiten, Inkompetenz der Ärzt*innen in der Kinderarztpraxis oder im SPZ werden deutlich. Auch ein Vertrösten oder Bagatellisieren der Verhaltensauffälligkeiten als leichte Entwicklungsverzögerung oder verursacht durch inkompetentes Verhalten der Eltern hilft nicht weiter. Insgesamt findet die Mutter aber immer wieder individuelle Lösungen für Alltagsschwierigkeiten.

Die Frage der Beschulung wird offen diskutiert: Inklusionsschule oder Förderzentrum mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung? Die Bedingungen, die angemessen die besonderen Bedürfnisse berücksichtigen, sind vielerorts nicht gegeben. Die Eltern entschieden sich für das Förderzentrum und waren damit durchaus zufrieden.

Traurig macht die Erschöpfung der Mutter, die anscheinend zu wenig Unterstützung durch ihren Mann oder den Rest der erweiterten Familie bekommt. Es gibt ja auch noch eine jüngere Schwester. In mir wurden aber auch ambivalente Gefühle beim Lesen geweckt. So beschwert sie sich beispielsweise, dass ein Gespräch mit einem Arzt im Beisein der auf einem Teppich spielenden Kinder erfolgte, anderseits muss sie immer die Kinder mitschleppen.

Sehr hilfreich ist der fachliche Teil von Klaus Sarimski. Er macht auch deutlich, dass es keine Patentrezepte geben kann, keine nur auf das Fragile-X-Syndrom abgestimmten Programme. Diese Kinder sind nicht „defekt“ und müssen nicht „normalisiert“ werden. Sie brauchen Menschen, die auf ihre Besonderheiten eingehen. Für die Unterstützung der Kinder und ihrer Eltern sind frühzeitige Kontakte zu Kinderärzt*innen, Frühförderstellen und SPZ zu empfehlen.

Ein Buch, das Probleme in der Lebensgeschichte herausarbeitet, aber auch viel Mut macht.

Zielgruppen

Das Buch richtet sich an Eltern von Kindern mit Fragilem-X-Syndrom sowie alle Berufsgruppen, die mit Kindern mit dem Fragilen-X-Syndrom arbeiten.

Fazit

Das Buch ist ein Ratgeber für Eltern eines Kindes mit Fragilem-X-Syndrom. Durch den offenen und ehrlichen Erfahrungsbericht einer Mutter und der fundierten fachlichen Einordnung bietet es viele Anregungen für betroffene Eltern, versorgt sie aber auch mit Literaturempfehlungen und hilfreichen Adressen.

Rezension von
Dr. Dipl.-Psych. Lothar Unzner
ehem. Leiter der Interdisziplinären Frühförderstellen in Dorfen, Erding und Markt Schwaben im Einrichtungsverbund Steinhöring
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Es gibt 195 Rezensionen von Lothar Unzner.

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Zitiervorschlag
Lothar Unzner. Rezension vom 11.09.2024 zu: Petra Lang, Klaus Sarimski: Das Fragile-X-Syndrom. Ein Ratgeber für Eltern. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2024. 2., aktualisierte Auflage. ISBN 978-3-497-03243-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32003.php, Datum des Zugriffs 06.10.2024.


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