Renate Zimmer, Eva Heißel et al.: Frühe Sprachbildung - Alltagsintegriert & kindorientiert
Rezensiert von Alexandra Großer, 05.07.2024
Renate Zimmer, Eva Heißel, Sabine Hirler, Daniela Schmid, Steffi Sachse: Frühe Sprachbildung - Alltagsintegriert & kindorientiert. Themenheft Kleinstkinder in Kita und Tagespflege. Verlag Herder GmbH (Freiburg, Basel, Wien) 2024. 48 Seiten. ISBN 978-3-451-01089-7. D: 10,00 EUR, A: 10,30 EUR, CH: 14,50 sFr.
Thema
In diesem Themenheft aus der Reihe Kleinstkinder in Kita und Tagespflege geht es um die alltagsintegrierte und kindorientierte frühe Sprachbildung. Anschaulich werden in verschiedenen Fachbeiträgen der Erst- und Zweitspracherwerb von Kindern dargestellt. In weiteren wissenschaftlich fundierten Beiträgen erfahren die Leser*innen wie Sprache durch Bewegung beziehungsweise Rhythmik und Musik gefördert wird. Praxisimpulse und -tipps laden zur Umsetzung im Alltag ein.
AutorInnen
Die Fachbeiträge zu diesem Themenheft „Frühe Sprachbildung – Alltagsintegriert & kindorientiert“ wurden von insgesamt 11 Autorinnen verfasst, die im Themenheft auf S. 49 ausführlich vorgestellt werden.
Aufbau und Inhalt
Bei dem Heft Frühe Sprachbildung – Alltagsintegriert & kindorientiert handelt es sich um ein Themenheft der Fachzeitschrift Kleinstkinder in Kita und Tagespflege. An diesem Themenheft haben verschieden Autorinnen mitgewirkt, die auf einer Autorinnenseite vorgestellt werden. Das Themenheft beinhaltet viele Bilder und farblich abgesetzte Infokästen. In Acht Kapiteln mit Unterkapitel wird das Thema Frühe Sprachbildung behandelt. In Kapitel VIII Medientipps finden Leser*innen ausgewählte Fach- und Praxisbücher sowie Bilderbücher und Online-Kurse.
I. Meilensteine der Sprachentwicklung
Im ersten Kapitel geht Renate Zimmer zunächst auf die Sprachentwicklung bis drei Jahren ein. Im Infokasten werden die Teilbereiche der Sprachentwicklung beschrieben. Die Autorin betont, wie wichtig die „soziale Interaktion“ (S. 9) von Gleichaltrigen, mit älteren Kindern und Erwachsenen beim Spracherwerb ist. Besonders Erwachsene haben hier eine Vorbildfunktion, da sie die „Regeln der Sprache“ (ebd.) kennen und „weitgehend korrekt“ (ebd.) verwenden. Dabei haben sie die „Aufgabe, die kindliche Freude am Sprechen zu erhalten und Situationen zu schaffen, in denen sprachliche Äußerungen der Kinder spielerisch aufgegriffen, erwidert, bekräftigt oder durch Anregungen spielerisch unterstützt werden können“ (ebd.).
II. Vorsprachliche Kommunikation
Eva Heißel zeigt auf, wie Babys kommunizieren und welche Wirkung es auf Kleinkinder hat, wenn Bezugspersonen achtsam und responsiv mit ihnen kommunizieren. Unterstützt werden kann die Kommunikation bei Säuglingen und Kleinkindern durch „Gebärden bzw. Babyzeichen“ (S. 12). Durch Gebärden haben Kinder die Möglichkeit sich ihren Bezugspersonen mitzuteilen, auch wenn sie bisher nicht oder kaum verbal kommunizieren können. Die Autorin gibt zudem Tipps, wie Interaktion mit Kindern im Alltag gelingt.
III. Alltagsintegrierte Sprache
Anke Buschmann und Steffi Sachse gehen auf die verschiedenen Interaktionsstile von erwachsenen Bezugspersonen und Kindern ein. Den responsiven Interaktionsstil heben sie besonders hervor. Dieser Stil wirkt sich äußerst positiv auf die Sprachentwicklung und Kommunikationsstile der Kinder aus. Des Weiteren führen sie aus, wie pädagogische Fachkräfte „Kleinkinder zur Kommunikation anregen“ (S. 17) können. Die Autorinnen betonen, die Vorbildfunktion der Fachkräfte und zeigen mit den drei Phasen der kindgerichteten Sprache, wie Fachkräfte Kinder sprachlich fördern und in ihrem jeweiligen Entwicklungsstand unterstützen können. Ein weiteres Augenmerk der Autorinnen liegt auf „sprachlich schwache und sprachverzögerte Kinder“ (S. 21). Sie gehen hier explizit auf sogenannte Late Talker ein. Am Ende ihrer Ausführungen weisen sie darauf hin, dass pädagogisch Tätige neben dem theoretischen Wissen „über alltagsintegrierte Sprachbildung“ (S. 23) ihre eigenen Interaktionsmuster reflektieren und daran arbeiten sollten (vgl. S. 23).
IV. Mehrsprachige Kinder fördern
Maren Atkas, Doreen Asbrock, Sabine Frevert und Friederike von Lehmden zeigen anhand dreier Praxisbeispiele, wie unterschiedlich „die besondere Situation zweisprachig aufwachsender Kinder“ ist. Sie beschreiben Gelingensfaktoren für eine „erfolgreiche Zweisprachigkeit“ (S. 25) sowie die „Phasen des Spracherwerbs“ (S. 26) zweisprachiger Kinder. Diese enthalten viele Praxishinweise für pädagogisch Tätige um den Zweitspracherwerb von Kindern zu unterstützen. Pädagogisch Tätige, die die gleiche Sprache wie die Kinder und Eltern sprechen, können dazu beitragen, dass Eltern und Kinder der Kita ankommen und sich wohlfühlen.
V. Sprachförderung durch Bewegung
Kinder erschließen sich die Welt durch Bewegung. Renate Zimmer erläutert, wie pädagogisch Tätige Bewegungssituationen sprachförderlich nutzen können, um die Jüngsten in ihrer Sprachentwicklung zu unterstützen. Bevor Kinder sprechen, erkunden sie die Gegenstände; nehmen sie in den Mund, schütteln sie, klopfen mit ihnen auf den Boden, lassen sie fallen. Dieses Spiel wiederholen sie immer und immer wieder. Kinder erkunden mit allen Sinnen die Dinge, und entdecken dabei „die Beschaffenheit von Objekten“ (S. 30). Pädagogisch Tätige begleiten diese Handlungen mit Sprache. „In Bewegungshandlungen“ (S. 31) erfährt das Kind „zeitliche Begriffe wie ‚langsam‘ und ‚schnell‘ oder räumliche Begriffe wie ‚hoch‘ und ‚tief‘“ (ebd.). Auch die grammatikalische Struktur der Sprache lässt sich über Bewegungsspiele erfahren, wie die Autorin anhand von Praxisimpulsen anschaulich darstellt.
VI. Sprachförderung durch Rhythmik & Musik
Sabine Hirler stellt in ihrem Beitrag die Verbindung zwischen Sprache und Musik her. Sie zeigt praxisnah, wie Lieder, Reime und Verse die Sprachentwicklung der Jüngsten fördern und unterstützen.
VII. Sprachförderung durch Dialogisches Lesen
Daniela Schmid und Tabea Grad stellen zunächst die Sprachbildungsstrategien vor, bevor sie anhand eines Beispiels das dialogische Lesen näher erläutern.
Diskussion
Das Themenheft „Frühe Sprachbildung – Alltagsintegriert und kindorientiert“ bietet Einblicke in den Spracherwerb von Kindern und wie dieser in der Praxis begleitet werden kann. Pädagogisch Tätigen, die noch wenig vertraut sind mit der Sprachentwicklung von Kindern bietet das Themenheft einen guten Einstieg und Überblick der sprachlichen Entwicklung sowie Praxisimpulse.
In einem Kapitel wird die Gebärden- zw. Babyzeichensprache angesprochen. Hilfreich wären hier Abbildungen verschiedener gängiger Gebärden gewesen, um eine Vorstellung von diesen zu bekommen.
Vorsichtig sollten die Kommunikationsstile von Kindern und Erwachsenen betrachtet werden. Hier werden Kinder allzu schnell Eigenschaften zugeschrieben. Dadurch kann Schubladendenken entstehen, was den Kindern wenig hilft. Die Autorinnen betonen, dass es Mischformen gibt und unterschiedliche Kommunikationsstile der Kinder unterschiedliche Verhaltensweisen der Erwachsenen hervorrufen können. Daher regen die Autorinnen an sich gegenseitig im Team zu beobachten und das eigene Interaktionsverhalten zu reflektieren. Den eigenen Interaktionsstil zu kennen, ist ein wichtiger Schritt hin zu einem responsiven Interaktionsstil. Ob die Einteilung in die verschiedenen Interaktionsstile dabei hilfreich ist, ist fraglich. Denn Ziel jeden pädagogischen Handelns in Kitas sollte eine kindgerechte bedürfnisorientierte und gewaltfreie Pädagogik sein. Daher sollte es in Feedbackgespräche nicht um Zuschreibungen gehen, sondern um Beschreibungen von Verhaltensweisen. Die Autorinnen geben in ihrem Fachbeitrag Praxisimpulse an die Hand, wie Kinder zur Kommunikation angeregt werden können, die sich im Alltag gut umsetzen lassen.
Nichtsdestotrotz finden pädagogische Fachkräfte, die in der Krippe arbeiten, fachlich fundierte, ausführliche und gut verständlich geschriebene Fachbeiträge in diesem Themenheft zur sprachlichen Entwicklung vor. Es wird deutlich worauf es in der Sprachentwicklung ankommt, was es für gelungene Interaktionen braucht und wie diese gelingen. Zudem erfahren die Leser*innen wie Sprache mit Bewegung zusammenhängt, wie Bewegung die Grammatikentwicklung von Kindern fördert und Rhythmik und Musik die Wahrnehmungsförderung unterstützt.
Fazit
Das Themenheft bietet Berufsanfängerinnen sowie pädagogischen Fachkräften einen Überblick sowie Hintergrundinformationen zum Spracherwerb und Praxisimpulse, um die sprachliche Entwicklung der Kinder ganzheitlich zu unterstützen und zu fördern.
Rezension von
Alexandra Großer
Fortbildnerin, päd. Prozessbegleiterin, systemische Beraterin
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Es gibt 54 Rezensionen von Alexandra Großer.
Zitiervorschlag
Alexandra Großer. Rezension vom 05.07.2024 zu:
Renate Zimmer, Eva Heißel, Sabine Hirler, Daniela Schmid, Steffi Sachse: Frühe Sprachbildung - Alltagsintegriert & kindorientiert. Themenheft Kleinstkinder in Kita und Tagespflege. Verlag Herder GmbH
(Freiburg, Basel, Wien) 2024.
ISBN 978-3-451-01089-7.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/32057.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
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