Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Maike Rönnau-Böse, Klaus Fröhlich-Gildhoff: Resilienz und Resilienzförderung über die Lebensspanne

Rezensiert von Prof. Dr.em. Jürg Frick, 14.02.2025

Cover Maike Rönnau-Böse, Klaus Fröhlich-Gildhoff: Resilienz und Resilienzförderung über die Lebensspanne ISBN 978-3-17-042759-4

Maike Rönnau-Böse, Klaus Fröhlich-Gildhoff: Resilienz und Resilienzförderung über die Lebensspanne. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2024. 3., erweiterte und aktualisierte Auflage. 249 Seiten. ISBN 978-3-17-042759-4. 39,00 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Kaufen beim socialnet Buchversand
Kaufen beim Verlag

Thema

Die beiden Autor*innen beziehen das Resilienzkonzept als Querschnittsthema über die gesamte Lebensspanne und auf unterschiedliche Entwicklungsphasen. 

Autor*innen

Maike Rönnau-Böse ist Professorin für Kindheitspädagogik an der Evangelischen Hochschule Freiburg. Klaus Fröhlich-Gildhoff ist Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und war bis 2021 Professor für Entwicklungspsychologie und Klinische Psychologie an der Evangelischen Hochschule in Freiburg.

Aufbau

Das Buch gliedert sich in vier Kapitel und einem ausführlichen Literaturverzeichnis.

Inhalt

Das vorliegende Buch erscheint nach der Erstauflage von 2015 nun schon in einer dritten, erweiterten und aktualisierten Neuauflage. Neben diversen Aktualisierungen und Präzisierungen sind neu die Familienresilienz sowie die Resilienzförderung von Studierenden hinzugekommen.

Im Vorwort treten die beiden Autor*innen der Tendenz zur Individualisierung des Resilienzkonzepts einer auf Selbstoptimierung ausgerichteten Gesellschaft entgegen, und sie weisen darauf hin, dass nicht nur die psychosozialen Potentiale und Kompetenzen benachteiligter junger Menschen gezielt gefördert werden sollen, sondern dass die Wissenschaft auch auf krankmachende Lebensbedingungen in Familie, Kita, Schulen und Arbeitsumgebungen hinweisen muss. Ein wichtiger Hinweis, den viele Autor*innen wissenschaftlicher Bücher scheuen.

Im 1. Kapitel geht es um Resilienzdefinitionen und -konzepte. Nach einer kurzen Geschichte der Resilienzforschung werden wesentliche Schutz- und Resilienzfaktoren aufgeführt, mit verwandten Konzepten wie der Salutogenese (Antonovsy) verglichen und die Bedeutung persönlicher Ziele und Sinnstrukturen erläutert. Resilienz wird dabei als dynamischer Anpassungs- und Entwicklungsprozess verstanden, kann aber (bisher) nicht direkt gemessen werden. Als stabilster Prädiktor für eine resiliente Entwicklung zeigt sich eine stabile, unterstützende und zugewandte Beziehung – alle bisherigen Studien belegen diese Aussage eindeutig. Auf der personalen Ebene werden sechs Resilienzfaktoren beschrieben:

  1. Selbst- und Fremdwahrnehmung.
  2. Selbstregulation.
  3. Selbstwirksamkeit.
  4. Soziale Kompetenz.
  5. Aktive Bewältigungskompetenzen.
  6. Problemlösen.

Danach führen die beiden Autor*innen zwei verwandte Konzepte kurz auf: ‚Life skills‘ sowie das Stresskonzept mit günstigen Coping-Strategien, und sie betonen die Bedeutung von persönlichen Zielen und Sinnstrukturen.

Im 2. Kapitel geht es um allgemeine Betrachtungen über die Lebensspanne aus der Sicht der Resilienzforschung. Themen sind hier u.a. die Wechselwirkungen von Entwicklungsdeterminanten oder um die Wichtigkeit der Betrachtung von individuellen Entwicklungspfaden in der menschlichen Entwicklung. Entwicklungsaufgaben und Transitionen werden mit dem Resilienzkonzept in Verbindung gebracht.

Das 3. ausführliche Kapitel widmet sich dem Thema ‚Resilienz und Resilienzförderung im Lebenslauf‘: hier werden für alle Altersgruppen jeweils die wichtigsten Entwicklungsthemen und -aufgaben aufgeführt und anschließend mögliche Elemente einer wirkungsvollen Resilienzförderung diskutiert. Daraus eine kleine Auswahl: in der frühen Kindheit in der Familienunterstützung geht es u.a. um die Förderung sicherer Bindungsrepräsentationen oder um die passgenaue Unterstützung bei der Stressreduktion. Für die Resilienzförderung im institutionellen Rahmen (z.B. Kita) betonen die Autor*innen die Wichtigkeit einer angemessenen Fachkraft-Kind-Relation, die heute häufig nicht gegeben ist. Sie stellen weiter ihr erprobtes Kurzprogramm PRiK für Kindertageseinrichtungen vor. Im Schulalter betonen sie die Bedeutung einer grundlegenden Bestärkungskultur sowie die systematische Stärkung des Gefühls der Zugehörigkeit und Partizipation. Das in dieser Auflage neue Unter-Kapitel ‚Familienresilienz‘ zeigt u.a. die Bedeutung einer generellen Anpassungsfähigkeit, des Zusammenhalts, der Emotionsregulation und Flexibilität als Merkmale familiärer Resilienz.

Resilienzförderung im Kindes- und Schulalter bietet besonders im Schulbereich viele Möglichkeiten, besonders durch eine förderliche Lehrperson-Kind-Beziehung: eine gute Schulkultur kann besonders für belastete Kinder eine wichtige kompensatorische Funktion bedeuten. Resilienzförderung im Vorschul- und Schulbereich sollte auf mehreren Ebenen stattfinden: Kinder, Netzwerke (z.B. Erziehungsberatung, soziale Dienste), pädagogische Fachkräfte (z.B. entsprechende Fortbildungen) sowie die Zusammenarbeit mit Eltern (u.a. Elternkurse). Im Jugendalter werden soziale Netzwerke und Peers noch wichtiger. Entsprechend geht es – neben der Stärkung im personalen Bereich – um erweiterte Partizipationsmöglichkeiten, um individuelle und passgenaue Unterstützung und Begleitung im Übergang von der Schule in den Beruf, um die Förderung positiver Peergruppen (‚positive peer culture‘) oder um Mentor*innenprogramme (Bsp. www.balu-und-du.de). Im Teil über Resilienz im frühen und mittleren Erwachsenenalter kommen neben ergänzenden und neuen Entwicklungsaufgaben schützende Faktoren zur Sprache, u.a. Optimismus, Hoffnung, Sinn und Copingstrategien. Entsprechend bedeutet Resilienzförderung auch hier die Unterstützung von Entwicklungsaufgaben. Beispiele wären etwa Programme zur Prävention von Paarproblemen, Programme zur Vorbereitung auf die Elternschaft oder Programme zur Resilienzförderung am Arbeitsplatz. Das neue Kapitel ‚Resilienz und Resilienzförderung von Studierenden‘ referiert die Folgen von Uni-Reformen der letzten Jahre: Verdichtung von zeitlichen Anforderungen, erhöhter Leistungsdruck und grosser Anteil von Studierenden mit psychischen Auffälligkeiten. Als größter einzelner Belastungsfaktor werden fehlende soziale Kontakte angegeben. Entsprechend heisst hier Resilienzförderung eine bessere soziale Unterstützung, mehr Zeit und Räume für Interaktionen zwischen Studierenden und Lehrenden, positive individuelle Rückmeldungen durch Letztere oder mehr Lehrveranstaltungen mit interaktiven didaktischen Methoden. Der Teil zu Resilienz im Alter beschreibt Gewinne und Verluste in diesem Altersabschnitt und führt neben schon vorher erwähnten Fördermöglichkeiten die Optimierung und Korrektur von Lebenszielen auf: so spielt etwa der Umgang mit Funktionsverlusten eine wichtige Rolle.

Das letzte 4. Kapitel widmet sich der Resilienz und Resilienzförderung in spezifischen Bereichen. Die ‚Communitiy resilience‘ umfasst primär diverse soziale und infrastrukturelle Stärken einer Gemeinde – und entsprechend sollen diese unterstützt und weiter ausgebaut werden. Resilienzförderung in der Jugend- und Erziehungshilfe heisst für die beiden Autor*innen besonders auf zwei Ebenen anzusetzen: 1. sichere und wertschätzende Beziehungen zwischen professionellen Fachkräften und Betroffenen stärken und 2. auf mehreren Ebenen anzusetzen statt auf einzelne isolierte Programme setzen. In einem separaten Exkurs vergleichen die Autor*innen Alfred Adlers Konzept der Ermutigung mit dem Resilienzkonzept und kommen zu erstaunlichen Ergebnissen: verschiedene Begriffe Adlers (Bsp. Ressourcenorientierung, Bedeutung der Beziehung, Bestärkung) kommen verschiedenen Resilienzbegriffen recht nahe. Im Schlusskapitel geht es um ‚Resilienzfokussierte Kinderpsychotherapie‘. Nach der Beschreibung der empirisch gesicherten Wirkfaktoren – an erster Stelle die Beziehung zwischen Therapeut*in und Klient*in – stehen praktische Folgerungen im Zentrum: die Förderung der Aktualisierungstendenz, eine stärkenorientierte Grundhaltung sowie etwa die Förderung von Problemlösefähigkeiten oder adaptiver Stressbewältigungsmuster. All dies zielt letztlich immer auf die Stärkung der Selbstwirksamkeit der Betroffenen. 

Diskussion

Ein fundiertes, aktuelles, einen guten Überblick über die Thematik gebendes, anregendes und zugleich praxisbezogenes Buch, das allen am Thema ‚Resilienz und Resilienzförderung‘ Interessierten wie auch für Beratende und Therapeut*innen sehr zu empfehlen ist. Auf der Homepage der Autor*innen finden sich weitere nützliche Informationen zum Thema sowie praxisbezogene Materialien: www.resilienz-freiburg.de. Positiv fällt die schon eingangs erwähnte Kritik an einer rein individualistischen Perspektive von Resilienz auf – ein Mangel bei vielen ‚Schnellratgebern‘ zum Thema Resilienz.

Ein Hinweis: Für eine 4. Auflage müsste auf S. 39 oben der Text wieder vollständig sein – gegenüber der 1. Auflage ist auf der S. 39 auf der 1. Linie nach ‚Wege‘ ein Teil des Satzes weggebrochen.

Fazit

Das vorliegende Buch stellt nach der Darstellung der wichtigen Ergebnisse aus verschiedenen Resilienzstudien einen übersichtlichen und gut strukturierten Einblick in verschiedene Fördermöglichkeiten zur Stärkung der Resilienz dar.

Rezension von
Prof. Dr.em. Jürg Frick
Langjähriger Dozent und Berater an der Pädagogischen Hochschule Zürich.
Seit 2017 eigene Praxis (Beratungen, Supervision, Weiterbildungsseminare) und freier Mitarbeiter u.a. an diversen Pädagogischen Hochschulen.
www.juergfrick.ch
Mailformular

Es gibt 10 Rezensionen von Jürg Frick.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245