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Inez Maus, Jannis Benjamin Ihrig: Familienbande bei Autismus

Rezensiert von Prof. Stefan Müller-Teusler, 03.06.2024

Cover Inez Maus, Jannis Benjamin Ihrig: Familienbande bei Autismus ISBN 978-3-17-040370-3

Inez Maus, Jannis Benjamin Ihrig: Familienbande bei Autismus. Wie Zusammenleben gelingen kann. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2024. 207 Seiten. ISBN 978-3-17-040370-3. 34,00 EUR.

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Thema

Das Buch ist in weiten Teilen ein schriftlicher Dialog zwischen der Mutter und ihrem Sohn, in dem es im Wesentlichen um Fragen des familiären Miteinanders und des Zusammenlebens geht. Im zweiten Teil des Buches werden noch Familien, die ebenfalls ein autistisches Kind haben, schriftlich befragt.

Autorin und Autor

Ines Maus, ist promovierte Biochemikerin, inzwischen aber selbstständig als Autorin und Referentin im Zusammenhang mit Autismus.

Benjamin Ihrig ist der Sohn von Ines Maus. Er studiert Philosophie und schreibt Science-Fiction-Geschichten.

Aufbau und Inhalt

Die Idee zu dem Buch fußt auf vorausgegangenen Büchern von Inez Maus (2017, 2020), in denen Familienleben, Belastungen und familiäre Situationen auch schon Themen waren. Das erste Kapitel ist eine kurze Skizzierung, was Autismus ist und die Situation von Familien mit autistischen Kindern und wurde von Inez Maus alleine verfasst. Das zweite Kapitel ist der schriftliche Dialog zwischen Mutter und Sohn, wobei es kein simples Frage-Antwort-Schema ist, sondern es gibt auch Rückfragen von Benjamin an seine Mutter. Zu allen Themenbereichen gibt es eine kleine fachliche Einführung durch die Mutter, bevor es in den innerfamiliären Dialog übergeht. Dem Lebensverlauf entsprechend beginnt es in Kindheit und Jugendzeit und reicht bis in die Gegenwart zu Studium und heutiger Lebenssituation. Die Themen sind sehr vielfältig (in Auswahl): Schule, Therapie, Geschwister, Eltern, Umgang mit Autismus, Studium/​Universität, Tagesklinik und ein (familiärer) Ausblick in Bezug auf Wünsche, Träume und Hoffnungen. Ergänzt wird das durch Gastbeiträge eines Bruders und durch den Vater. Im dritten Kapitel werden 8 Familien schriftlich im Wesentlichen zu den gleichen Themen befragt (Rücklauf: 5 Familien), die auch in den Dialogen von Mutter und Sohn auftauchen. Allerdings sind hier keine Nachfragen mehr gestellt worden, insofern sind die Dialoge von Mutter und Sohn tiefgreifender. Kriterien für die Auswahl der Befragten ist die persönliche Bekanntheit der Familie bei Inez Maus und dass natürlich ein autistisches Kind in der Familie ist. Ähnlich wie in dem innerfamiliären Dialog haben sowohl die Eltern resp. Geschwister geantwortet wie auch die Menschen mit Autismus. Die Aussagen aus den schriftlichen Befragungen werden von Inez Maus summarisch zusammengefasst, wobei sie auch immer einzelne Passagen aus den Antworten zitiert und Anmerkungen dazu macht. Eine kurze Schlussbemerkung bilden das vierte Kapitel. Etwas aus der Reihe fällt das letzte, fünfte Kapitel, in dem Benjamin seine Faszination für Geschichten schreiben andeutet. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis beendet das Buch.

Diskussion

Das Buch gibt vielfältige Einblicke in das Familienleben und vor allem in die notwendige (aktive) Gestaltung eines Familienlebens mit einem autistischen Angehörigen. Dazu finden sich viele zahlreiche Hinweise von Fragen wie Struktur zu Freiräumen und Respektieren. Dass jede Familie ihren eigenen Weg finden muss und hier keine Patentrezepte geliefert werden, ist eigentlich selbstverständlich. Was (aus meiner Sicht) fehlt, sind Rahmenbedingungen wie z.B. Wohnsituation und -umfeld, denn das kann ebenfalls eine große Rolle spielen. Sehr anregend ist der Gedanke, im Erwachsenenalter das Zusammenleben wie eine WG mit Regeln und Pflichten zu organisieren.

Der Vater kommt nur einige wenige Male zur Sprache, das ist im Hinblick auf das Thema (Familienbande) schade. Interessant sind auch die Beiträge aus den anderen Familien, das ergänzt und reichert viele der dargestellten Inhalte an.

Die autistischen Menschen, die sich hier äußern, haben (wenn teilweise auch etwas eingeschränkter) die Möglichkeit, sich kommunikativ zu äußern und scheinen über ein gewisses Reflexionsvermögen zu verfügen, wenn sie zu den jeweiligen Fragen Auskunft geben können bzw. Stellungnahmen beziehen. Das ist im Hinblick auf die Diagnosen (Asperger-Autismus bzw. High-functioning-Autismus) auch einigermaßen erklärbar. Familien mit Mitgliedern mit frühkindlichem Autismus haben häufig diese Möglichkeit der reflektierten Dialoge nicht. Das ist kein Ausschluss dieser Familien, auch sie finden in diesem Buch viele Hinweise, aber das Familienleben und (die daraus resultierende Familienbande oder auch die Zerwürfnisse) haben andere Bedingungen.

Eine Bemerkung noch zum Format: Das Buch hat (in der Druckversion) das übliche Format, das ein Fachbuch hat (15,5x23,1 cm). Das ist in diesem Fall etwas mühsam, denn das Buch ist als Lesebuch angelegt und hier wäre das Taschenbuchformat (z.B. 11,7x18,5 cm) ansprechender und einfacher.

Fazit

Ein interessantes, lesenswertes Buch, das viele Informationen bietet, aber auch einen gewissen Unterhaltungswert hat, also auch Menschen aus „nicht wissenschaftlichen Kontexten“ sehr gut zugänglich ist. Auch ist es sicherlich für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen interessant im Hinblick auf die eigene Familie und das Heranwachsen sowie dem jeweiligen Verhältnis zur eigenen Familie. Für Personen, die in Beratung und Therapie bei Familien mit einem autistischen Mitglieder tätig sind, ist es eine wertvolle Ergänzung zu eigenen Erfahrungen und Hinweis darauf, wie Familien gestärkt werden können.

Literatur

Inez Maus: Geschwister von Kindern mit Autismus. Ein Praxisbuch für Eltern und Betreuende. Verlag W. Kohlhammer (Stuttgart) 2017 (https://www.socialnet.de/rezensionen/​22957.php)

Inez Maus: Kompetenzmanual Autismus (KOMMA). Praxisleitfaden für den Bildungs-, Wohn- und Arbeitsbereich. Verlag W. Kohlhammer (Stuttgart) 2020 (hier auf der Plattform bisher leider nicht rezensiert)

Rezension von
Prof. Stefan Müller-Teusler
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Es gibt 99 Rezensionen von Stefan Müller-Teusler.

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ISSN 2190-9245