Julia Asbrand, Felix Peter et al.: Umgang mit gesellschaftlichen Krisen im Schulalltag
Rezensiert von Klaus Seifried, 11.06.2024

Julia Asbrand, Felix Peter, Claudia Calvano, Lea Dohm: Umgang mit gesellschaftlichen Krisen im Schulalltag.
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2024.
169 Seiten.
ISBN 978-3-8017-3264-6.
D: 22,95 EUR,
A: 23,60 EUR,
CH: 30,73 sFr.
Reihe: Psychologie im Schulalltag - Band 7.
Thema
Umgang mit gesellschaftlichen Krisen im Schulalltag.
Autor:innen
Die Autorinnen und Autoren sind Psychologen und arbeiten wissenschaftlich an Universitäten, in der Schulpsychologie oder der Fortbildung.
Aufbau
Das Buch ist klar gegliedert. Es beginnt mit Fallbeispielen, die die Wahrnehmung von aktuellen Krisen aus Sicht eines Kindes, eines Jugendlichen und einer Lehrerin verdeutlichen. Im folgenden Kapitel werden Begriff und Formen von Krisen und ihre Rückwirkung auf den Schulalltag beschreiben und definiert. Die nächsten Kapitel behandeln das Thema Stress und Stressreaktionen, Resilienz und Unterstützungsmöglichkeiten. Auch die psychische Belastung von Kindern, Jugendlichen und ihren Lehrkräften durch Krisen wird dargestellt und diskutiert. Im Anhang finden sich Materialien und Arbeitsblätter.
Inhalt
Der Krisenbegriff wird zurzeit inflationär gebraucht. Das Buch hilft Pädagoginnen und Pädagogen, Klarheit zu gewinnen. Auf welcher Ebene bin ich mit Krisen konfrontiert? Auf der persönlichen Ebene der Schülerinnen und Schüler, auf schulischer Ebene, auf gesellschaftlicher Ebene oder global?
Wie reagieren Kinder und Jugendliche auf Krisen? Hier werden das Stressmodell erläutert und mögliche Stressreaktionen beschrieben.
Der Schwerpunkt des Buches liegt darauf, Resilienzfaktoren und Unterstützungsmöglichkeiten zu benennen. Krisen sind nicht nur Belastungen für Kinder und Jugendliche. Sie können lernen, schwierige Situationen zu bewältigen, spüren ihre Selbstwirksamkeit und werden so gestärkt in ihrer Entwicklung. Je abstrakter und globaler eine Krise, wie z.B. Krieg und Klimawandel allerdings ist, umso schwieriger wird es für Kinder und Jugendliche, Ängste abzubauen und Handlungsoptionen zu entwickeln. Im vier Feldermodell (S. 73) wird deutlich, dass neben der individuellen Handlungsebene und der Familie die Schule eine zentrale Säule zur Stabilisierung und Resilienzförderung bei Kindern und Jugendlichen sein kann. Resilienz ist ein entscheidender Faktor für psychische Gesundheit.
Im 6. Kapitel wird die Unterstützung im Krisenfall diskutiert. Emotionsfokussierte, problemfokussierte und sinnfokussierte Strategien und Interventionen werden dargestellt und verglichen. Wenn eine starke Stressbelastung besteht, ist eine emotionsfokussierte Bewältigung der erste Schritt, um schrittweise eine emotionale Distanz zum Geschehen aufzubauen und durch Abstraktion zu problem- und sinnfokussierten Strategien zu kommen. Altersgemäße Besonderheiten im Grundschul- und Jugendalter werden dargestellt.
Das 7. Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, wie Schulen krisenfester werden können. Die Förderung psychischer Gesundheit und individueller Resilienz ist hierbei von zentraler Bedeutung. Dabei sind wertschätzende Kommunikation und Beziehungsarbeit eine Grundbedingung. Strukturelle Bedingungen für die Schulentwicklung sind Transparenz, ein positives Sozialklima, Raum und Zeit für Kommunikation, Partizipation, demokratische Strukturen und der Aufbau von Krisenteams.
Das 8. Kapitel beschreibt psychische Belastungsfaktoren von Lehrkräften und mögliche Bewältigungsmuster. Lehrkräfte sind – wie Eltern – für Schülerinnen und Schüler wichtige Rollenvorbilder. „Lehrkräfte können nur dann ein glaubhaftes, Sicherheit vermittelndes und hilfreiches Vorbild für ihre Schüler*innen sein, wenn sie auf ihre eigenen psychischen und physischen Grenzen achten.“ (S. 120)
Im Anhang finden sich Kopiervorlagen für die Information und Beratung von Eltern, für Gespräche und die Arbeit mit Kindern:
- Mein Kind ist ängstlich und besorgt
- Mein Kind ist gereizt und aggressiv
- Wie unterstütze ich mein Kind?
- Was tue ich mit meinen eigenen Sorgen?
- Informationen für Kinder
- Goldene Regeln für Gespräche
- Übungen zur Stressreduktion und Ressourcenaktivierung
- Anleitung für Entspannungsübungen
Diskussion
Das Buch gibt einen Überblick über Formen von aktuellen Krisen, mit denen Kinder und Jugendliche aktuell konfrontiert sind. Es beschreibt Resilienzfaktoren und Bewältigungsstrategien. Auch die Situation von Lehrkräften wird diskutiert. Hilfreich sind konkrete Fallbeispiele und Merksätze oder Fragen am Ende der einzelnen Kapitel. Die Literaturliste ist sehr umfangreich. Im Anhang finden sich Kopiervorlagen.
Für Pädagoginnen und Pädagogen kann das Buch hilfreiche Informationen zum Verständnis und für die Bewältigung von Krisen bieten. Auch wenn Fallbeispiele das Thema konkretisieren sollen, bleibt das Buch auf einer akademisch-theoretischen Ebene. Es fehlen konkrete Empfehlungen zur Umsetzung im Schulalltag. Was können Lehrerinnen und Lehrer leisten? Die Aufgaben und Möglichkeiten der Schulsozialarbeit und der Schulpsychologie fehlen völlig und wären ein wichtiger Baustein zur Umsetzung und Entlastung der Lehrkräfte.
Fazit
Kinder und Jugendliche leben heute scheinbar im Dauerkrisenmodus, andrerseits in Wohlstand und Frieden. Umso wichtiger ist es, das Thema Krisen in der Schule zu behandeln. Pädagoginnen und Pädagogen können gerade in Krisenzeiten wichtige Rollenvorbilder sein. Schülerinnen und Schüler können so Krisen besser verstehen und einordnen, Ängste formulieren, Orientierung und Sicherheit gewinnen. Im Buch werden Begriff und Formen von Krisen und ihre Rückwirkung auf den Schulalltag beschrieben und definiert. Die nächsten Kapitel behandeln die Themen Stress und Stressreaktionen, Resilienz und Unterstützungsmöglichkeiten. Auch die psychische Belastung von Kindern, Jugendlichen und ihren Lehrkräften durch Krisen wird dargestellt und diskutiert.
Rezension von
Klaus Seifried
Lehrer, Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut
Schulpsychologiedirektor i.R.
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